Urteil des AG Düsseldorf vom 13.01.2009

AG Düsseldorf: pos, eingliederung, wechsel, begriff, implantat, versorgung, kaufmann, gebühr, versicherungsvertrag, zahnbehandlung

Amtsgericht Düsseldorf, 58 C 13729/08
Datum:
13.01.2009
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
58 C 13729/08
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO
nach abschließender Fristsetzung zum 16.12.2008
durch den Richter am Amtsgericht X
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird festgesetzt auf:
bis zum 01.09.2008: 869,40 €
ab dem 01.09.2008: 738,99 €
Tatbestand:
1
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankenversicherung, in der unter anderem
auch Zahnbehandlungen seiner Ehefrau mit 85% der erforderlichen Kosten versichert
sind.
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Die Ehefrau des Klägers ließ im Jahre 2007 eine umfängliche implantologische
Zahnbehandlung durchführen. Zu Beginn der Behandlung waren an den Zähnen 16, 14,
36, 34, 43, 44 und 46 die im Knochen verankerten unteren Implantate eingebracht
worden. Nach der Einheilphase und vor Eingliederung der Suprakonstruktion wurden an
den vorgenannten Zähnen folgende Behandlungsschritte durchgeführt:
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02.08.07:
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Abschrauben der Abdeckkappen an den o.g. Zähnen, Aufschrauben von
Abformpfosten, Funktionsabformung, Abschrauben der Abformpfosten und
Aufschrauben der Abdeckkappen
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15.08.07
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Abschrauben der Abdeckkappen an den o.g. Zähnen, Abutmenteinprobe,
Ausschrauben der Abutments, Einschrauben der Abdeckkappen
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27.08.07
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wie 15.08.07 und zusätzlich Kroneneinprobe, anschließend wieder Einschrauben
der Abdeckkappen
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Für diese Leistungen wurde mit Rechnung vom 17.09.2007 (Bl. 8 f. d.A.) jeweils die
Pos. 905 GOZ mit dem 2,3-fachen Satz berechnet, mithin 3 Tage á 7 Zähne á 41,40 € =
869,40 €.
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Am 13.09.07 kam es dann zur lediglich mit den Pos. 220 bzw. 500 berechneten
Versorgungen der v.g. Zähne durch Vollkrone bzw. Brücken/Prothesen.
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Die Beklagte kürzte die Rechnung um die mit Pos. 905 GOZ berechneten Leistungen
mit ihrer Leistungsabrechnung vom 28.09.07 und leistete auch nach weiterem
Schriftverkehr keine Zahlungen mehr.
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Der Kläger ist unter Berufung auf diverse Urteile der Auffassung, für die
vorgenommenen Einzelschritte sei jeweils die Pos. 905 GOZ anzusetzen, da es sich bei
den beschriebenen Vorgängen um ein "Auswechseln" im Sinne dieser
Gebührenposition handle und die Pos. 905 GOZ nicht bloße Hilfsposition bei
Suprakonstruktionen sei.
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Nachdem der Kläger mit der Klage zunächst mit der Klageschrift 869,40 €, demnach
100% der mit Pos. 905 GOZ abgerechneten Leistungen verlangt hatte, hat er mit
Schriftsatz vom 01.09.08 die Klage um 130,41 € zurück genommen, so dass er nunmehr
beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 738,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten
über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass aufgrund des Wortlautes des Leistungstextes zur Pos. 905
GOZ sowie des sog. Zielleistungsprinzips das bloße Aus- und Wiedereinschrauben
desselben Sekundärteils im Zuge von Abformungen und Einproben nicht gesondert
abrechenbar ist.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist, soweit nach teilweiser Klagerücknahme noch in der Sache zu
entscheiden ist, unbegründet.
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I.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von 85% der in der
streitgegenständlichen Rechnung mit Pos. 905 GOZ berechneten Leistungen aus dem
allein in Betracht kommenden § 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag nicht zu.
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Erstattungsfähig sind unstreitig nur Kosten einer medizinisch notwendigen
Heilbehandlung, soweit sie nach den Regelungen der GOZ abrechenbar sind.
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Dass die berechneten Leistungen als solche medizinisch notwendig waren steht außer
Streit.
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Die Beklagte hat jedoch zurecht den insgesamt dreimaligen Ansatz der Pos. 905 GOZ
beanstandet.
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Ob bei den unstreitig durchgeführten Leistungen die Pos. 905 GOZ angesetzt werden
darf, ist in der Rechtsprechung umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass mit Abschluss
der Implantationsphase das für die weitere Behandlung notwendige Aus- und wieder
Einschrauben desselben Sekundärteils (i.d.R. Abdeckkappenn bzw. Gingivaformer) als
eigenständige Leistungen unter Pos. 905 GOZ zu fassen sei (vgl. z.B. OLG Hamm U. v.
06.02.06 3 U 26/00; OLG Karlsruhe VersR 2002, 743; LG Dortmund BeckRS 2007,
12837 = U.v. 18.10.01 4 S 15/01; VG Düsseldorf v. 22.10.04 26 K 2900/03; so auch
GOZ-Beschlusskatalog der BZÄK, weitere Nachweise der Empfehlungen der Verbände
bei BZB Oktober 2007 S. 34).
