Urteil des AG Dortmund vom 15.06.2010

AG Dortmund (mieter, staffelmiete, kläger, vorschrift, ablauf der frist, treu und glauben, auslegung, miete, kaution, vertrag)

Amtsgericht Dortmund, 425 C 142/10
Datum:
15.06.2010
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil
Aktenzeichen:
425 C 142/10
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt an die Kläger 78,81 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2010 zu
zahlen.
Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen; die
Widerklage in Höhe von 400,- als zurzeit nicht fällig.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 77% und die Beklagte
zu 23%
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils
anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
gegen sie aus dieser Entscheidung zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, falls nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Beklagte mietete mit Mietvertrag vom 17.9.2008 von Beklagen eine Wohnung in E.
Die Kläger haben sich durch die H AG vertreten lassen. Der Mietvertrag ist dem
alleinvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied unterzeichnet worden.
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In diesem Mietvertrag heißt es auszugsweise wörtlich:
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"§ 2
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1. Das Mietverhältnis beginnt mit dem 1.10.2008.
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Es läuft auf unbestimmte Zeit und kann von jedem Teil mit der gesetzlichen
Kündigungsfrist gekündigt werden.** …. (** = vgl. § 573c im Anhang)
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Oder (Nichtzutreffendes bitte streichen)
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2. Zeitmietvertrag* (* = Zutreffende ausfüllen/ankreuzen)"
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Es folgen verschiedene nicht ausgefüllte Alternativen, warum der Vertrag befristet sein
soll.
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Die Miete wurde mit 200,- € zzgl Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart. In Ziff 3
heißt es: "Die Miete kann unabhängig davon, ob es sich um einen Vertrag auf
unbestimmte Zeit gemäß Ziff. 1 oder um einen Vertrag auf bestimmte Zeit gemäß Ziff 2
handelt, durch vertragliche Vereinbarung oder im Rahmen der jeweils geltenden
gesetzlichen Verfahrensbestimmungen geändert werden. Für preisgebundene
Wohnungen gilt § 10 WoBindG sowie § 8 NMV. Dies gilt nicht für die Dauer einer
Staffelmiete- oder Indexmiete, vgl. § 5"
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In § 5 heißt es unter der Überschrift "Mietanpassungen":
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1. Die Grund-/Nettomiete gem. § 4 … kann unabhängig davon, ob es sich um einen
entweder
oder
Ziffer 3 angepasst werden. Sind weder Ziff 2 noch Ziff 3 angekreuzt, kann die
Miete gem. § 558 – 559b erhöht werden."
2. Die Vertragsparteien vereinbaren folgende gestaffelte Mieterhöhungen, wobei die
Grund-/Nettomiete mindestens ein Jahr unverändert bleibt (Staffelmiete):
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Mit Wirkung ab 1.10.2009 um 8,- € auf 208,- €
16
Mit Wirkung ab 1.10.2010 um 8,- € auf 216,- €
17
Mit Wirkung ab 1.10.2011 um 8,- € auf 224,- €
18
Mit Wirkung ab 1.10.2012 um 8,- € auf 232,- €
19
Mit Wirkung ab 1.10.2013 um 9,- € auf 241,- €"
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In Ziff 3 befindet sich eine Indexklausel, die im vorliegenden Vertrag nicht angekreuzt ist.
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In § 7 ist die Zahlung einer Kaution von 400,00 € vereinbart. Unter § 11 ist zum Thema
Schönheitsreparaturen die Alternative angekreuzt "Die Mieträume werden wir folgt
übernommen:" Von den anschließenden drei Alternativen ist keine angekreuzt. Dies gilt
auch für den Absatz 2 in dem die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen enthalten ist.
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Unter § 28 "Sonstige Vereinbarungen heißt es u.a.:
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Der Mieter erhält die Wohnung mietfrei für die Monate Oktober und November 2008,
zahlt jedoch die Nebenkosten und gibt die Wohnung im Gegenzug bei Mietende
renoviert Raufaser weiß gestrichen, zurück.
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Der Mieter verzichtet für die Dauer von 12 Monaten auf sein Kündigungsrecht."
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Unter dem 26.3.2009 erteilten die Kläger eine Betriebskostenabrechnung für die Zeit
vom 1.10.2008 bis 31.12.2008. Sie endete mit einer Nachzahlung von 39,81 €. Die
Kläger erhöhten in diesem Schreiben ab 1.5.2009 die Vorauszahlungen auf 89,00 €.
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Mit Schreiben vom 1.2.2009 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31.5.2009, da
sie zum 1.6.2009 arbeitslos sei und es finanziell nicht möglich sei, die Wohnung zu
halten.
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Die Beklagte hat folgende Zahlungen erbracht:
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Januar bis Mai 2009 jeweils 270,- €. Für Junis bis Dezember hat sie keine Zahlungen
erbracht.
