Urteil des AG Dortmund vom 13.04.2010

AG Dortmund (wiedereinsetzung in den vorigen stand, kläger, eigentümer, versammlung, verwalter, verwaltung, zustellung, protokoll, abstimmung, zpo)

Amtsgericht Dortmund, 512 C 39/08
Datum:
13.04.2010
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
512 C 39/08
Tenor:
Dem Klä¬ger wird für die Kla¬ge¬erwei¬te¬rung vom 27.6.2008
Wie¬der¬ein¬set¬zung in den vo¬ri¬gen Stand be¬wil¬ligt.
Die in der Ver¬samm¬lung vom 16. Mai 2008 unter
Ta¬ges¬ord¬nungs¬punkt 3 (Ab-rech¬nung 2007) und
Ta¬ges¬ord¬nungs¬punkt 5 (Wahl des Ver¬wal¬ters) ge¬fass¬ten
Be¬schlüs¬se wer¬den auf¬ge¬ho¬ben und für un¬wirk¬sam er¬klärt.
Die Kos¬ten des Rechts¬streits tra¬gen der Klä¬ger zu 1 zu 30 % und
die bei¬ge¬tre-te¬ne Streit¬hel¬ferin zu 70 %. Die bei¬ge¬tre¬te¬ne
Bei¬ge¬la¬de¬ne trägt auch die Kos-ten der als Streit¬hel¬fer des
Klä¬gers zu wer¬ten¬den Klä¬ger zu 2 - 5.
Die¬ses Ur¬teil ist vor¬läu¬fig vollstreck¬bar.
Der beigetretenen Streithelferin hat das Ge¬richt ge¬stat¬tet, die
Zwangs¬voll-stre¬ckung gegen Si¬cher¬heits¬leis¬tung in Höhe von
110 % des voll¬streck¬ba-ren Be¬tra¬ges ab¬zu¬wen¬den, wenn nicht
der Kläger zu 1 vor der Zwangs¬voll-stre¬ckung Si¬cher¬heit in Höhe
von 110 % des zu voll¬stre¬cken¬den Be¬tra¬ges leistet.
Der Streit¬wert wird in Ab¬än¬de¬rung des Be¬schlus¬ses vom
28.7.2009 auf 34.425,75 € fest¬ge¬setzt.
Er setzt sich wie folgt zu¬sam¬men:
An¬trag auf An¬fech¬tung der Jah¬res¬ab¬rech¬nung (TOP 3) 9930,00
(zu¬rück¬ge¬nom¬me¬ner) An¬trag auf An¬fech¬tung
des Wirt¬schafts¬plans (TOP 4) 10584,00 €
An¬trag auf An¬fech¬tung der Ver¬wal¬ter¬wahl (TOP 5) 13911,75 €
Tatbestand
1
Die Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft W in E. Es
handelt sich um eine Mehrhausanlage mit 145 Wohnungen und Gewerbeeinheiten
sowie 110 Tiefgaragenplätzen. Der Gemeinschaft liegt die Teilungserklärung des
Notars C vom 15.8.1988 UR 227/1988 zu Grunde. Wegen der Einzelheiten wird auf die
bei den Gerichtsakten befindliche Kopie der Teilungserklärung Bezug genommen.
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Seit Begründung der Gemeinschaft gab es mindestens 4 verschiedene Verwalter.
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Die beigetretene I3 OHG (zukünftig Beigeladene) wurde zuletzt am 27.6.2003 ab
1.1.2004 zur Verwalterin gewählt. Die Wahl erfolgte für 2 Jahre bis zum 31.12.2005.
Eine Wiederwahl in den Folgeversammlungen hat nicht stattgefunden. Die Beigeladene
übte faktisch die Tätigkeit aber unverändert aus. Im Verwaltervertrag ist eine
Verlängerungsklausel enthalten, wonach sich der Dienstvertrag auf die Bestellung als
Verwalter erstreckt.
4
Am 16.5.2008 fand eine Eigentümerversammlung statt zu der die Beigeladene
eingeladen hatte. Dort wurde über die Abrechnung 2007, den Wirtschaftsplan 2008 und
die Wiederwahl des Verwalter abgestimmt. Die I3 hat dabei wie auf anderen
Versammlungen der Gemeinschaft auch schon mal nach dem Substraktionsverfahren
abstimmen lassen, also nur die Nein-Stimmen und Enthaltungen erfragt und die
fehlenden Miteigentumsanteile als Ja-Stimmen gewertet. Nicht alle Eigentümer waren
während der gesamten Versammlung anwesend. Außerdem hatte einige Eigentümer
andere Eigentümer oder Familienangehörige und einige auch die Verwaltung
bevollmächtigt. Auf der Versammlung ging es auch um ein vertrauliches Schreiben des
Verwaltungsbeirats an die Eigentümer in dem es u.a. darum ging, dass in vier Jahren
ca. 500.000,- € verschwunden seien. Das Schreiben drückt große Unzufriedenheit mit
der Beigeladenen als Verwalterin aus. In dem Schreiben werden drei alternative
Verwalter namentlich benannt mit denen man Kontakt aufgenommen hatte und der
Preise aufgeführt wurden. Das Schreiben sorgte für im Umfang strittige Unruhe auf der
Versammlung. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche
Kopie Bezug genommen.
