Urteil des AG Düsseldorf vom 01.10.2010

AG Düsseldorf (kläger, höhe, zpo, amtliches kennzeichen, fahrzeug, zahlung, betrag, tarif, abzug, risiko)

Amtsgericht Düsseldorf, 54 C 9148/10
Datum:
01.10.2010
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
54. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
54 C 9148/10
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche
Verhandlung am 01.10.2010
durch den Richter X
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 429,22 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
14.10.2009 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsan-
waltskosten in Höhe von 43,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2009 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vo¬läufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
2
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfange begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Unfallereignis vom 13.09.2009 in X
gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von
429,22 € zu. Die volle Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des
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unfallverursachenden Fahrzeugs, amtliches Kennzeichen XXX-X xxxx, ihrer
Versicherungsnehmerin Frau H ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger kann
von der Beklagten auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 für den
Postleitzahlbereich 408 Zahlung der o. g. restlichen Mietwagenkosten verlangen.
Zwischen den Parteien ist es als unstreitig anzusehen, dass der Postleitzahlenbereich
408 zugrunde zu legen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Das Fahrzeug des Klägers ist unstreitig der Mietwagengruppe 7 des Schwacke-
Mietpreisspiegels zuzuordnen. Der Geschädigte Kläger war daher berechtigt, für die 5
Tage bis zur Reparatur seines durch den Unfall beschädigten Fahrzeugs ein
klassengleiches Mietfahrzeugt anzumieten.
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Er hat sich lediglich ersparte Eigenaufwendungen in Abzug bringen zu lassen (vgl. OLG
Düsseldorf, Urteil vom 03.11.1997, Az.: 1 U 104/96). Diese hat auch der Kläger bereits
pauschal mit 10 % der Nettomietwagenkosten angesetzt und von dem geforderten
Betrag in Abzug gebracht. Gemäß § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB kann der Geschädigte vom
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Geldbetrag als Schadensersatz
verlangen, der zur Wiederherstellung des Zustands erforderlich ist, der vor dem
schädigenden Unfallereignis bestanden hat. Hierzu gehört auch der Ersatz der objektiv
erforderlichen Mietwagenkosten.
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Objektiv erforderlich sind allerdings nur diejenigen Kosten, die ein verständiger,
wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für die
Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der
Geschädigte ist dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren
möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei
verstößt er noch nicht einmal deshalb gegen seine Pflichten zur Schadensminderung,
weil er ein Fahrzeug zu einem gegenüber dem Normaltarif ungünstigeren Unfalltarif
anmietet. Ein Unfalltarif kann aber grundsätzlich nur dann als erforderlicher Aufwand zur
Schadensbeseitigung angesehen werden, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs mit
Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls mit
der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Haftungsanteile beim
Unfallgeschehen etc.) dem gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen,
wenn sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere
Unfallsituation veranlasst sind.
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Inwieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter auf Grundlage des Vortrags des
darlegungs- und beweisbelasteten Geschädigten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei
muss er nicht die Kalkulationsgrundlagen des Autovermieterunternehmens im
Einzelnen betriebswirtschaftlich nachvollziehen. Ausreichend ist die Prüfung, ob
etwaige Mehrleistungen und Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte
generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler
Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt (vgl. BGH, NJW 2007, 2916 ff.; BGH,
MZV 2007, 179 ff.; OLG Köln MZV 2007, 199 ff.).
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Der zu erstattende Aufwand für die Mietwagenkosten war daher gemäß § 287 ZPO wie
folgt zu schätzen:
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Ausgangspunkt für die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten ist zunächst der
Normaltarif, der den Mindestbetrag der dem Geschädigten zu ersetzenden
Mietwagenkosten darstellt (OLG Köln, MZV 2007, 199, 203; OLG Düsseldorf, MZV 2000,
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366, 369).
Dieser Normaltarif kann dabei – in Ausübung des in § 287 ZPO eingeräumten
Ermessens – auf der Grundlage des gerichteten Mittels des Schwacke-
Mietpreisspiegels für den jeweiligen Postleitzahlenbereich ermittelt werden (BGH NJW
2006, 1124 ff.; BGH, BGB 2007, 1755 f.; OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, Az.: 19 U
181/06).