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Die Kläger sind der Auffassung dass auf Grund des Kündigungsverzichts die Kündigung
erst zu Ende Dezember 2009 gewirkt habe. Ein Rückzahlungsanspruch bezüglich der
Kaution bestünde wegen der noch ausstehenden Betriebskostenabrechnung für 2009
nicht.
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Die Kläger behaupten, die Betriebskostenabrechnung sei vom Zeugen N2 am
27.3.2009 in den Briefkasten geworfen worden. Die Beklagte habe nur eine Kaution von
400,- € gezahlt. Die weiten 150,- € seien die vereinbarten
Betriebskostenvorauszahlungen für Oktober und November gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 7.6.2010 behaupten die Kläger, dass die Beklagte die Wohnung
nicht renoviert zurückgegeben hat An der Innenseite der Wohnungseingangstür seien
zudem Beschädigungen festgestellt worden, die eine Neulackierung erforderlich
machen würde, die netto 383 € kosten würde.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen an sie 2125,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2010 zu zahlen.
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Die Beklagte erkennt die Klage in Höhe von 64,81 € an
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und beantragt im Übrigen,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt sie
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Die Kläger zu verurteilen an sie 550,- € zzgl sparbuchüblicher Zinsen
von 1,5% beginnend ab 19.9.2008 auf 470 € ab dem 17.10.2008 auf
weiter 80,- € zu zahlen
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Die Beklagte bestreitet, die Betriebskostenabrechnung erhalten zu haben. Sie vertritt die
Ansicht, dass eine Erhöhung auch erst ab Oktober und nicht ab Mai möglich gewesen
wäre. Mieten ab Juni schulde sie nicht, da sie das Mietverhältnis ordentlich gekündigt
habe. Der Kündigungsverzicht sei unwirksam
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Sie habe eine Kaution von 550,- € in zwei Raten an Herrn N bezahlt, der dies quittiert
habe.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
43
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Zugang der Betriebskostenabrechnung durch
uneidlich Vernehmung des Zeugen N2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 15.6.2010,
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Entscheidungsgründe:
45
I.
46
Soweit die Beklagte die Forderung über 64, 81 € anerkannt hat war sie entsprechend
ihrem Anerkenntnis zu verurteilen.
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II.
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Die Beklagte war darüber hinaus zur Zahlung von weiteren 14,- €
Betriebskostenvorauszahlung für Mai 2009 zu verurteilen. Die Kläger haben mit der
Betriebskostenabrechnung für 2008 die Betriebskostenvorauszahlungen ab Mai um 14,-
€ erhöht. Dies ist gem. § 560 Abs. 4 BGB möglich und hier formgerecht erfolgt. Der
Einwand der Beklagten ist nicht nachvollziehbar. Mit der Staffelmiete hat diese
Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen nichts zu tun. Die
Betriebskostenabrechnung ist der Beklagten auch zugegangen. Dies hat der vom
Gericht vernommene Zeuge N2 so bekundet. Er hat die Betriebskostenabrechnung in
den Briefkasten der Beklagten geworfen. Das Gericht hat keine Zweifel, dass auch die
Abrechnung, die an die Beklagte adressiert war, eingeworfen wurde. Zwar hatte der
Zeuge keine konkreten Erinnerungen mehr an den Einzelfall. Er hat aber kein eigenes
Interesse am Ausgang des Verfahrens. Von Rückbriefen oder Besonderheiten war ihm
auch nichts bekannt.
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III.
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Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Kläger können von der Beklagten keine
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Zahlungen mehr ab Juni 2009 verlangen.
1. Ein Anspruch auf Zahlung von Miete gem. § 535 Abs. 2 BGB für die Monate Oktober
bis Dezember 2009 besteht nicht. Insofern ist die Klage unschlüssig. Selbst nach dem
eigenen Vortrag der Kläger ist das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 1.2.2009
seit dem 30.9.2009 beendet.
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Der Kündigungsverzicht, soweit er denn wirksam ist, endete spätestens am 30.9.2009.
Der Mietvertrag begann am 1.10.2008. Das ergibt sich aus § 2 Ziff 1 des Mietvertrages.
Dass die Beklagte gem. § 28 des Mietvertrages für Oktober und November keine
Grundmiete und nur die Betriebskostenvorauszahlungen zu leisten hatte ändert nichts
daran, dass auch in diesen beiden Monaten ein Mietverhältnis bestand. Der Wortlaut
des Vertrages ist eindeutig.