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Im Protokoll ist festgehalten, dass die Nachzahlungen und Erstattungen aus den
Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2007 beschlossen
wurde ohne dass allerdings dem Verwalter Entlastung aus den oben angegebenen
Gründen erteilt wird. Der Eigentümergemeinschaft bleibt vorbehalten, die
Abrechnungsunterlagen selbst zu prüfen oder durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu
lassen. Als Abstimmungsergebnis ist festgehalten: Ja. 5082, nein – und Enthaltungen:0.
Der Beschluss wurde so verkündet.
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Ferner wurde mit dem gleichen Stimmergebnis beschlossen, den Wirtschaftsplan 2007
bis zur nächsten ordentlichen Versammlung in Kraft zu lassen. So wurde Beschluss
auch verkündet.
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Unter TOP 5 folgt eine Darstellung der aus der Sicht der Beigeladenen positiven
Bewertung der Verwaltertätigkeit. Es folgt der Beschlussantrag: "Die I OHG wird zu
denselben finanziellen Bedingungen wie bisher (also keine Preiserhöhung) für weitere
fünf Jahre zum WEG Verwalter bestellt. Die neue Bestellungszeit läuft ab dem
1.1.2009." Als Abstimmungsergebnis ist festgehalten: Ja: 4470, Nein 0, Enthaltungen
612. Verkündete Beschlussergebnis: Annahme des Beschlussergebnisses.
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Einen Ersatzzustellungsvertreter hat die Gemeinschaft nicht gewählt.
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Der Kläger zu 1 hat 16.6.2008 Anfechtungsklage gegen den Verband erhoben mit den
Anträgen die in der Versammlung am 16.5.2008 zu den Tagesordnungspunkten 4
(Wirtschaftsplan 2008) und 5 (Wiederwahl/Verlängerung der Verwalterbestellung)
gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären. Der Kläger zu 1 wurde mit
Gerichtskostenrechnung vom 17.6.2008 aufgefordert den Vorschuss einzuzahlen. Der
Vorschuss für diese Klage wurde am 27. Juni 2008 eingezahlt. Mit Schriftsatz vom
27.6.2008, bei Gericht eingegangen am 28.6.2008 hat der Kläger zu 1 die Klage auf den
Tagesordnungspunkt 3 (Jahresabrechnung 2007) erweitert und insofern
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt da der Beigeladene das Protokoll der
Versammlung erst am 18.6.2008 erhalten hat. Mit Schriftsatz vom 29.7.2008 hat er die
Klage gegen die übrigen Eigentümer umgestellt. Mit Schriftsatz vom 15.7.2008, bei
Gericht eingegangen am 16.7.2008 hat der Kläger zu 1 seine Klage begründet.
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Hinsichtlich der angefochtenen sei es zu keiner Beschlussfassung gekommen. Es hätte
keine Mehrheit der Miteigentumsanteile für den Antrag gestimmt. Zum Teil hätten die
Eigentümer von der Abstimmung insbesondere der über die Wiederwahl nichts
mitbekommen. Wegen des behaupteten Stimmverhaltens einzelner Eigentümer wird
Bezug genommen auf die Liste Bl. 65 d.A.
11
Die Kläger zu 2-5 haben mit Klage vom 15.8.2008, bei Gericht eingegangen am
18.8.2008 Klage erhoben festzustellen, dass in der Versammlung vom 16.5.2008 unter
TOP 5 kein Beschluss gefasst worden ist.
12
Sie behaupten, ein Beschluss sei zu TOP 5 nicht gefasst worden. Die Veranstaltung
habe im Tumult geendet.
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Das Gericht hat auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Zustellungsvertreters
hingewiesen. Es dann mit verschiedenen Anwaltskanzleien im Juli 2008 Kontakt
aufgenommen. Rechtsanwalt U H hat sich im August 2008 zur Übernahme der Tätigkeit
der Zustellungsbevollmächtigten bereits erklärt. Nach einem Hinweisbeschluss vom 7.
August 2008 in dem das Gericht auf die voraussichtlichen Kosten von ca. 8.000,- €
hingewiesen hat der Beigeladene mit Schreiben vom 20.8.2008 an alle Eigentümer
darauf hingewiesen, dass im ungünstigsten Fall Kosten durch die Klage des Klägers zu
1 von ca. 55.000,- € entstehen könnten. Mit Beschluss vom 26.10.2008 hat das Gericht
dann die Partnergesellschaft G zum Ersatzzustellungsvertreter bestellt und den
Eigentümern vertreten durch den Beigeladenen aufgegeben einen Vorschuss von
8.000,- € an den Ersatzzustellungsbevollmächtigten zu zahlen. Die Gemeinschaft
bemühte sich in der Folgezeit dann um die Wahl eines
Ersatzzustellungsbevollmächtigten. Der beigeladene bat deshalb um Fristverlängerung.
