Urteil des AG Düsseldorf vom 17.03.1999

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Amtsgericht Düsseldorf, 22 C 19853/98
Datum:
17.03.1999
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 C 19853/98
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 1999
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin
Auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a Abs. 2 Satz
1 ZPO abgesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die Klage ist nicht begründet.
2
I.
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Der Klägerin steht der klageweise gegenüber der Beklagten geltend gemachte
Anspruch auf Freistellung gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten in Höhe von
220,-- DM aus dem hier interessierenden Bußgeldmandat unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit
§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG zu.
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Denn die Beklagte hat den sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden
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Anspruch auf Freistellung bereits vorprozessual erfüllt.
Denn die Klägerin war gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten zur Zahlung nur
insoweit verpflichtet, als die Beklagte die Honorarforderungen ihres
Prozessbevollmächtigten bereits vorprozessual ausgeglichen hat.
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Die Klägerin war ihrem Prozessbevollmächtigten gegenüber gemäß §§ 611, 612
BGB zur Zahlung des anwaltlichen Honorars verpflichtet.
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Nach § 12 Abs. 1 BRAGO steht dem Rechtsanwalt das Recht zu, bei der
Anwendung eines gesetzlichen Gebührenrahmens (Betragsrahmen oder
Satzrahmen), die ihm zustehende Einzelfallgebühr mit Verbindlichkeit für den
Auftraggeber zu bestimmen. Diese Regelung ist vorliegend maßgeblich, weil die §§
83, 84 BRAGO Gebührenrahmen vorsehen.
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Allerdings kann der Rechtsanwalt die ihm zustehende Gebühr nicht frei bestimmen,
sondern unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nach billigem Ermessen.
§ 12 Abs. 1 BRAGO gibt ihm beispielhaft gewisse Ermessenskriterien in die Hand,
nämlich die Bedeutung des Falles für den Auftraggeber, den Umfang und die
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Mandanten (im Zeitpunkt der Auftragserteilung). Durch
diese Bemessungskriterien wird andererseits der Überprüfungsspielraum
abgesteckt, der im Falle von Meinungsverschiedenheiten dem Gericht oder der
zuständigen Behörde zusteht:
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Als Ermessensentscheidung ist die Bestimmung der Einzelfallgebühr durch den
Rechtsanwalt nur daraufhin überprüfbar, ob er von falschen tatsächlichen
Grundlagen ausgegangen ist, ob er den Ermessensspielraum überschritten hat oder
gar sein Ermessen missbraucht hat.
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Nur wenn die angesetzte Gebühr, die in vergleichbaren Fällen angemessene
deutlich übersteigt, ist sie unbillig und nicht verbindlich. Bei der Beurteilung der
Frage, ob eine deutliche Überschreitung vorliegt, zieht der Vorstand der hiesigen
Rechtsanwaltskammer in Übereinstimmung mit den Vorständen der übrigen
Rechtsanwaltskammern im Bundesgebiet eine Toleranzgrenze von 20 %. Wird diese
Grenze überschritten, hat eine anderweitige Festsetzung der angemessenen Gebühr
zu erfolgen.
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In der täglichen Abrechnungspraxis hat sich seit vielen Jahren die sogenannte
Mittelgebühr als eine Art von Richtlinie bewährt. Hierbei handelt es sich um das
rechnerische Mittel aus der Summe von Mindest- und Höchstgebühr. Die
Mittelgebühr ist stets angemessen, wenn anhand der Bemessungskriterien des § 12
Abs. 1 BRAGO eine durchschnittliche Fallgestaltung anzunehmen ist; weichen eine
oder mehrere der nach § 12 Abs. 1 BRAGO maßgeblichen Umstände von den
Durchschnittsgegebenheiten deutlich ab, so kann eine Anhebung oder Senkung der
Mittelgebühr gerechtfertigt sein.
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Vorliegend sprechen die Umstände für eine Senkung der Mittelgebühr.
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Zunächst handelt es sich nicht um eine durchschnittlich schwierige Angelegenheit. In
Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung vertritt das erkennende Gericht
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die Meinung, dass bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ein Vergleich mit allen
Bußgeldsachen vorzunehmen ist. Deshalb erscheint es sachgerecht,
Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel im unteren Bereich des
Gebührenrahmens einzuordnen, weil sie in der Regel unter dem Durchschnitt aller
Bußgeldverfahren liegen. So ist der Fall hier. Bei dem der Klägerin zur Last gelegten
Verstoß handelt es sich um die Missachtung einer Rotlicht zeigenden Ampelanlage.
