Urteil des AG Düsseldorf vom 20.08.2007
AG Düsseldorf: vernehmung von zeugen, fahrzeug, schweres verschulden, gesetzliche vermutung, radio, versicherungsnehmer, versicherungsschutz, kaskoversicherung, versicherer, schalter
Amtsgericht Düsseldorf, 28 C 16247/06
Datum:
20.08.2007
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 C 16247/06
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf, Abteilung 28.
auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2007
durch die Richterin X
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-
ckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt als Versicherungsnehmer von der Beklagten Versicherungsschutz
aus einem Fahrzeugteileversicherungsvertrag vom 13.04.2006 für sein Fahrzeug X aus
einem Einbruchsvorfall.
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Das Fahrzeug erlitt im Jahr 2002 einen Heckschaden. Damaliger Eigentümer war Herr
X. Am 25.07.2005 kam es zu einem ersten Einbruchsvorfall. Zu diesem Zeitpunkt war
der Zeuge X Eigentümer. Zu dem Einbruchsschaden wurde am 10.08.2005 ein X-
Gutachten (Bl. 107 ff. GA) erstellt. Als Schäden wurden aufgeführt: "Verdeck rechtsseitig
aufgeschnitten, Mittelkonsole beschädigt, nach Angaben des VN wurde ein fest
eingebautes Radio aus der Mittelkonsole entwendet." Die zum damaligen Zeitpunkt
ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 3.125,93 € brutto wurden durch die Beklagte
reguliert.
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Im 03.04.2006 verkaufte und übereignete der Zeuge X das Fahrzeug an den Kläger. Am
11.07.2006 kam es erneut zu einem Einbruch, der zwischen den Parteien streitig ist.
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Nach vorheriger telefonischer Schadensmeldung zeigte der Kläger am 31.07.2006 den
Schaden gegenüber der Beklagten schriftlich an. Auf dem Formular machte er bei der
Frage "Frühere reparierte Beschädigungen des Fahrzeugs" einen Strich in das
Angabenfeld. Auf die Frage "Zum Diebstahlszeitpunkt am Fahrzeug vorhandene
Mängel und unreparierte Schäden (auch Kleinstschäden)" antwortete er mit "nein". Auf
dem Schadensformular war folgende Belehrung enthalten: "Die gestellten Fragen sind
eingehend und wahrheitsgemäß zu beantworten. Keine Frage darf unbeantwortet
bleiben. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen zum Verlust des
Anspruchs auf Versicherungsschutz, auch wenn dem Versicherer hierdurch kein
Nachteil entsteht."
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Zu dem vom Kläger behaupteten Einbruchsschaden vom 11.07.2006 ließ der Kläger
von der X - GMBH am 10.08.2006 ein Schadensgutachten erstellen. Hiernach belief
sich der einbruchsbedingt bezifferte Schaden auf 3.241,68 €. In dem X-Gutachten stellte
der Zeuge X einen unsachgemäß behobenen Frontschaden mir Restunfallspuren fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 96 ff. GA Bezug
genommen.
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Mit Schreiben vom 12.09.2006 lehnte die Beklagte eine Regulierung ab. Sie teilte mit,
dass der Kläger über bestehende Vorschäden falsche Angaben gemacht habe, und
berief sich auf ihre Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit
gemäß § 7 Abs. 5 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG.