53
Entgegen der Ansicht der Kläger bedeutet der vermeintliche Kündigungsverzicht in § 28
des Mietvertrages nicht, dass die Beklagte erst ab dem 1. Oktober 2009 eine
Kündigungserklärung abgeben durfte. Der Satz "Der Mieter verzichtet für 12 Monate auf
sein Kündigungsrecht" ist aus der Sicht eines objektiven Empfängers so zu verstehen,
dass das Mietverhältnis erstmals zum Ende des 12-Monatszeitraums gekündigt werden
kann (so auch AG Wiesbaden WuM 2010, 366). Das Wort "Kündigungsrecht" bedarf der
Auslegung. Rechtlich ist zu unterscheiden zwischen der Kündigungserklärung und dem
Wirkungszeitpunkt der Kündigungserklärung. Da der Mieter eines
Wohnraummietvertrages keinen Kündigungsgrund für eine ordentliche Kündigung
benötigt kann mit dem Begriff "Kündigungsrecht" sowohl verstanden werden das Recht
zur Ausübung der Kündigung also die Kündigungserklärung wie auch die Wirkung der
Kündigung. Der objektive Empfänger auf Mieterseite wird die Formulierung so
verstehen, dass damit der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses gemeint ist.
Nur dieser Termin ist für ihn von Interesse. Wann er die Erklärung abgibt ist für ihn
zweitrangig. Die Klausel verbietet dem Mieter eine Kündigung zu einem früheren Termin
als 30.9.2009.
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Dies entspricht auch der gesetzlichen Regelung. § 557a Abs. 3 BGB gestattet dem
Vermieter das Kündigungsrecht des Mieters für maximal vier Jahre auszuschließen.
Nach § 557a Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Kündigung frühestens zum Ablauf dieses
Zeitraums zulässig. Diesen Satz hat der Gesetzgeber in der Mietrechtsreform 2001
ausdrücklich hinzugefügt. Er war in der Vorgängervorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 6 MHG
a.F. nicht enthalten. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: "Satz 2 ist formuliert
ausdrücklich das Kündigungsrecht und den frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt. Der
Mieter kann das Mietverhältnis bereits zum Ablauf von vier Jahren ordentlich kündigen.
Dies entspricht der schon bisher herrschenden Meinung (vgl. Schmidt-
Futterer/Börstinghaus, 7. Aufl., § 10 MHG Rdn. 130 m.w.N.), wird jedoch nunmehr
ausdrücklich klargestellt (BR 439/00 = BT-Drs. 14/4553; abgedruckt auch bei
Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Neues Mietrecht, Seite 257). Aus der
Gesetzesfassung folgt
eindeutig
die Kündigungserklärung des Mieters nicht erst nach Ablauf der Frist erfolgen darf (so
auch Sternel Mietrecht aktuell 2009 Rdn IV 31). Die Formulierung im Mietvertrag
entspricht im Wesentlichen der des § 557a Abs. 3 BGB. Deshalb ist die Regelung
genauso wie das Gesetz auszulegen. Dass die Kläger hiervon abweichen wollten
kommt in der Klausel nicht zum Ausdruck.
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Selbst wenn eine andere Auslegung auch möglich wäre, würde in diesem Fall gem. §
56
305c Abs. 2 BGB die für den Mieter günstigere Auslegung allein maßgeblich sein.
Aber selbst wenn man die Klausel so auslegen würde wie die Kläger es tun bestünde
kein Anspruch, da der Kündigungsverzicht aus den nachfolgenden Gründen unwirksam
ist.
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2. Es besteht nämlich auch kein Anspruch Zahlung der Miete für den Zeitraum Juni 2009
bis September 2009. Die Beklagte hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 1.2.2008
wirksam zum 31.5.2009 gekündigt.
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Die Kündigung war hier nicht durch die Regelung in § 28 des Mietvertrages
ausgeschlossen. Der einseitige Verzicht auf das Kündigungsrecht ist unwirksam.
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Ob Kündigungsausschlussvereinbarungen überhaupt seit der Mietrechtsreform zulässig
sind war nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes höchst strittig (Derleder KJ
2008, 394; ders. NZM 2005, 644; ders. NZM 2004, 247; ders. NZM 2001, 649;
Lützenkirchen MDR 2001, 1385; ders. Neue Mietrechtspraxis, Rdnr. 393, ders. ZMR
2001, 769; Sternel ZMR 2002, 1; Derckx NZM 2001, 826; Feuerlein GE 2001, 970; ders.
WuM 2001, 371; Hannemann in Hannemann/Wiegner, MAH Wohnraummietrecht, § 44
Rdnr. 96 ff; Grundmann NJW 2001, 2505; Langenberg NZM 2001, 212; Gather NZM
2001, 57, 58; Wiek WuM 2006, 154, ders. WuM 2006, 448; ders. WuM 2005, 369; ders.
WuM 2001, 442, 443; Börstinghaus in Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar,
Seite 243 und 253; Börstinghaus, Gedächtnisschrift für Sonnenschein, S. 349; ders. GE
2006, 898; Eisenschmid in Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Neues
Mietrecht, Seite 559; Rips/Eisenschmid, Neues Mietrecht, Seite 138;
Podiumsdiskussion auf dem Deutschen Mietgerichtstag 2002 NZM 2002, 722). In der
Folgezeit hat der Bundesgerichtshof eine sehr ausdifferenzierte Rechtsprechung zu den
verschiedenen Fallkonstellationen entwickelt und ca. sieben verschiedene Fallgruppen
entwickelt (siehe die Zusammenstellung bei Börstinghaus NJW 2009, 1391).
