Urteil des AG Düsseldorf vom 21.04.2006

AG Düsseldorf: sicherheitsleistung, treu und glauben, planwidrige unvollständigkeit, wohnung, scheingeschäft, beendigung, vermieter, vollstreckung, erwerb, rechtsgeschäft

Amtsgericht Düsseldorf, 20 C 12742/05
Datum:
21.04.2006
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 C 12742/05
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2006
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte
nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Am 11.07.04 mietete die Klägerin beim Beklagten eine Wohnung in der X-Straße X in X.
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In § 21 des Mietvertrages wurde vereinbart:
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"1. An Stelle einer Sicherheitsleistung in Geld übereignet der Mieter die vom
Vormieter zu erwerbenden Einbauschränke in Diele und Dachgeschoss. Der
Mieter darf diese Einrichtungsgegenstände an einen möglichen Nachmieter nur
mit Zustimmung des Vermieters veräußern. Der Vermieter muss die Zustimmung
erteilen, wenn bei Beendigung des Mietverhältnisses keine Zahlungsrückstände
aus Mieten und Betriebskostennach- und Vorauszahlungen bestehen. Bestehen
Rückstände, kann der Vermieter verlangen, dass der Kaufpreis durch den
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Erwerber an den Vermieter gezahlt wird."
In § 24 des Mietvertrages heißt es:
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"Der Mietvertrag wird wirksam, sobald sich der Mieter mit den Vormietern über
eine angemessene Abstandszahlung für Einbauschränke und Laminatboden
geeinigt hat. Die von den Vormietern übernommenen Einrichtungsgegenstände
stehen nach Erwerb im Eigentum des Mieters. Dem Mieter ist bekannt, dass
übernommene Einrichtungsgegenstände bei Beendigung des Mietverhältnisses
entfernt werden müssen, soweit keine anderweitige Regelung zu Stande kommt."
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Die Klägerin überwies 1.100,-- Euro an die Vormieter.
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Sie kündigte das Mietverhältnis fristgerecht zum 01.07.05. Am Samstag, den 25.06.05,
fand ein Übergabetermin statt, bei dem der Beklagte die Wohnung als ordnungsgemäß
abnahm.
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Sie behauptet, bei § 21 des Mietvertrages handele es sich um ein Scheingeschäft, für
das die Regelung des verdeckten Geschäfts, hier also § 551 BGB gelte. Da der
Beklagte Eigentümer der Einbauschränke sei, sei schon nicht nachvollziehbar, wie
überhaupt ein Erwerb durch seine Mieter mit anschließender Übereignung an den
Beklagten erfolgen solle. Der Beklagte versuche lediglich, sich den allgemeinen
Vorschriften und der Rechtsprechung zur Rückzahlung von Mietsicherheiten zu
entziehen. Statt die Mietsicherheit von jedem Mieter einzeln in Empfang zu nehmen,
habe der Beklagte lediglich den Zahlweg der Mietsicherheit verändert.
