Urteil des AG Düsseldorf vom 29.12.2003

AG Düsseldorf: angemessene entschädigung, agb, reisebüro, hotel, vertreter, täuschung, anfechtung, pauschalreisevertrag, vertretung, vertragsschluss

Amtsgericht Düsseldorf, 39 C 11717/02
Datum:
29.12.2003
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
39 C 11717/02
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495 a ZPO
am 29.12.2003
durch die Richterin X
für R e c h t erkannt:
1.
Das Versäumnisurteil vom 08.05.2003 (Amtsgericht Düssel-
dorf 39 C 11717/02) wird aufrechterhalten.
2.
Den Klägern werden auch die weiteren Kosten des Verfahrens
auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Beklagte ist Reiseveranstalterin von Pauschalreisen. Die Kläger beauftragten den
Zeugen A mit der Buchung einer Reise für ihre Familie. Der Zeuge A buchte bei der
Beklagten am 29.03.2002 über das vermittelnde Reisebüro XX in X eine 2-wöchige
Flugpauschalreise in die Türkei für den Zeitraum vom 24.06. bis 08.07.2002. Der
vereinbarte Gesamtreisepreis belief sich auf insgesamt 2.076,--EUR. Hinsichtlich der
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Ausstattung und Lage des gebuchten Hotels "XY" wird auf den Inhalt des von der
Beklagten herausgegebenen Prospekts (Bl. 5 d. GA.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 03.04.2002 erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten, dass sie
"die Reise abbuchen" wollten, da das Hotel nicht ihren Wünschen entspräche.
Daraufhin forderte die Beklagte von den Klägern 243,-- EUR Stornierungskosten, die sie
aufgrund Ziff. 5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) berechnete. Die Kläger
wiesen die Forderung mit anwaltlichem Schreiben vom 25.04. und 21.05.2002 zurück.
Mit der Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass die Beklagte aus der
Reisestornierung keine Stornierungskosten beanspruchen kann.
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Nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2003 trotz
ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen, beantragte die Beklagte ein
klageabweisendes Versäumnisurteil, welches den Klägern am 4. Juni 2003 zugestellt
wurde. Hiergegen haben sie noch am gleichen Tag Einspruch eingelegt.
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Die Kläger behaupten, der Zeuge A hätte bei den Verhandlungen gegenüber dem
Mitarbeiter des Reisebüros XX zum Ausdruck gebracht, dass das Hotel über einen
reinen Sandstrand, einen Kindergarten und Kinderanimation, ferner durch eine
durchgehend in Betrieb befindliche Klimaanlage verfügen müsse. Ihm sei daraufhin von
diesem zugesichert worden, dass das Hotel diese Bedingungen erfülle. Dem Zeugen A
sei erst nach erfolgter Buchung ein Prospekt der Beklagten übergeben worden, aus dem
hervorging, dass das Hotel diesen Ansprüchen der Kläger nicht entspricht. Die Kläger
sind der Auffassung, sie seien von dem Mitarbeiter des Reisebüros arglistig getäuscht
worden, was der Beklagten zuzurechnen sei. Sie behaupten weiter, der Zeuge A sei am
Stand des Reisebüros nicht auf die AGB der Beklagten hingewiesen worden und habe
keine Möglichkeit gehabt, von diesen Kenntnis zu nehmen. Er sei ebenfalls nicht auf
eine verbindliche Reisebuchung hingewiesen worden.
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Die Kläger beantragen,
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das Versäumnisurteil vom 08.05.2003 aufzuheben und
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festzustellen, dass die Beklagte aus der Reisestornierung
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vom 02.04.2002 keine Stornierungskosten beanspruchen
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kann.
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Die Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 08.05.2003 aufrechtzuerhalten.
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Sie behauptet,
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die Kläger seien durch das vermittelnde Reisebüro XX ausführlich beraten worden.
