Urteil des AG Duisburg vom 19.02.1990
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Amtsgericht Duisburg, 5 C 707/89
Datum:
19.02.1990
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 C 707/89
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, die im Erdgeschoss rechts, im Hause
Kaiserswerther Straße 91 b in 4100 Duisburg 28, gelegene, 3 Zimmern,
Küche, Diele, Bad, WC und Keller bestehende Wohnung zu räumen und
an die Klägerin herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2990
bewilligt.
Tatbestand:
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Mit Wirkung zum 1. April 1984 hat der Beklagte eine 60,89 m² große Wohnung der
Klägerin angemietet. Zwischenzeitlich besteht die Familie des Beklagten aus zwei
erwachsenen Personen und sieben Kindern, die zwischen 1975 und 1988 geboren
sind. Mit Schreiben vom 24. August 1988 hat die Klägerin das Mietverhältnis zum 30.
November 1988 gekündigt. Unter dem 9. Dezember 1988 und 22. Juni 1989 hat die
Klägerin den Beklagten zur Beseitigung der Überbelegung aufgefordert. Nachdem der
Beklagte nichts unternommen hatte, hat die Klägerin erneut mit Schreiben vom 17.
Oktober 1989 eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Die in diesem Schreiben
gesetzte Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 1989 hat der Beklagte nicht eingehalten.
Die Klägerin verlangt nunmehr Räumung der angemieteten Wohnung. Sie ist der
Auffassung, es liege eine für sie unzumutbare Überbelegung der Wohnung vor, da sich
in der Wohnung mindestens 10 Personen, nämlich 2 Erwachsene und 8 Kinder,
aufhielten. Über die tatsächliche Personenzahl habe sie erst nachträglich Kenntnis
erhalten. Der Beklagte habe die zu seinem Haushalt gehörenden Personen ihr
gegenüber bei Abschluss des Mietvertrages nicht bekannt gegeben, auch sei sie über
den seinerzeit eingeschalteten Makler hierüber nicht informiert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, die im Erdgeschoss rechts im Hause
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Kaiserswerther Straße 91 b in 4100 Duisburg 28 gelegene und aus
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3 Zimmern, Küche, Diele, Bad, WC und Keller bestehende Wohnung
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zu räumen und an sie herauszugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, dem Makler sei mitgeteilt worden, dass der Beklagte beabsichtige, die
alsdann auch angemietete Wohnung mit sieben Personen – zwei Erwachsenen und fünf
Kindern – zu beziehen. Der Klägerin sei also schon zu jenem Zeitpunkt bekannt
gewesen, dass die Wohnung überbelegt werde. Sie könne hierauf jetzt nicht eine
Kündigung stützen.
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Wegen des weitergehenden Sachvortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt
der wechselseitig zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten gemäß § 556 BGB ein Anspruch auf
Räumung und Herausgabe der hier streitigen Mietwohnung zu. Die hiergegen vom
Beklagten erhobenen Einwendungen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.
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Unstreitig ist, dass der Beklagte die Mietwohnung der Klägerin inzwischen zumindest
mit 2 erwachsenen Personen und 7 Kindern bewohnt. Die nur 60,89 m² große 3-
Zimmerwohnung ist durch die Benutzung von 9 Personen zweifelsfrei bei weitem
überbelegt. Ist jedoch eine Wohnung in erheblichem Maße überbelegt, so begründet
allein die Fortsetzung des vertragswidrigen Gebrauchs ein Recht zur fristlosen
Kündigung, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedarf (OLG Karlsruhe in NJW
1987, 1952). Da die Klägerin den Beklagten mehrfach außergerichtlich zur Beseitigung
des vertragswidrigen Zustandes aufgefordert hat, der Beklagte diesen Aufforderungen
jedoch nicht nachgekommen ist, war die Klägerin berechtigt, das Kündigungsverhältnis
gemäß § 553 BGB fristlos zu kündigen. Die Tatsache, dass die Klägerin in ihren
Kündigungsschreiben als Norm den § 554 a BGB angeführt hat, ändert an der
Wirksamkeit der Kündigung nichts. Das Kündigungsschreiben vom 17. Oktober 1989
lässt eindeutig erkennen, worauf die fristlose Kündigung gestützt wird. Dass hierbei auf
die im Verhältnis zu § 553 BGB generelle Norm des § 554 a BGB Bezug genommen
wird, schadet nicht.
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Der Beklagte kann sich durchgreifend nicht darauf berufen, der Klägerin sei bereits bei
Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen, dass schon zu jenem Zeitpunkt die
angemietete Wohnung überbelegt werde. Wenn der Beklagte insoweit vorträgt, der
Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Wohnung mit sieben Personen bezogen
werden sollte, so ist zunächst festzuhalten, dass diese Angabe nicht vollständig richtig
war. Aus den Angaben des Beklagten über die persönlichen und wirtschaftlichen
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Verhältnisse ergibt sich nämlich, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietvertrages schon 6 Kinder geboren waren, die Mietwohnung mithin nicht mit 7
sondern mit 8 Personen bezogen werden sollte. Des weiteren muss mangels
gegenteiligen Sachvortrags aufgrund der Größe der Wohnung davon ausgegangen
werden, dass für die Klägerin eine Belegung der Mietwohnung mit 7 Personen das
absolute Maximum dessen darstellte, was ihr zumutbar war. Da zwischenzeitlich
mindestens zwei weitere Personen hinzugekommen sind, ist es der Klägerin, selbst
wenn sie von der damaligen Belegungszahl Kenntnis hatte, jetzt nicht mehr zumutbar,
dass der Beklagte mit seiner gesamten Familie weiterhin in ihrer Wohnung verbleibt.
Von der Klägerin kann der Beklagte im Übrigen auch nicht verlangen, dass ihm zum
Zwecke der Beseitigung der Überbelegung eine weitere oder eine größere
Mietwohnung zur Verfügung gestellt wird. Ein derartiges Begehren findet im Gesetz
keine Stütze und würde letztlich auch darauf hinauslaufen, dass die Klägerin zum
Abschluss eines weiteren oder eines anderen Mietvertrages gezwungen würde.
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Der Beklagte hat somit aufgrund der wirksamen Kündigung vom 17. Oktober 1989 die
von ihm angemietete Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Mit
Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und insbesondere die
Größe seiner Familie erscheint es dem Gericht jedoch auch unter Berücksichtigung der
Interessen der Klägerin angemessen, dem Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.
August 1990 zu bewilligen. Der Beklagte, dem schon seit geraumer Zeit bekannt war,
dass die Klägerin auf einer Räumung der Wohnung bestand, wird nunmehr gehalten
sein, sich intensiv um eine Ersatzwohnung zu bemühen, auch wenn dies bei der
derzeitigen knappen Wohnungssituation nicht leicht sein wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 7 ZPO.
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