Urteil des AG Duisburg vom 25.03.1996

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Amtsgericht Duisburg, 5 C 584/94
Datum:
25.03.1996
Gericht:
Amtsgericht Duisburg
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 C 584/94
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger
378,14 DM zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nur zum Teil begründet.
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Die Kläger können von den Beklagten lediglich Zahlung in Höhe von 378,14 DM für den
Zeitraum 15.10.1990 bis 31.01.1991 gemäß §§ 812 Abs. I Satz 1 1. Alternative, 139
BGB, 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) verlangen. Den Klägern steht dagegen kein
Anspruch auf Auskunft über die nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften
berücksichtigungsfähigen Kosten sowie erforderlichenfalls Versicherung der Richtigkeit
und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt zu.
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Es fehlt insoweit an einer Anspruchsgrundlage.
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Die Kläger können sich nicht auf § 8 Abs. 4 WoBindG berufen. Das WobindG findet
gemäß seines § 1 Abs. 1 Anwendung nur für neugeschaffene öffentlich geförderte
Wohnungen. Der streitgegenständliche Wohnraum ist unstreitig jedoch frei finanziert.
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Eine Anspruchsgrundlage ergibt sich auch nicht aus §§ 812, 242 BGB. Zwar ist der
Bereicherungsschuldner grundsätzlich zur Auskunftserteilung verpflichtet, wenn sich der
Bereicherungsgläubiger unverschuldet in Unkenntnis über den Umfang seines
Anspruches befindet. Vorliegend ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt. Die Kläger
sind in der Lage, ihren vermeintlichen Rückerstattungsanspruch zu beziffern.
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Die Tatbestände der Mietzinsüberhöhung, Mietwucher und Mietpreisüberschreitung
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nach § 5 WiStG haben gemeinsam, dass die vereinbarte Miete zu einem Normwert in
einem Missverhältnis steht, wobei der Normwert im Bereich des frei finanzierten
Wohnraumes die ortsübliche Miete ist. Die Kostenmiete als das Gebrauchsentgelt, das
zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (vgl. § 8 Abs. 1 WoBindG) ist
gerade nicht die maßgebliche Vergleichsgröße. Die ortsübliche Miete bestimmt sich
nicht nach einer Kostenmiete, sondern nach der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß §
2 Abs. 1 Ziff. 2 MHG.
Die Kostenmiete spielt im Zusammenhang mit einer auf eine Mietpreisüberhöhung nach
§ 5 WiStG gestützten Rückerstattungsforderung des Mieters lediglich als Einwendung
des Vermieters eine Rolle. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStGB sind Entgelte trotz
Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze u.U. dann nicht unangemessen hoch, wenn
sie zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind.
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Würde man dem Mieter zur Vorbereitung seines auf eine Mietpreisüberhöhung
gestützten Rückerstattungsanspruches ein Recht zur Erteilung einer
Wirtschaftlichkeitsberechnung zubilligen, würde man dem Vermieter systemwidrig eine
Verteidigungsmöglichkeit abschneiden. Es muss dem Vermieter vorbehalten bleiben, ob
er sich im Rechtsstreit über das Bestehen eines Rückerstattungsanspruches wegen
preiswidriger Leistungen auf das Bestehen einer Kostenmiete berufen will oder nicht.
Dies führt auch nicht zu für den Mieter unbilligen Ergebnissen. Sollte sich der Vermieter
im Rechtsstreit auf die Kostenmiete berufen, trägt er für deren Vorliegen die Darlegungs-
und Beweislast. Die Kläger, die sich gegenüber den Beklagten auf eine
Mietpreisüberhöhung berufen, tragen als Anspruchsführer das Risiko bezüglich des
Erfolges eines Rückerstattungsprozesses. Dieses Risiko kann nicht auf die Beklagten
als Vermieter dadurch abgewälzt werden, dass im Rahmen eines Auskunftsverlangens
die Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung begehrt wird.
