Urteil des AG Donaueschingen vom 15.08.2002

AG Donaueschingen: versammlung, verwalter, entlastung, tagesordnung, verwaltung, abrechnung, mehrheit, gestaltung, mieter, handschriftlich

AG Donaueschingen Beschluß vom 15.8.2002, 25 UR II 3/02 WEG
Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsverfahren: Kostenentscheidung bei offensichtlicher Begründetheit wegen massiver Fehler des
Verwalters
Tenor
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 18.04.2002 (TOP 2 a, 2 b, 2 f, 2 g, 2 j, 2 k, 3) werden für ungültig erklärt.
Der Verwalter einerseits und die Antragsgegner als Gesamtschuldner andererseits tragen je die Hälfte der Gerichtskosten des Verfahrens sowie der
außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen werden Kosten nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird insgesamt auf 23 796,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung der WEG B. Die Antragsgegner sind die übrigen Wohnungseigentümer der WEG. Gewählter
Verwalter der WEG ist Herrn O. In § 14 der Teilungserklärung sind Regelungen zur Eigentümerversammlung enthalten. Dort heißt es unter Nr. 5
Satz 3, dass das Protokoll vom Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer zu unterzeichnen ist.
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Bei der Versammlung vom 14.03.2002 wurde mitgeteilt, dass die nächste Versammlung am 18.04.2002 stattfindet. Die Einladung zur
Versammlung erfolgte dann mit Schreiben des Verwalters vom 17.04.2002, das an diesem Tag gegen 22.00 Uhr bei der Antragstellerin einging.
Erst mit diesem Schreiben wurde Ort der Versammlung, Uhrzeit und Tagesordnung mitgeteilt.
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Bei der Wohnungseigentümerversammlung wurden folgende Beschlüsse, die eine positive Mehrheit fanden, gefasst:
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Unter TOP 2 a wurde der Jahreswirtschaftsbericht 1999/2000 ... angenommen. Dieser "Bericht" weist Ausgaben in Höhe von 30 887,42 DM aus.
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Unter TOP 2 b wurde auf Antrag die Entlastung der Hausverwaltung für das Abrechnungsjahr 1999/2000 beschlossen. Dieser
Tagesordnungspunkt war in der Einladung zur Versammlung nicht aufgeführt.
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Unter TOP 2 f wurde anschließend folgendes beschlossen:
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"Auf Antrag wurde der Jahreswirtschaftsbericht 2000/2001 mit folgender Option, dass die Änderungen der Jahreszahlen und der Beträge vom
Hausverwalter geändert werden und innerhalb 8 Tagen, einschließlich Zahlungsübersicht, den Eigentümern zugesandt werden, mit 4 Stimmen
dafür und 1 Gegenstimme (Frau K., die bemerkte, dass sie den Jahreswirtschaftsbericht mit den handschriftlichen Änderungen so nicht
akzeptieren kann) angenommen."
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Zuvor war seitens des Verwalters protokolliert worden, dass in dieser Abrechnung Fehler vorhanden sind. Diese seien in der
Eigentümerversammlung behoben worden. So sei festgestellt worden, dass Datumsangaben und Zahl für Kontogebühren bei den Rücklagen
nicht stimmten. Auch sei als Abrechnungsjahr der Kontostand am 31.05.1999 angegeben worden; tatsächlich hätte es der 31.05.2000 sein
müssen. Deshalb habe der Verwalter in der Versammlung einen neuen Jahreswirtschaftsbericht vorgelegt. Tatsächlich hatte der Verwalter den
neuen Bericht zwar dabei, jedoch nicht den Wohnungseigentümern vorgelegt. Dieser war aber nach den eigenen Feststellungen des Verwalters
immer noch fehlerhaft. Angegeben worden seien Ausgaben für Kontogebühren mit plus 52,-- DM; tatsächlich müssten es minus 52,-- DM sein.
Handschriftlich sei der Fehler dann korrigiert worden. Weiter wurde festgehalten, dass die Jahreswirtschaftsberichte während der Versammlung
geprüft worden seien. Fehler seien teilweise bereits vor der Eigentümerversammlung vom Verwalter und teilweise während der
Eigentümerversammlung handschriftlich korrigiert worden. Tatsächlich enthält der "Jahreswirtschaftsbericht" 2000/2001 ebenso wie der
"Jahreswirtschaftsbericht" 2001 (ein Rumpfjahr 2001 betreffend) zahlreiche rechnerische Fehler, die überhaupt nicht nachvollzogen werden
können.