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In § 21 des Mietvertrages fehle zudem eine Regelung für den Fall, dass ein Nachmieter
nicht gefunden werden könne bzw. dieser erst gar nicht gesucht werde. Insoweit sei an
eine ergänzende Vertragsauslegung zu denken.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe beim Abnahmetermin vom 25.06.05 auf die
Frage der Klägerin, wann sie die 1.100,-- Euro zurückerhalten werde, zunächst eher
ausweichend geantwortet, es werde bestimmt schnell ein neuer Mieter für die Wohnung
gefunden. Der bei diesem Gespräch anwesenden Mutter der Klägerin sei diese
Aussage zu wenig konkret gewesen. Sie habe entgegnet, ihre Tochter benötige das
Geld schließlich dringend. Hierauf habe der Beklagte geantwortet, ihm sei klar, dass ein
Umzug erhebliche Kosten bedeuten würde. Da die Klägerin zudem eine gute Mieterin
gewesen sei, würde er das Geld bis Ende Juli 2005 überweisen. Dem habe die Klägerin
schweren Herzens zugestimmt, da diese Regelung für sie noch eine Wartezeit von über
einem Monat bedeutete.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.251,38 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.100,-- Euro seit dem
03.08.05 sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 151,38 Euro seit dem 07.09.05 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er habe sich die Einbauschränke nur deshalb zur Sicherheit übereignen lassen, damit
die Klägerin als neue Mieterin nicht einerseits mit einer zusätzlichen
Kautionsaufwendung neben der im Interesse der Vormieter gezahlten Ablösesumme
belastet werden müsse und andererseits der Beklagte zumindest durch die eingebauten
Schränke für Ansprüche aus dem Mietverhältnis abgesichert sei. Um ein Scheingeschäft
handele es sich nicht. Zu keinem Zeitpunkt habe er eine Zusicherung zur Auszahlung
eines Betrages in Höhe von 1.100,-- Euro gemacht. Der Beklagte sei vielmehr davon
ausgegangen, dass die Wohnung zum Anfang des Monats August erneut vermietet sein
würde und eine Einigung über eine Ablösesumme zwischen der Klägerin und dem
potentiellen Nachmieter bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt sei. Der Beklagte habe nicht
versprochen, dass er an die Klägerin Geld überweisen werde.
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Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 20.01.06 (Bl. 63, 64 GA.) Beweis
erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf das Sitzungsprotokoll vom 17.03.06 (Bl. 84 ff.GA.) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen
Anspruch auf Zahlung von 1.100,-- Euro.
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1.
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Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 21 des Mietvertrages.
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Denn § 21 des Mietvertrages begründet nur einen Anspruch der Klägerin gegen den
Beklagten auf Zustimmung zur Weiterveräußerung der Einbauschränke an einen
Nachmieter.
23
2.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch aus einer Regelung im
Wege ergänzender Vertragsauslegung nach § 242 BGB.
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Der ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es dann, wenn Lücken einer
rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen sind. Ein Vertrag muss demgemäß eine
Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit enthalten (BGHZ 127, 138,
142; zitiert in Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 157 Rn. 3).
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Eine planwidrige Regelungslücke besteht vorliegend nicht. Der Fall, dass überhaupt
kein Nachmieter oder jedenfalls kein Nachmieter, der zur Übernahme der
Einbauschränke bereit ist, gefunden werden kann, ist in § 24 des Mietvertrages geregelt.
Dort heißt es unter anderem: "Dem Mieter ist bekannt, dass übernommene
Einrichtungsgegenstände bei Beendigung des Mietverhältnisses entfernt werden
müssen, soweit keine anderweitige Regelung zustande kommt."
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Die Klägerin hat demgemäß ein mit der Wegnahmepflicht korrespondierendes
Wegnahmerecht an den Einrichtungsgegenständen.
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Es liegt auch kein Scheingeschäft nach § 117 BGB vor, die Parteien haben nicht als
verdecktes Rechtsgeschäft nach § 117 Abs. 2 BGB eine Vereinbarung über eine
Sicherheitsleistung in Geld getroffen.
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In § 21 des Mietvertrages ist ausdrücklich klargestellt, dass die Sicherheitsleistung
durch Übereignung von Einbauschränken an den Beklagten "anstelle einer
Sicherheitsleistung in Geld" erfolgt. Dass die Parteien einverständlich gemeinsam nur
den äußeren Schein eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, die mit dem Geschäft
verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollten, ist nicht schlüssig
dargetan.
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3.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von
Schadensersatz in Höhe von 1.100,-- Euro nach § 280 Abs. 1 BGB.
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Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass ihr aufgrund der Vereinbarung einer
unwirksamen Klausel in § 21 des Mietvertrages ein Schaden in Höhe von 1.100,-- Euro
entstanden ist.
