Urteil des AG Düsseldorf vom 26.02.2004
AG Düsseldorf: üblicher mietzins, verkehrsunfall, fahrzeug, mensch, unterlassen, marktforschung, preisvergleich, erfüllung, astra, vorteilsausgleichung
Amtsgericht Düsseldorf, 39 C 10445/03
Datum:
26.02.2004
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
39 C 10445/03
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2004
durch den Richter X
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67,20 EUR zu zahlen. Im
übrigen
wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 78 % und die
Beklagte zu
22 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Angemessenheit von Mietwagenkosten nach einem
Verkehrsunfall und die angemessene Höhe der abzuziehenden ersparten Eigenkosten.
2
Im April 2003 kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Fahrzeug der Klägerin
und dem des Herrn X, dessen Haftpflichtversicherung die Beklagte ist. Die Haftung der
Beklagten aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall ist unstreitig. Das Auto der
Klägerin musste für vier Tage in die Reparatur. Während dieser Zeit mietete die Klägerin
ein Mietfahrzeug der Marke X (Mietwagengruppe 6) bei der Fa. X (im folgenden:
3
Mietwagenunternehmen). Das Mietwagenunternehmen stellte der Klägerin die Kosten
unter Zugrundelegung eines Fahrzeugs der Gruppe 4 in Höhe von 640,32 EUR in
Rechnung. Die Beklagte zahlte auf diesen Betrag 300 EUR. Die Klägerin macht die
Mietwagenkosten in Höhe von 640,32 EUR abzgl. 5 % ersparter Eigenkosten von 32,02
EUR abzgl. der bereits gezahlten 300 EUR geltend.
Die Klägerin beantragt,
4
die Beklagte zu verurteilen, an sie 308,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %
5
über dem Basiszinssatz nach § 1 des DÜG seit dem 06.05.2003 zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Die Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten
von 640,32 EUR seien unangemessen überhöht. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden
an der Schadensentstehung, weil sie Preisvergleiche unterlassen habe. Es sei ein
Eigenkostenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe von 15 % der Rechnungssumme
abzuziehen. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Mietwagenunternehmen
sei wegen sittenwidriger Preisüberhöhung nichtig. Das Mietwagenunternehmen habe es
pflichtwidrig unterlassen, über von ihr bereitgestellte günstigere Mietwagentarife
aufzuklären.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die
von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen
Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
10
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11
Die Klage ist teilweise begründet.
12
I.
13
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 67,20 EUR aus
14
§ 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG i.V.m. §§ 249, 254 Abs. 2 BGB, § 287 ZPO.
15
Die Haftung der Beklagten für Schäden aus dem Unfall am 10.4.2003 ist dem Grunde
nach unstreitig und beruht auf § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG.
16
Mietwagenkosten bei Beschädigung eines Kraftfahrzeugs fallen als Herstellungskosten
grundsätzlich unter § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Geschädigte kann nur den Betrag
ersetzt verlangen, der objektiv erforderlich ist oder war, d.h. die Aufwendungen, die ein
verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten
machen würde. Der Geschädigte darf sich grundsätzlich ein Fahrzeug gleichen Typs
mieten. Da nur der "objektiv" erforderliche Betrag zu ersetzen ist, muss der Geschädigte
grundsätzlich zum Preisvergleich zwei oder drei Konkurrenzangebote einholen und sich
über die in Betracht kommenden Tarife informieren. Zur Erfüllung dieser Pflicht, die
nichts mit Marktforschung zu tun hat, genügen wenige Telefongespräche. Seitdem die
17
Mietwagenunternehmen neben dem Normaltarif einen um viele Prozente teureren
Unfallersatzwagentrarif anbieten, muss sich der Geschädigte insoweit erkundigen und
den günstigeren Tarif wählen. Die Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 7.5.1996, BGHZ
132, 373), die den Geschädigten praktisch von allen Sorgfaltspflichten i.R.d. § 254 Abs.