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Trotzdem wurde bei der Versammlung unter TOP 2 g auf Antrag die Entlastung der Hausverwaltung für das Abrechnungsjahr 2000/2001
beschlossen.
10 In dem Protokoll stellt anschließend der Verwalter fest, dass auch das verkürzte Abrechnungsjahr 2001 Fehler enthält und diese korrigiert worden
seien. So hätten wiederum Datumsangaben und bei der Zahl der Umbuchungen Fehler bestanden. Obwohl der "Jahreswirtschaftsbericht" 2001
noch weitere nicht nachvollziehbare Differenzen enthält, wurde unter TOP 2 j folgendes beschlossen:
11 "Auf Antrag wurde der Jahreswirtschaftsbericht 2001 mit folgender Option, dass die Änderungen der Jahreszahlen und der Beträge vom
Hausverwalter geändert werden und innerhalb 8 Tagen, einschließlich Zahlungsübersicht, den Eigentümern zugesandt werden, mit 4 Stimmen
dafür und 1 Gegenstimme (Frau K, die bemerkte, dass sie den Jahreswirtschaftsbericht mit den handschriftlichen Änderungen so nicht
akzeptieren kann) angenommen."
12 Unter TOP 2 g wurde sodann die Entlastung der Hausverwaltung für das verkürzte Abrechnungsjahr 2001 beschlossen.
13 Unter TOP 3 wurde wie folgt ein Beschluss über den Wirtschaftsplan gefasst:
14 "Der Wirtschaftsplan für das Abrechnungsjahr 2002 wurde vom Hausverwalter vorgelegt und durchgesprochen. Hierbei wurden folgende
Änderungen gemacht:
15 Bei kleineren Reparaturen 500,-- EUR wurde der Betrag für den restlichen Zaun festgelegt. Bei den Reparaturen wurden zusätzlich 4 000,-- EUR
für die Betonsanierung der Balkone aufgenommen. Bei kleineren Anschaffungen 250,-- EUR wurde der Betrag für den Ankauf von 2 Büschen
festgelegt. Die Spalte Personenanzahl wurde wie folgt korrigiert:
16 P 2 Personen, A 2 Personen, K 2 Personen und S 2 Personen. Somit ergibt sich eine Gesamtpersonenzahl von 16 Personen. In der Spalte HVW
Garage wurde der Betrag jeweils auf 2,56 EUR korrigiert. In der Spalte HVW Wohnung wurde der Betrag jeweils auf 10,23 EUR korrigiert.
17 Anmerkung. Siehe auch Punkt 4 b)
18 Auf Antrag wurde der Wirtschaftsplan 2002 mit den o. g. Änderungen 1-stimmig angenommen." Der Wirtschaftsplan für das Haushaltsjahr 2002
wurde darüber hinaus nur als Entwurf erst in der Versammlung am 18.04.2002 vorgelegt. Er sieht dabei teilweise Eigentümer, teilweise aber
auch die Mieter der Eigentümer als Schuldner der Vorauszahlungspflichten vor.
19 Zum Teil werden in den Abrechnungen Kosten verteilt, die nicht dem Verteilungsschlüssel der Teilungserklärung entsprechen. Die
Einzelabrechnungen sind darüber hinaus überaus unübersichtlich und kompliziert gestaltet, s. AS. 59 ff.
20 Die rechtlich unzulässige Gestaltung des Wirtschaftsplans, aber auch zum Teil sonstige unzulässige Abweichungen in Abrechnungen, erfolgten
zum Teil auf Wunsch der Antragsgegner.
21 Die Antragstellerin beantragt:
22 Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 18.04.2002 werden für unwirksam erklärt, da die Versammlung nicht ordnungsgemäß
einberufen wurde und außerdem die Abrechnungsunterlagen Fehler enthalten.
23 Die Antragsgegner und der Verwalter stellten keinen Antrag.
24 Die Antragsgegner haben sich gar nicht auf das Verfahren eingelassen. Der Verwalter erklärte sich damit einverstanden, dass alle Beschlüsse
unwirksam sind. Er sei bereit, die Beschlüsse in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung aufzuheben und neu fassen zu lassen.
25 Zum weiteren Vorbringen der Antragstellerin wird auf deren Schriftsätze verwiesen, im Übrigen auf das Verhandlungsprotokoll vom 07.08.2002.
II.
