Urteil des AG Düsseldorf vom 26.11.1984

AG Düsseldorf (fahrzeug, rückwärtsfahren, kläger, abbiegen, verhalten, sorgfaltspflicht, umstand, vorschrift, zpo, unfall)

Amtsgericht Düsseldorf, 47 C 318/84
Datum:
26.11.1984
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
47 C 318/84
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 1984
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
an den Kläger DM 198,89 nebst 4 % Zinsen seit 16. Mai
1984 zu zahlen.
2) Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten
des Verfahrens.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Am 16. Dezember 1983 gegen 7.50 Uhr befuhr die Tochter des Klägers, die Zeugin
X, mit dem auf den Kläger zugelassenen PKW XXX, amtl. Kennzeichen XX – XX XX,
den XXXX in X. Sie war auf der Suche nach einem Parkplatz auf der
gegenüberliegenden Straßenseite. Nachdem sie links in eine auf der
gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Parkbucht abbiegen wollte, fuhr der
auf der Gegenfahrbahn in Gegenrichtung befindliche Beklagte zu 1) mit seinem
Fahrzeug rückwärts und es kam zum Zusammenstoß zwischen den beiden
Fahrzeugen.
2
Die Klägerin verlangt Ersatz der Reparaturkosten über DM 292,78, Nutzungsausfall
für 2 Tage über DM 65,- - und allgemeine Unkostenpauschale über DM 30,- -,
3
insgesamt DM 387,78. Die Beklagten haben hierauf unter Kürzung der
Unkostenpauschale auf 20,- - DM den Schaden über 50 % reguliert.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger
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DM 198,89 nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagen beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten tragen vor:
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Als der Beklagte zu 1) begonnen habe rückwärts zu fahren, sei die Fahrbahn hinter
ihm frei gewesen und die Zeugin X sei in diesem Zeitpunkt noch nicht neben seinem
Fahrzeug gestanden. Er habe sich ordnungsgemäß in dem Rückspiegel innen und
außen vergewissert, dass die Straße hinter ihm frei gewesen sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X, XX, X, X und X.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet.
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Der Beklagte zu 1) hat den Verkehrsunfall verschuldet, indem er sich beim
Rückwärtsfahren nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 Abs. 5 StVO). Die Haftung der
Beklagten ergibt sich aus §§ 7 StVG, 823 BGB, 3 PflVSG.
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Die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Klägers tritt hinter dem Alleinverschulden
des Beklagten zu 1) zurück.
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1.
17
Der Unfall ist unstreitig beim Rückwärtsfahren des Beklagten zu 1) zustande
gekommen. Es spricht deshalb der Anscheinsbeweis dafür, dass sich der Beklagte
nicht ordnungsgemäß verhalten hat. Auf ein Vorfahrtsrecht kann sich der Beklagte
nicht berufen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14.
November 1983 – 5 Ss OWi 444/83 – 362/83 I und r + s 1984, Seite 88 – ist nicht
einschlägig. Sie bezieht sich ausdrücklich nur auf Kreuzungen und Einmündungen
und damit auf die Vorschrift des § 8 StVO, bei der ein Autofahrer immer damit
rechnen muss, dass ein anderer Autofahrer – sei es vorwärts oder rückwärts – sein
Vorfahrtsrecht wahrnimmt. Im vorliegenden Fall ist die Situation anders gelagert. Der
Beklagte hatte sein Vorfahrtsrecht wahrgenommen dadurch, dass er an der Zeugin X
vorbeigefahren war. Damit konnte die Zeugin X gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO
abbiegen, da sie ordnungsgemäß das entgegenkommende Fahrzeug des Beklagten
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zu 1) hat durchfahren lassen. Mit einem Rückwärtsfahren musste sie nicht rechnen,
da die vorgeschriebene Fahrtrichtung für den Beklagten zu 1) unter Beachtung des
Rechtsfahrgebotes (§ 2 Abs. 1 StVO) vorwärts und nicht rückwärts war. Eine andere
Auslegung würde nicht nur zu chaotischen Verkehrsverhältnissen führen, sondern
die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO über die bei Rückwärtsfahren zu beachtende
Sorgfaltspflicht völlig außer Kraft setzen.
2.
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Der Beklagte zu 1) hat nicht bewiesen, dass er die Sorgfaltspflicht beim
Rückwärtsfahren beachtet hat. Zwar bestätigen die von ihm benannten Zeugen XX
und X, der Beklagte zu 1) habe in den Innen- und Außenspiegel geschaut, bevor er
zurückgesetzt habe. Das Gericht vermag diesen Zeugen nicht zu folgen. Abgesehen
davon, dass den Aussagen von Beifahrern nur eine sehr geringe Beweiskraft
zuzumessen ist, da eine – zumindest unbewusste – Identifizierung mit dem Fahrer
nicht völlig auszuschließen ist, handelt es sich bei dem Zeugen XX um den Bruder
und bei der Zeugin X um eine Freundin des Beklagten zu 1), so dass beide nicht als
neutrale Zeugen anzusehen sind. Unbefriedigend ist nicht nur diese ungünstige
Motivlage, sondern auch der Umstand, dass sich der Zeuge XX nicht einmal an den
sehr wichtigen Umstand erinnern konnte, ob sich der Beklagte umgedreht hatte,
bevor er das Fahrzeug zurücksetzte.
20
3.
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Dass die Zeugin X nicht – auch nur teilweise – neben dem Fahrzeug des Beklagen
zu 1) eingeordnet gewesen ist, sondern hinter das zurückfahrende Fahrzeug des
Beklagten von der gegenüberliegenden Seite "herbeihuschte", um möglichst schnell
eine Parklücke auf der linken Seite zu erreichen, ist nicht bewiesen. Zwar haben die
Zeugen X und XX ausgesagt, in dem Moment, als sie angehalten hätten, habe kein
Fahrzeug neben dem ihrigen gestanden. Abgesehen von den unter Ziffer 2)
aufgeführten Bedenken gegen die Aussagen dieser Zeugen steht ihren Aussagen
die Bekundungen der Zeugen X und XX entgegen. Die Beklagten sind insoweit für
ihren Vortrag beweisfällig geblieben. Bei dieser Beweislage musste der Beklagte zu
1) beim Zurückstoßen darauf achten, dass der Gefahrraum hinter dem Kraftfahrzeug
frei war und von hinten wie von den Seiten her frei blieb (vgl. Jagusch/Hentschel, 27.
Aufl. Straßenverkehrsrecht, § 9 StVO RdNr. 51). Er hätte sich deshalb nicht nur auf
den Innen- und Außenspiegel verlassen dürfen, sondern hätte sich insgesamt
umdrehen müssen, um sicher zu gehen, dass weder von hinten noch von seitlich
danebenstehenden Fahrzeugen eine Gefahr ausging.
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4.
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Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien bis auf die Unkostenpauschale
unstreitig. Gemäß § 287 ZPO schätzt das Gericht die im vorliegenden Fall
angemessenen Kostenpauschale auf DM 30,--. Dies entspricht bei
Unfallregulierungen der üblichen Pauschale.
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Die Zinsforderung ist aus §§ 284, 288 BGB gerechtfertigt.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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