Urteil des AG Dortmund vom 22.06.2004

AG Dortmund: vertraglicher ausschluss der haftung, wohnung, vermieter, fehlerhafte herstellung, mietrecht, mietvertrag, kostenvoranschlag, grundstück, rückbau, beschädigung

Amtsgericht Dortmund, 125 C 1426/03
Datum:
22.06.2004
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Abteilung 125
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
125 C 1426/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu
vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Mieter der in der ersten Etage befindlichen Wohnung in der G-I-Str. 15 in
E. Der Beklagte bewohnt die genau zwei Etagen über der Wohnung des Klägers
gelegene Wohnung.
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Der Beklagte erteilte der Fa. Sanitär und Heizung I G GmbH den Auftrag, am 05.03.2003
Handwerksarbeiten in seiner Wohnung und auf seine Rechnung auszuführen, die dann
auch durchgeführt wurden.
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In der Nacht vom 05.03. zum 06.03.2003 wurde der Kläger gegen 02.00 Uhr morgens
von der Polizei geweckt, da größere Mengen Wassers aus der Wohnung des Beklagten
durch die darunter gelegene in die Wohnung des Klägers drangen. Als
Schadensursache kommt ggf eine fehlerhafte Herstellung des wasserzu- und/oder -
ablaufs in der Küche in Betracht Durch das herunter fließende Wasser entstand in der
Wohnung des Klägers ein Wasserschaden an den Tapeten zweier Wände der Diele
sowie an der
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Küchendecke.
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Der Kläger verlangte zunächst vom Beklagten und als dessen Haftpflichtversicherung
die Regulierung ablehnte von seinem Vermieter Schadensersatz. Letzterer verwies den
Kläger an die Sanitär- und Heizungsfirma I G GmbH. Diese überreichte die dem
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Beklagten erteilte Auftragsbestätigung und vermerkte darauf, dass sich aus der
Auftragsbestätigung ergäbe, dass seitens der Firma der Wasserzu- und ablauf an der
Kücheneinrichtung nicht hergestellt worden sei.
Der Kläger behauptet, Schadensursache sei nicht - wie seitens des Beklagten
dargestellt - ein abgeplatzter Wasserschlauch, sondern der Schaden sei anderweitig
entstanden. Die wirkliche Ursache sei dem Beklagten bekannt.
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Der Kläger ist der Ansicht, er sei aufgrund einer Vereinbarung im Mietvertrag zur
Übernahme der Schönheitsreparaturen und damit zur Behebung des Schadens
verpflichtet; er könne einen Haftungsschaden, den er gegenüber dem Vermieter zu
ersetzen verpflichtet sei, gegenüber dem Beklagten geltend machen.
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Er ist der Ansicht, der Beklagte habe bei der Schadensaufklärung seine
Mitwirkungspflicht verletzt; dadurch habe der Kläger etwaige Mietminderungsansprüche
gegenüber dem Vermieter nicht durchsetzen können. Der Beklagte sei als vorrangiger
Haftungsschuldner und Anscheinsverursacher schadensersatzpflichtig.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 646,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2003 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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a. die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, der Kläger sei nicht zur Übernahme der Schönheitsreparaturen
verpflichtet. Er vertritt weiter die Ansicht, die möglicherweise erforderliche Reparatur sei
keine Schönheitsreparatur. Er ist der Meinung, dem Kläger sei gar kein Schaden
entstanden. Der Beklagte behauptet weiter, die im Kostenvoranschlag vom 17.10.2003
aufgeführten Handwerkerarbeiten seien zur Beseitigung des Wasserschadens nicht
erforderlich.
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Er ist schließlich weiter der Ansicht, eine gesonderte Berechnung der Kosten für den
Kostenvoranschlag sei nicht zulässig, da diese bei Auftragserteilung verrechnet würden.
Mehrwertsteuer sei bei einer Abrechnung auf Kostenvoranschlagbasis nicht zu
erstatten.
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Wegen der weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung der 646,64 Euro zu.
