Urteil des AG Düsseldorf vom 07.03.2000

AG Düsseldorf: culpa in contrahendo, erfüllungsgehilfe, haftpflichtversicherung, beratungspflicht, wagen, hinweispflicht, vollstreckbarkeit, rechtsgrundlage, mietzins, tarif

Amtsgericht Düsseldorf, 234 C 14676/99
Datum:
07.03.2000
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
234 C 14676/99
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 31.01.2000
durch die Richterin am Amtsgericht XXX
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Streithilfe
entstandenen Kosten trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die
Vollstreckungs-
gläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollsteckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungs-
gläubiger vor der Vollsteckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus einem Mietwagenvertrag
geltend.
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Der aus XXX stammende und der deutschen Sprache nicht mächtige Beklagte
mietete nach einem unverschuldeten Unfall mit seinem Pkw Mercedes XXX, Baujahr
1986 auf Anraten des Zeugen XXX, einem von ihm kontaktierten
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Unfallsachverständigen, über die Filiale der Klägerin in XXX ein Ersatzfahrzeug der
Marke Mercedes XXX an.
Das Fahrzeug wurde in der Zeit vom 30.03.-10.04.1998 genutzt; die Klägerin stellte
hierfür einen Betrag in Höhe von 3.821,22 DM in Rechnung.
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Die Versicherung des Unfallgegners, die Streithelferin, zahlte hierauf einen Betrag in
Höhe von 1.745,-- DM. dies entspricht einem Bruttomietzins von täglich 145,42 DM.
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Das Unfallfahrzeug ist in die Fahrzeugklasse "Gruppe H" einzustufen. Fahrzeuge der
um vier Fahrzeuggruppen niedrigere "Gruppe D" sind bei gängigen Autovermietern
zu einem Normaltarif von 98,-- DM netto (113,68 DM brutto) pro Tag anmietbar.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe nach den vertraglichen Vereinbarungen der
Restmietzins in der geltend gemachten Höhe zu. Ihre Mitarbeiterin XXX habe dem
Beklagten lediglich zugesagt, die Fahrzeuggruppe mit der Versicherung
abzurechnen, die der Fahrzeugklasse des Beklagten entspreche. Sie habe keine
Zusage des Inhalts erteilt, dass der Beklagte nicht mit Mietwagenkosten seitens der
Klägerin belastet werde.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin
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2.076,22 DM nebst 13 % Zinsen seit dem 03.07.1999
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sowie 15,-- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat der im Rubrum näher bezeichneten Versicherung seines
Unfallgegners den Streit verkündet. Die Streitverkündete ist mit bei Gericht am
22.11.1999 eingegangenem Schriftsatz dem Beklagten streithelfend beigetreten.
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Die Streithelferin beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte und die Streithelferin, die sich den Inhalt der Aussage des Zeugen XXX
in der Beweisaufnahme vom 31.01.2000 ausdrücklich zu eigen gemacht haben,
behaupten, es gäbe zwischen dem vermittelnd tätigen Zeugen XXX und der Filiale
der Klägerin in XXX eine Vereinbarung, nach der dann, wenn eine Versicherung
eine Kürzung der Mietwagenkosten vornehme, dies nicht zu Lasten des Kunden
ginge. Der Beklagte sei nicht über den im Verhältnis zum Unfallersatztarif
günstigeren Normaltarif und ebenfalls nicht darüber aufgeklärt worden, dass er bei
Anmietung eines klassengleichen Fahrzeuges mit einer Kürzung wegen des Alters
des Unfallfahrzeuges und der anzurechnenden Eigenersparnis rechen müsse.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.01.2000. Wegen
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des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom
31.01.2000 (Bl. 63 ff. GA) Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht über den bereits geleisteten Betrag hinaus kein weiteren
Anspruch aus der Vermietung eines Fahrzeuges an den Beklagten zu. Der Beklagte
hat vielmehr in gleicher Höhe einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin
wegen Verschuldens beim Vertragsschluss, mit dem er konkludent durch
Leistungsverweigerung die Aufrechnung erklärt hat (§§ 287, 288 BGB).
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Die Klägerin hat eine ihre obliegende Pflicht, den Beklagten auf günstigere
Möglichkeiten eines Vertragsabschlusses hinzuweisen, in vorwerfbarer Weise
unterlassen.