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Die Gegenansicht hält das Aus- und Wiedereinschrauben desselben Sekundärteils im
Zuge der weiteren Behandlung schon nicht für unter den Wortlaut der Pos. 905 GOZ
subsummierbar und daneben auch nicht mit dem Zielleistungsprinzip vereinbar, soweit
diese Leistungen zwingend notwendiger Bestandteil bzw. Zwischenschritt zu weiteren
Leistungen ist (vgl. z.B. LG Köln RuS 2005, 426; AG Köln RuS 2005, 426; LG Hagen
VersR 02, 744, LG Kleve v. 18.9.03 6 S 110/03; LG Köln 25 S 50/99 v. 28.06.00; wohl
auch LG Heidelberg v. 25.01.08 7 O 303/05 = VersR 2008, 911, sowie Kaufmann in
VersR 02, 744).
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Das Gericht schließt sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung an.
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Maßgebend ist zunächst der Wortlaut.
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Unter dem Begriff Auswechseln wird landläufig das Ersetzen eines Teils durch ein
anderes verstanden, nicht das kurzfristige Herausnehmen und wieder Einsetzen
desselben Teils. Dieses Verständnis scheint auch der Gesetzgeber gehabt zu haben
wenn er an anderer Stelle explizit von einem "Wiedereingliedern" spricht (z.B. Pos. 514
GOZ).
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Nach dem nach Auffassung des Gerichts daher eindeutigen Wortlaut kann unter
Auswechseln i.S.d. Pos. 905 GOZ nur der Ersatz eines Sekundärteils durch ein anderes
Sekundärteil verstanden werden, wobei dies durchaus bereits in der rekonstrutiven
Phase erfolgen kann, so dass die Annahme, die Pos. 905 Pos. greife nur bei
Reparaturfällen verfehlt erscheint.
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Ein anderes Sekundärteil ist dabei nach richtigem Verständnis allerdings nur ein Teil,
welches analog zum Behandlungsfortschritt phasenweise permanente Liegezeiten hat
(so auch AG Bergisch Gladbach U. v. 27.05.1997 24 C 140/97; ähnlich im Grundsatz
auch Beschluss des GOZ-Ausschusses der LZK-BW v. 06.03.1998: "Es muss sich
dabei aber um den Wechsel von Sekundärteilen am enossalen Implantat handeln, die
analog zum Fortschreiten der Versorgung phasenweise permanente Liegezeiten
haben."). Darunter fällt nicht ein nur zur Abdrucknahme kurzzeitig für eine Sitzung
eingebrachter Abformpfosten und auch nicht ein lediglich zur Einprobe für eine Sitzung
vorübergehend eingesetztes Abutment.
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Ein solches anderes Teil ist mithin an den streitgegenständlichen Behandlungstagen
nicht (permanent) eingesetzt worden, sondern jeweils nur zur Abformung oder Einprobe,
so dass ein Auswechseln nicht vorliegt.
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Die Arbeiten an den streitgegenständlichen Behandlungstagen stellen daneben keine
selbständige Leistung dar, sondern sind notwendige Schritte für zum einen das
Auswechseln der Abdeckkappe gegen das endgültige Abutment im Zuge der
Eingliederung der Suprakonstruktion und zum anderen das Einbringen der
Suprakonstruktionen (Krone bzw. Brücken). Sie sind daher grundsätzlich gem. § 4 Abs.
2 S. 2 GOZ nicht gesondert abrechenbar, wenn für die andere, die Zielleistung, eine
Gebühr berechnet wurde.
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Soweit die Arbeiten das Abformen und Einproben der Suprakonstruktion, also der
Kronen und Brücken beinhalteten, sind sie neben den für den 13.09.07 berechneten
Positionen 220 bzw. 500 nicht abrechnungsfähig, wie sich aus dem eindeutigen Zusatz
im Text der GOZ zur Leistungsbeschreibung zu diesen beiden Positionen ergibt, wenn
es heißt
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Durch die Leistungen nach den Nummern 500 bis 504 [bzw. 220 bis 222] sind
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folgende zahnärztliche Leistungen abgegolten: Präparieren
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der Zähne oder Implantate, Bestimmung der Kieferrelation,
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Abformungen, Einproben, provisorisches Eingliedern, festes
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Einfügen der Kronen oder Einlagefüllungen, Nachkontrolle
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und Korrekturen.
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Nicht anders muss es sich bei wertender Betrachtung verhalten, wenn die
streitgegenständlichen Leistungen daneben als Leistungen zur Vorbereitung des
endgültigen Auswechselns des Sekundärteils vorgenommen werden. In derartigen
Fällen fehlt den Vorbereitungsmaßnahmen schon der Charakter des nach dem Wortlaut
erforderlichen Auswechselns.
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Abrechenbar ist daher gem. Pos. 905 GOZ nach der Auffassung des Gerichts während
der Rekonstruktionsphase nur der Austausch eines Sekundärteils mit permanenter
Liegezeit gegen ein anderes mit permanenter Liegezeit, hier also z.B. der Ersatz der
Abdeckkappen durch das Abutment. Eine solche Leistung ist jedoch in der
streitgegenständlichen Abrechnung nicht in Rechnung gestellt worden.
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Zusammengefasst ist an den streitgegenständlichen Behandlungstagen kein
Auswechseln i.S.d. Pos. 905 GOZ erbracht worden, so dass die diesbezüglichen
Leistungen zu Unrecht abgerechnet wurden.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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