Urteil des AG Düsseldorf vom 28.12.2007

AG Düsseldorf: bundesamt für justiz, elterliche sorge, eltern, herausgabe, stadt, aufenthalt, verordnung, gefahr, kindeswohl, jugendamt

Amtsgericht Düsseldorf, 266 F 381/07
Datum:
28.12.2007
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter am Amtsgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
266 F 381/07
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf –Familiengericht-
im schriftlichen Verfahren nach mündlicher Verhandlung am 28.12.2007
b e s c h l o s s e n :
Die Herausgabe der Kinder X X, geb. am 06.02.XXXX,
X X, geb. am 23.08.XXXX und X X, geb. am
09.03.XXXX an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen
Rückführung
nach X wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Zwangsvollstreckung
werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe:
1
I.
2
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Herausgabe der gemeinsamen
im Tenor namentlich benannten Kinder zum Zweck der sofortigen Rückführung nach X
aufgrund des Hager Kindesentführungsübereinkommens in Verbindung mit der
Verordnung (EG) des Rates Nr. 2201/2003 (sogenannte Brüssel II a-Verordnung).
3
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4
Die im Tenor benannten Kinder sind die gemeinsamen ehelich geborenen Kinder des
Antragstellers und der Antragsgegnerin.
5
Die Ehe der Eltern ist seit dem 16. Oktober XXXX geschieden.
6
Die Eltern haben zuletzt seit dem Januar XXXX in X, X, gelebt.
7
Das Sorgerecht für die im Tenor benannten Kinder ist bei beiden Eltern nach der
Scheidung verblieben. Nach dem X Recht sind die sorgeberechtigten Eltern
8
befugt, über den Aufenthalt der Kinder zu entscheiden.
9
Am 13.04.XXXX verließ die Antragsgegnerin mit den Kindern den Aufenthaltsort in X,
um in Deutschland eine Woche zu verbringen.
10
Nach Ablauf dieses Zeitraumes teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass
sie mit den Kindern in Deutschland bleiben werde.
11
Der Antragsteller war mit dem Verbleib der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland
zu keinem Zeitpunkt einverstanden.
12
Mit Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 17.08.XXXX wurde die Antragsgegnerin
in Deutschland aufgefordert, freiwillig mit den Kindern nach X zurückzukehren. Dies
wurde von der Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 29.08.XXXX abgelehnt.
13
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt der mitsorgeberechtigte Vater die sofortige
Herausgabe der Kinder zum Zwecke der Rückführung nach X.
14
Er beantragt,
15
wie erkannt.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
17
den Antrag zurückzuweisen.
18
Sie trägt vor,
19
dass die Rückgabe der Kinder nach X mit schwerwiegender Gefahr eines körperlichen
und seelischen Schadens für die Kinder verbunden sei.
20
Sie hat dies im Einzelnen in den antragserwidernden Schriftsätzen ihres
Verfahrensbevollmächtigten ausführen lassen.
21
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Schriftsätze zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
22
Darüber hinaus rügt sie, dass für die betroffenen Kinder kein Verfahrenspfleger im
23
Sinne des § 50 FGG bestellt worden ist.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
25
II.
26
Der zulässige Antrag des Vaters auf Kindesrückführung nach X ist begründet.
27
Gemäß dem Art. 12 Abs. 1 des Haager Kinderentführungsübereinkommens (HKÜ) hatte
das Gericht die sofortige Herausgabe der betroffenen Kinder an den
mitsorgeberechtigten Vater zum Zwecke der Rückführung nach X anzuordnen.
28
Die Mutter hat die Kinder widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKÜ in Deutschland
zurückgehalten, in dem sie ihren Besuchsaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
gegen den Willen des Vaters verlängert hat und mit den Kindern ihren ständigen
Aufenthalt in X genommen hat. Sie hat unstreitig gegen den Willen des Vaters
gehandelt, der das Sorgerecht für die Kinder nach der Scheidung der Ehe in X mit inne
hat.
29
Der Vater hat das Sorgerecht zum Zeitpunkt der Verbringung der Kinder nach
Deutschland auch tatsächlich ausgeübt. Die vom Gericht angehörten Kinder haben
bekundet, dass sie regelmäßigen Kontakt mit dem Vater in X hatten. Im Übrigen hat die
Antragsgegnerin den diesbezüglichen Vortrag des Vaters nicht in Abrede gestellt. Der
Vater hat somit das Sorgerecht tatsächlich im Sinne des Art. 13 HKÜ ausgeübt.
30
Die Mutter mag mit dem Einverständnis des Vaters mit den Kindern nach Deutschland
zu Besuchszwecken ausgereist sein. Der Vater war auf jeden Fall nicht damit
einverstanden, dass die Mutter mit den Kindern ihren ständigen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland begründet. Sie hat mit dieser einseitigen rechtswidrigen
Handlungsweise die elterliche Sorge des antragstellenden Vaters verletzt.
31
Dem Rückführungsersuchen des Vaters steht die Regelung des Art. 13 Abs. 1 b HKÜ
nicht entgegen.
32
Das Gericht kann nicht feststellen, dass die Kinder bei ihrer Rückkehr nach X einer
schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens ausgesetzt
wären.