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Formularvertragliche Kündigungsausschlussvereinbarungen sind danach grundsätzlich
nur dann zulässig, wenn sie a) wechselseitig gelten, b) nur das ordentliche
Kündigungsrecht betreffen und c) nicht länger als vier Jahre laufen (BGH NJW 2009,
912 = WuM 2009, 47 = MietPrax-AK § 573c BGB Nr. 8). Ist eine der Voraussetzungen
nicht gegeben, ist der Kündigungsausschluss grundsätzlich unwirksam.
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Der BGH macht hiervon aber mindestens zwei Ausnahmen. So soll selbst ein
einjähriger Kündigungsverzicht bei besonderen Vermietungssituationen unwirksam sein
(Vermietung an Studenten: BGH NJW 2009, 3506 = MietPrax-AK § 573c BGB Nr. 24 mit
Anm. Martinek, NJW 2009, 3613; Niebling, ZMR 2010, 96; Hinz, ZMR 2010, 245). Ob
solche Umstände auf Grund der Ausbildungssituation der Beklagten hier vorliegen kann
aus den nachfolgenden Gründen dahinstehen.
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Nach der Rechtsprechung des BGH kann somit ein formularmäßiger
Kündigungsverzicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein, wenn er den
Mieter nach den Umständen entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Eine solche unangemessene Benachteiligung nimmt der BGH für einen einseitigen
Kündigungsausschluss bei Verträgen an, denen keine Staffelmietvereinbarung nach §
557a BGB mit den ihr innewohnenden Vorteilen für den Mieter zugrunde liegt, wenn es
an der Gewährung eines sonstigen ausgleichenden Vorteils für den Mieter fehlt, der den
einseitigen Kündigungsverzicht gleichwohl zu rechtfertigen vermag.
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Daraus ergibt sich, dass der Bundesgerichtshof entgegen seiner sonstigen
Rechtsprechung einen einseitigen formularvertraglichen Kündigungsverzicht dann für
wirksam erachtet, wenn er mit einer Staffelmiete verbunden ist (BGH MietPrax-AK §
557a BGB Nr. 7 = NJW 2006, 1056 = NZM 2006, 256; MietPrax-AK § 557a BGB Nr. 9
und MietPrax-AK § 557a BGB Nr. 12 = NJW 2009, 353 = NZM 2009, 80). Obwohl also
grundsätzlich einseitige formularvertragliche Ausschlussvereinbarungen unwirksam
sind, soll allein wegen der Verbindung des Kündigungsverzichts mit einer Staffelmiete
das Verdikt des § 307 Abs. 1 BGB nicht gelten. Der BGH sieht in einer Staffelmiete
einen Vorteil für den Mieter, der im Rahmen einer abwägenden Betrachtungsweise im
Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB die Nachteile eines Kündigungsausschlusses
ausgleiche. Der Mieter könne planen und wisse, wie hoch seine Miete zu einem
bestimmten Zeitpunkt sei und müsse nicht mit anderen Mieterhöhungen rechnen.
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Es ist schon zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für diese Rechtsprechung hier
überhaupt vorliegen, zumindest folgt das erkennende Gericht der Argumentation des
BGH in diesem Punkt nicht.
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Voraussetzung für die Wirksamkeit des einseitigen formularvertraglichen
Kündigungsverzichts ist nach der Rechtsprechung des BGH die Vereinbarung einer
wirksamen Staffelmiete. Vorliegend liegt keine wirksame Vereinbarung einer
Staffelmiete vor.
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a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Schriftform hier erforderlich ist (BGH NJW
2007, 1742 = MietPrax-AK § 550 BGB Nr. 18) und ob sie eingehalten wurde, weil
derjenige, der den Mietvertrag auf Vermieterseite unterschrieben haben soll wirklich der
alleinvertretungsberechtigte Vorstand ist (BGH NJW 2010, 1153 = MietPrax-AK § 550
BGB Nr. 29 mit Anm. Einsele, LMK 1/2010 Anm. 5; Wiek, GuT 2009, 365; Schott,
jurisPR-BGHZivilR 3/2010 Anm. 1; Hoffmann, MietRB 2010, 36; Theesfeld, jurisPR-
MietR 8/2010 Anm. 3; Kuckein, NZM 2010, 148; Fritz, NJW 2010, 1050; Timme/Hülk,
NZG 2010, 177) und die Linie, die die Unterschrift sein soll wirklich eine Unterschrift ist
(zu dem Maß des Abschleifungsprozesses der zulässig ist siehe zuletzt die beiden
Entscheidungen des BGH vom 9.2.2010 - VIII ZB 67/09 und VIII ZB 71/09-).
