Urteil des AG Düsseldorf vom 22.01.1998

AG Düsseldorf (operation, culpa in contrahendo, höhe, billige entschädigung, tatsächliche vermutung, aufklärung, zustand, körper, behandlung, vertragsschluss)

Amtsgericht Düsseldorf, 39 C 13291/96
Datum:
22.01.1998
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
39 C 13291/96
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 1997
durch den Richter X
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.000,-- DM nebst
4 % Zinsen seit dem 20. April 1996 zu zahlen.
Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,-- DM
vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann auch durch
selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
1
Die 54- jährige Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem mit dem Beklagten
abgeschlossenen Behandlungsvertrag.
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Der Beklagte ist ärztlicher Leiter eines "Institut X", welches in einer Broschüre u. a. für
Brustoperationen wirbt.
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Der Beklagte führte am 30. Mai 1995 eine Brustimplantation durch, wofür die Klägerin
ihm 5.000,-- DM Honorar zahlte. Da die Klägerin mit dem Operationsergebnis nicht
zufrieden war, unternahm der Beklagte in den folgenden Monaten bis zum 13. März
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1996 insgesamt 5 Nachoperationen, welche erfolglos blieben. Der von der Klägerin
gewünschte Straffungseffekt an ihren Brüsten trat nicht ein.
Die linke Brust der Klägerin weist nicht nur unverändert wie vor der Operation ein
Durchhängen auf, sondern sie ist aus folgenden Gründen deformiert: Ihr Volumen ist
deutlich geringer als das der rechten Brust. Der Brustinhalt ist zur Seite hin verschoben.
Der linke Brustwarzenkomplex ist fehlpositioniert, sitzt deutlich zu tief und weist einen
deutlich geringeren Durchmesser und eine andere Form im Vergleich zur rechten Brust
auf.
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Die Deformierung der Brüste ist im unbekleideten und im bekleideten Zustand
erkennbar.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr gegenüber erklärt, bei der Brustoperation
würde es sich um einen "Klacks" handeln. Er könne ihre Brüste extrem vorteilhaft
modellieren.
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Die Brustoperation vom 30. Mai 1995 sowie die weiteren Eingriffe bis zum 13. März
1996 habe der Beklagte nicht entsprechend den Regeln ärztlicher Kunst durchgeführt.
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Die Klägerin begehrt zum einen Rückzahlung des von ihr gezahlten Honorars in Höhe
von 5.000,-- DM sowie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von weiteren
5.000,-- DM.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.000,-- DM nebst 4 % Zinsen
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seit dem 20. April 1996 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, er habe der Klägerin erklärt, hinsichtlich eines Eingriffs an den Brüsten der
Klägerin gebe es keine optimale Lösung, nachdem inzwischen die Silikonprothesen
verboten seien. Es könne zur Zeit nur mit Kochsalzprothesen experimentiert werden, bei
denen es jedoch Kunststoffprobleme bei den Ventilen gebe, so dass diese Prothesen
mit der Zeit an Volumen verlieren könnten. Die Klägerin habe jedoch erklärt, sie wollen
diesen kosmetischen Eingriff dennoch versuchen und dem Beklagten keine
Vorhaltungen machen, wenn der Erfolg nicht 100 %-ig sei.
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Schon vor der allerersten Operation habe die linke Brustwarze einen größeren Tiefstand
aufgewiesen. Die Klägerin habe den Experementalcharakter der Operation ausdrücklich
billigend in Kauf genommen.
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Letztendlich könne ein Erfolg derartiger Brustkorrekturen niemals garantiert werden, da
das Ergebnis von einer Reihe von Faktoren abhänge, die der behandelnde Arzt nicht
beeinflussen könne. So spiele die Konsistenz des Gewebes, die Elastizität der Haut, die
Festigkeit der Muskulatur, die Ernährung und die Bekleidungsgewohnheiten der
Patientin, ihr Schlaf- und Bewegungsverhalten und vieles mehr eine Rolle. Hierauf habe
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der Beklagte die Klägerin von Anfang hingewiesen, womit die Klägerin auch
einverstanden gewesen sei.