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Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 stellt – entgegen der Auffassung der Beklagten –
für diese Schadenschätzung eine geeignete Grundlage dar (BGH, Urteil vom
11.03.2008, Az.: VI ZR 164/07; LG Krefeld, Urteil vom 13.08.2009, Az.: 3 S 41/08; LG
Bielefeld, Urteil vom 09.05.2007, 21 S 68/07; LG Bonn, MZV 2007, 362, 365; LG
Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.05.2007, 8 O 861/07). Zuletzt ist die Geeignetheit des
Schwacke-Mietpreisspiegels erneut höchstrichterlich durch Urteil des BGH vom
19.01.2010, Az.: 6 ZR 112/09, vom 02.02.2010, Az.: 6 ZR 7/09 und vom 02.02.2010, Az.:
6 ZR 139/08 bestätigt worden (vgl. ebenso OLG Köln MZV 2010, 144, 145).
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Das Gericht hat daher keinen Anlass, statt des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 eine
andere Schätzgrundlage, insbesondere die Erhebung des Fraunhofer-Instituts zu den
Mietwagenpreisen zugrunde zu legen.
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Denn die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung
Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen
aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall
auswirken (BGH, Urteil vom 11.03.2008, Az.: 6 ZR 164/07).
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Diesen Anforderungen entspricht der Beklagtenvortrag nicht. Soweit insoweit
vorgetragen wird, dass die Erhebung des Fraunhofer-Instituts allgemein aufgrund einer
besseren Methodik zu anderen Ergebnissen gelange, als der Schwacke-
Mietpreisspiegel, weshalb der Erhebung des Fraunhofer-Instituts der Vorzug zu geben
sei, insbesondere aber der Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 als Schätzgrundlage
ungeeignet sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
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Denn die Beklagte genügt den Anforderungen der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs an die Erschütterung der Schwackeliste als Schätzgrundlage nicht,
soweit sie ohne Bezug zum konkreten Einzelfall lediglich die angebliche
Vorzugswürdigkeit anderer Erhebungen behauptet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
die Methodik der Mietpreiserhebung für den Schwacke-Mietpreisspiegel seit jeher
Angriffen insbesondere seitens der Versicherungswirtschaft ausgesetzt war. Dies hat
den BGH – trotz Kenntnis dieser Erhebungsmethode und der an ihr fortlaufenden Kritik –
nicht daran gehindert, den Schwacke-Mietpreisspiegel in seiner jeweils aktuellen
Fassung grundsätzlich als geeignete Schätzgrundlage anzusehen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird insoweit auf die vorstehend erwähnte Entscheidung des BGH
vom 02.02.2010, Az.: VI ZR 139/08 Bezug genommen.
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Bei der Schätzung des Normaltarifs anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 war
vorliegend nicht auf den Tagespreis abzustellen, sondern auf den einfachen 3-Tages-
Preis sowie einen zweifachen Tagespreis.
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Bei einer absehbaren mehrtägigen Mietdauer ist der Geschädigte gehalten, zur
Minderung des Schadens günstige Mehrtagespauschalen in Anspruch zu nehmen, wie
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es hier der Kläger getan hat.
Vorliegend entsprach das Fahrzeug des Geschädigten Herrn F, der Fahrzeuggruppe 7
nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel. Da von ihm ein gruppengleiches Fahrzeug
angemietet worden ist, hat er sich – wie bereits oben aufgeführt – ersparte
Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % der Mietwagenkosten anrechnen zu lassen.
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Der Bruttomietpreis für ein Fahrzeug der Gruppe 7 im Postleitzahlenbereich 408 nach
dem Schwacke-Mietpreisspiegle 2009 beträgt – was mangels substantiierten
Bestreitens der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen ist – für 5
Tage netto 641,33 € (=371,73 € + 269,60 €). Unter Abzug von 10 % ersparter
Eigenaufwendung verbleibt ein Betrag von 577,20 €.
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Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituationen war vorliegend ein Zuschlag von 20
% gerechtfertigt (20 % aus 641,33 € = 128,27 €), weil ein höherer Mietwagenpreis als
der Normaltarif zur Schadensbeseitigung erforderlich war. Dabei war ein solcher
Aufschlag unabhängig davon gerechtfertigt, in welchem Umfange im konkreten Fall
unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden.