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b) Der Mietvertrag lässt nämlich andere Mieterhöhungen zu oder ist zumindest in dieser
Hinsicht intransparent, so dass der Mieter von der Zulässigkeit weiterer
Mieterhöhungsmöglichkeiten ausgehen konnte, was gem. § 557a Abs. 4 BGB und auch
gem. § 307 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führt (AG Wedding MM 2009,
147).
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In § 2 Ziff 3 des 24 Seiten umfassenden Mietvertrages heißt es: "Die Miete kann
unabhängig davon, ob es sich um einen Vertrag auf unbestimmte Zeit gemäß Ziff. 1 oder
um einen Vertrag auf bestimmte Zeit gemäß Ziff 2 handelt, durch vertragliche
Vereinbarung oder im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen
Verfahrensbestimmungen geändert werden. Für preisgebundene Wohnungen gilt § 10
WoBindG sowie § 8 NMV. Dies gilt nicht für die Dauer einer Staffelmiete- oder
Indexmiete, vgl. § 5" Das bedeutet, der Regelfall soll die Mieterhöhung durch
"vertragliche Vereinbarung" oder die Erhöhung im Rahmen der "gesetzlichen
Verfahrensbestimmungen" sein. Zu letzteren gehört die Anhebung auf die ortsübliche
Vergleichsmiete gem. § 558 BGB aber auch die Erhöhung gem. § 559 BGB. Beides ist
bei einer Staffelmiete gesetzlich ausgeschlossen. Dann folgt die Ausnahme, nämlich die
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Sonderregeln für den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Unverständlich ist dann, ob
sich der anschließende Satz 3 nur auf Satz 2 bezieht oder auf den ganzen Absatz.
Danach soll "dies" nicht für die Dauer einer Staffelmiete gelten. Das bezieht sich vom
Wortlaut zunächst einmal auf den vorangegangenen Satz. Ob und in welchem Umfang
im öffentlich geförderten Wohnungsbau Staffelmieten zulässig sind, ist bekanntlich sehr
umstritten. Vom Wortlaut her ergibt die Auslegung also eine Bezugnahme auf Satz zwei.
Mehr Sinn macht es natürlich, den Satz drei auf den ganzen Absatz zu beziehen. Sinn
und Zweck und zumindest der Wille des Klauselverwenders sprechen für eine
Bezugnahme auf Satz 1 hilfsweise auch auf Satz 1 und 2. Die Regelung ist deshalb
zumindest unklar i.S.d. § 305c Abs.
Intransparent gem. § 307 BGB und zumindest mehrdeutig i.S.d. § 305c BGB ist auch § 5
des Mietvertrages. Dort heißt es unter der Überschrift "Mietanpassungen" in Ziff 3: Die
Grund-/Nettomiete gem. § 4 … kann unabhängig davon, ob es sich um einen Vertrag auf
entweder
oder
werden. Sind weder Ziff 2 noch Ziff 3 angekreuzt, kann die Miete gem. § 558 – 559b
erhöht werden" (die Hervorhebungen sind im Original so vorhanden). Dieser Absatz
unterscheidet in Satz 1 zunächst zwei Fälle, nämlich Mietverträge, mit einer
Anpassungsmöglichkeit gem. Ziff 3 (Indexmiete) oder Verträge ohne eine Indexklausel.
Wenn keine Indexklausel vorhanden ist, soll eine Erhöhung gem. §§ 558 – 559 b BGB
möglich sein. Das verstößt wiederum gegen § 557a Abs. 4 i.V. mit Abs. 2 und § 307
BGB. Dann kommt wiederum in Satz 2 eine Ergänzung, nämlich die positive
Formulierung dahingehend, dass die nach Satz 1 schon mögliche Mieterhöhung nach §
558 – 559b BGB wirklich möglich ist, wenn weder Ziff 2 noch Ziff 3 angekreuzt sind. Das
ist eigentlich schon in Satz 1 so geregelt. Insofern enthält der Satz so wie er formuliert ist
keine eigene Regelung. Erst wenn man den Satz negativ versteht, nämlich, wenn Ziff 2
oder Ziff 3 angekreuzt sind kann
keine
macht der Satz eigentlich Sinn (auch wenn er dann für den hier nicht interessierenden
Fall von Modernisierungen auf Grund von Umständen, die der Vermieter nicht zu
vertreten hat, bei einer Indexmiete gegen die ausdrückliche Zulässigkeit solcher
Mieterhöhungen in § 5 Ziff 3 3. Absatz des Mietvertrages verstößt). Durch die positive
Formulierung des Satzes wird dem Leser die eigentliche Bedeutung nicht klar. Hängen
bleibt beim Lesen, dass Mieterhöhungen nach den §§ 558 – 559 BGB möglich sind.
Dass sie nicht möglich sind, wenn bestimmte weitere Bedingungen, die an anderer
Stelle angekreuzt sind, erschließt sich allenfalls bei mehrmaligem Lesen.