Die erste Versammlung war nicht beschlussfähig, eine zweite Versammlung konnte
wegen des Urlaubs des Beigeladenen nicht zeitnah durchgeführt werden. Es haben
sich dann aber drei Eigentümer bereit erklärt als Ersatzzustellungsbevollmächtigte vom
Gericht bestellt zu werden. Dies hat das Gericht den Eigentümern unter dem 11.12.2008
mitgeteilt.
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Am 29.12.2008 hat dann eine Eigentümerversammlung stattgefunden, in der Herr S,
(jetzt: U Y) zum Verwalter gewählt wurde. Daraufhin hat das Gericht am 10.3.2009 die
Ersatzzustellungsvertreterbestellung aufgehoben und die beiden Klagen und die
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Klageerweiterung an den Verwalter und den Beigeladenen zugestellt. Die Zustellungen
erfolgten am 12.3.2009.
In der Eigentümerversammlung vom 29.12.2008 wurde ferner vorsorglich der Beschluss
gefasst, die Beigeladene aus wichtigem Grund abzuwählen. Diesen Beschluss hat die
Beigeladene im Verfahren 512 C 4/09 angefochten. Wegen der Vorgreiflichkeit des
vorliegenden Verfahrens ruht dies zweite Verfahren.
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In der Versammlung am 23.4.2009 wurde die Beigeladene wegen behaupteter
finanzieller Unregelmäßigkeit hilfsweise nochmals durch Beschluss abberufen. Auch
diesen Beschluss hat die Beigeladene vor dem erkennenden Gericht (512 C 23/09)
angefochten. Wegen der Vorgreiflichkeit des vorliegenden Verfahrens und des zweiten
Verfahrens ruht dies dritte Verfahren.
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Ende Januar 2010 hat die Eigentümergemeinschaft als Verband gegen die Beigeladene
und deren beiden Gesellschafter persönlich Zahlungsklage über 80.506,11 € wegen
vermeintlicher Pflichtwidrigkeiten in den Jahren 2004 bis 2007 erhoben (512 C 3/10).
Hier läuft die Klageerwiderungsfrist für die Beklagten noch.
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Der Kläger zu 1 hat mit Zustimmung der Beklagten die Klage vom 16.6.2008 hinsichtlich
des Tagesordnungspunktes 4 (Wirtschaftsplan 2008) zurückgenommen.
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Der Kläger zu 1 beantragt
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21
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom
16.5.2008 zu den Tagesordnungspunkten 3 und 5 für unwirksam zu
erklären.
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Die Kläger zu 2 – 5 beantragen
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Festzustellen, dass unter TOP 5 kein Beschluss wie im Protokoll
niedergelegt gefasst worden ist.
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Die von RA Dr. H und RA vertretenen Eigentümer sowie die übrigen vom derzeitigen
Verwalter vertretenen Eigentümer beantragen
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zu erkennen was rechts ist.
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Der beigetretene Beigeladene beantragt, nachdem er zunächst insgesamt
Klageabweisung beantragt hatte nunmehr noch
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die Klage hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 5 abzuweisen.
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Die von RA Dr. H vertretenen Eigentümer behaupten, dass die Versammlung chaotisch
verlaufen sei. Die Beigeladene sei auch nicht befugt gewesen, zur Versammlung
einzuladen. Zahlreiche namentlich benannte Eigentümer wüssten genau, dass sie
gegen die Verwalterwahl gestimmt hätten.
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Der Beigeladene ist der Auffassung, dass die Klagen aus den verschiedensten Gründen
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unzulässig seien. Bei der Klage der Kläger zu 2 – 5 handele es sich um eine
Protokollberichtigungsklage, die verfristet sei.
Es habe auch eine Beschlussfassung wie protokolliert stattgefunden. Die Versammlung
habe nicht im Tumult geendet. Diskussionen habe es nur zur Abrechnung 2007
gegeben, weil der Eigentümer G die Behauptung aufgestellt hatte, der Verbleib von ca.
500.000,- € sei ungeklärt. Nachdem die Verwaltung erklärt hatte, die Kosten für eine
"Sonderprüfung" bis zu ca. 5.000,- € zu übernehmen, sei die Abrechnung genehmigt
worden und der Vorschlag zustimmend zur Kenntnis genommen worden.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
32
Vergleichsbemühungen des Gerichts sind gescheitert.
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Das Gericht hat über den Ablauf der Eigentümerversammlung vom 16.5.2008 Beweis
erhoben durch Vernehmung des Zeugen X sowie durch Vernehmung von 24 Parteien.
Wegen der vernommenen Personen sowie wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die umfangreiche Sitzungsniederschrift
vom 23.3.2010.
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Entscheidungsgründe
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I.