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Der Zahlungsanspruch beruht auf § 812 Abs. I Satz 1 1. Alternative BGB. Die
Vereinbarung der Parteien bezüglich der von den Klägern zu zahlenden Mietzinsen vom
25.9.1990 ist nach §§ 5 WiStG, 134, 139 BGB teilnichtig. Die von den Klägern für den
Zeitraum 15.10.1990 bis 31.1.1991 zu zahlenden Mietzinsen sind unangemessen hoch,
da sie infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die
üblichen Entgelte um mehr als 20 % übersteigen.
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Die Kläger zahlten während des vorbezeichneten Zeitraumes eine monatliche
Grundmiete in Höhe von 1.050,-- DM. Dies entspricht bei einer Wohnungsgröße von
84,41 m² einer Grundmiete pro Quadratmeter in Höhe von 12,44 DM. Die ortsübliche
Vergleichsmiete gemäß § 2 Abs. I Ziff. 2 MHG betrug für den vorgenannten Zeitraum
9,30 DM/m². Die von den Klägern pro Quadratmeter gezahlten 12,44 DM übersteigen
die Wesentlichkeitsgrenze (9,30 DM + 20 % von 9,30 DM = 11,16 DM) um 1,28 DM.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist von einer ortsüblichen Vergleichsmiete pro
Quadratmeter in Höhe von 9,30 DM auszugehen. Dies hat der Sachverständige Franze
bei seiner Anhörung am 29.2.1996 nachvollziehbar ausgeführt. Zugrundezulegen ist der
Mietspiegel 90 für das Stadtgebiet Duisburg, Stand 1.1.1990, der von einer
Teilinclusivemiete ausgeht. Die streitgegenständliche Wohnung ist entsprechend den
Ausführungen des Sachverständigen unter C c, Gruppe V des Mietspiegels
einzuordnen. Es ist von einer guten Wohnlage auszugehen. Der Mietspiegel weist für
solche Wohnungen einen Teilinclusivepreis pro Quadratmeter in Höhe von 8,20 DM bis
9,80 DM aus. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, war von 9,60 DM auszugehen.
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Zuschläge waren wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat lediglich in
Höhe von 0,40 DM/m² zu berücksichtigen. Weitere Zuschläge, insbesondere die
Ansetzung des Höchstbetrages von 9,80 DM waren nicht gerechtfertigt.
Der Balkon, mit dem die Wohnung ausgestattet ist, vermag einen zusätzlichen Zuschlag
nicht zu begründen. Die Balkonfläche ist bei der Wohnflächenberechnung mit
eingeflossen. Die Beklagten haben im Termin klargestellt, dass sowohl der überdachte
Teil als auch der nicht überdachte Teil des Balkons in die Mietflächenberechnung
eingeflossen ist und zwar jeweils zu unterschiedlichen Anteilen. Der Balkon hat sich
damit bereits mietzinsbildend ausgewirkt, da bei der Mietzinsberechnung eine größere
Wohnfläche zugrunde gelegt wurde. Ein zusätzlicher Zuschlag wäre nur dann
gerechtfertigt, wenn der Balkon bei der Mietflächenberechnung nicht berücksichtigt
worden wäre.
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Auch die von den Beklagten ausgeführte Plattierung des Balkons rechtfertigt keinen
weiteren Zuschlag. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der alte Belag
bestehend aus Waschbetonplatten für einen Balkon eigentlich ein ungeeignetes
Material darstelle, weil er nicht richtig gesäubert werden könne. Die nunmehr
vorhandene Plattierung, so der Sachverständige, entspreche dem üblichen Standard.
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Auch die Nachrüstung aller Heizkörper in der Wohnung mit Thermostatventilen vermag
einen Zuschlag nicht zu begründen. Auch diese Art der Ausstattung entspricht dem
üblichen Standard.
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Auch das Zurverfügungstellen einer Haustürsprechanlage sowie von Kabelanschluss
rechtfertigen keine weitergehenden Zuschläge.
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Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg auf die Installation einer
wohnungsinternen Alarmanlage berufen. Dem steht schon entgegen, dass die Kläger
den Beklagten die Alarmanlage unstreitig abkauften.
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Auch die Ausstattung der Küche, des Kinderzimmers und des Wohnzimmers mit
Marmorfensterbänken vermag keine weiteren Zuschläge zu begründen. Der
Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass Marmorfensterbänke schon im sozialen
Wohnungsbau vor 1960 wegen der geringen Materialkosten eingebaut worden seine.