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 31. Oktober 1996 (Blatt 26 GA) Beweis
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eingeholt. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. X vom 1. Juli 1997 (Blatt
46ff. GA) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
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1.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von
Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM nach § 847 BGB zu.
22
Der Beklagte hat durch die am 30. Mai 1995 vorgenommene Brustoperation die
Gesundheit der Beklagen beschädigt, weswegen der Tatbestand des § 847 Abs. 1 BGB
erfüllt ist.
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Als Gesundheitsbeschädigung ist jeder Eingriff in den Körper eines Menschen
anzusehen, der dazu führt, dass ein von den normalen körperlichen Funktionen
nachteilig abweichender Zustand hervorgerufen oder gesteigert wird.
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Durch die Behandlung des Beklagten verschlechterte sich der Zustand der Brüste der
Klägerin. Die Deformation der linken Brust führt zu einer Asymmetrie beider Brüste,
welche auch im bekleideten Zustand erkennbar ist. Die in der linken Brust angebrachte
Prothese hat sich nach links oben außen verschoben, was für die Klägerin extrem
hinderlich ist.
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Der Beklagte hat den Körper der Klägerin auch dadurch verletzt, dass er an ihren
Brüsten Schnitte vorgenommen hat, um die Kochsalzprothesen in den Körper
einzubringen.
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Dieses Verhalten des Beklagten war rechtswidrig. Es ist nicht durch eine Einwilligung
der Beklagten in die Operation gerechtfertigt.
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Es bedurfte keiner Beweiserhebung darüber, ob der Beklagte - wie von ihm behauptet -
die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass die von ihm vorgeschlagene Operation ohne
die verbotenen Silikon-Prothesen keine Erfolgsgarantie böte und ein 100 %-iger Erfolg
niemals garantiert werden könne. Denn diese Aufklärung, sollte sie tatsächlich erfolgt
sein, genügt den Anforderungen an die Aufklärung eines Patienten im Rahmen einer
chirurgischen Operation nicht. Es ist nämlich eine besonders umfassende und
sorgfältige Aufklärung über die Erfolgsaussichten und Risiken vor einer kosmetischen
Operation geschuldet (BGH NJW 1991, 2349).
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Aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Dr. X ergibt sich, dass die von dem
Beklagten gewählte Behandlungsmethode für das von der Klägerin gewünschte Ziel
völlig untauglich war. Eine "knackige Brust" ließ sich mittels Einpflanzen von
Kochsalzprothesen schlechterdings nicht erreichen. Der Sachverständige führt aus,
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dass die Indikation zur Operation falsch war, es sei denn, die Klägerin habe
ausdrücklich jegliche Straffung ihrer Brust abgelehnt. Dies hat die Klägerin aber
ersichtlich nicht getan, sondern es ging ihr vielmehr primär um eine Straffung ihrer
Brüste.
Der Sachverständige führt weiter aus, eine derart ausgeprägte Erschlaffung der Brust,
wie sie bei der Klägerin vorlag, habe sich durch die alleinige Implantation von
Prothesen kaum oder nur unzureichend korrigieren lassen. Das Einsetzen von
Prothesen diene vielmehr einer Brustvergrößerung. Eine Straffung der Brust sei durch
eine Straffung des Hautmantels unter Versetzen der Brustwarzen nach oben in gleicher
Höhe und Neubefestigung des Drüsenkörpers in höherer Position zu erreichen
gewesen. Das Einsetzen der Kochsalzimplantate hat ein konsekutives, vermehrtes
Durchhängen der Brust in der Zukunft aufgrund des Gewichtes zur Folge. Der Beklagte
hat somit mit seiner Operation genau das Gegenteil des Zwecks erreicht, den die
Klägerin zu erreichen suchte.
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Wegen der fehlenden Aufklärung darüber, dass die von dem Beklagten vorgenommene
Behandlungsmethode unter keinen Umständen zu einer Straffung der Brüste führen
konnte, ist von keinem wirksamen Einverständnis der Klägerin hinsichtlich der mit der
Operation verbundenen Körperverletzung auszugehen. Denn allgemein ist eine
Körperverletzung so lange rechtswidrig, wie nicht nach einer ausreichenden Aufklärung
in die Verletzungshandlung eingewilligt wird.