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Die Klage vom 16.6.2008 ist – soweit sie noch weiterverfolgt wird – ist ebenso zulässig
und begründet wie der Klageantrag vom 27.6.2008. Hinsichtlich dieses Klageantrags
war dem Kläger zu 1 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er
schuldlos gehindert, die Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG einzuhalten. Die I3 hat
erst mit Schreiben vom 17.6.2008 also nach Ablauf der Anfechtungsfrist das Protokoll
verschickt. Erst daraus konnte der Kläger ersehen, dass hier auch ein Beschluss zu
TOP 3 (Abrechnung 2007) gefasst worden sein sollte. der Kläger hat zwar an der
Versammlung teilgenommen, auf Grund des unten darzustellenden chaotischen Ablaufs
der Versammlung – insbesondere bei der Diskussion dieses Tagesordnungspunktes –
konnte er aber nicht sicher sein, welche Beschlüsse im Protokoll als gefasst
niedergelegt waren. Wegen des Ablaufs der Versammlung wird auf die Ausführungen
unten Bezug genommen.
37
II.
38
Die Klage ist im Übrigen rechtzeitig erhoben und begründet worden.
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Die Klage ist mit dem ursprünglichen Antrag am 16.6.2008 also innerhalb der Frist des §
46 ZPO anhängig geworden, weil sie per Fax um 17:38 Uhr an diesem Tag bei Gericht
eingegangen ist.
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Ausnahmsweise kann die Klagefrist bereits durch Klageeinreichung unterbrochen
werden. Auch auf die Klagefrist des § 46 Abs. 1 WEG ist die Vorschrift des § 167 ZPO
anwendbar. Danach tritt die Wirkung der Klagezustellung bereits mit Klageeinreichung
bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Ob eine Zustellung "demnächst"
im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser
41
Regelung (BGH Beschl. v. 30.11.2006 – III ZB 22/06). Danach soll die Partei bei der
Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb
des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen
liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen
zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei
gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst"
nach der Einreichung des zuzustellenden Antrags bedeutet daher eine Zustellung
innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist (BGH NJW
2006, 3206), wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung
der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die
Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die
Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht
fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung
(BGH MDR 2002, 1085) beigetragen hat. Voraussetzung ist also, dass der klagende
Wohnungseigentümer von sich aus alles unternommen hat, damit die Klage
ordnungsgemäß zugestellt werden kann. Es muss also innerhalb der Klagefrist eine
zulässige Klage beim zuständigen Gericht eingegangen sein. Nur wenn dem Kläger
zumindest ein Fahrlässigkeitsvorwurf bezüglich der Zeitverzögerung gemacht werden
kann scheidet eine Anwendung des § 167 ZPO aus. Die Klage kann auch per Telefax
erhoben werden. Dem Eigentümer ist es gestattet, die Klage auch erst am letzten Tag
der Klagefrist bei Gericht einzureichen.
Der Kläger muss nicht mit der Klage direkt den Gerichtskostenvorschuss einzahlen
(OLG Hamm DAR 2001, 403). Der Vermieter muss nicht mehr tun, als das Gesetz
verlangt. Das Gerichtskostengesetz verlangt aber in § 12 Abs.1 GKG gerade nicht eine
Zahlung ohne Aufforderung. Der Kläger ist berechtigt, die gerichtliche Aufforderung zur
Einzahlung abzuwarten. Nach Erhalt der schriftlichen gerichtlichen Aufforderung muss
er den Vorschuss aber unverzüglich einzahlen.
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Die Frist beträgt ungefähr 14 Tage (BGH NJW 2009, 999; (BGH, NJW 1986, 1347, 1348;
BGH NJW 2000, 2282; LG Dortmund Urteil vom 29.1.2009 – 11 S 152/08). Hier erfolgte
die Gerichtskostenrechnung am 17.6.2006 und die Einzahlung des Vorschusses am
27.6.2008, somit innerhalb der 14 Tage-Frist.
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Die Klage ist mit Schriftsatz vom 15.7.2008 begründet worden, also innerhalb der
Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 2. HS WEG.
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Bei den Fristen zur Erhebung und Begründung der Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG
handelt es sich nicht um besondere Sachurteilsvoraussetzungen der
wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage, sondern um Ausschlussfristen des
materiellen Rechts (BGH NJW 2009, 999) Zur Vermeidung eines materiellrechtlichen
Ausschlusses ist der Kläger gehalten, innerhalb der Begründungsfrist des § 46 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 WEG die Gründe vorzutragen, auf die er die Anfechtung stützt; ein
Nachschieben von neuen Gründen ist ausgeschlossen. Dabei muss sich der
Lebenssachverhalt, aus dem sich Anfechtungsgründe ergeben sollen, zumindest in
seinem wesentlichen Kern aus den innerhalb der Frist eingegangenen Schriftsätzen
selbst ergeben; dass er sich nur aus Anlagen ergibt, genügt nicht.
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Von daher sind nur die im Schriftsatz vom 15.7.2008 vorgetragenen Gründe zu
berücksichtigen. Insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte seit 2006 gar nicht mehr
Verwalterin war und deshalb nicht zu einer Versammlung einladen durfte oder die
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Versammlung leiten durfte, durfte deshalb nicht berücksichtigt werden. Ebenso wenig
durfte die neuere Rechtsprechung des BGH zum Inhalt der Abrechnung
Berücksichtigung finden (BGH WuM 2010, 178).