Es ist daher auch bezüglich der Marmorfensterbänke lediglich von einer
standardgerechten Ausstattung auszugehen. Auch der Umstand, dass es sich um
überbreite Fensterbänke handelt, kann sich nicht weitererhöhend auswirken. Der von
den Beklagten für die Überbreite der Fensterbänke gezahlte Aufpreis ist, wie der
Sachverständige bekundet hat, so gering, dass er sich nicht als Zuschlag auswirken
konnte.
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Des weiteren kann die Ausführung der Türen nicht werterhöhend berücksichtigt werden.
wie der Sachverständige ausgeführt hat, kann bezüglich der Naturholz limbafunierten
Türen nicht von Edelholztüren gesprochen werden. Limbafuniere wurden, so der
Sachverständige, bereits in den 60er Jahren auch für den sozialen Wohnungsbau
verwendet. Ein Edelholz wäre, wie der Sachverständige weiter ausführt, beispielsweise
Nussbaum. Die Beklagten können sich zudem nicht auf die Holzverkleidung der
Heizkörper im Kinder- und Wohnzimmer sowie die Deckenholzvertäfelung in der Küche,
in der Diele und im Bad berufen. Zwar handelt es sich, wie der Sachverständige
ausgeführt hat, um eine gute Wohnungsausstattung. Gleichwohl, so der
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Sachverständige, seien weitere Zuschläge nicht gerechtfertigt, da nicht unberücksichtigt
bleiben kann, dass Holzverkleidungen den Mieter in seiner Gestaltungsfreiheit insoweit
einschränken, als die verwendeten Möbel zu den Holzvertäfelungen passen müssen.
Darüber hinaus schlage, wie der Sachverständige ausgeführt hat, negativ zu Buche,
dass Bad und Toilette nicht getrennt und dass zwei Räume ohne Bodenbeläge
vermietet worden seien.
Auch die Ausstattung des Bades vermag einen weiteren Zuschlag nicht zu rechtfertigen.
Welche Sonderausstattung hier einen Zuschlag rechtfertigen soll, wird nicht
nachvollziehbar dargelegt. Die Beklagten tragen hier lediglich vor, dass bessere Fliesen
und sanitäre Anlagen verwandt worden seien.
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Es ist daher von einer ortsüblichen Vergleichsmiete in Höhe von 9,60 DM + 0,40 DM =
9,80 DM (Teilinclusivemiete) auszugehen. Der Sachverständige hat festgestellt, dass er
in seinem Gutachten den mittleren Marktzins ermittelt habe. Auch der Mietspiegel weist
Durchschnittswerte aus. Die lediglich theoretische Möglichkeit, dass ein Mieter
gefunden wird, der etwas mehr zahlt, kann einen Zuschlag nicht rechtfertigen. Konkrete
Vergleichswohnungen, für die ein höherer Mietzins gezahlt worden wäre, tragen die
Beklagten nicht vor.
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Da der Mietspiegel eine Teilinclusivemiete ausweist, sind Betriebskosten in Höhe von
ca. 0,70 DM abzusetzen. Die Beklagten sind dem Vortrag der Kläger, dass folgende
Betriebskosten, die im Mietspiegel 1990 nicht berücksichtigt wurden, nicht hinreichend
substantiiert entgegengetreten:
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1. Kosten für öffentliche Lasten 0,25 DM
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(Nr. 1 der VO)
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2. Kosten für Straßenreinigung 0,20 DM
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(Nr. 7 der VO)
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3. Kosten der Gartenpflege 0,15 DM
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(Nr. 9 der VO)
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4. Kosten der Schornsteinreinigung 0,01 DM
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(Nr. 11 der VO)
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5. Kosten der Sach- und Haftpflichtver- 0,10 DM
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sicherung (Nr. 12 der VO) 0,71 DM.
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Es ist daher gemäß § 138 Abs. III ZPO insoweit von einem Zugeständnis auszugehen.