33
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Rückführung der Kinder nach X mit
Beeinträchtigungen für die Kinder verbunden sein wird. Die Mutter hat durch ihr
rechtswidriges Verhalten die Ursache dafür gesetzt, dass die Kinder Beeinträchtigungen
durch die Rückführung in den bisherigen Sprach- und Kulturbereich erleiden werden.
Die Kinder haben nachhaltig bekundet, dass sie gerne bei der Mutter in Deutschland
leben und in ihrem alltäglichen Umfeld gute Kontakte geknüpft haben. Bei dem
betroffenen Kind X ist darüber hinaus davon auszugehen, dass sich die Lese- und
Rechtschreibschwäche, die unstreitig bei diesem Kind steht, zumindest vorübergehend
weiter verschlimmern oder zumindest nicht bessern wird.
34
Diese Benachteiligungen, die das Jugendamt der Stadt X und der
Verfahrensbevollmächtigte der Mutter in nachvollziehbarer Weise dargelegt haben, sind
insgesamt aber nicht geeignet, den Tatbestand einer schwerwiegenden Gefahr im
Sinne des Art. 13 Abs. 1 b HKÜ auszufüllen.
35
Die angesprochenen Nachteile für die Kinder sind ursächlich in dem widerrechtlichen
Verhalten der Mutter begründet und nach der Systematik des HKÜ hinzunehmen, um mit
36
entsprechender Außenwirkung internationale Kindesentführungen zu vermeiden.
Dies gilt gerade auch in Anbetracht des Umstandes, dass es der Mutter möglich und
zumutbar ist, mit den Kindern nach X zurückzukehren und dort die Betreuung und
Versorgung ihrer Kinder weiter sicherzustellen, bis von den in X zuständigen Behörden
ggfs. eine Sorgerechtsregelung geschaffen worden ist, die es der Mutter ermöglicht,
rechtmäßig den Aufenthaltsort der Kinder in ein anderes Land zu verändern.
37
Wie schon in der mündlichen Verhandlung vom Gericht dargelegt, geht es in dem
vorliegenden Verfahren nicht darum, eine Sorgerechtsentscheidung orientiert am
Kindeswohl zu treffen, sondern Sinn des Verfahrens ist es, den Zustand wieder
herzustellen, der vor dem rechtswidrigen Zurückbehalten durch die Mutter für die
38
Familie insgesamt bestanden hat.
39
Im Verlauf des Verfahrens hat das Gericht die Bestimmung des Art. 11 der EG-
Verordnung Nr. 2201 aus 2003 (Brüssel IIa,) eingehalten und die Kinder persönlich
angehört.
40
In Anbetracht der Anhörung der Kinder und in Anbetracht der Stellungnahme des
Jugendamtes der Stadt X sowie des umfangreichen Vortrages des Antragsgegner-
Vertreters zu den Gesichtspunkten des Kindeswohles hat das Gericht nach eingehender
Prüfung der Sach- und Rechtslage auch unter Beachtung der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes vom 18.07.2006 (I BvR 1465 aus 2005) davon abgesehen,
einen Verfahrenspfleger für die Kinder vor der Entscheidung zu bestellen.
41
Ein Fall des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 2 und 3 FGG liegt nicht vor.
42
Es steht fest, dass die Kinder den Willen haben, nicht nach X zurückzukehren. Darüber
hinaus haben das Jugendamt der Stadt X und der Vertreter der Mutter die Nachteile für
die Kinder im Fall der Rückführung ausreichend thematisiert.
43
Besondere Umstände, die den Schluss zulassen, dass beide Eltern die Interessen der
Kinder aus den Augen verloren haben, sind nicht erkennbar. Es liegt dem hier zu
entscheidendem Fall die Grundkonstellation eines Herausgabeverfahrens nach dem
HKÜ zugrunde. Das Gericht ist davon überzeugt, dass auch ein Verfahrenspfleger keine
andere Entscheidung tragenden Gesichtspunkte einbringen würde.
44
Aus diesem Hintergrund verbietet es der Beschleunigungsgrundsatz des Art. 11 HKÜ in
Verbindung mit Art. 11 Abs. 3 Brüssel II a bei der vorliegenden Sachlage durch die
Bestellung eines Verfahrenspflegers die Entscheidung des Verfahrens zu verzögern,
zumal das Gericht nach einer entsprechenden Ankündigung des
Verfahrensbevollmächtigten der Mutter davon ausgehen muss, dass diese im
vorliegenden Fall den Rechtsweg ausschöpfen wird.
45
Das Gericht hofft, durch eine schnelle Entscheidung in dieser Sache bei der
Antragsgegnerin die Ansicht zu eröffnen, dass sie eine Herausgabe der Kinder im
Rahmen dieses Verfahrens nur dadurch verhindern kann, dass sie eine freiwillige
Rückkehr mit den Kindern nach X anbietet und damit die rechtswidrige Situation
aufhebt, die sie geschaffen hat.
46
Der unterzeichnende Richter hofft, dass die Einsicht der Mutter dazu führt, dass eine
Vollstreckung in diesem Verfahren unnötig wird und damit die Maßnahmen nicht
angeordnet werden müssen, die in der Antragsschrift auf Bl. 7 und 8 vom Bundesamt für
Justiz angekündigt worden sind.
47
Die Einsicht der Mutter in die Notwendigkeit einer freiwilligen Rückkehr nach X würde
nach allem dem Kindeswohl am besten dienen.
48
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 13 a FGG.
49
Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf 4.500,00 €.
50