2 BGB freistellt und missbräuchliche Tarifgestaltung im Mietwagengeschäft bestärkt, ist
mit dem Grundsatz, das nur diejenigen Aufwendungen zu ersetzen sind, die ein
wirtschaftlich denkender Mensch für erforderlich halten durfte, ohne Korrektiv
unvereinbar (vgl. Schiemann, JZ 1996,1077, Freyberger, MDR 1996, 1091; Hootz, BB
1996, 2215). Sie hat sich auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht
durchsetzen können (vgl. LG Freiburg, Urt. v. 11.3.1997, NJW-RR 1997, 1069;
LG Bonn, Urt. v. 25.2.1998, NZV 1998, 417). Dabei übersieht das Gericht nicht, dass das
Gebot der wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung nicht vom Geschädigten
verlangt, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten,
als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich
vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf das Grundkonzept des
Schadensersatzes, dem Geschädigten einen möglichst vollständigen
Schadensausgleich zu kommen zu lassen, nicht verlassen werden. Deshalb ist bei der
objektiven Prüfung der erforderlichen Aufwendungen im Rahmen des §§ 249, 254 Abs.
2 BGB in gewissem Umfang eine subjektbezogene Schadensbetrachtung - wie vom
BGH angesprochen - anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des
Geschädigten zu nehmen. Diese subjektive Betrachtungsweise findet jedoch ihre
objektive Grenze, wenn Mietwagenunternehmen Unfallersatztarife in einer Höhe
anbieten, die ohne sachlichen Grund von den Tarifen anderer Mietwagenangebote
abweichen, so dass die vom Geschädigten einsehbaren Marktgepflogenheiten
allgemein als unangemessen angesehen werden, wenn sie auch noch nicht
rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 138 BGB seien müssen. Eine solche Grenze ist jedenfalls
bei der Überschreitung von Mietwagentarifen über dem dreifachen Satz der Tabelle
Sanden/Danner/Küppersbusch bezüglich der Nutzungsausfallentschädigung erreicht.
Eine Tarifgestaltung, bei der allein danach differenziert wird, ob es sich bei dem
anzumietenden Fahrzeug um ein Unfallersatzfahrzeug handelt (dann Aufschlag von
zum Teil mehreren 100 %) oder nicht (dann üblicher Mietwagentarif), ist sachlich nicht
gerechtfertigt und kann nicht Grundlage gerichtlicher Schadensabwicklung sein. Bei
solchen Mietwagenkosten fehlt es bereits objektiv an der Erforderlichkeit der
Aufwendung i.S.d. § 249 BGB bzw. jeder muss misstrauisch werden und verstößt
andernfalls gegen § 254 Abs. 2 BGB.
18
Das Gericht hält vorliegend mangels weiterer objektiver Anknüpfungspunkte für eine
Schätzung und angesichts der derzeitigen Marktgepflogenheiten von
Mietwagenunternehmen bezüglich der Unfallersatzmietwagentarife Mietwagenkosten
von 408 EUR für vier Tage für angemessen, § 287 ZPO. Als vereinfachte Methode zur
Berechnung des maximal "üblichen" Mietzinses bei Unfallersatzmietwagen wird der
dreifache Satz der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch (NJW 2003, 803) über die
Nutzungsausfallentschädigung gelegt (Vg. AG Frankfurt, Urt. v. 06.09.2001, NZV 2002,
82; OLG München, Urt. v. 14.3.1995, DAR 1995, 254; LG Freiburg, a.a.O., NJW-RR
1997, 1069).
19
Danach ergibt sich für einen Opel Astra ein üblicher Mietzins von maximal insgesamt
408 EUR (=3 x 34 EUR x 4 Tage).
20
Davon sind 10 % ersparte Eigenaufwendungen abzuziehen. Der Geschädigte muss
21
sich im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen anrechnen
lassen. Hinsichtlich der Höhe werden verschiedene Meinungen vertreten (vg. allg.
Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl., § 249, Rn. 32). Das Gericht hält 10 % für
angemessen und ausreichend, § 287 ZPO (OLG Hamm, Urt. v. 20.3.2000, VersR 2001,
206 m.w.N.).
Abzüglich der von der Beklagten bereits gezahlten 300 EUR verbleibt ein
Forderungsbetrag von 67,20 EUR.
22
II.
23
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 286, 288 BGB.
24
III.
25
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713
ZPO.
26
IV.
27
Die Berufung war zuzulassen, weil die Sache angesichts der aufgezeigten
unterschiedlichen Rechtsprechungsentwicklungen für die Fortbildung des Rechts und
die Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts
erfordert.
28
Streitwert
29