Die Zustellung am 12.3.2009 erfolgte noch demnächst im Sinne des Gesetzes.. Die
Verzögerung beruhte darauf, dass die Gemeinschaft keinen
Ersatzzustellungsbevollmächtigten gewählt hatte da die Beigeladene auf keiner
Versammlung diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hatte und kein Eigentümer
von sich das verlangt hat. Das Gericht hat dann zunächst versucht einen
Ersatzzustellungsvertreter zu bestellen. Da es sich um eine sehr große Anlagen mit
teilweise weit verstreut wohnenden und vereinzelt auch im
Verbraucherinsolvenzverfahren befindlichen Eigentümern handelt kam nur die
Bestellung eines Anwalts mit entsprechendem Büro und auch Erfahrung mit solchen
Dingen in Betracht. Da nach Ansicht des Gerichts einem solchen professionellen
Zustellungsbevollmächtigten nicht zugemutet werden kann ohne ausreichenden
Vorschuss zu arbeiten und er auch wegen der hohen Kopie- und Portokosten erheblich
in Vorlage treten muss, hatte das Gericht die Zustellung von der Zahlung eines weiteren
Vorschusses abhängig gemacht. Dies ist in der Literatur teilweise kritisiert worden.
Unabhängig davon, ob diese Kritik berechtigt war oder nicht handelte es sich um eine
unangefochten gebliebene Entscheidung, die zu befolgen war. Die I3h at den
Vorschuss jedoch nicht eingezahlt. Auch die späteren Bemühungen einen
Ersatzzustellungsbevollmächtigten aus den Reihen der Eigentümer zu wählen können
dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Das Gericht weist nur am Rande darauf hin,
dass nach dem persönlichen Eindruck von den Eigentümern im Termin am 23.3.2010
diese mit der Aufgabe mehr oder weniger alle völlig überfordert gewesen wären. Erst
nachdem die Eigentümer einen neuen Verwalter gewählt hatten, konnte die Zustellung
an diesen erfolgen. Auch hier sind dem Kläger zuzurechnen Verzögerungen nicht
feststellbar.
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Die Klage ist auch gegen die richtigen Beklagten erhoben worden. Die
Anfechtungsklage muss gegen alle übrigen Wohnungseigentümer erhoben werden.
Zwar ist hier die Klage zunächst gegen den Verband erhoben worden, jedoch hat der
Kläger dies mit Schriftsatz vom 29.7.2008 umgestellt. Die Klagefrist nach§ 46 Abs. 1
Satz 2 WEG kann auch durch eine Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft
gewahrt werden, wenn innerhalb der Klagefrist der Verwalter angegeben und die
namentliche Bezeichnung der richtigerweise zu verklagenden übrigen Mitglieder der
Gemeinschaft bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt wird (BGH
NZM 2010, 46 mit Besprechung Dötsch, NJW 2010, 911; Bergerhof, NZM 2010, 32;
Abramenko, ZMR ZMR 2010, 161; Drasdo, NJW-Spezial 2010, 162). So ist es hier
geschehen.
48
Eine Eigentümerliste wurde ebenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
vorgelegt.
49
III.
50
Die Kläger zu 2 – 5 sind dem Anfechtungsverfahren bezüglich Punkt 5 der
Tagesordnung auf Seiten des Klägers zu 1 beigetreten.
51
Zwar war ihre ursprüngliche Klage vom 15.8.2008 verfristet, da eine Feststellungs- und
Protokollberichtigungsklage hier so nicht möglich war. Die I3 hat einen Beschluss
52
verkündet. In einem solchen Fall kann nur Anfechtungsklage erhoben werden. Diese
muss innerhalb der Frist des § 46 WEG erhoben werden. Hierbei handelt es sich aber
um keine besondere Sachentscheidungsvoraussetzung sondern um eine materielle
Ausschlussfrist (BGH NJW 2009, 999 und BGH NJW 2009, 3655). Nach der
Rechtsprechung des BGH betreffen auf denselben Lebenssachverhalt gestützte
Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe keine unterschiedlichen Streitgegenstände, weil
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage materiell dasselbe Ziel verfolgen (BGHZ 156, 279,
294; BGH NJW 2009, 3655; ebenso etwa Dötsch, ZMR 2008, 433, 434 f.;
Jennißen/Suilmann, WEG, § 46 Rdn. 13, 15 u.157; Wenzel in Bärmann, WEG, 10. Aufl.,
§ 43 Rdn. 100 u. § 46 Rdn. 72; vgl. auch BGHZ 134, 364, 366; 152, 1, 3 ff.). Deshalb hat
das Gericht die beiden Klagen verbunden. Dadurch ist das Verhalten der Kläger zu 2 –
4, die bis zum Schluss für die Aufhebung des Wiederwahlbeschlusses gekämpft haben,
als Beitritt zur Klage des Klägers zu 1 zu verstehen. Dies ist die einzig Sinn machende
Auslegung Ihres Verhaltens. Auch schriftsätzliche Erklärung bedürfen der Auslegung;
dabei ist der Wille der Wohnungseigentümer zu ermitteln (BGH NJW 2009, 2132). Bei
der Beurteilung eines Schriftsatzes ist davon auszugehen, dass im Zweifel dasjenige
gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht
verstandenen Interesse entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juni 2003, VIII ZB 126/02,
NJW 2003, 3418, 3419; BGH NJW 2009, 2132).
