Urteil des AG Dortmund vom 11.05.2010

AG Dortmund (lege artis, schaden, eigentümer, höhe, gutachten, bezug, erwerber, wohnung, ausscheiden, grundstück)

Amtsgericht Dortmund, 512 C 74/08
Datum:
11.05.2010
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
512 C 74/08
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
3.025,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 sowie vorgerichtliche
Kosten in Höhe von 359,50 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
T a t b e s t a n d :
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Die Beklagten waren bis Anfang 2008 Eigentümer der Wohnung Nr. 1 der klagenden
Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu ihrem Sondereigentum gehörte als
Sondernutzungsrecht ein Gartenteil. Auf diesem Gartenteil steht eine Eibe, die die
Beklagten im April 2007 haben beschneiden lassen.
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Die Parteien streiten sich darüber, was die Beklagten im Einzelnen mit der Eibe
gemacht haben und aus welchem Grund dies geschah und ob dies nach den
anerkannten technischen Regeln geschah.
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Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten durch den Beschnitt die Eibe rechtswidrig
zerstört. Die Eigentümer hatten unstreitig bereits im Jahre 2007 gegen diese Art der
Beschneidung verwahrt und die Beklagten aufgefordert Schadensersatz zu leisten und
zum damaligen Zeitpunkt gab es ein Angebot eines Landschaftsbaubetriebes über
14.222,29 €. Es wurden dann Vergleichsgespräche geführt, wonach von den Beklagten
für den Wertverlust 3.000,00 € zu zahlen waren. Dies wurde von den Beklagten
abgelehnt. Die Eigentümergemeinschaft hat dann ein Gutachten eingeholt, das zu
einem Schaden von 4.025,20 € kam. Die Eigentümergemeinschaft hat am 15.05.2008
beschlossen, die Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich gegenüber den Beklagten
geltend zu machen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.917,46 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
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01.10.2008 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 489,45 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreiten, dass durch den von ihnen durchgeführten Beschnitt ein Schaden
entstanden sei.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob der Rückschnitt der Eibe im April
2007 unter Berücksichtigung des damaligen Zustandes den anerkannten Regeln des
Handwerks entsprach und wie hoch der Schaden durch einen eventuell nicht lege artis
durchgeführten Rückschnitt ist und welche Kosten sowieso entstanden wären durch
Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen V N vom 28.09.2009 und dessen Ergänzungsgutachten
vom 19.03.2010 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Die Klägerin kann von den Beklagten Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB sowie
gem. § 823 Abs. 1. BGB verlangen. Zwar sind Eigentümer des Baumes die einzelnen
Wohnungseigentümer, da die Eibe wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist.
Geschädigt ist also jeder Eigentümer und nicht die – klagende – Gemeinschaft.
Vorliegend ist die Klägerin jedoch gemäß § 10 Abs. 6 S. 3, 1. Alternative WEG
berechtigt, den Anspruch geltend zu machen. Nach dieser Vorschrift übt der Verband
die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die
gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Zu dieser Befugnis
gehört auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (so auch I, Der
Ersatzanspruch bei Beschädigung des Gemeinschaftseigentums durch einen
Miteigentümer und seine Ausübung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, in
Festschrift für N zum 70. Geburtstag, 2010, Seite 153, 156).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des
erkennenden Gerichts fest, dass der Rückschnitt den die Beklagten im April 2007
vorgenommen haben, nicht den Regeln des Gartenbauhandwerks entsprach. Insofern
wird Bezug genommen auf das den Parteien vorliegende schriftliche
Sachverständigengutachten des Sachverständigen V N vom 28.09.2009. Der
Sachverständige hat festgestellt, dass die Eibe aus Verkehrssicherungsgründen nicht
hätte zurückgeschnitten werden müssen. Auch ein Rückschnitt aus sonstigen Gründen
wurde von ihm verneint. Aufgrund des Alters und Zustandes des Baumes wäre allenfalls
eine Kroneneinkürzung von maximal 20 % in Betracht gekommen. Ein prozentual
