Urteil des AG Düsseldorf vom 21.04.1989

AG Düsseldorf (kläger, fortsetzung des mietverhältnisses, wesentlicher nachteil, vermieter, verwertung, verkauf, stadt, abbruch, grundstück, objekt)

Amtsgericht Düsseldorf, 44 C 764/88
Datum:
21.04.1989
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
44 C 764/88
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 1989
durch die Richterin am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die
Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung von 550,-- DM abwen-
den, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit
in gleicher Höhe leisten.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger sind Eigentümer und Vermieter der in der X-straße
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13 in Y gelegenen Mietwohnung, die der
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Beklagte seit 1973 zu einem Mietpreis von monatlich 312,--
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DM plus 50,-- DM Nebenkosten bewohnt. Mit der vorliegenden
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Klage machen die Kläger einen Räumungsanspruch aus § 564 b
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Abs. 2 Ziffer 3 BGB geltend.
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Mit Schreiben vom 22. Juni 1988 kündigten die Kläger das
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Mietverhältnis mit Wirkung zum 30. Oktober 1988. In dem
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Kündigungsschreiben wird ausgeführt, daß die Vermieter
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durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer
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angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks
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verhindert seien. Die Vermieter würden beabsichtigen,
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das sich auf dem lediglich teilweise bebauten Grundstück
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befindliche verfallene Gebäude abzureißen. Nach dem Ab-
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bruch bestehe die Absicht, das Grundstück wieder zu ver-
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kaufen. Der Abbruch sei erforderlich, um eine Rentabili-
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tät des Grundstücks zu erreichen und den Verkauf zu er-
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möglichen.
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Die Kläger tragen vor, das Miethaus X-straße 13
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schließe an die Baulücke X-straße 11 an. Es sei
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geplant, beide Gründstücke zusammenhängend zu verkaufen,
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um sodann ein Mehrfamilienhaus zu errichten, das zu einer
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Wohnwert- und Wohnumfeldverbesserung beitrage. In dem
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derzeitigen Mietshaus bestehe keine Warmwasserversorgung,
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die Toiletten würden im Treppenhaus jeweils eine Treppe
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tiefer liegen. Alle Versorgungsleitungen im Haus würden
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aus dem Baujahr ca. 1905 stammen. Es sei also nicht nur
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erforderlich, die Baulücke zu schließen, worauf die
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Stadt Y dränge, sondern auch die gesamte Straßen-
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ansicht zu erneuern unter Einbeziehung des abzureißenden
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Gebäudes.
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Die Kläger behaupten, für das Objekt X-straße 13
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könnte ein um mindest 15 % höherer Kaufpreis für den Fall
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erzielt werden, daß keine Mieter übernommen werden müssen.
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Ein Minderpreis von 15 % sei als wesentlicher Nachteil
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im Sinne des § 564 b BGB für den Verkauf mit dem Mieter
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anzusehen.
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Die Kläger beantragen,
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der Beklagte wird verurteilt, die
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von ihm im 1. OG innegehabten Räum-
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lichkeiten im Objekt X-straße
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13 in Y, bestehend aus
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3 Zimmern sowie Küche zu räumen und
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geräumt herauszugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bestreitet, daß die Kläger beabsichtigen,
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das Gebäude abzureißen, bzw. das Grundstück zu verkaufen,
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bzw. neu bebauen zu lassen. Unzutreffend sei, daß das Ge-
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bäude verfallen sei. Die für den Abriß des Gebäudes er-
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forderliche Abbruchgenehmigung wie auch die Zweckentfrem-
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dungsgenehmigung der Stadt Y liege bis zum heu-
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tigen Zeitpunkt nicht vor. Die Erteilung der Zweckent-
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fremdungsgenehmigung habe die Stadt Y mit Schrei-
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ben vom 23.09.1988 erst "in Aussicht gestellt". Bisher
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hätten die Kläger nicht substantiiert dargelegt, daß
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Neubaupläne entsprechend der von der Stadt Y
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angekündigten Auflage vorhanden seien. Im übrigen reiche
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die Möglichkeit, durch den Verkauf eines geräumten Hauses
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einen höhreren Kaufpreis zu erzielen, nicht aus, um ein
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Mietverhältnis zu kündigen. Schließlich hätten die Kläger
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auch nicht substantiiert vorgetragen, wie die angemessene
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wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks aussehen
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soll.
