Urteil des AG Dortmund vom 21.02.2006

AG Dortmund: wahrung der frist, grobe fahrlässigkeit, treuhänder, erstellung, zustellung, buchhaltung, forderungsanmeldung, unterlassen, kaufmann, dienstverhältnis

Amtsgericht Dortmund, 258 IK 97/04
Datum:
21.02.2006
Gericht:
Amtsgericht Dortmund
Spruchkörper:
Insolvenzgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
258 IK 97/04
Tenor:
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der M N, G-Straße, ####1 I2
zusätzlich beteiligt:
N N, I-Weg, ####2 I2
als Versagungsantragsteller,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt C, Marker B-Allee, ####3 I2
wird der Schuldnerin die Restschuldbefreiung angekündigt (§ 291 InsO):
Die Schuldnerin erlangt Restschuldbefreiung, wenn sie in der Laufzeit
ihrer Abtre-tungserklärung vom 15.05.2004 den Obliegenheiten nach §
295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach
§ 297 oder § 298 InsO nicht vor-liegen.
Der bisherige Treuhänder, Dipl.-Kaufmann F I, H-Straße, ####4 I2,
nimmt kraft Ge-setzes die Aufgaben des Treuhänders nach § 291 Abs. 2,
§ 292 InsO wahr (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Auf den Treuhänder gehen die pfändbaren Forderungen der
Schuldnerin auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren T
tretende laufende Bezüge nach Maßga-be der Abtretungserklärung vom
15.05.2004 für die Dauer ihrer Laufzeit über. Die Laufzeit der Abtretung
hat mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 21.10.2004 begonnen
und beträgt sechs Jahre.
Der Versagungsantrag wird zurückgewiesen. Die Kosten des
Verfahrens, die durch den Antrag verursacht worden sind, trägt der
Versagungsantragsteller.
Versagungsantragsteller.
Gründe:
1
I.
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Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 21.10.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet
worden. Die Schuldnerin beantragt die Erteilung der Restschuldbefreiung.
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Der Versagungsantragsteller beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Er
behauptet, die Schuldnerin habe seine Forderung im Gläubigerverzeichnis nicht
aufgeführt und - da in der Forderungsangelegenheit mehrfach mit der Schuldnerin
korrespondiert und telefoniert worden sei - dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 25.1.2005 verwiesen.
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II.
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Die Voraussetzungen für die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) sind
erfüllt. Der Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist rechtzeitig
und ordnungsgemäß gestellt.
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Die Einwände des Versagungsantragstellers greifen nicht durch. Ein Versagungsgrund
(§ 290 InsO) liegt schon nach der Begründung des Versagungsantrags nicht vor.
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Zwar trifft es zu, daß die rechtskräftig durch Versäumnisurteil titulierte Forderung des
Versagungsantragstellers nicht im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufgeführt
worden ist. Das Gericht vermag jedoch anhand des Sachvortrags des Antragstellers
nicht den Schluß zu ziehen, daß dies auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte.
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Hierfür sind im einzelnen folgende Erwägungen maßgeblich:
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Konkrete Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Weglassen der Forderung des
Antragstellers sind nicht erkennbar . Von einem grob fahrlässigen Verhalten kann nur
ausgegangen werden, wenn der Schuldnerin vorgeworfen werden kann, daß sie schon
geringste Nachforschungen unterlassen hat, deren Bedeutung jedem einleuchten würde
( Uhlenbruch, Insolvenzordnung, 12. Aufl., Rz.80). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es
der Schuldnerin als Verbraucherin (im Gegensatz zu ehemals Selbständigen) an
kaufmännischer Erfahrung fehlt, so daß davon ausgegangen werden muß, daß sie ihre
Unterlagen nicht im Stil einer ordnungsgemäßen Buchhaltung geführt hat. Vor diesem
Hintergrund erscheint es als durchaus möglich, daß sie die Forderung des
Versagungsantragstellers vergessen hat. In diesem Zusammenhang ist nämlich
relevant, daß alle anderen Forderungen, die die Schuldnerin angegeben hat, wesentlich
jüngeren Datums sind (bzw. die letzten Mahnungen aus wesentlich jüngerer Zeit
stammen). So datiert das älteste sonstige Gläubigerschreiben ausweislich der
vorgelegten Vollstreckungsunterlagen von Juni 2004. Die Forderung des
Versagungsantragstellers dagegen stammt aus Juni 2002, und nach dessen eigenem
Sachvortrag hat die Schuldnerin zuletzt im Oktober 2002 etwas von der Angelegenheit
gehört. Es ist deshalb plausibel, daß dieser Anspruch bei der Erstellung des
Verzeichnisses der Schuldnerin nicht mehr in Erinnerung war. Das Gericht vermag darin
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noch keine grobe Fahrlässigkeit zu sehen.
Darüber hinaus ist fraglich, ob das bloße Vergessen eines Gläubigers im Verzeichnis,
auch im Falle grober Fahrlässigkeit, überhaupt einen zur Versagung der
Restschuldbefreiung führenden Tatbestand bildet:
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§ 290 Abs.1 Ziff.6 InsO hat den Zweck, den Schuldner zu vollständigen und richtigen
Angaben anzuhalten, damit den Gläubigern die Beurteilung der Entscheidung über die
Zustimmung zu einem vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan
ermöglicht wird (Münchner Kommentar zur InsO, § 290 Rz. 77). Dieses
Informationsbedürfnis entfällt in Fällen der vorliegenden Art, in denen das Gericht von
einem gerichtlichen Planverfahren absieht. Vielmehr wird ein Treuhänder eingesetzt,
dessen Aufgabe u.a. in der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse und in diesem
Rahmen auch der Verbindlichkeiten besteht und der insoweit die Gläubigerrechte wahrt.
Auch erhalten die Gläubiger durch die Aufforderung zur Forderungsanmeldung
Gelegenheit, ihre Rechte im Verlauf des Insolvenzverfahrens geltend zu machen.
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Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Einhaltung der Informationspflichten gem. § 290
Abs.1 Ziff.6 InsO keinen Selbstzweck bildet, so daß bloße Formalverstöße nicht
ausreichen, um einen Versagungstatbestand zu rechtfertigen, sondern es muß sich
vielmehr um ein Informationsdefizit handeln, das sich auf die materielle
Befriedigungslage der Gläubiger auswirkt (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl.,
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§ 290 Rz. 80). Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt das Verhalten der
Schuldnerin nicht die Versagung der Restschuldbefreiung, denn der
Versagungsantragsteller hat seine Forderung rechtzeitig angemeldet, so daß seine
Rechte gewahrt bleiben. Daneben hat er seinen Anspruch als deliktische Forderung
geltend gemacht, was zur Folge hat, daß dieser Anspruch ohnehin von der
Restschuldbefreiung nicht erfaßt wird, § 302 InsO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO.
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Dieser Beschluss kann vom Schuldner und von jedem Insolvenzgläubiger, der
rechtzeitig die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, innerhalb von zwei
Wochen ab Zustellung beim Insolvenzgericht mit der sofortigen Beschwerde
angefochten werden (§ 289 Abs. 2, § 312 Abs. 2 InsO). Zur Wahrung der Frist genügt die
Einlegung der Beschwerde beim hiesigen Landgericht.
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