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Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist aus mehreren Gründen unschlüssig:
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Die Wohnung ist bislang noch nicht weitervermietet worden, so dass derzeit noch nicht
feststeht, dass sich kein Nachmieter finden wird, der zur Übernahme der
Einbauschränke gegen Zahlung von 1.100,-- Euro bereit ist.
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Zudem hätte die Klägerin sich den Wert der Einbauschränke, zu deren Wegnahme sie
berechtigt ist, bei der Bemessung der Höhe eines Schadensersatzanspruchs anrechnen
zu lassen.
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Vor allem aber besteht bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch, weil
die vom Beklagten gewählte Vertragsgestaltung in § 21 des Mietvertrages wirksam ist
und der Beklagte nicht gegen ihn obliegende vertragliche Nebenpflichten verstoßen hat.
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Die Klägerin hat in § 21 Ziffer 1 des Mietvertrages wirksam das
Weiterveräußerungsrisiko hinsichtlich der Einbauschränke übernommen.
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Die Klausel ist nicht unwirksam.
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Eine Unwirksamkeit nach § 551 Abs. 4 BGB liegt nicht vor. Nach § 551 Abs. 1 BGB darf
die Sicherheitsleistung das Dreifache der Monatsmiete nicht überschreiten, was
vorliegend nicht der Fall ist. In welcher Form die Sicherheit geleistet werden muss,
richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen (Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl.
2004, § 551 Rn. 2). Die Parteien haben demgemäß Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der
Sicherheitsleistung, solange ihr Wert nicht das Dreifache einer Monatsmiete übersteigt.
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Die Parteien konnten also auch wirksam in § 21 des Mietvertrages vereinbaren, dass
die Klägerin vom Vormieter Einbauschränke kauft und diese dem Beklagten zur
Sicherheit übereignet bzw. auf ihr Wegnahmerecht während der Mietzeit bis zur
Freigabe der Sicherheitsleistung durch den Beklagten verzichtet.
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§ 21 des Mietvertrages ist auch nicht nach § 307 BGB wegen unangemessener
Benachteiligung der Klägerin unwirksam.
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Zunächst einmal stellt § 21 des Mietvertrages schon keine allgemeine
Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB dar, da nicht schlüssig dargetan ist, dass §
21 des Mietvertrages für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen ist. Es handelt sich
vielmehr ersichtlich um eine konkret auf die beim Vormieter gegebene Situation
zugeschnittene Einzelregelung.
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Hinzukommt, dass die Klägerin auch nicht unangemessen benachteiligt wurde. Der
Beklagte hätte den Abschluss des Mietvertrages ohne weiteres davon abhängig
machen können, dass die Klägerin sich mit dem Vormieter über die Übernahme der
Einbauschränke einigt und zusätzlich eine Sicherheitsleistung in Geld verlangen
können.
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Stattdessen hat der Beklagte zum Vorteil der Klägerin auf die eigenständige Erhebung
einer Sicherheitsleistung verzichtet und sich die Einbauschränke zur Sicherheit
übereignen lassen. Anstatt die Klägerin mit weiteren Kosten zu belasten, hat er den die
Klägerin schonenderen Weg beschritten.
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Die in § 21 des Mietvertrages getroffene Regelung verstößt daher auch erst recht nicht
gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB.
46
4.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1.100,-- Euro
gemäß einer am 25.06.05 getroffenen Vereinbarung zwischen den Parteien.
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Zwar hätte das in § 26 des Mietvertrages geregelte Schriftformgebot konkludent
zwischen den Parteien abbedungen werden können (Palandt, a.a.O., § 125 Rn. 14).
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Jedoch hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der
Beklagte sich tatsächlich persönlich dazu verpflichtet hat, an die Klägerin bis Ende Juli
2005 1.100,-- Euro zu zahlen.