Denn als rechtfertigende Gründe sind beispielsweise die Vorfinanzierung des
Mietpreises, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher
Bewertung der Haftungsanteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kfz-
Vermieter, eine Fahrzeugvorhaltung auch schlechter ausgelasteter Fahrzeuge, das
Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes, ein erhöhter Verwaltungsaufwand sowie
das Erfordernis der Umsatzsteuervorfinanzierung zu nennen. Ein solcher pauschaler
Aufschlag allein erscheint praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu
vereinheitlichen und zu erleichtern, zumal der Geschädigte regelmäßig keine
Erkenntnisse über die betriebswirtschaftlichen Kalkulationen der
Mietwagenunternehmen und deshalb keine Möglichkeit hat, konkrete Tatsachen zur
Erforderlichkeit und zur Höhe eines Aufschlags auf den Normaltarif vorzutragen (vgl. LG
Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2008, Az.: 20 S 190/06, OLG Köln, MZV 2007, 199; LG
Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2010 (Az.: 23 S 139/09). Der pauschale Aufschlag in Höhe
von 20 % auf den Normaltarif ist gerechtfertigt, aber auch angemessen, um die
Besonderheit der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich
zur "normalen" Autovermietung angemessen zu berücksichtigen.
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Überdies hat der Kläger gegen die Beklagte auch Anspruch auf Ausgleich der Kosten
für die Haftungsbefreiung. Dabei kann es dahinstehen, ob das Klägerfahrzeug, welches
verunfallt war, zuvor vollkaskoversichert war. Denn die Kosten für den Abschluss einer
Vollkaskoversicherung sind nach Auffassung des Gerichts für das angemietete
Ersatzfahrzeug auch dann erstattungsfähig, wenn das unfallgeschädigte eigene
Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war. Dies schon deshalb, weil im Fall des eigenen
Fahrzeugs der Geschädigte selbst entscheiden kann, ob er eine Reparatur durchführt
oder nicht, für den Fall, dass es zu einem Schaden kommt. Diese Entscheidung steht
ihm im Falle des angemieteten Fahrzeugs gerade nicht zu.
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Die Kosten betragen nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerseite für den 3-
Tages-Tarif 78,42 + für den 2-Tages-Tarif je 26,50 € je Tag, also 53,00 €.
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Überdies hat der Kläger gegen die Beklagte auch Anspruch auf Erstattung der
angefallenen Kosten für Zustellung und Abholung des Fahrzeugs. Derartige Kosten sind
nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerseite auch angefallen, weil das
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Mietwagenfahrzeug dem Kläger an der Reparaturwerkstatt Autohaus X in X zur
Verfügung gestellt wurde und von dort nach Rückgabe wieder abgeholt wurde, der
Kläger allerdings in R wohnhaft ist. Dem Kläger war es zusätzlich zu den aufgrund des
Unfalls eingetretenen Beeinträchtigungen nicht zumutbar, selbst dafür zu sorgen, zu
einer Mietwagenstation zu gelangen (vgl. auch LG Köln, Urteil vom 07.01.2010 (Az.: 20
O 279/09; OLG Köln, MZV 2007, 199, 202; OLG Köln MZV 2009, 447 ff.).
Insgesamt ergeben sich nach der Schwacke-Mietwagen-Liste zu veranschlagende
Kosten von 885,81 €. Da dem Kläger konkret vorliegend nur Mietwagenkosten in Höhe
von 835,01 € in Rechnung gestellt sind, liegen diese sogar noch unterhalb der anhand
der Schwacke-Liste ermittelten Normaltarifs.
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Unter Berücksichtigung der vorprozessual erfolgten Zahlung der Beklagten in Höhe von
405,79 € ergibt sich ein Restschadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von 429,22
€.
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Angesichts der Nichtzahlung der Beklagten trotz Aufforderungsschreiben des
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.09.2009 unter Fristsetzung zur Zahlung
bis zum 13.10.2009 befand sich dieser spätestens ab dem 14.10.2009 in Verzug,
weshalb auf die Zinsforderungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 14.10.2009 berechtigt sind (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs.1 BGB). Die
Erstattung der angemessenen Rechtsanwaltskosten, die bis auf einen Betrag in Höhe
von 43,32 € bereits vorprozessual ausgeglichen worden sind, rechtfertigt sich ebenfalls
unter dem Gesichtspunkt des Verzugs. Auch insoweit können gemäß §§ 286, 288 Abs.
1 BGB Zinsen verlangt werden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708
Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert: bis zu 600,00 €.
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