Urteil des AG Dortmund vom 16.03.2010

AG Dortmund (höhe, vertrag, vertragsübernahme, vertragsschluss, vereinbarung, vertragserfüllung, widerrufsrecht, kunde, zpo, veranstaltung)

Amtsgericht Dortmund, 425 C 8389/09
Datum:
16.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
425 C 8389/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 979,66 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
22.08.2005 sowie 15,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % aus dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Im Mai 2008 wurde die Beklagte privat in der Dortmunder Innenstadt durch einen
Mitarbeiter des Fitnessstudios "G" angesprochen. Dabei wurde ihr ein Gutschein über
ein kostenloses Probetraining bei einem Fitnessstudio übergeben.
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Um dies Training wahrnehmen zu können, begab sich die Klägerin einige Tage später
in die Räumlichkeiten des Fitnessstudios. Dort unterzeichnete sie im Anschluss an ihr
Probetraining am 01.06.2008 einen Vertrag über eine 24 monatige
Trainingsmitgliedschaft mit Beginn 01.07.2008. Hierbei wurde eine monatliche
Vergütung in Höhe von 29,99 € zuzüglich einer jährlich anfallenden
Trainingsbetreuungspauschale in Höhe von 129,95 € vereinbart, welche per Lastschrift
vom Konto von Herrn H, abgebucht werden sollte. Zusätzlich regelten die allgemeinen
Mitgliedschaftsbedingungen des Fitnessstudios, dass die monatlichen Raten bei Verzug
von mehr als zwei Beträgen sofort fällig werden sollten.
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Am 06.06.2008 wurde die Beklagte erneut bei der Klägerin vorstellig und wollte den
Vertrag widerrufen. Dazu übergab sie den Mitarbeitern des Fitnessstudios ihre
Mitgliedskarte und den Schlüssel zum Studio. Diese Übergabe wurde ihr auch von
Seiten der Mitarbeiter quittiert. Im Anschluss beglich die Beklagte die ihr zugestellten
Rechnungen für ihre Mitgliedschaftsgebühr nicht mehr.
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Am 17.07.2008 begehrte die Beklagte eine Vertragsübernahme durch Herrn H, welcher
den ihm vorgelegten Vertrag unterzeichnete. Dabei wurde ein handschriftlicher Zusatz
im Vertrag aufgenommen, nach welchem die Vertragsübernahme seitens des
Fitnessstudios nur bei vollständiger Vertragserfüllung angenommen werden sollte.
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In der Folgezeit zahlte auch Herr H nicht bzw. nicht vollständig die Mitgliedsgebühren,
so dass nach anfänglichen Mahnungen, welche Kosten in Höhe von 15,00 €
verursachten die "G" ihre Ansprüche gegen die Beklagte am 26.09.2008 an die Klägerin
im Rahmen eines Factoring-Vertrages abtrat. Die Klägerin berechnet anschließend
Gebühren in Höhe von 147,50 € zuzüglich Bonitätsprüfungskosten in Höhe von 3,00 €
und Kontoführungskosten in Höhe von 18,90 €.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Vertrag der Beklagten mit dem Fitnessstudio
weiterhin wirksam sei.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 979,66 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2008 zu zahlen.
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2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 184,40 € zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2008 zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, dass schon der Fitnessvertrag vom 06.06.2008 von ihr wirksam
widerrufen worden sei. Außerdem ist sie der Auffassung, dass die Vereinbarung
zwischen dem Fitnessstudio und Herrn H über die Voraussetzung der vollständigen und
ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zur Wirksamkeit der Vertragsübernahme von ihr
nicht mit unterschrieben sei und damit gemäß Ziffer 12 des Vertrages wegen fehlender
Schriftform unwirksam sei.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
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Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 979,66 €
zuzüglich Zinsen aus abgetretenem Recht aus dem Fitnessvertrag vom 06.06.2008 zu.
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Die Beklagte hat mit der "G" einen Fitnessvertrag gemäß § 535, 611 BGB wirksam
geschlossen.