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Der objektive Empfänger auf Mieterseite durfte deshalb von der Vereinbarung von
Mieterhöhungen gem. § 558 ff BGB ausgehen. Das verstößt gegen §§ 557 Abs. 4, 557a
Abs. 4 BGB. Da gem. § 557 Abs. 4 BGB alle Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters
unwirksam sind, hat dies zur Folge, dass die gesetzliche Mieterhöhungsmöglichkeit
nach §§ 558 ff BGB hier möglich ist, dass dann aber die Staffelmietvereinbarung
unwirksam ist.
71
Aber selbst wenn man nicht zu einem so eindeutigen Auslegungsergebnis kommt, kann
die Regelung hier so wie gerade dargelegt auch verstanden werden mit der Folge dass
die für den Mieter günstigste Auslegung gem. § 305c Abs. 2 BGB gilt. Es gilt die
kundenfeindlichste Auslegung. Diese führt zu einem Nebeneinander von gesetzlicher
Mieterhöhungsmöglichkeit gem. § 558 ff BGB und Staffelmiete.
72
Außerdem ist das Mietvertragsformular, das an den verschiedenen Stellen jeweils
73
umfangreiche alternative Gestaltungen bereithält, auf die dann an anderen Stellen
wieder eingegangen wird und zwar wiederum unter Darbietung verschiedener
Regelungsangebote, intransparent, was gem. § 307 BGB zur Unwirksam der Klausel
führt. Es ist äußerst schwierig bei dem 24 seitigen Formular überhaupt herauszufinden,
welche der zahlreichen alternativen Regelungen im konkreten Fall wirklich gelten
sollen.
c) Aber selbst wenn man anders als das erkennende Gericht von einer wirksamen
Staffelmietvereinbarung ausgeht, ist der einseitige formularvertragliche
Kündigungsverzicht unwirksam. Durch den einseitigen, befristeten
Kündigungsausschluss wurde die Beklagte unangemessen benachteiligt i.S. d. § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB. Allein die Tatsache, dass im Mietvertrag eine Staffelmiete vereinbart
wurde, ändert daran nach Ansicht des Gerichts nichts (so auch Artz in MünchKomm §
557a Rdn. 16; Staudinger/Weitemeyer (2006) § 557a BGB Rdnr. 20; Ehlert in:
Bamberger/Roth § 557a BGB Rdnr. 26; Klumpp, Der Kündigungsausschluss im
unbefristeten und befristeten Wohnraummietverhältnis, Dissertation U 2009 Seite 104 ff).
74
Das Gericht verkennt nicht, dass der Wortlaut des § 557a Abs. 3 S 1 BGB für eine
Wirksamkeit sprechen könnte: "Das Kündigungsrecht des Mieters kann für höchstens
vier Jahre seit Abschluss der Staffelmietvereinbarung ausgeschlossen werden". Der
Wortlaut des Gesetzes bezieht also nur auf den Kündigungsverzicht des Mieters. Das
bedeutet aber nicht zwingend, dass es sich auch um einen einseitigen
Kündigungsverzicht handeln darf. Das gilt insbesondere bei der formularvertraglichen
Vereinbarung eines solchen Verzichts. Die Vorschrift erfasst selbstverständlich auch
den beidseitigen Kündigungsverzicht. Da der Kündigungsverzicht des Vermieters für
den Mieter unproblematisch ist, bedurfte es keiner Regelung in der Vorschrift. § 557a
Abs. 3 BGB ist eine typische Mieterschutzvorschrift (so auch Wiek WuM 2009, 46, 47
m.w.N. in Fn 12).
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Gegen die Auslegung der Vorschrift dahin, dass sie abweichend von der Grundregel,
dass einseitige formularvertragliche Kündigungsausschlussvereinbarungen unwirksam
sind (so BGH NJW 2009, 912 = WuM 2009, 47 = MietPrax-AK § 573c BGB Nr. 8) solche
Vereinbarungen im Zusammenhang mit einer Staffelmiete erlaubt sein sollen, sprechen
eine historische Auslegung und die teleologische Auslegung des § 557a Abs. 3 BGB.
76
Der Gesetzgeber der Mietrechtsreform wollte mit der Regelung lediglich das früher in §
10 Abs. 2 Satz 6 MHG enthaltene Sonderkündigungsrecht bei
Staffelmietvereinbarungen übernehmen (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung (BR
439/00 = BT-Drs. 14/4553; abgedruckt auch bei Börstinghaus/Eisenschmid,
Arbeitskommentar Neues Mietrecht, Seite 257: Es heißt in der amtlichen
Gesetzesbegründung: Die Regelung bestimmt "in Übereinstimmung mit dem geltenden
Recht" dass...). Die Änderungen durch das Mietrechtsreformgesetz betrafen nur den
Fristbeginn und den ersten Kündigungszeitpunkt. Die frühere Regelung im MHG hatte
auch ihre Bedeutung, da nach altem Recht auch noch einfache Zeitmietverträge
zulässig waren. Es war also möglich einen einfachen Zeitmietvertrag abzuschließen
über einen Zeitraum von z.B. 10 Jahre und diesen mit einer Staffelmiete zu versehen.