Bereits bei der Beratung sei der Katalog der Beklagten Sommer 2002 Türkei
hinzugezogen worden, in dem eine Beschreibung der Hotelanlage sowie die AGB der
Beklagten enthalten waren. Es sei auch auf eine verbindliche Reisebuchung
hingewiesen worden. Die Beklagte ist der Ansicht, mit der Eingabe in das Online-
Buchungssystem XXXX und der Rückbestätigung durch dieses System, die noch am
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29.03.2002 den Klägern mitgeteilt wurde, sei ein wirksamer Reisevertrag zustande
gekommen. Die von den Klägern vorgetragenen Tatsachen zur arglistigen Täuschung
entsprächen nicht der Wahrheit. Die Kläger hätten die Reise zwei Tage nach der
Buchung zunächst mit der Begründung stornieren wollen, sie bekämen keinen Urlaub
und seien erst nachher auf die Anfechtung mit der Begründung, dass das Hotel ihren
Ansprüchen nicht genüge, übergegangen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.03.2003 durch
Zeugenvernehmung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschriften vom 08.05.2003 sowie vom 16.09.2003 verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg. Der
Feststellungsanspruch der Kläger ist zwar gemäß § 256 ZPO zulässig, er ist jedoch
unbegründet.
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I.
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Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung, dass diese aus
der Reisestornierung für die Reise nach XXX das Hotel XY vom 24.06. bis 08.07.2002
keine Stornierungskosten beanspruchen kann, denn die Beklagte hat wegen des
Rücktritts der Kläger vom Reisevertrag einen Anspruch auf angemessene
Entschädigung gemäß § 651 i Abs. 2, Abs. 3 BGB in Verbindung mit ihren AGB.
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1.
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Die Parteien haben in Vertretung durch den hierzu bevollmächtigten Zeugen A einen
Pauschalreisevertrag gemäß §§ 651 a, 164 BGB geschlossen.
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Eine verbindliche Reiseanmeldung der Kläger liegt vor. Der Zeuge A unterschrieb in
Vertretung der Kläger eine verbindliche Reiseanmeldung. Dieses Angebot wurde durch
die Beklagte mittels einer Rückbestätigung des Buchungssystems XXXX angenommen.
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Bei datenverarbeitender Buchung mit einem Reservierungssystem des
Reiseveranstalters kommt der Vertrag sofort bei der Buchung in den externen Rechner
zustande (Niehuus, Reiserecht, 2. Auflage 2002, Rn. 123).
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Die Kläger können die Mitteilung über das Zustandekommen eines Reisevertrages am
29.03.2002 auch nicht mit Nichtwissen bestreiten, da es sich hierbei um eine Tatsache
handelt, die Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung ist (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die den
Klägern später von der Beklagten zugesandte schriftliche Reisebestätigung hat somit
lediglich deklaratorische Bedeutung.
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2.
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Der Reisevertrag ist auch nicht durch eine Anfechtung der Kläger gemäß § 142 BGB
unwirksam geworden.
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Das an die Beklagte gerichtete Schreiben vom 03.04.2002 enthält zwar eine
Anfechtungserklärung, es fehlt indes an einem wirksamen Anfechtungsgrund gemäß §
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123 BGB.
Ob das Reisebüro, respektive der beratende Mitarbeiter desselben, die Kläger über den
wiederum für sie in Vertretung handelnden Zeugen arglistig getäuscht hat, kann
dahinstehen. Eine solche Täuschung würde die Kläger jedenfalls nicht zur Anfechtung
des Vertrages gegenüber der Beklagten berechtigen. Denn eine Willenserklärung kann
wegen einer von einem Dritten verübten Täuschung nach § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB nur
dann angefochten werden, wenn der Erklärungsgegner die Täuschung kannte oder
kennen musste. Das Reisebüro ist im Verhältnis zu der Beklagten Dritter im Sinne des §