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Der Kläger behauptet, am 11.06.2007 sei sein Fahrzeug in der Xstraße in X
aufgebrochen worden. Hierbei sei das Verdeck des Fahrzeugs zerstört, das eingebaute
Radio entwendet und die Konsole, in die das Radio eingebaut gewesen sei, beschädigt
worden. Verdeck, Radio und Konsole hätten vor dem Schadensereignis keine Schäden
aufgewiesen. Sämtliche der im X-Gutachten beschriebenen Schäden seien durch den
Einbruch entstanden. Auch von einer vorherigen Beschädigung aufgrund eines
Unfallereignisses habe der Kläger nicht gewusst. Beim Erwerb des Fahrzeugs im April
2006 sei er auf keine Vorschäden hingewiesen worden. Auch danach seien ihm keine
Beschädigungen aufgefallen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihm Versicherungsschutz aus dem
Schadensereignis vom 11.07.2006 zu gewähren und an ihn einen Betrag in
Höhe von 3.241,68 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 11.07.2006
zu zahlen,
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die Beklagte zu verurteilen, an den hinter dem Kläger stehenden
Rechtsschutzversicherer, die X - X Platz 1, X, zur Schadensnummer X,
einen Betrag in Höhe von 191,73 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Verdeckschaden und die Schäden an der Mittelkonsole hätten schon
vor dem behaupteten Einbruchsdiebstahl bestanden. Die Schäden aus dem
Einbruchsdiebstahl aus dem Jahr 2005 würden mit den jetzigen Schäden
übereinstimmen. Dem Kläger seien die Einbruchsschäden aus dem Jahr 2005 und der
Frontschaden bekannt gewesen und der Kläger habe zu den Vorschäden falsche
Angaben gemacht. Die Beklagte beruft sich zusätzlich auf ihre Leistungsfreiheit nach §
61 VVG.
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Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24.04.2007
durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2007 (Bl. 157 GA) Bezug
genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 3.241,68 € aus § 1
Abs. 1 S. 1 VVG.
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Die Beklagte ist nicht verpflichtet dem Kläger Versicherungsschutz für das
Schadensereignis vom 11.07.2006 zu gewähren. Sie ist gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 2, Abs.
5 Ziffer 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG von ihrer Leistung frei geworden.
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Gemäß § 7 Abs. 5 Ziffer 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG wird die Kaskoversicherung von
ihrer Leistungsverpflichtung frei, wenn der Versicherungsnehmer die ihn treffenden
Aufklärungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und dieser Verstoß
generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Nach § 7
Abs. 1 Ziffer 2 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur
Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens erforderlich ist. Dazu
gehört auf entsprechende Nachfrage auch die Mitteilung von Vorschäden.
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Diese Aufklärungspflicht hat der Kläger verletzt. Denn er hat die in der
Schadensanzeige gestellten Fragen nach Vorschäden objektiv falsch beantwortet. Auf
die Frage nach den zum Diebstahlszeitpunkt am Fahrzeug vorhandenen Mängeln und
unreparierten Schäden (auch Kleinstschäden) hat er mit "nein" geantwortet. Bei der
Frage "Frühere reparierte Beschädigungen des Fahrzeugs" hat er einen Strich in das
Angabenfeld gemacht. Tatsächlich hat das Fahrzeug bereits im Jahr 2005 einen
Einbruchschaden erlitten, bei dem das Verdeck zerstört worden ist und die Mittelkonsole
beschädigt worden ist. Jedenfalls die Beschädigungen an der Mittelkonsole sind auch
noch unrepariert vorhanden gewesen. Hierzu hat der Kläger bei seiner informatorischen
Befragung selbst angegeben, dass vor dem Einbruchsvorfall schon Kratzer an der
Konsole vorhanden gewesen sind. Ferner hat das Fahrzeug im Frontbereich einen
unsachgemäßen behobenen Schaden mit Restunfallspuren aufgewiesen.
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Die Fragen im Anzeigenformular sind auch nicht unklar formuliert gewesen, sondern
eindeutig und unmissverständlich. Danach sind insbesondere vorhandene Mängel und
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Schäden jeglicher Art abgefragt worden, von denen das Fahrzeug in der Vergangenheit
betroffen gewesen ist. Auch sind ausdrücklich Angaben zu unreparierten
Kleinstschäden verlangt worden.
Wenn der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung objektiv feststeht, wird in der
Kaskoversicherung nach § 6 Abs. 3 S. 1 VVG vermutet, dass die Falschangabe
vorsätzlich erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer hat diese gesetzliche Vermutung zu
widerlegen (BGH NVZ 2002, 118, OLG Stuttgart RuS 2006, 64).