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Der Beklagte vermag auch nicht mit seinem Einwand durchzudringen, er habe die
Klägerin darauf hingewiesen, dass die Konsistenz des Gewebes, die Elastizität der
Haut, die Festigkeit der Muskulatur, die Ernährungs- und Bekleidungsgewohnheiten der
Klägerin, ihr Schlaf- und Bewegungsverhalten und vieles mehr eine Rolle spiele. Denn
auch diese Hinweise des Beklagten gegenüber der Klägerin, sollte er sie tatsächlich
erteilt haben, ließen die Klägerin lediglich darauf schließen, dass aufgrund ihrer
spezifischen körperlichen Gegebenheiten die Operation möglicherweise misslingen
könnte. Dass die Straffung ihrer Brüste von vornherein bei der Beklagten
vorgenommenen Behandlungsmethode unmöglich war, konnte sie aus den vom
Beklagten behaupteten Hinweisen nicht entnehmen.
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Ebenfalls nicht von der behaupteten Aufklärung des Beklagen gedeckt ist die Tatsache,
dass sich der Zustand der Brüste der Klägerin letztlich sogar deutlich verschlechterte.
Denn der Beklagte hat selbst nur behauptet, er habe darauf hingewiesen, dass ein 100
%-iger Erfolg nicht garantiert werden könne. Dass der Beklagte darauf hingewiesen hat,
dass sich der Zustand der Brüste der Klägerin infolge der Operation sogar
verschlechtern könnte, hat er selbst nicht behauptet.
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Den Beklagten trifft auch ein Verschulden am Vorliegen der rechtswidrigen
Körperverletzung der Klägerin.
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Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist zumindest ein fahrlässiges Verhalten
des Beklagten anzunehmen. Denn selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass
ihm nicht bewusst war, dass seine Behandlungsmethode ein untaugliches Mittel zur
Erreichung der Straffung der Brüste und somit nicht indiziert war, trifft ihn dennoch der
Vorwurf, dass er sich über die von ihm verwendeten Behandlungsmethoden nicht
ausreichend informiert hat, obwohl er besondere Fachkunde für sich in Anspruch nahm.
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Selbst wenn die Behauptung des Beklagten zutreffend wäre, dass die von ihm
genannten Faktoren wie Konsistenz des Gewebes, Elastizität der Haut, Festigkeit der
Muskulatur, Ernährungs- und Bekleidungsgewohnheiten, Schlaf- und
Bewegungsverhalten und vieles mehr eine Rolle für den Ausgang der Operation
spielten, trifft ihn dennoch der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Denn der Beklagte durfte
sich nicht damit zufrieden geben, die Klägerin auf die angebliche Maßgeblichkeit dieser
Faktoren hinzuweisen. Er hätte die aufgezählten Kriterien konkret am Körper der
Klägerin untersuche, eine Prognose darüber treffen müssen, ob womöglich sogar eine
Verschlechterung des Zustandes der Brüste der Klägerin eintreten kann und sodann
abwägen, ob das Risiko eines negativen Verlaufs zu groß ist.
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Statt dessen hat der Beklagte die konkreten körperlichen Gegebenheiten bei der
Klägerin überhaupt nicht näher untersucht, sondern nach seinen eigenen Worten eine
Operation mit "Experimental-Charakter" an der Klägerin vorgenommen.
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Das Gericht hält die Zahlung eines Schmerzensgeldes durch den Beklagten in Höhe
von 5.000,-- DM für angemessen.
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Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes ist der Sinn und Zweck des
Schmerzensgeldanspruchs zu berücksichtigen, wonach zum einen dem Geschädigten
ein Ausgleich für die erlittenen Schäden zugebilligt, zum anderen aber auch eine
gewisse Genugtuung gewährleistet werden soll. Hierbei ist darauf abzustellen, dass die
Klägerin insgesamt eine Hauptoperation und fünf Nachoperationen über sich ergehen
lassen musste, obwohl nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen
des Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. Dr. X die gewünschte Straffung der
Brüste von Anfang nicht erzielbar war. Dass die verschiedenen operativen Eingriffe,
welche zum Teil unter Vollnarkose durchgeführt wurden, mit Schmerzen und
Unwohlsein für die Klägerin verbunden waren, liegt auf der Hand.