Auch nach der Rechtsprechung des BGH können eigentlich beklagte Eigentümer im
Wege der streitgenössischen Nebenintervention dem klagenden Eigentümer beitreten
(BGH NJW 2009, 2132). So ist das Verhalten der Kläger zu 3 – 5 hier auszulegen.
Dabei ist es auch möglich, nur wegen eines Anfechtungsantrags dem Kläger
beizutreten.
53
IV.
54
Die Klage ist auch begründet. Es konnte und musste auch bezüglich beider
Tagesordnungspunkte durch streitiges Urteil entschieden werden.
55
Es liegt zwar nur noch hinsichtlich der Klage zu Tagesordnungspunkt 5 ein
ausdrücklicher Klageabweisungsantrag des beigetretenen Beigeladenen vor, da dieser
den Klageabweisungsantrag bezüglich Tagesordnungspunkt 3 nicht weiterverfolgt hat,
so dass man daran denken könnte, hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 3 durch
Versäumnisurteil zu entscheiden, da niemand einen Antrag auf Abweisung dieser Klage
gestellt hat. Die Anträge "zu erkennen was rechtens ist" sind aber dahin auszulegen,
dass die Beklagten insofern auf eine begründete Entscheidung Wert legten. Dieser
Antrag wurde im früheren WEG Verfahren als es sich noch um ein FGG Verfahren
handelte, gestellt. Jetzt ist er so eigentlich nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite
wollten die Beklagten den Antrag gerade nicht anerkennen, auch wenn sie in der Sache
sich der Argumentation der Kläger angeschlossen hatten und teilweise sogar die
besseren und sorgfältiger vorgetragenen Argumente auf Ihrer Seite hatten. Ihr Antrag ist
deshalb so auszulegen, dass sie als nicht säumig gelten wollten und eine streitige
Entscheidung begehrten, was rechtlich nur über einen Klageabweisungsantrag geht.
56
V.
57
Die in der Versammlung vom 16.5.2008 verkündeten Beschlüsse zu
Tagesordnungspunkt 3 und 5 waren aufzuheben und für unwirksam zu erklären. Die Art
und Weise der Beschlussfassung entsprach zumindest nicht den Grundsätzen der
58
ordnungsgemäßen Verwaltung.
Die Abstimmung nach der Substraktionsmethode entsprach vorliegend nicht den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Soweit durch Gemeinschaftsordnung oder
Eigentümerbeschluss nichts anderes geregelt ist, kann zwar der Leiter einer
Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung
grundsätzlich auch dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über zwei
von drei - auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten -
Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der
dritten Abstimmungsfrage wertet (BGH NJW 2002, 3629), damit in einem zweiten Schritt
der Subtraktionsmethode das tatsächliche Abstimmungsergebnis durch eine
Rechenoperation hinreichend verlässlich ermittelt werden kann, sind allerdings
begleitende organisatorische Maßnahmen zur korrekten Feststellung der
Anwesenheiten erforderlich. Daran fehlte es hier.
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Die unterlassene Stimmabgabe einzelner Eigentümer zu den beiden ersten
Abstimmungsfragen kann nur dann als Votum für die dritte Abstimmungsfrage
verstanden werden, wenn die betreffenden Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der
Abstimmung in der Versammlung zugegen war. Das Schweigen eines
Wohnungseigentümers, der nicht anwesend ist, darf der Versammlungsleiter schon
deshalb nicht als Stimmabgabe auffassen, weil diese nach § 23 Abs. 1 WEG in der
Eigentümerversammlung erfolgen müsste. Durch Subtraktion kann mithin die Zahl der
Stimmen für die dritte Abstimmungsfrage nur dann zweifelsfrei aus der Zahl der
Stimmen für die beiden ersten Abstimmungsfragen errechnet werden, wenn für den
Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der anwesenden und vertretenen
Miteigentumsanteile feststeht (vgl. BGH a.a.O.; OLG Köln, NZM 2002, 458 f; Merle, PiG
25, 119, 124). Dabei sind genaue Feststellungen zu den anwesenden oder vertretenen
Wohnungseigentümern erforderlich, etwa durch sorgfältige Kontrolle des
Teilnehmerverzeichnisses und dessen ständige Fortschreibung, die den einzelnen
Abstimmungen zugeordnet werden kann (BGH a.a.O.). Sind im Einzelfall die
notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur exakten Feststellung der
Gesamtanzahl der anwesenden Stimmen nicht sichergestellt, so ist von der
Subtraktionsmethode Abstand zu nehmen.
60
Das gilt umso mehr, als vorliegend eine äußerst aufgeheizte Atmosphäre im Saal war.