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Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Denn eine direkte
Anwendung der Vorschrift auf eine aus einem mietrechtlichen Verhältnis resultierende
Streitigkeit scheidet nach dem Wortlaut der Vorschrift - die auf Einwirkungen von einem
Grundstück auf ein anderes Grundstück ausgeht - aus.
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Aber auch für eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des BGH
entwickelten Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen
Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bleibt kein Raum. Denn es fehlt an
einer die Analogie rechtfertigenden ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke. In einem
grundstücksbezogenen Regelungszusammenhang - § 906 BGB ist Teil des bürgerlich-
rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 - 924 BGB - sind Normen, die das Verhältnis von
Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an den
Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um
den es bei § 906 BGB, allgemein gefasst, geht, sondern müssten im Mietrecht
angesiedelt werden. Dass es auch im Mietrecht keine Normen gibt, die einen
Interessenausgleich bezwecken, stellt ebenfalls kein Regelungsdefizit dar, das durch
eine analoge Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften, insbesondere § 906 Abs. 2
S. 2 BGB, behoben werden könnte. Wenn der Gesetzgeber trotzdem keine dem
Charakter des § 906 BGB entsprechende Regelung im Mietrecht getroffen hat, so kann
daraus nur gefolgert werden, dass er eine Regelung für entbehrlich gehalten hat (BGH
5. Zivilsenat, Urteil vom 12. Dezember 2003, AZ: V ZR 180/03; BGHReport 2004, 430-
431; Dötsch, in: VersR 2004, 520).
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Zudem bedarf es einer solchen spezifischen Regelung überhaupt nicht. Denn der Mieter
kann vom Vermieter eine von Dritten - insbesondere von Mitmietern - ungestörte
Gebrauchsgewährung verlangen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Auflage, § 535 Rn. 14,
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Der Anspruch folgt vorliegend auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB. Denn
wenngleich auch wegen der Besitzverletzung (Beschädigung der Wände und der Decke
sowie wg. §§ 93, 94 BGB der Tapete) der haftungsbegründende Tatbestand erfüllt sein
könnte, so fehlt es auf jeden Fall beim haftungsausfüllenden Tatbestand an einem
Schaden. Der Schaden ist ausschließlich am Eigentum und Vermögen des Vermieters
entstanden.
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Die Tapeten stehen im Eigentum des Vermieters und zwar unabhängig, ob der Kläger
eine bereits tapezierte Wohnung angemietet hat, so dass der Vermieter bereits
Eigentümer der Tapeten war, als er sie anbringen ließ oder ob der Beklagte die
Wohnung tapeziert hat. In letzterem Fall wurden die Tapeten gem. § 94 Abs. 2 BGB
wesentlicher Bestandteil des Gebäudes (KG NZM 1999, 876 = NVersR 1999, 336; AG
Schwelm VersR 1986, 561). Es handelt sich nicht um nur zu einem vorübergehenden
Zweck eingebrachte Gegenstände i.S.d. § 95 BGB. Tapeten sollen auf Dauer in der
Wohnung verbleiben. Wenn sie tatsächlich einmal entfernt werden dann deshalb weil
sie "verbraucht" sind und nicht weil sie anderswo wieder gebraucht werden soll.
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Bezüglich einer Vereinbarung im Mietvertrag, dass der Kläger im Verhältnis zum
Vermieter für eine ihm nicht zurechenbare Beschädigung der Sachsubstanz durch einen
Dritten haftet (sog. Haftungsschaden), trägt der Kläger nichts vor. Dann kann der Kläger
als Mieter aber den Substanzschaden nicht ersetzt verlangen; dies darf nur der
Eigentümer, also der Vermieter (BGH NJW 1984, 2569; LG Köln in: VersR 1977, 270,
271). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob eine solche vertragliche Regelung
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überhaupt wirksam wäre.