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Hiervon muss das Gericht jedenfalls ausgehen, nachdem die Beklagten- und
Streithelferseite sich nach Durchführung der Beweisaufnahme den vom Zeugen XXX
bekundeten Sachverhalt ausdrücklich zu eigen gemacht und die Klägerin im
nachgelassen Schriftsatz ausdrücklich unstreitig gestellt hat, die
Vertragsverhandlungen seien nicht mit der Zeugin XXX sondern mit der Mitarbeiterin
XXX geführt worden. Dass die Mitarbeiterin XXX die nachfolgend dargelegten
Hinweispflichten erfüllt hat, ist von der Klägerin nicht behauptet worden. Der
diesbezügliche Beklagtenvortrag ist damit unstreitig. Es kommt daher weder auf das
tatsächliche Ergebnis der Beweisaufnahme an, noch ist dem im nachgelassenen
Schriftsatz der Klägerin vom 14.02.2000 Beweiserbieten nachzugehen. Bereits nach
dem unstreitigen Sachverhalt im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen
Verhandlung ist der klägerische Anspruch nicht gegeben.
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Der Klägerin oblag eine Hinweis- bzw. Beratungspflicht zum einen im Hinblick auf
die Besonderheiten des sog. Unfallersatztarifes. Nach vorherrschender
Rechtsauffassung (z.B. OLG Frankfurt, NZV 1996, 34, 35; OLG Frankfurt, NZV 1995,
108; OLG Gießen, Zfs 1994, 287; OLG Koblenz,, NZV 1992, 236), der sich das
erkennende Gericht anschließt, hat der Mietwagenunternehmer, der zu einem über
dem üblichen Normaltarif abschließen will, eine dem Vertragschluß vorausgehende
Beratung gegenüber seinem Kunden vorzunehmen. Zwar sind Vertragspartner im
Rechtsverkehr grundsätzlich nicht gehalten, auf anderweitige, günstigere
Abschlussmöglichkeiten hinzuweisen. Die bei der Anmietung eines
Unfallersatzfahrzeuges erkennbare besondere Interessenlage rechtfertigt aber eine
differenzierte und von dem allgemeinen Grundsatz in der Regel abweichende
Beurteilung (OLG Karlsruhe, DAR 1993, 229; OLG Frankfurt, NZV 1996, 34, 35).
Einem Geschädigten, dessen Unfallgegner für den Schaden in vollem Umfang haftet,
geht es bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges erkennbar im wesentlichen
darum, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung die Mietwagenkosten in vollem
Umfang abdeckt. Die Klägerin wäre daher verpflichtet gewesen, den Beklagten auf
die Besonderheiten des "gespaltenen Tarifmarkts" hinzuweisen. Sie hätte ihn darauf
aufmerksam machen müssen, dass der von ihr angebotene Unfallersatztarif deutlich
über dem Normaltarif liegt und erläutern müssen, dass die Versicherung des
Unfallgegners möglicherweise nicht ohne weiteres bereit sein werde, den
angebotenen Unfallersatztarif zu akzeptieren (AG Frankfurt a.M., Zfs 1999, 194). Dies
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ist nicht geschehen.
Ein weiterer Aufklärungsmangel liegt darin, dass der Beklagte von der Mitarbeiterin
XXX unstreitig (vgl. obige Ausführungen) nicht darüber informiert wurde, dass der
Beklagte bei der Anmietung eines klassengleichen Fahrzeuges mit einem
erheblichen Abzug wegen Eigenersparnis zu rechnen hat. Im vorliegenden Fall hätte
der Beklagte, um einer Kürzung zu entgegnen, unter Berücksichtigung des Alters
seines Unfallfahrzeuges einen Wagen der "Gruppe D" anmieten müssen. Darauf
hätte die Klägerin ebenfalls hinweisen müssen.
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Da nach alledem die Klägerin - bzw. die für sie als ihr Erfüllungsgehilfe fungierende
Mitarbeiterin XXX in einer der Klägerin zurechenbaren Weise - schuldhaft die ihr
obliegende Hinweispflicht im Rahmen der anzubahnenden Vertragsbeziehungen
zum Beklagten verletzt hat (culpa in contrahendo), ist der Beklagte so zu stellen, wie
er stünde, wenn eine ausreichende Belehrung durch die Klägerin erfolgt wäre
(Ersatz des sog. negativen Interesses). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der
Beklagte dann einen entsprechend günstigeren Vertrag abgeschlossen, also einen
Fahrzeug zu einem Tarif angemietet hätte, der von der gegnerischen Versicherung,
der Streitelferin, vollumfänglich und ohne Abzug akzeptiert worden wäre. Insoweit ist
unter Berücksichtigung des unwidersprochen gebliebenen Vorbringens des
Beklagten und der Streithelferin davon auszugehen, dass der von der Beklagten
bereits gezahlte Mietzins pro Tag von 145,42 DM über dem sogenannten Normaltarif
für ein Fahrzeug der Gruppe D liegt.
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Nach allem war die Klage abzuweisen; eine ergänzende Vernehmung der Zeugin
XXX war unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes entbehrlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in
§§ 707 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 2.076,22 DM.
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