Für den Beigeladenen war klar, dass die Stimmung gegen ihn gerichtet war. Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass die Stimmung
zwischen Tumult und Chaos schwankte. So gut wie alle 24 Eigentümer, die das Gericht
vernommen haben diese oder ähnliche Worte gebraucht. Das Gericht hat deshalb an
der Richtigkeit der Aussagen keine Zweifel. Die vernommenen Parteien waren alle
glaubwürdig. Sie haben durchaus differenziert ausgesagt und ihre heutigen
Erinnerungen an die Sitzung wiedergegeben. Die Parteien haben durchaus auch
bekundet, sich an bestimmte Dinge nicht erinnern zu können. Sie haben auch gesagt,
wenn Ihrer Meinung nach Ihr eigenes Verhalten nicht ganz eindeutig war.
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Die Aussagen waren auch glaubhaft. Die Aussagen decken sich, ohne dass auch nur
ansatzweise der Verdacht einer Absprache beim Gericht aufkam. Es ging in der Sitzung
zunächst um die Abrechnung 2007, da hier auf Grund des vertraulichen Papiers
erheblicher Aufklärungsbedarf herrschte. Die Eigentümer waren, wie sie bei Ihrer
Vernehmung zum einen Teil bekundet hatten, zu einem nicht unerheblichen Teil in der
Absicht zu der Versammlung gekommen, den Beigeladenen nicht wiederzuwählen. Die
62
Abrechnung wurde letztendlich so nicht akzeptiert. Es ging allenfalls darum, den
Eigentümern, die Guthaben hatten zu einer Auszahlung zu verhelfen und ggf. bei
säumigen Eigentümern Nachzahlungen geltend zu machen, aber die Abrechnung
selber sollte so noch nicht akzeptiert werden. Aber selbst dies war höchst strittig. Hier
hätte die Verwaltung für eine beweissichere Abstimmung sorgen müssen. Die
Vernehmung der Parteien hat gezeigt, dass einige Eigentümer gegen diese
Verfahrensweise gestimmt haben. Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit
dieser Aussagen. Das Protokoll war insofern auch nicht richtig. Auch der von der
beigeladenen Verwaltung benannte Zeuge selbst hat zu TOP 5 andere
Abstimmungsergebnisse in Erinnerung als im Protokoll niedergelegt. Ansonsten war die
Aussage des Zeugen X nicht geeignet, die volle Überzeugung des Gerichts von ihrer
Richtigkeit herbeizuführen. So hat der Zeuge bekundet der Eigentümer I habe vor ihm
vorne links gesessen obwohl er am Tisch der Verwaltung neben dem Zeugen gesessen
hat. Deshalb ist durch den Satz des Zeugen "Bei Abstimmungen waren immer alle
Eigentümer anwesend" für das Gericht nicht überzeugend. Da weder der Zeuge noch
andere für die Verwaltung handelnde Personen kontrolliert haben, wer jeweils
rausgegangen war, konnte auch nicht festgestellt werden, ob wieder alle da waren. Bei
60 – 70 Personen ist es bei einer tumultartigen Versammlung auch kaum nachzuhalten,
ob alle wieder da sind, zumal auch Eigentümer endgültig die Sitzung verlassen hatten
und ihre Stimmkarten weitergegeben hatten. Auch dies ist nirgendwo dokumentiert
worden.
Hinzu kommt, dass das Substraktionsverfahren von der Verwaltung verlangt, gehörig für
Aufmerksamkeit zu sorgen. Das ist hier nicht geschehen. Teilweise wurden die Fragen
von Herrn I nach dem Eindruck der Eigentümer so schnell hintereinandergestellt, dass
man gar nicht erkennen konnte, für was man gestimmt hat, wenn man die Hand hob.
Hinzukommt, dass Herr I nicht nur die Abstimmung durchführte sondern zugleich auch
noch das Protokoll geführt hat und zwar durch Diktieren in sein Diktiergerät. Hierdurch
war es für die Eigentümer noch schwerer zu erkennen, welche Worte an sie gerichtet
waren und welche eigentlich gar nicht für sie bestimmt waren sondern nur ein Diktat
darstellten.
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Der Saal war für die Durchführung der Versammlung in der vorliegenden Form auch
ungeeignet. Er war nach Aussage des Zeugen X ca 20m tief. Nach glaubhafter Aussage
einiger Parteien war Herr I allenfalls bis zu einer Entfernung von ca 3 – 4 Meter zu
hören. Technik wurde von der Verwaltung nicht eingesetzt. Hinten hat man gar nichts
mitbekommen. In einer solchen Situation ist das Nichtheben der Hand keine als
Willenserklärung zu wertende Stimmabgabe. Wer gar nicht mitbekommen kann, dass
sein Schweigen jetzt eine rechtliche Bedeutung hat der gibt auch keine
Willenserklärung ab.
64
Gegen eine ordnungsgemäße Versammlung spricht auch, dass die Verwaltung selbst
nicht genau mitbekommen zu haben scheint, wer wie gestimmt hat. Da Personen
standen und andere saßen und mehrere Personen durcheinanderredeten konnte die
Verwaltung das richtige Stimmergebnis auch nicht nicht feststellen. So ist das
dokumentierte Ergebnis der Abstimmungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
objektiv falsch. Es haben Personen anders abgestimmt, als sich aus dem Protokoll
ergibt. Ob es trotzdem die Mehrheit war, die für einen Antrag gestimmt hat, kann
dahingestellt bleiben, weil der ganze Ablauf der Versammlung und die Art und Weise
der Abstimmungen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen.