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Diesen Vertrag hat sie auch nicht am 06.06.2008 wirksam widerrufen. Ein
Widerrufsrecht stand hier nicht zu. Es liegt insbesondere kein Fall des § 312 Abs. 1 Nr. 2
BGB vor. Dieser setzt einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem
Verbraucher über eine entgeltliche Leistung voraus, zu dessen Abschluss der
Verbraucher im Rahmen einer vom Unternehmer durchgeführten Freizeitveranstaltung
bestimmt worden ist. Bei dem kostenlosen Probetraining handelt es sich jedoch
entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine solche Freizeitveranstaltung. Diese
liegt vor, wenn das Freizeit- und Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind,
dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem
auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann. Dabei muss
das Freizeiterlebnis aufgrund der Ankündigung oder Durchführung der Veranstaltung im
Vordergrund stehen; der Unterhaltungswert muss vom eigentlichen Verkaufs- oder
Werbezwecken ablenken. Das Fitnessstudio warb hier mit einem kostenlosten
Probetraining durch Verteilung der Gutscheine. Dabei war ersichtlich, dass diese
lediglich aus Werbezwecken verteilt wurden, um potenziellen Kunden das eigene
Studio interessant zu machen, sie also anzulocken. Dabei wurde jedoch nicht mit einer
langfristigen oder außerhalb des üblichen Verfahrens eines Fitnessvertrages liegenden
Veranstaltung geworben, sondern vielmehr wurde gerade genau das angeboten, auf
dass sich ein potenzieller Vertrag beziehen sollte. Eine Ablenkung vom eigentlichen
Zweck ist hier nicht erkennbar. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch
von der zitierten Entscheidung des LG Koblenz. Dort war ein 7-tägiges Probetraining im
Gutschein versprochen worden und im Fitnessstudio fand eine Art Sommerfest statt, bei
der das Probetraining fast untergeordnet Bedeutung hatte.
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Der Beklagten steht auch kein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB aus. Hier
lag eine zeitliche Zäsur zwischen dem Überreichen des Gutscheins auf der öffentlichen
Straße und dem tatsächlichen Antritt des Probetrainings vor. Auf die weitere Frage,
inwieweit die Regelung im deutschen BGB insofern Richtlinien konform ist, kommt es
gar nicht an. Bereits nach der Formulierung in § 312 Abs. 1 Ziff. 3 BGB muss eine
"Bestimmung" zum Vertragsschluss auf der öffentlichen Verkehrsfläche erfolgen. Daran
fehlt es bei der Überreichung eines Gutscheins für ein räumlich und zeitlich in der
Ansprache völlig getrenntes Probetraining. Hier hat der Kunde ausreichend Zeit,
darüber nachzudenken, ob er an diesem Probetraining teilnehmen will. Die Ansprache
auf der Verkehrsfläche ist nicht mehr ursächlich für den Vertragsschluss.
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Die Klägerin ist auch nicht durch die Übernahme des Vertrages von Herrn H aus ihren
vertraglichen Pflichten entlassen worden. Insofern ist es egal, welchem der beiden
Sachverhaltsschilderungen man folgt. Ist der Zusatz auf dem Vertrag, dass die
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Übernahme erst nach vollständiger Erfüllung des Vertrages durch Herrn H wirksam
werden sollte, richtig, so ist diese Bedingung vorliegend unstreitig nicht eingetreten.
Folgt man der Argumentation der Beklagten, ist eine wirksame Übernahmevereinbarung
überhaupt nicht zustande gekommen. In diesem Fall war die Vereinbarung insgesamt
wegen der nicht eingehaltenen Schriftform unwirksam.
Der Anspruch auf Zahlung der Zinsen und von 15,00 € Mahnkosten ergibt sich unter
Verzugsgesichtspunkten.
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Soweit die Klägerin darüberhinaus die Erstattung von Inkassokosten verlangt, war die
Klage abzuweisen. Die Forderung war hier von Anfang an bestritten. Die Beklagte hat
auf ihre Widerrufsbelehrung hingewiesen. Ferner gab es die Verhandlungen über die
Übernahme des Vertrages. Insofern war die Beauftragung eines Inkassoinstituts und die
Geltendmachung von entsprechenden Inkassokosten vorliegend ein Verstoß gegen die
gemäß § 254 BGB bestehende ........................
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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