Die ortsübliche Vergleichsmiete beträgt daher:
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9,60 DM
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+ 0,40 DM
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10,00 DM
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- 0,70 DM
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9,30 DM.
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Vorliegend übersteigen die Entgelte die üblichen Entgelte um mehr als 20 % infolge der
Ausnutzung eines geringen Angebotes an vergleichbaren Räumen. Ein geringes
Angebot an Wohnraum ist anzunehmen, wenn das örtliche Wohnungsangebot die
bestehende Nachfrage nicht wenigstens spürbar übersteigt (vgl. Sternel, Mietrecht, 3.
Auflage, Köln 1988, III 59 mit weiteren Nachweisen).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass ein geringes Angebot an
Wohnungen in dem betreffenden Zeitraum vorlag. Duisburg ist von den Beklagten
unwidersprochen als ein Gebiet mit erhöhtem Wohnbedarf im Sinne von § 5 a WoBindG
ausgewiesen. Zudem besteht von den Beklagten ebenfalls unwidersprochen ein
erheblicher Nachfrageüberhang nach Sozialwohnungen. Es gibt eine hohe Zahl von
Wohnungsnotfällen, die dringend auf die Hilfe der Behörden angewiesen sind, um zu
einer Wohnung zu gelangen. In Duisburg gilt zudem von den Beklagten ebenfalls
unwidersprochen ein Zweckentfremdungsverbot. Das Vorliegen dieser sogenannten
Indiztatsachen lässt den Schluss auf ein geringes Angebot an Wohnraum zu (vgl.
Sternel, a.a. O., III 62). Zudem hat auch der Sachverständige bestätigt, dass ein geringes
Angebot an Wohnraum bzgl. der streitgegenständlichen Wohnung vorlag. Der
Sachverständige hat aufgrund seiner Marktbeobachtungen geschätzt, dass zur Zeit das
Verhältnis von Angeboten zu Gesuchen etwa 4 : 1 sei, 1990 sei das Verhältnis
umgekehrt gewesen. Damals habe eine rege Nachfrage geherrscht. Die Vermieter
hätten viel Gestaltungsmöglichkeit bezüglich der Mietkonditionen gehabt. Insbesondere
bezüglich des streitgegenständlichen Ortsteils habe eine große Nachfrage nach
besseren Wohnungen bestanden.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten fahrlässig oder vorsätzlich handelten.
Für die Annahme der Teilnichtigkeit genügt es, dass der objektive Tatbestand der
Verbotsnorm erfüllt ist. Auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen
insbesondere der Person des Vermieters kommt es nicht an (vgl. Sternel, a.a.O., III 40
mit weiteren Nachweisen).
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Es steht nicht fest, dass die Entgelte zur Deckung der laufenden Aufwendungen des
Vermieters erforderlich sind (§ 5 Abs. II Satz 2 WiStG). Hier fehlt es an entsprechenden
Darlegungen und Beweisantritten der Beklagten. So haben die Beklagten für ihre
Behauptung, dass die Wohnung einen Verkaufswert im Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietvertrages von mindestens 250.000,-- DM gehabt habe, trotz Bestreitens der
Beklagten keinen Beweis angetreten.
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Die Mietzinsvereinbarung ist daher insoweit nichtig als die ortsübliche Vergleichsmiete
um mehr als 20 % überschritten ist. Der von den Klägern in der streitgegenständlichen
Zeit gezahlte Mietzins übersteigt diese Grenze um 1,28 DM (12,44 DM – 11,16 DM).
Dies entspricht bezogen auf die Grundmiete einem monatlichen Betrag in Höhe von
108,04 DM (1,28 DM x 84,41 m²).
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Die Kläger legen den Zeitraum 15.10.1990 bis 31.1.1991 zugrunde, so dass die
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Mietzinsvereinbarung in Höhe eines Betrages von 378,14 DM (3,5 x 108,04 DM)
teilnichtig ist. Die Zahlungen der Beklagten erfolgten insoweit rechtsgrundlos, so dass
wie tenoriert zu entscheiden war.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. I, 708 Nr. 11, 713
ZPO.
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Streitwert: 735,63 DM bis zum 25.7.1995, 449,06 DM seit dem 26.7.1995.
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