123 Abs. 2 Satz 1 BGB.
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Ein unabhängiges Reisebüro ist entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung
nicht Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters, wenn es im Rahmen einer Auswahl
verschiedener Veranstalter tätig wird. Dass dies vorliegend der Fall war, haben sowohl
der für das Reisebüro XX tätige Zeuge B als auch der von den Klägern benannte Zeuge
A anlässlich ihrer Vernehmung bestätigt. Darüber hinaus erfolgte die behauptete
Zusicherung im Rahmen der Auswahl der Reise, also in einem Stadium, als noch
zwischen den Angeboten mehrerer Veranstalter abgewogen wurde, so dass das
Reisebüro auch aus diesem Grund vorliegend nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten
angesehen werden kann. Der Zeuge A bekundete anlässlich seiner Vernehmung, es
seien ihm vor der Buchung in dem Reisebüro mehrere Prospekte verschiedener
Anbieter vorgelegt worden.
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Die Zurechnung nach § 278 BGB ist durch die nach außen erkennbare
Verhandlungsvollmacht begrenzt, so dass die Beklagte nicht an Zusicherungen
gebunden ist, die das Reisebüro entgegen dem Prospektinhalt macht. Es ist nach
außen erkennbar, dass das Reisebüro, das den Vertrag nur vermittelt und selbst nicht
abschließt, keine selbständigen Erweiterungen des angebotenen Listungsumfanges
vornehmen darf und insoweit keine Vollmacht hat. Reisebüromitarbeiter können nur
solche mündlichen Zusicherungen abgeben, die den Prospekt ergänzen, nicht aber
solche, die in einem offenen Widerspruch zur Reisebeschreibung stehen oder ins Blaue
hinein abgeben. Ein Widerspruch liegt schon dann vor, wenn das Vorhandensein von
Einrichtungen zugesagt wird, welche im Prospekt des Reiseveranstalters fehlen. Hierfür
haftet der Reiseveranstalter nicht (Niehuus, Rn. 133).
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Soweit möglicherweise der Mitarbeiter des Reisebüros etwaige Zusagen entgegen dem
Prospektinhalt der Beklagten gemacht haben sollte, musste die Beklagte dies weder
wissen noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie hiervon Kenntnis hatte.
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3.
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Die Kläger sind von dem Pauschalreisevertrag mit Schreiben vom 03.04.2002
zurückgetreten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie das Schreiben mit
Schriftsatz vom 27.05.2002 als Anfechtungserklärung deklariert haben, denn aus dem
weiteren klägerischen Vortrag sowie dem Klageantrag ergibt sich, dass die Kläger für
den Fall, dass die Anfechtung nicht erfolgreich ist, von dem Vertag zurücktreten wollten.
Tatsächlich haben die Kläger die Reise auch nicht angetreten.
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4.
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Aufgrund ihres Rücktritts von dem wirksam abgeschlossenen Pauschalreisevertrag
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kann die Beklagte gemäß § 651 i Abs. 2 eine angemessene Entschädigung verlangen.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass
die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Reisevertrag wirksam mit einbezogen
wurden, so dass die Beklagte den in ihren AGB festgelegten, angemessenen
Pauschalbetrag nach § 651 i Abs. 3 in Verbindung mit Ziff. 5.2 a ihrer Allgemeinen
Geschäftsbedingungen fordern darf.
Zur Einbeziehung der AGB ist gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB erforderlich, dass die
Beklagte als Verwenderin die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss auf ihre AGB
hingewiesen hat. Ein solcher Hinweis muss bei Vertragsschluss, also grundsätzlich bei
der Buchung erfolgen. Ein Hinweis auf der deklaratorischen Reisebestätigung ist
dementsprechend nicht ausreichend.
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Zusätzlich muss gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB der anderen Vertragspartei die
Möglichkeit gegeben werden, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der AGB Kenntnis zu
nehmen.
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Grundsätzlich kann von der Einbeziehung der AGB ausgegangen werden, wenn der
Kunde aufgrund des Reiseprospektes bucht, in dem die AGB des Reiseveranstalters
abgedruckt sind. Ein zusätzlicher Hinweis auf die AGB ist bei Reisebuchung aus dem
Katalog des Veranstalters regelmäßig entbehrlich, da es als allgemein bekannt
vorausgesetzt werden kann, dass Reisekataloge Reisebedingungen enthalten
(Niehuus, Rn. 143; LG Frankfurt, RRA 2002, 68 (69 ff.).