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Dieser Beweis ist dem Kläger jedenfalls bezüglich des Vorschadens an der
Mittelkonsole nicht gelungen. Denn in seiner informatorischen Befragung in der
mündlichen Verhandlung vom 11.07.2007 hat der Kläger selbst zugegeben, dass dort,
wo das Radio gewesen ist, schon vorher Kratzer gewesen sind. Hieraus ergibt sich,
dass dem Kläger das Vorhandensein eines Vorschadens bewusst gewesen ist.
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Auch die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung stehen einer Leistungsfreiheit nicht
entgegen. Danach tritt Leistungsfreiheit bei vorsätzlichen folgenlosen
Obliegenheitsverletzungen nur ein, wenn die Falschangabe generell geeignet ist, die
Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versicherungsnehmer
schweres Verschulden trifft und er außerdem ausdrücklich darüber belehrt worden ist,
dass Leistungsfreiheit auch dann eintritt, wenn dem Versicherer aus der Falschangabe
kein Nachteil entstanden ist (BGH VersR 1984, 228, OLG Köln VersR 2000, 224).
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Vorliegend ist die Obliegenheitsverletzung des Klägers schon nicht folgenlos geblieben.
Denn der Beklagten sind durch die Falschangabe des Klägers Nachteile bei der
Feststellung des Versicherungsfalls und des Schadensumfangs entstanden. Indem der
Kläger nicht wahrheitsgemäß angegeben hat, dass die Konsole schon vor dem
Einbruchsvorfall am 11.07.2006 Beschädigungen durch Kratzer aufgewiesen hat, ist die
Beklagte gehindert gewesen die Voraussetzungen des Versicherungsfalls und
insbesondere den Umfang des Schadens vollumfänglich zu prüfen. Die Falschangabe
des Klägers hat sich gerade auf den Regulierungsumfang des angezeigten
Versicherungsfalls bezogen. Neben dem zerstörten Verdeck und dem entwendeten
Radio hat der Kläger Ersatz für die beschädigte Mittelkonsole begehrt. Sie ist im X-
Gutachten in der Schadensbeschreibung (S. 4 des Gutachtens vom 10.08.2006, Bl. 99
GA) und in der Schadenskalkulation aufgeführt. So weist die Schadenskalkulation die
Posten "Schalterträger aus-/einbauen", "Schalter Instrumententafel aus-/einbauen"
sowie und Ersatzteile "Aufnahme Schalter" aus (Bl. 102 GA). Diese Positionen betreffen
alle die beschädigte Mittelkonsole. Da die Mittelkonsole jedoch schon seit dem
vorherigen Einbruch im Jahre 2005 beschädigt gewesen ist, hätte hierfür keine
Eintrittspflicht der Beklagten bestanden und sie keinen Ersatz leisten müssen.
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Überdies liegen auch die übrigen Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung vor.
So sind falsche Angaben zu Vorschäden generell geeignet die Interessen des
Versicherers zu beeinträchtigen. Denn diese können dazu führen, dass eine den Wert
des Fahrzeugs übersteigende Entschädigung bezahlt wird (BGH NVZ 2002, 118, OLG
Stuttgart RuS 2006, 64). Ferner ist ein erhebliches Verschulden des Klägers gegeben.
Zwar hat es sich bei den Kratzern nur um Bagatellschäden gehandelt. Jedoch ist auch
nach diesen Kleinstschäden im Formular der Beklagten gefragt worden. Im übrigen hat
die Falschangabe des Klägers gerade den Regulierungsumfang des angezeigten
Versicherungsfalls betroffen. Schließlich ist der Kläger in dem Formular zur
Schadensanzeige auch über die Folgen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung
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ordnungsgemäß belehrt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 3.241,68 € festgesetzt.
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