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Doch die Klägerin trägt darüber hinaus auch auf unabsehbare Zeit einen Schaden
wegen der Verunstaltung ihrer Brüste davon. Die Verunstaltung ist optisch auffällig, da
sie auch im bekleideten Zustand erkennbar ist. Es ist nicht absehbar, ob durch eine
weiter Operation die Asymmetrie der Brüste wieder behoben werden kann. Jedenfalls
wäre eine solche Operation mit erneuten Schmerzen und Unannehmlichkeiten
verbunden. Die Klägerin hat auch nach wie vor Schmerzen in der linken Brust wegen
der Prothese.
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Vor diesem Hintergrund schien ein Betrag von 5.000,-- DM als angemessen, um der
Klägerin sowohl eine billige Entschädigung als auch eine gewisse Genugtuung zu
gewähren.
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2.
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Die Klägerin kann vom Beklagten auch das von ihr gezahlte Arzthonorar in Höhe von
5.000,-- DM wegen Verschuldens des Beklagten bei Vertragsschluss (culpa in
contrahendo ) verlangen.
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Jede vertragsschließende Partei treffen vor Vertragsschluss gewisse Nebenpflichten,
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u. a. Hinweis- und Aufklärungspflichten.
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So hatte der Beklagte dafür zu sorgen, dass die Klägerin sich nicht einer von vornherein
aussichtslosen Operation unterziehen würde.
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Der Beklagte hat die Klägerin aber in keiner Weise darüber aufgeklärt, dass mit der
Operation der gewünschte Erfolg einer Bruststraffung unter keinen Unständen
herbeigeführt werden konnte.
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Hätte der Beklagte dies getan, dann wäre von einem aufklärungsgerechten Verhalten
der Klägerin auszugehen. Insofern streitet eine tatsächliche Vermutung der Kausalität
zwischen der unterlassenen Aufklärung und der Behandlung für die Klägerin. Es ist
somit davon auszugehen, dass die Klägerin, hätte der Beklagte sie über die
Aussichtslosigkeit der Behandlung aufgeklärt, den Behandlungsvertrag nicht
abgeschlossen und somit eine Zahlungspflicht in Höhe von 5.000,-- DM nicht
entstanden wäre.
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Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den üblichen Arzthaftungsfällen insoweit,
als er die Besonderheit aufweist, dass die Behandlung von Anfang an erkennbar
untauglich zur Erreichung des gewünschten Ziels war.
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Die Klägerin kann daher das gezahlte Honorar vom Beklagten zurückverlangen, obwohl
die Parteien einen Dienstvertrag abgeschlossen haben, nach dem grundsätzlich
lediglich die Erbringung einer Tätigkeit und keine Herbeiführung eines Erfolges
geschuldet ist. Wäre der Erfolg der Operation, dies ist die Straffung der Brust der
Klägerin, zwar ungewiss, jedoch möglich gewesen, dann träfe den Beklagten keine
Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss. Auf die rein theoretische Möglichkeit
eines Fehlschlagens einer Operation braucht der behandelnde Arzt nicht hinzuweisen.
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Hier lag der Fall aber ersichtlich anders:
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Die vom Beklagten gewählte Behandlungsmethode des alleinigen Einsetzens von
Prothesen konnte unter keinen Umständen zum gewünschten Erfolg führen, worauf vor
Vertragsschluss hinzuweisen war. Der Klägerin ist deshalb ein Schaden in Höhe des
gezahlten Arzthonorars entstanden, den sie vom Beklagten ersetzt verlangen kann.
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Die Klägerin hat schließlich einen Anspruch nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB auf 4 %
Zinsen aus einem Betrag von 10.000,-- DM, da der Beklagte unstreitig mit Schreiben
vom 3. April 1996 ab dem 20. April 1996 in Verzug gesetzt worden ist.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
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