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Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass die
streitgegenständliche Reise auf der Grundlage des Kataloges der Beklagten erfolgte, so
dass der von den Klägern bevollmächtigte Vertreter die Möglichkeit von deren
Kenntnisnahme hatte. Das Gericht geht ferner davon aus, dass der Vertreter der Kläger
ausreichend auf die AGB der Beklagten als auch die Verbindlichkeit der Reise
hingewiesen wurde.
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Der Zeuge B hat anlässlich seiner Vernehmung ausdrücklich und in sich
widerspruchsfrei bekundet, dass die Reise von dem Zeugen A in Begleitung seiner Frau
an dem Schalter am Flughafen für die Kläger gebucht wurde. Der Zeuge erinnerte sich
an viele Einzelheiten des Buchungsvorgangs, so dass davon auszugehen ist, dass er
eine präsente Erinnerung an diesen Buchungsvorgang hatte. Die Aussage des Zeugen
ist glaubhaft. Der Zeuge selbst glaubwürdig. Der Zeuge vermochte insbesondere die
Nachfrage, warum er sich ausgerechnet an einen bestimmten Buchungsvorgang noch
so genau zu erinnern vermochte, schlüssig aufzuklären. Anhaltspunkte dafür, dass an
der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln ist, bestehen nicht.
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Die Aussage der von den Klägern benannten Zeugen stehen hinsichtlich der
Zugrundelegung des Kataloges als Buchungsgrundlage nicht in Widerspruch zu der
Aussage des Zeugen B. Der Zeuge A bestätigte, dass ihm der Prospekt der Beklagten
mit dem darin enthaltenen 5-Sterne-Hotel "XY" vor der Buchung vorgelegt wurde. Der
Zeuge bekundete, sich lediglich die Bilder diese Prospekts angesehen zu haben und
die Hotelbeschreibung zunächst nicht gelesen zu haben.
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Auch die Zeugin D bestätigte anlässlich ihrer Vernehmung, dass ihnen, d. h. ihr und
ihrem Mann, mehrere Angebote vorgelegt worden seien, aus denen sie dann ein Hotel
ausgesucht hätten. Keiner der beiden von den Klägern benannten Zeugen bekundete,
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dass die Reise aufgrund eines Sonderangebotsblattes mit eigener inhaltlicher
Hotelbeschreibung der Beklagten, zu der der reguläre Katalog lediglich als
unverbindliche Illustration beigezogen wurde oder gar ohne Bezugnahme auf den
Katalog der Beklagten, gebucht wurde. Demgemäss ist von einer Buchung nach
Kataloginhalt auszugehen. Dass sich der Vertreter der Kläger den Text der
Hotelbeschreibung nicht durchgelesen und entgegen des ausdrücklichen Hinweises der
Beklagten auf ihre AGB auf den Seiten 174 bis 177 des Kataloges nicht zur Kenntnis
genommen hat, steht dem nicht entgegen. Die Kläger müssen sich diese Unkenntnis
zurechnen lassen (§ 166 BGB).
Es ist auch durchaus davon auszugehen, dass dem Vertreter der Kläger die
Verbindlichkeit der Reiseanmeldung bewusst war. Schließlich leistete er eine
Unterschrift und wurde gemäß der glaubhaften Aussage des Zeugen B ausdrücklich
gefragt, ob eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen werden sollte.
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Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass der Vertreter der Kläger den Katalog nicht
erst nach der Buchung zu sehen und ausgehändigt bekommen hatte, sondern dass
dieser vielmehr Grundlage des Pauschalreisevertrages geworden ist. Demnach sind
auch die hierin enthaltenen AGB der Beklagten Vertragsgrundlage geworden.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs.
1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert:
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