Hier sah der Gesetzgeber bereits 1983 eine Gefahr für Mieter, da die Entwicklung der
Miete über die nächsten 10 Jahre nicht absehbar war. Eine Staffelmietvereinbarung
beruht immer auf einer Prognoseentscheidung mit dem entsprechenden
Kalkulationsrisiko. Außerdem sind die Steigerungen für den Mieter oft doch eher
abstrakt und zeitlich weit in der Zukunft, so dass hier schnell etwas akzeptiert wird, was
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einen später reut. Der Gesetzgeber wollte also entweder Zeitmietverträge, bei denen die
Miete 10 Jahre unverändert blieb oder solche bei denen der Vermieter allenfalls die
ortsübliche Vergleichsmiete verlangen konnte, gestatten. Er wollte auf der anderen Seite
auch Staffelmieten bis maximal 10 Jahre gestatten, nur sollte der Mieter diese jederzeit
kündigen können. Probleme sah der Gesetzgeber bei der Verknüpfung der beiden
Rechtsinstitute. Hier hat der Gesetzgeber zunächst in § 10 MHG und jetzt in § 557a Abs.
3 BGB eine Interessenabwägung vorgenommen und dem Mieter erstmals nach vier
Jahren die Möglichkeit eingeräumt zu kündigen. Eine Bindung über vier Jahre wollte er
nicht. Dabei ist die Beschränkung der Dauer des Kündigungsverzichts nicht das
Ergebnis einer Abwägung der Vorteile einer Staffelmietvereinbarung mit den Nachteilen
eines Kündigungsverzichts, sondern vielmehr ein Abwägen, wie lange der Mieter an
eine für ihn ungünstige Staffelmietvereinbarung gebunden werden darf. (Klumpp, a.a.O.
Seite 107.
Die Vorschrift macht auch heute noch Sinn und zwar im Fall eines echten
Zeitmietvertrages gem. § 575 BGB mit Staffelmietvereinbarung. Da jetzt Zeitmietverträge
mit einer Laufzeit von bis zu dreißig Jahren auch mit einer Staffelmiete abgeschlossen
werden können, kann hier ein Sonderkündigungsrecht für den Mieter durchaus
Bedeutung haben. Klumpp (a.a.O. Seite 106) weist zu Recht daraufhin, dass die
Vorschrift schlicht unlogisch wäre, wenn der Gesetzgeber von einem grundsätzlichen
Verbot des Kündigungsausschlusses ausgegangen wäre. Da nach der Systematik des
BGB alles gestattet ist, was nicht ausdrücklich verboten ist, wäre die Vorschrift
überflüssig.
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Das bedeutet für eine sinnvolle Auslegung der Vorschrift: § 557a Abs. 3 S 1 BGB
verbietet also etwas, was ohne die Regelung möglich wäre, nämlich einen Mieter über
einen Zeitmietvertrag mehr als 4 Jahre an die Staffelmiete zu binden. Die Vorschrift soll
den Mieter vor den Folgen sehr lang laufender Staffelmietvereinbarungen schützen. Da
jede Staffelmietvereinbarung eine Prognoseentscheidung enthält, soll der Mieter sich
nach 4 Jahren aus dem Vertrag lösen können, wenn sich seine Erwartung nicht erfüllt
hat und die Mieten sich am Markt anders entwickelt haben, als er prognostiziert hatte.
Die Auslegung des BGH führ jetzt aber dazu, dass die eigentlich zum Schutz des
Mieters geschaffene Vorschrift für diesen Mieter nachteilig ist. Prof. Dr. E2 (KJ 2008,
394) spricht davon, dass der BGH die Vorschrift "in ein schlimmes Gegenteil verkehrt
habe." Der Senat leitet aus der Vorschrift eine Befugnis zur Beschränkung von
Mieterrechten her, die die Vorschrift so gar nicht erreichen wollte und sollte. Die
Vorschrift wollte gerade die Rechte des Vermieters beschränken und nicht die des
Mieters. Vereinfacht gesagt will die Vorschrift nicht etwas gestatten, was sonst verboten
ist, sondern sie will etwas verbieten, was anderenfalls erlaubt wäre. Deshalb kann aus §
557a Abs. 3 BGB nach Ansicht des Gerichts nicht hergeleitet werden, dass ein
einseitiger formularvertraglicher Kündigungsverzicht wirksam ist, wenn er mit einer
Staffelmiete versehen ist.
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Auch das Argument des BGH, dass eine Staffelmiete für den Mieter ein Vorteil sei, der
bei der Abwägung gem. § 307 BGB zu berücksichtigen sei, überzeugt das Gericht nicht.
Richtig ist allenfalls, dass der Mieter seine Mietbelastung, wenn er denn soweit plant
und die Konsequenzen durchschaut, über einen längeren Zeitraum überschauen kann.