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Solches hat die Vernehmung der beiden Zeuginnen nicht ergeben:
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Die Mutter der Klägerin hat bekundet, sie habe ausschließlich den einen vom Beklagten
angeblich ausgesprochenen Satz mitbekommen: "Sie bekommen Ihr Geld bis Ende
Juli". Selbst wenn der Beklagte diesen Satz tatsächlich gesagt haben sollte, lässt sich
ihm unter Berücksichtigung der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen zur
Mietkaution nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Beklagte sich
persönlich zur Zahlung von 1.100,-- Euro verpflichtet hat. Die Klägerin hatte seinerzeit
keine Sicherheitsleistung in Geld gegenüber dem Beklagten erbracht. Der Beklagte war
rechtlich nicht zur Zahlung von 1.100,-- Euro verpflichtet. Vielmehr oblag es der
Klägerin, von einem potentiellen Nachmieter diesen Betrag durch Abschluss einer
Übernahmevereinbarung wiederzuerlangen.
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Die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin erhalte ihr Geld bis einschließlich Juli,
konnte ohne weitere Klarstellung daher auch so verstanden werden, dass dann, wenn
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bis Ende Juli ein übernahmebereiter Nachmieter gefunden wäre, sie "ihr Geld"
wiedererhalten werde.
Dass der Beklagte ausdrücklich klargestellt hat, er werde über die vertraglichen
Vereinbarungen hinaus persönlich Geld an die Klägerin zahlen, hat die Mutter der
Klägerin entgegen dem anderslautenden Sachvortrag in der Klageschrift nicht bestätigt.
Die Mutter hat nicht bestätigt, dass ihr die Aussage des Beklagten zu wenig konkret
gewesen sei und der Beklagte auf weitere Nachfrage der Mutter der Klägerin
ausdrücklich erklärt habe, er selbst werde persönlich das Geld bis Ende Juli 2005
überweisen. Vielmehr hat die Mutter der Klägerin lediglich erklärt, sie habe den
Beklagten darauf hingewiesen, dass ihre Tochter das Geld brauche, woraufhin der
Beklagte lediglich geantwortet habe: "Ja, ja, ich weiß". Diese Antwort des Beklagten hat
keine Aussagekraft.
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Die Mutter der Klägerin hat auch nicht mitbekommen, was die Parteien vor der von ihr
wiedergegebenen Erklärung des Beklagten besprochen haben. Sie wusste jedoch
noch, dass die Parteien vorher noch etwas besprochen hatten. Es ist daher durchaus
möglich und kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte, bevor er erklärt hat,
"Sie bekommen Ihr Geld bis Ende Juli" die weitere Voraussetzung, dass ein
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übernahmebereiter Nachmieter gefunden werden müsse, was er bis Ende Juli 2005
durchaus für möglich halte, im Einzelnen auseinandergesetzt hat.
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Die Klägerin ist in vollem Umfang beweispflichtig für das Zustandekommen einer
einschränkungslosen Verpflichtungserklärung des Beklagten. Dieser Beweis ist ihr nicht
gelungen.
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Auch die Schwester der Klägerin will ausschließlich den einen entscheidenden Satz
des Beklagten, die Klägerin erhielte am Ende des Monats Juli die Sicherheitsleistung
überwiesen, gehört haben. Die Zeugin konnte auf nähere Nachfrage jedoch nicht
ausschließen, dass der Beklagte nicht von einer "Überweisung", sondern eventuell
auch nur davon gesprochen hat, dass die Klägerin das Geld "bekommen" werde. Auch
die Schwester der Klägerin hat weitere Einzelheiten des zwischen den Parteien
geführten Gesprächs nicht mitbekommen.
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Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte lediglich in
Aussicht gestellt hat, dass sich hoffentlich bis Ende Juli 2005 ein Nachmieter finden
werde, der zur Übernahme der Einbauschränke gegen Zahlung des von der Klägerin
verauslagten Betrages bereit sein werde.
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Mangels Hauptanspruchs hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung
vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 151,38 Euro nach §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1
BGB.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1.100,-- Euro.
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