26 Die zulässigen Beschlussanfechtungen sind begründet.
27 An dem Beschlussanfechtungsverfahren war gem. § 43 I Nr. 4, IV Nr. 2 WEG der Verwalter zu beteiligen. Die Beschlussanfechtung erfolgte
binnen der 1-Monats-Frist des § 23 IV WEG. Der unter I. dargestellte Sachverhalt beruht im wesentlichen auf den Ausführungen der
Antragstellerin. Der Verwalter hat ihn nicht bestritten bzw. als zutreffend eingeräumt. Trotz gerichtlicher Amtsermittlungspflicht war daher eine
weitere Tatsachenaufklärung nicht geboten (s. Weitnauer, Kommentar zum WEG, 8. Auflage, Anh. § 43, 31).
28 1. Sämtliche Beschlüsse waren für unwirksam zu erklären, weil die Einladungsfrist nicht gewahrt worden war und darüber hinaus auch die
Tagesordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist. Gemäß § 24 IV WEG erfolgt die Einberufung schriftlich. Die Frist zur Einberufung soll - sofern
nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt - mindestens 1 Woche betragen. Hieran hat sich der Verwalter nicht gehalten. Es genügte nicht,
bei der vorigen Versammlung bereits mitzuteilen, dass die nächste am 18.04.2002 stattfindet. Die gesetzlich vorgeschriebene 1-Wochen-Frist ist
nur dann gewahrt, wenn rechtzeitig nicht nur die Versammlungszeit und der Ort mitgeteilt wird, sondern insbesondere auch die Tagesordnung
bekannt gegeben wurde. Dies geschah jedoch im vorliegenden Fall keine 24 Stunden vor der Versammlung. Darüber hinaus war fehlerhaft nicht
die Tagesordnung den Wohnungseigentümern rechtzeitig bekannt gegeben worden, was jedoch unerlässlich ist, damit diese sich ausreichend
auf die Versammlung und ihr Stimmverhalten vorbereiten können (s. hierzu Weitnauer, § 24, 6 und 7).
29 2. Der Beschluss über die Entlastung des Verwalters bezüglich des Abrechnungsjahres 1999/2000 war darüber hinaus deshalb für unwirksam zu
erklären, weil dieser Tagesordnungspunkt der Einladung nicht entnommen werden konnte. Somit war der Gegenstand des Beschlusses
entgegen § 23 II WEG nicht ausreichend bezeichnet. Da die Entlastung verhindert, dass gegen den Verwalter anschließend noch
Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, handelt es sich auch nicht um einen nachrangigen Nebenpunkt. Eine
ausdrückliche Aufnahme in die Tagesordnung war notwendig.
30 3. Darüber hinaus waren die Abrechnungen, die der Verwalter unverständlicherweise als Jahreswirtschaftsberichte bezeichnet, für die
Wirtschaftsjahre 2000/2001 und das Rumpfjahr 2001 für ungültig zu erklären, weil sie gegen die Vorschriften ordnungsmäßiger Verwaltung
verstoßen. Ordnungsgemäß ist eine Abrechnung nur dann, wenn sie übersichtlich, verständlich und nachprüfbar ist. Nichts davon trifft für die
Abrechnungen - insbesondere die Einzelabrechnungen - des Verwalters zu. Sie sind in ihrer Gestaltung, insbesondere auf Grund ihrer
Unübersichtlichkeit, für einen verständigen Laien nicht zu erfassen. Wie unter I. ausgeführt, weisen sie darüber hinaus eine Reihe von
Rechenfehlern auf. Dass dies zum Teil in der Versammlung korrigiert wurde, macht die Sache nicht besser, sondern schlimmer. Das
unübersichtliche Rechenwerk wird dann gänzlich unverständlich. Darüber hinaus hätte selbst dann, wenn wirksam die Gesamtabrechnung
wegen ihrer Fehler in der Versammlung korrigiert worden wäre, dies auch sofort für die Einzelabrechnungen erfolgen müssen. Eine
Beschlussfassung über künftig abgeänderte Einzelabrechnungen verstößt ebenfalls gegen die Vorschriften ordnungsgemäßer Verwaltung.
31 4. Die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 war auch deshalb für unwirksam zu erklären, weil auch dieser den
Wohnungseigentümern nicht rechtzeitig vor der Versammlung zugegangen war, § 23 II WEG. Er ist darüber hinaus auch deshalb inhaltlich falsch,
weil er als Zahlungsverpflichtete nicht ausschließlich Wohnungseigentümer aufführt, sondern auch Mieter, was unzulässig ist.
32 5. Die Beschlussfassung über die Abrechnung 2000/2001 war außerdem auch deshalb für ungültig zu erklären, weil die Abrechnung den
einzelnen Wohnungseigentümern bei Beschlussfassung gar nicht vorlag. Auch dies stellt einen Verstoß gegen eine ordnungsgemäße
Verwaltung dar, § 23 II WEG.