Dem steht aber gegenüber, dass die Staffelmiete über der ortsüblichen Vergleichsmiete
liegen kann und zwar bereits zu Beginn (wie jede andere Mietvereinbarung auch) aber
eben auch bei jeder einzelnen Staffel in der Zukunft. Ohne Staffelmietvereinbarung kann
der Vermieter hier nur die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Auch die
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Kappungsgrenze gilt bei Staffelmietvereinbarungen nicht, so dass es zu
Mietsteigerungen von mehr als 20% in drei Jahren kommen kann. Schließlich sind
Mieterhöhungen auch in kürzeren Zeiträumen als bei § 558 Abs. 1 BGB (15 Monate)
möglich, nämlich nach jeweils einem Jahr. In der Praxis werden deshalb
Staffelmietvereinbarungen ausschließlich im Interesse des Vermieters geschlossen.
Dem erkennenden Gericht ist kein Fall bekannt und auch nicht vorstellbar, bei dem der
Mieter um den Abschluss einer Staffelmiete in der Wohnraummiete gebeten hat.
In Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der mietrechtlichen
Kommentarliteratur (Artz in MünchKomm § 557a Rdn. 16; Staudinger/Weitemeyer
(2006) § 557a BGB Rdnr. 20; Ehlert in: Bamberger/Roth § 557a BGB Rdnr. 26; Blank in:
Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 575 BGB Rdn. 84) und der sonstigen Fachliteratur
(Klumpp, Der Kündigungsausschluss im unbefristeten und befristeten
Wohnraummietverhältnis, Dissertation Tübingen 2009 Seite 104 ff; Derleder KJ 2008,
394; Wiek WuM 2009, 46; zuletzt Häublein auf der Fachtagung des ESW demnächst in
PiG 2010) hält der erkennende Richter (so auch schon in jurisPR-MietR 3/2009 Anm. 5;
ZGS 2009, 221; NJW 2009, 1391) deshalb eine einseitige formularvertraglich
Kündigungsausschlussvereinbarung auch dann für unwirksam, wenn sie zusammen mit
einer Staffelmiete vereinbart wurde.
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IV.
82
Die Widerklage ist unbegründet. Ein Rückzahlungsanspruch besteht bezüglich der
Kaution zumindest teilweise zurzeit nicht.
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Soweit die Beklagte mehr als 400,- verlangt ist die Klage unschlüssig. Die Beklagte
schuldete eine Kaution von 400,- €, die sie auch gezahlt hat. Die weiteren 150,- € stellen
die geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen für Oktober und November dar.
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Aber auch bezüglich der weiteren 400,- ist ein Anspruch zu Zeit nicht fällig. Die Beklagte
schuldet nach der hier vertretenen Auffassung noch die Betriebskosten für den Zeitraum
1.1.2009 bis 31.5.2009. Die Kosten beliefen sich in 2008 ohne Heizkosten schon auf ca.
1060,- €. Der Mieter ist berechtigt die Kaution zumindest anteilig zurückzubehalten, bis
die letzte Forderung ausgeglichen ist, Hierzu zählen auch
Betriebskostennachzahlungen. Bei der Berechnung des zulässigen
Sicherheitseinbehalts ist vom Vorjahresbetrag zzgl eine angemessenen
Sicherheitszuschlags auszugehen. Diesen bemisst das Gericht auf ca. 15%, so dass
von einem Jahresbetrag von etwas über 1200,- € auszugehen ist. Für den Zeitraum bis
31.5.2009 besteht somit ein Sicherungsbedürfnis von ca. 510,- €. Gezahlt bzw. im
vorliegenden Verfahren eingeklagt und zugesprochen sind ca. 390,- €. Das würde ein
Zurückbehaltungsrecht von ca. 120,- € an der Kaution rechtfertigen. Hier war aber nach
Ansicht des Gerichts zu berücksichtigen, dass das Ende des Mietverhältnisses
zwischen den Parteien durchaus strittig ist und ggf auch Betriebskosten bis 30.9. oder
sogar 31.12.2009 geschuldet werden könnten. Auch wenn das Gericht aus den zuvor
geschilderten Gründen dies zu Zeit für nicht gerechtfertigt sieht ist im Rahmen der
Kautionsabrechnung und der Ermittlung des zulässigen Sicherheitseinbehalts eine
andere Beurteilung durch eine andere Instanz zu berücksichtigen. In diesem Fall
übersteigt das Sicherungsbedürfnis die Kaution erheblich. Deshalb geht das Gericht in
diesem besonderen Fall davon aus, dass der gesamte Rückzahlungsanspruch zurzeit
noch nicht fällig ist.
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V.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO. Die Beklagte hat auch
bezüglich des anerkannten Teils der Klageforderung Anlass zu Klage gegeben, § 93
ZPO. Für die Anwendung des § 92 Abs. 2 Ziff 1 ZPO schied wegen der abgewiesenen
Widerklage aus.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff11 i.V.m. §
711 ZPO.
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