Den Kläger trifft auch keine Verpflichtung, dem Vermieter gegenüber den Schaden unter
dem Aspekt der Schönheitsreparaturen zu ersetzen. Denn Mängel, die von Dritten
verursacht wurden, stellen keine im Rahmen von Schönheitsreparaturen
behebungsbedürftigen Mängel dar (LG Köln, in: VersR 1977, 270, 271; Langenberg,
Schönheitsreparaturen bei Wohnraum und Gewerberaum 1. Aufl., S. 80). Nach
einhelliger Auffassung ist auch beim preisfreien Wohnraum die unmittelbar nur für
preisgebundene Wohnungen geltende Definition in § 28 Abs. 4 Satz 4 II. BV
maßgeblich. Danach sind Schönheitsreparaturen keine Reparatur im eigentlichen
Sinne, vielmehr handelt es sich um "bloße" Malerarbeiten in der Wohnung um die
Gebrauchsspuren zu beseitigen (Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung
und Rückbau, 2. Aufl., 2004, Seite 7). Der Wasserschaden ist keine Folge des
Gebrauchs der Wohnung durch den Kläger. Für die Beseitigung solcher Schäden ist
ausschließlich der Vermieter zuständig, der dann ggf Rückgriff beim Verursacher
nehmen kann. Wenn durch die Wasserschäden die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen
Gebrauch tatsächlich gemindert war, so hatte sich die Miete auch gem. § 536 Abs. 1
BGB automatisch gemindert. Die Ausführungen der Klägervertreterin zum fehlenden
Verschulden des Vermieters sind rechtsirrig, da die Miete sich bei Vorliegen eines
mangels i.S.d. § 536 BGB automatisch mindert ohne dass es auf ein Verschulden des
Vermieters ankommt. Im übrigen ist ein Anspruch des Vermieters auf Durchführung von
Schönheitsreparaturen nicht fällig, solange diese wegen bauseitiger Schäden sinnvoll
nicht ausgeführt werden können (Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung
und Rückbau, 2. Aufl., 2004, Seite 95).
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Vertragliche Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten bestehen auch nicht unter
dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Zwar kann der
Mietvertrag solche Schutzpflichten zugunsten Dritter entwickeln, dies gilt aber nach h.M.
nicht für die Mieter eines Mehrfamilienhauses untereinander (Eisenschmid in Schmidt-
Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdnr. 146 mwN in Fn 331). Dies ist auch gar nicht
erforderlich, weil der Kläger eigene vertragliche Ansprüche gegen den Vermieter
geltend machen kann und deshalb auf die Aufnahme in den Schutzbereich eines
weiteren Mietvertrages gar nicht angewiesen ist.
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Ob in diesen Fällen die Regeln der Drittschadensliquidation Anwendung finden (dafür
Woitkewitsch ZMR 2004, 401) kann dahinstehen. Denn anders als in den von
Woitkewitsch erörterten Fällen aus dem Gewerberaummietrecht ist im
Wohnraummietrecht ein vertraglicher Ausschluss der Haftung des Vermieters für durch
Dritte verursachte Mietmängel formularmäßig nicht möglich (Eisenschmid in Schmidt-
Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 536a Rdnr. 171) wenn es sich Mängel handelt, die
Auswirkungen auf die Hauptleistungspflicht des Vermieters haben. Hier ist der
Vermieter gem. § 535 Abs. 1 BGB zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen
Zustands verpflichtet. Kommt er mit der Beseitigung in Verzug schuldet er gem. § 536 a
Abs. 1 3. Alt. BGB Schadensersatz. Die Minderung kann bereits auf Grund der
eindeutigen Regelung des § 536 Abs. 4 BGB bei Wohnraummietverträgen nicht
ausgeschlossen werden. Im übrigen würden die Regeln der Drittschadensliquidation
wohl auch nur dazu führen, dass der Vermieter einen Schaden des Mieters beim
Schädiger liquidieren kann.
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Auf die weitere Frage, ob der Kläger hier entgegen § 249 BGB Anspruch auf Ersatz der
Mehrwertsteuer hat und ob die Kosten für den Kostenvoranschlag ausnahmsweise
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ersatzfähig sind kommt es deshalb nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 2. Alt.,
711 ZPO.
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