33 6. Ein weiterer Grund, die Abrechnungen für unwirksam zu erklären auf Grund eines Verstoßes gegen die ordnungsgemäße Verwaltung ist der,
dass zum Teil abweichend vom Verteilungsschlüssel der Teilungserklärung Kosten umgelegt wurden.
34 7. Auf Grund all dieser Fehler war es auch fehlerhaft, die Entlastung des Verwalters zu beschließen. Er kann aus der Verantwortung hinsichtlich
des beschlossenen Wirtschaftsplanes und der beschlossenen drei Abrechnungen wegen der vorhandenen Fehler nicht entlassen werden.
35 8. Entgegen der vielseitigen Ausführungen des Antragsteller-Vertreters ist es jedoch unbeachtlich, dass das Protokoll von keinem
Wohnungseigentümer unterzeichnet ist. Sofern er hier auf § 14 der Teilungserklärung abstellt, gibt dies nur inhaltlich den Gesetzeswortlaut von §
24 VI WEG wider. Die Gültigkeit der Beschlüsse hängt jedoch grundsätzlich nicht davon ab, dass die Niederschriften aufgenommen sind. Aus
einer Verletzung der Pflicht, eine Niederschrift aufzunehmen, folgt nicht das Recht zur Anfechtung (s. Weitnauer, § 24, 19). Der von Antragsteller-
Seite ausführlich referierte Fall, mit dem sich der BGH befasste, enthält - abweichend von der gesetzlichen Regelung - in der dortigen
Teilungserklärung ausdrücklich eine Bestimmung, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses die Protokollierung erforderlich ist. Dieser Zusatz fehlt
jedoch sowohl in der Teilungserklärung des hier zu entscheidenden Falles als auch in der gesetzlichen Regelung.
36 9. Die weiteren Ziffern des Protokolls der Versammlung vom 18.04.2002 stellen keine Beschlüsse dar. Überwiegend handelt es sich hierbei um
Feststellungen des Verwalters, über die kein Beschluss gefasst wurde und die deshalb als nicht angefochten angesehen werden. Hinsichtlich
des Beschlusses zu TOP 4 c liegt ein Negativbeschluss vor, d.h. es fand sich keine positive Mehrheit. Es wird davon ausgegangen, dass die
Antragstellerin diesen Beschluss deshalb auch nicht anfechten wollte.
37 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
38 Abweichend von dem Grundsatz, dass die unterliegende Seite, d.h. die Antragsgegner, die Gerichtskosten zu tragen haben und
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, wurde hier auf Grund besonderer Umstände eine andere Regelung getroffen. Auf Grund der
Vielzahl und der Offensichtlichkeit der Fehler der Beschlüsse war es angebracht, dem Verwalter die Hälfte der Gerichtskosten des Verfahrens
aufzuerlegen. Die andere Hälfte haben als Unterliegende die Antragsgegner zu tragen. Eine gleichlautende Kostenentscheidung wurde
hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten getroffen. Dies beruht darauf, dass der Verwalter ganz überwiegend die massiven Fehler zu
verantworten hat, zum Teil diese jedoch ausdrücklich auf Wunsch der Antragsgegner gemacht wurden.
39 11. Die Geschäftswertfestsetzung erfolgte gem. § 48 III WEG nach dem Interesse der Beteiligten an einer Entscheidung. Hierbei wurde
hinsichtlich der drei Verwalterentlastungen jeweils der Regelgeschäftswert von 3 000,- EUR angenommen, § 31 II KostO (Weitnauer, § 48, 4).
40 Hinsichtlich der Anfechtungen der Abrechnungen und des Wirtschaftsplanes war zunächst vom Gesamtvolumen auszugehen um dann - der
obergerichtlichen Rechtsprechung folgend - die Kostenfolge dadurch zu reduzieren, dass nur ein Viertel des errechneten Betrages angesetzt
wurde (Weitnauer, § 48, 4).
41 Im Einzelnen:
42 TOP 2 a 30.887,42 DM : 4 7.721,85 DM ~ 3.948,- EUR
TOP 2 b
3.000,- EUR
TOP 2 f 24.181,79 DM : 4 6.032,94 DM ~ 3.084,- EUR
TOP 2 g
3.000,- EUR
TOP 2 j
17.846,06 DM : 4 4.461,51 DM ~ 2.281,- EUR
TOP 2 k
3.000,- EUR
TOP 3 21.935,88 EUR : 4
~ 5.483,- EUR
Gesamt
23.796,- EUR