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VI.
66
Die Kostenentscheidung beruht auf § 49 Abs. 2 WEG, §§ 91, 100, 101, 269 Abs. 3 ZPO.
I2 OHG ist zwar hinsichtlich des Antrags zu TOP 5 Streitgenossin der Beklagten, so
dass ihr insofern gemeinsam mit den übrigen Beklagten die Kosten gem. §§ 91, 100,
101 Abs. 2, 69 ZPO aufzuerlegen wären, die Vorschrift des § 49 Abs. 2 WEG erlaubt
aber auch in diesem Fall die Kosten dem Verwalter aufzuerlegen. Dies ergibt sich dem
Wortlaut und zwar dem Wort "auch". Für den Antrag zu TOP 3 gilt § 49 Abs. 2
unmittelbar. Soweit der Kläger zu 1 die Klage zurückgenommen hat, richtet sich die
Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO.
67
Die I3 hat die Tätigkeit des Gerichts veranlasst und ihn trifft ein grobes Verschulden. Die
Beschlüsse sind entweder gar nicht gefasst und deshalb falsch verkündet worden oder
die Beschlussfassung verstieß, wie oben dargestellt, so grob gegen die Grundsätze
ordnungsgemäßer Verwaltung, dass von einem groben Verschulden auszugehen ist.
Die Durchführung der Abstimmung in der Tumultsituation an sich war schon grob
schuldhaft, aber die Art und Wiese des schnellen Abfragens hintereinander war dies erst
Recht. Von einer Bestellungszeit, wie im Protokoll festgestellt, von 5 Jahren war nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nie die Rede. Es macht auch keinen Sinn. Die
Gemeinschaft war mit der Verwalterin höchst unzufrieden. Bisher war selbst bei
Zufriedenheit nur eine Bestellung von maximal 2 Jahren erfolgt. Es gab massive
Vorwürfe, die geklärt werden mussten. In einer solchen Situation ist es völlig
unglaubwürdig, dass die Gemeinschaft einen solchen Beschluss fassen wollte. Der
Verwalter hat hier allenfalls eine Situation ausgenutzt aber damit den erkennbaren oder
besser hörbaren Willen der Eigentümer übergangen. Das alles ist so grob schuldhaft,
dass die Kosten gem. § 49 Abs. 2 der Verwalterin aufzuerlegen waren.
68
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, waren ihm die Kosten aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht
auf § 708 Ziff 11, § 711 ZPO.
70
Die Streitwertfestsetzung erfolgte gem. 49a GKG.
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a) TOP 3
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Die Abrechnung beläuft sich auf ca 482.000,- €. Die Abrechnungssumme, die auf die
Wohnung des Klägers entfällt beträgt 3310,- €. 50% wären ca 240.000 € gewesen. Die
Untergrenze beträgt 3310,- und die Obergrenze 16.550,00 €. Das Gericht hat hier den
dreifachen Betrag gem. 49a GKG in Ansatz gebracht.
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Beteiligt an diesem Verfahren sind auf Klägerseite nur der Kläger zu 1 und auf der
Beklagtenseite alle Beklagten ohne Streithelfer.
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b) TOP 4
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Der Wirtschaftplan beläuft sich auf 488.342,94 €. Jahreszahlung, die auf die Wohnung
des Klägers entfällt beträgt 3528,- €. 50% wären ca 244.000 € gewesen. Die
Untergrenze beträgt 3528,- und die Obergrenze 17.640,00 €. Das Gericht hat hier den
dreifachen Betrag gem. 49a GKG in Ansatz gebracht.
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Beteiligt an diesem Verfahren waren bis zur Klagerücknahme auf Klägerseite nur der
Kläger zu 1 und auf der Beklagtenseite alle Beklagten ohne Streithelfer.
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c) TOP 5
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Das Verwalterhonorar beträgt pro Wohnung 185,49 €/Jahr. Es gibt 145 Wohnungen.
Das macht 26896,05 € im Jahr und für die gesamte angefochtene Wahlzeit 134.480,25.
50% davon entsprechen ca. 67.000,00 €. Auf die Wohnung der Kläger und der
klägerischen Nebenintervenienten entfallen davon 2782,35 € was der Untergrenzte des
§ 49a GKG entspricht. Die Obergrenze beträgt danach 13911,75 €. Auf diesen Wert hat
das Gericht den Streitwert auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des
Beklagtenvertreters Dr. I5 vom 29.1.2010 festgesetzt. Auch dieser Beklagtenvertreter
knüpft in seiner Berechnung an das Honorar an. Letztendlich hängt die Höhe des
Streitwerts davon wer alles klagt. Hier sind es drei Eigentümer auf Klägerseite, auch
wenn die Argumentation von RA I5 in der Sache auch eher auf Klägerseite war. In den
beiden anderen Verfahren ist dies anders, da dort Kläger der nach diesem Beschluss
nicht wiedergewählte Verwalter ist.
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