Urteil des AG Düsseldorf vom 13.06.2006
AG Düsseldorf: akte, sorgfalt, hindernis, vollstreckung, schmerzensgeld, gefährdung, verkehr, gefahr, sucht, beleuchtung
Amtsgericht Düsseldorf, 40 C 4757/06
Datum:
13.06.2006
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
40 C 4757/06
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 09.05.2006
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin stürzte am 08.12.2005 gegen 15.00 Uhr im Warenhaus der Beklagten (X in
X) im Erdgeschoss auf dem Weg zu einer Umkleidekabine über ein Glaspodest, das
zwischen zwei Warenständern stand, eine Höhe von ca. 30 cm hat und das nicht
vollständig mit Schaufensterpuppen bestellt war. Das Podest besitzt eine
Innenbeleuchtung. Die Stellfläche besteht aus mattiertem Glas.
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Die Klägerin behauptet, sie habe sich durch die aufgestellten Warenständer zur
Umkleidekabine wie in einem Slalom bewegen müssen. Der Abstand zu den
Warenständern habe noch unter einer ausgestreckten Armlänge betragen. Die
Warenständer seien bis zu 1 m an das Podest herangestellt worden. Die Klägerin sei
bei ihrem Sturz mit dem Kopf gegen einen anderen Kleiderständer geprallt und habe im
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Krankenhaus wegen einer Unterschenkelprellung und einer Schädelprellung behandelt
werden müssen. Sie habe Schmerzen im rechten Arm und rechten Handgelenk gehabt.
Zur Zeit bestünden Dauerschmerzen in der rechten Körperhälfte. Sie sei in zahlreichen
ärztlichen Behandlungen und Krankengymnastiksitzungen gewesen. Eine verbleibende
Schädigung sei bei ihr nicht auszuschließen. Ihr sei von Verkäuferinnen mitgeteilt
worden, dass diese selbst bereits über Podeste im Hause der Beklagten gestolpert
seien.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe gegen ihre Verkehrssicherungspflicht
verstoßen. Die Laufwege für Kunden hätten freigehalten werden müssen. Das Podest
sei zu eng von ausgestellter Ware umstellt gewesen. Die unstreitig vorhandene
Innenbeleuchtung des Podestes sei keine Warnbeleuchtung, sondern diene nur dazu,
dem Podest eine gewisse dezente Färbung zu verschaffen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, bis zu
4.000,00 EUR, zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift und an die Klägerin vorgerichtliche
Kosten in Höhe von 40,22 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei durch eigene Unachtsamkeit zu Fall
gekommen. Das streitgegenständliche Podest sei kein unvorhersehbares Hindernis; es
entspreche dem üblichen Standard in Warenhäusern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
nebst Anlagen, insbesondere die zur Akte gelangten Fotos (Anlage K 6, Bl. 11 – 13 GA
und Bl. 26 GA) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld
in Höhe von 4.000,00 EUR und Gutachterkosten in Höhe von 40,22 EUR aus §§ 280
Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2; 823 Abs. 1, 253 BGB. Es kann offen bleiben, welchen
Ausmaßes die Verletzungen der Klägerin sind, jedenfalls beruhen sie nicht auf einem
schuldhaften Verhalten der Beklagten. Die Klägerin stürzte in den Geschäftsräumen der
Beklagten und macht diese dafür verantwortlich, dass sie keine Schutzvorrichtungen
getroffen habe. Ein Unterlassen ist nur dann vorwerfbar zurechenbar, wenn eine Pflicht
zum Handeln zur Verhütung der Rechtsgutsverletzung besteht. Das ist insbesondere
dann Fall, wenn eine Gefahrenquelle für Dritte geschaffen wird oder eine solche im
eigenen Verantwortungsbereich andauert. In diesem Fall hat der Verursachende die
allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen
und die notwendigen Vorkehrungen zu deren Schutz zu treffen. Die Anforderungen an
eine Verkehrssicherungspflicht dürfen jedoch nicht überspannt werden. Eine
Verkehrssicherungspflicht, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar (vgl. Sprau
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in: Palandt, BGB, § 823, Rdnr. 51). Daher muss nicht für alle denkbaren entfernten
Möglichkeiten eine Schadenseintrittsvorsorge getroffen werden. Es genügen diejenigen
Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr
erforderlich und zumutbar sind, d. h. die nach den Sicherheitserwartungen des
jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren
von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz
fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Der Dritte ist dabei vor Gefahren
zu schützen, die er selbst bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu
erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder vermeiden kann (OLG
Hamm, Urt. v. 17.12.2001, VersR 2003, 605). Beim Betreten eines Warenhauses –
Bekleidungsabteilung – muss jeder Benutzer mit aufgestellten Kleiderständern,
Warenauslagen, Schaufensterpuppen und Regalen rechnen. Dies ist für alle Benutzer
dieser Räumlichkeiten zu erwarten und auch ohne weiteres erkennbar. Sie müssen ihr
eigenes Verhalten darauf abstellen. Unstreitig existieren im Kaufhaus der Beklagten
ausreichend breite Wege, auf denen man die Umkleidekabinen erreichen kann. Wenn
ein Kunde einen kürzeren Weg wählt, der durch die Verkaufsfläche, auf der
Warenständer und Podeste mit Schaufensterpuppen stehen, wählt, muss er auf den
eingeschlagenen Weg Rücksicht nehmen und Hindernissen selbständig ausweichen.
Die Klägerin ist vorliegend auf kein Hindernis oder eine Gefährdungslage gestoßen, mit
der auf der konkreten Verkehrsfläche nicht zu rechnen gewesen wäre. Anders wäre der
Fall, wenn sie beispielsweise über eine dort befindliche Bananenschale, eine
abgestellte Anlieferungskiste oder eine nasse Fläche gestürzt wäre. Es stellt eine
Überspannung an die Anforderungen der Verkehrssicherungspflicht dar, wenn verlangt
würde, die Verkaufsständer, Podeste und Auslagen mit Warnhinweisen, sei es farblich,
sei es durch Beleuchtung, auszustatten. Ausweislich der zur Akte gereichten Fotos war
bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, bezogen auf die konkrete Verkehrsfläche, ein
Passieren des Podestes und der Kleiderständer möglich. Allein aus dem Umstand, dass
Warenständer nahe an dem Podest standen, kann keine Pflichtverletzung der Beklagten
abgeleitet werden. Gerade die Nähe der einzelnen Elemente gebietet es dem Kunden,
der den Weg hindurch sucht, sorgfältig zu schauen. Ausweislich der zur Akte gereichten
Fotos war ein Übersteigen von Hindernissen nicht erforderlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert (§ 48 GKG, § 3 ZPO): 4.000,00 EUR
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