höherer Rückschnitt war vorliegend nicht zu rechtfertigen. Der Rückschnitt führte, wie
der Sachverständige es genannt hat, fast zu einer Kappung. Eine solche Kappung von
Stemmlingen gefährdet zwar grundsätzlich das Alter einer Eibe nicht, da die Eibe mit
der Gefährdung eines Pilzbefalls in der Regel fertig werden kann. Dies ist vorliegend
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jedoch nicht gegeben, da durch die nicht fachgerechte Schnittführung an mehreren
Stämmlingen Absterbeerscheinungen im Kambialbereich vorlagen. Gegen einen
Rückschnitt oder eine Kroneneinkürzung von über 20 % sprachen jedoch vorliegend
insbesondere die gestalterischen Folgen. Die Kappung von Bäumen, wie der
vorliegenden Eibe, führt grundsätzlich zu großen gestalterischen Schäden und zwar
unmittelbar und auch für die Zukunft. Gekappte Gehölze müssen stresshaft neue Triebe
ausbilden, um zumindest teilweise biologisch zu kompensieren. Sie ist dadurch jedoch
statisch zumindest in der Bruchsicherheit eingeschränkt und auch gestalterisch nicht
mehr in der Lage wieder eine wie vorher vorliegend arttypische Krone zu bilden. Somit
liegt alleine wegen des Umfanges der Kappung aber auch wegen der nicht
fachgerechten Schnittführung eine Eigentumsverletzung bzw. Pflichtwidrigkeit vor, die
die Beklagten grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichten. Soweit die Beklagten
Einwendungen gegen dieses Gutachten erhoben haben, hat sich der Sachverständige
in seinem Ergänzungsgutachten ausführlich und überzeugend damit beschäftigt und
diese Argumente bekräftigt. Soweit die Beklagten teilweise einen anderen Sachverhalt
in ihrem Einwendungsschreiben gegen das Gutachten vorgetragen haben, haben sie
hierfür keinerlei Beweis angeboten, bzw. konnte der Sachverständige die Richtigkeit
dieser Behauptungen nicht feststellen und nachvollziehen.
Die Beklagten sind somit verpflichtet, dem Grunde nach der Klägerin den Schaden
durch den nicht fachgerechten Rückschnitt zu ersetzen. Dabei handelt es sich um einen
Anspruch auf Geldersatz gem. § 251 BGB, da eine Naturalrestitution nicht möglich ist.
Diesen Vermögensschaden beziffert der Sachverständige in seinem
Ergänzungsgutachten mit 3.914,61 €. Hiervon müssen die Sowiesokosten für die
ersparte Kronenpflege in Höhe von 255,85 € abgezogen werden, so dass insgesamt ein
Schaden in Höhe von 3.658,76 € entstanden ist.
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Dieser Schaden ist entstanden, als die Beklagten den Rückschnitt durchgeführt hatten.
Zu diesem Zeitpunkt waren sie selbst noch Eigentümer. Die Entschädigung gemäß §
251 BGB wäre somit in das Vermögen der Eigentümergemeinschaft gefallen und hätte
den Beklagten anteilig auch zugestanden, weil ihr eigener Anteil am Baum durch sie
selbst auch beschädigt wurde. Deshalb ist von diesem Schadensbetrag nach
Ausscheiden der Beklagten aus der Wohnungseigentümergemeinschaft der auf den
Miteigentumsanteil der Wohnung Nr. 1 entfallende Anteil dieses
Schadensersatzbetrages in Abzug zu bringen (so auch Prof. Dr. Häublein a. a. O., Seite
161).
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Soweit die Klägerin dagegen argumentiere, dass ein evtl. Verwaltungsvermögen auch
auf den Erwerber übergegangen ist, ändert dies nichts daran, dass es sich vorliegend
nicht um das Verwaltungsvermögen handelt, sondern um den Wertersatz für eine
beschädigte Sache. Der Erwerber der Wohnung Nr. 1 hat das Grundstück mit der
beschädigten Eibe erworben. Ihm ist gar kein Schaden entstanden. Sein Vermögen ist
nicht durch den Rückschnitt betroffen worden. Dies ergibt sich deutlich, wenn man den
vorliegenden Fall mit dem Fall vergleicht, in dem ein Alleineigentümer eines
Grundstücks einen Baum sowie vorliegend nicht fachgerecht beschneidet und
anschließend das Grundstück an einen Erwerber verkauft. Auch dieser hat keinerlei
Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des Baumes durch den nicht
fachgerechten Rückschnitt. Der eingetretene Grundstücksschaden ist zur Zeit
eingetreten, als der Schädiger selbst Eigentümer des Grundstücks war, so dass
Schadensersatzansprüche ausscheiden. Genau damit ist der vorliegende Fall, wenn
auch nur anteilig, zu vergleichen.
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Die Zinsentscheidung ergibt sich aus dem Gesetz.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO und die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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