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Der Beklagte behauptet, wegen der Wohnungsknappheit auf
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dem Y-er Wohnungsmarkt seien für ihn als aus-
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ländischer Mitbürger Mietwohnungen in der Preislage von
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500,-- DM pro Monat nicht erhältlich.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Klage ist nicht aus § 564 Abs. 2 Nr. 3 BGB gerecht-
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fertigt. Ein berechtigter Kündigungsgrund steht den Klägern
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nicht zur Seite. Nach der genannten Vorschrift ist die
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Kündigung nur möglich, wenn der Vermieter durch die Fort-
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setzung des Mietverhältnisses an der angemessenen Ver-
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wertung des Grundstücks gehindert wird und dadurch erheb-
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liche Nachteile erleiden würde. Eine anderweitige Ver-
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wertung des Grundstücks kann auch in dem Abbruch des
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Hauses bestehen. Derartige Maßnahmen des Vermieters recht-
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fertigen die Kündigung jedoch nicht generell sondern nur
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bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen. Solche Voraus-
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setzungen sind gegeben, wenn das Mietshaus baufällig oder
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so veraltet ist, daß es den heutigen Wohnbedürfnissen
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nicht mehr entspricht, keine angemessene Rendite abwirft
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und ein Neubau für den Vermieter eine günstige wirtschaft-
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liche Verwertung sein würde. Dazu bedarf es eines sub-
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stantiierten Sachvortrages, die Kalkulation muß zumindest
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überschlägig offengelegt werden (vgl. dazu AG Darmstadt
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in WM 1987, 321 und LG Düsseldorf in WM 1987, 321). Es
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kommt mithin auf die Wirtschaftlichkeit des Mietgrund-
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stückes im gegenwärtigen Zeitpunkt an, die anhand einer
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Wirtschaftlichkeitsberechnung entsprechend der 2. Berech-
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nungsverordnung aufzustellen ist (vgl. dazu Sternel IV
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Anmerkung 150). Daran fehlt es hier. Als weitere Voraus-
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setzung einer angemessenen Verwertung bei Abbruch des
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Hauses ist die Vorlage der Abbruchs- und Zweckentfrem-
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dungsgenehmigung zu nennen (vgl. dazu OLG Hamburg in NJW
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1981, 2308 und Beuermann in ZMR 1979, Seite 97). Die
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Abriß- und Zweckentfremdungsgenehmigungen sind den Klä-
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gern bislang nicht erteilt worden. Auch bei dem Abriß
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mit geplantem Wiederaufbau handelt es sich um eine Zweck-
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entfremdung im Sinne der entsprechenden Länderverordnungen.
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Die Vorlage beider Genehmigungen ist bereits deshalb
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notwendig, weil eine wirtschaftliche Verwertung, die
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öffentlich-rechtlich nicht erlaubt ist, nicht angemessen
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ist (vgl. dazu Beuermann a.a.O.).
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Der behauptete Mindererlös von 15 % beim Verkauf des
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Grundstücks mit den bestehenden Mietverhältnissen ist
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ebenfalls kein Kündigungsgrund im Sinne des § 564 b Abs.
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2 Ziffer 3 BGB. Zwar ist anerkannt, daß ein solcher Minder-
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erlös die angemessene Verwertung des Grundstücks in Frage
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stellt. Auch wenn die Vermutung eines geringern Kaufpreises
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naheliegt, muß der Vermieter im Streitfall dartun, daß
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und welche Verkaufsbemühungen er unternommen hat und welche
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Mißerfolge oder Erschwerungen dabei aufgetreten sind, weil
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das streitbefangene Objekt vermietet gewesen ist (vgl. dazu
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Sternel IV Anmerkung 152).
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Der Streitfall ist hier gegeben, der Beklagte hat möglichen
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Mindererlös bestritten, ein entsprechender Sachvortrag
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der Kläger fehlt aber. Damit läßt sich auch dieser
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Kündigungsgrund nicht feststellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung
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über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer
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11, 711 ZPO.
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