Mit Bußgeldbescheid vom 7. April 1998 wurde der Klägerin insoweit ein Bußgeld
von 100,-- DM auferlegt. Zudem sollte der Bescheid mit 3 Punkten im
Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen werden. Ein Fahrverbot ist nicht
angeordnet worden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nicht von einem
durchschnittlich schwierigen Fall gesprochen werden. Im Rahmen der
Hauptverhandlung war lediglich aufzuklären, ob der Klägerin der Rotlichtverstoß
nachgewiesen werden konnte oder nicht. Offensichtlich ist ein derartiger Nachweis
anlässlich der Hauptverhandlung erfolgt, denn nur so lässt sich die
Einspruchsrücknahme der Klägerin nachvollziehen. In diesem Zusammenhang ist
nicht von Belang, mit welchem Aufwand das Verfahren durch den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführt worden ist. Denn insoweit ist eine
abstrakte Betrachtungsweise angezeigt. Insoweit gilt, dass für eine ordnungsgemäße
Bearbeitung eines Verkehrsordnungswidrigkeitenmandats in der Regel weder
besondere Rechtskenntnisse noch ein besonderes Einarbeiten in den Fall
notwendig ist.
Angesicht der in Rechnung gestellten 19 Fotokopien kann auch nicht von einem
durchschnittlichen Umfang der Angelegenheit ausgegangen werden.
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Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin wird nichts
vorgetragen.
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Im Hinblick auf die Bedeutung des Falles für die Klägerin ist ebenfalls von einer
unterdurchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Insoweit ist zu berücksichtigen,
dass die Anordnung eines Fahrverbotes zunächst nicht zur Debatte gestanden hat.
Soweit dies im Rahmen der Hauptverhandlung in die Erörterung der Sache
einbezogen ist, ist die Androhung der Anordnung eines Fahrverbotes offensichtlich
im Rahmen eines rechtlichen Hinweises erfolgt, was die Klägerin letztlich mit dazu
bewogen haben mag, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückzunehmen.
Hierdurch konnte die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin aber nicht
aufgewertet werden, weil – wie gesagt – ein Fahrverbot keinerlei Bedeutung für die
berufliche Situation der Klägerin hat entfalten können.
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Wenn nach alledem lediglich von einer unterdurchschnittlichen Angelegenheit
ausgegangen werden kann, erscheint es angemessen, dass lediglich eine Gebühr
angemessen gewesen wäre, die ein Drittel des Gebührenrahmens ausschöpft.
Folglich wären Gebühren in Höhe von 250,-- DM bzw. in Höhe von 500,-- DM
angemessen gewesen. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin
angesetzten Gebühren liegen bei 350,-- bzw. 700,-- DM und übersteigen die
angemessene Gebühr damit um mehr als 20 %, so dass sie unbillig und damit nicht
bindend sind.
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In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Gericht diese
Feststellung ohne Hinzuziehung eines Gebührengutachtens der
Rechtsanwaltskammer Düsseldorf treffen konnte, weil § 12 Abs. 2 BRAGO auf den
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hier vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Ein Gutachten ist lediglich dann
einzuholen, wenn der Anwalt Klage gegenüber seinem Mandanten erhebt.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen konnte der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin lediglich Gebühren in Höhe von 250,-- DM bzw.
500,-- DM in Ansatz bringen. Hinzukommen Kopierkosten in Höhe von 19,-- DM
sowie die Pauschale gemäß § 26 BRAGO in Höhe von 30,-- DM. Dies ergibt in der
Summe 799,-- DM. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 16
% macht das einen Bruttobetrag von 926,24 DM. Die Beklagte hat hierauf insgesamt
984,84 DM gezahlt. Die weiter geltend gemachten Gerichtkosten von 86,-- DM hat
die Beklagte separat beglichen. Hieraus folgt, dass die Beklagte sämtliche
Ansprüche der Klägerin vorprozessual ausgeglichen hat, so dass die vorliegende
Klage der Abweisung unterliegen müsste.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in
§§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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