Urteil des AG Donaueschingen vom 28.02.2002

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AG Donaueschingen Urteil vom 28.2.2002, 31 C 504/01
Wettbewerbsverstoß: Tatbestandsmerkmale der progressiven Kundenwerbung
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.865,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach DÜG seit
14.09.2001 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 5.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.865,37 EUR wegen Zuwiderhandlung gegen das Verbot
progressiver Kundenwerbung geltend.
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Der Kläger nahm am 04.10.1998 an einer Werbeveranstaltung der Firma G in A. Bei der G handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz auf der
Isle of Man. Ob die Gesellschaft dort eine Geschäftstätigkeit entfaltet ist ebenso wenig bekannt wie die Namen der Gesellschafter, des
Geschäftsführers und die Höhe des Stammkapitals. Der Beklagte, der sich als Regionaldirektor der G. bezeichnet, referierte in der Veranstaltung
vom 04.10.1998.
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Im Anschluss an diese Werbeveranstaltung schloss der Kläger, der kein Kaufmann i.S. des HGB ist, am 05.10.1998 mit der G einen Vertrag über
vier sogenannte "Goldverträge über australische Goldmünzen, "Nuggets", zum Preis von insgesamt 7.560,00 DM. Für die G trat der Beklagte als
Regionaldirektor auf und quittierte auch die Entgegennahme des vom Kläger geleisteten Betrages in Höhe von 7.560,00 DM.
Vertragsgegenstand waren aber entgegen dem Wortlaut nicht ein Anspruch auf Übereignung und Übergabe entsprechender Goldmünzen,
sondern die Aufnahme dieser Verträge ins G-Computer-System. Diese vier vom Kläger erworbenen Verträge wurden sodann, entsprechend dem
G-Marketingplan im "G-Strukturbaum" platziert. Sinn der Einordnung in den Strukturbaum war es, bei Vermittlung weiterer Kunden an die Firma G
durch den Kläger einen Anspruch auf Zahlung von bestimmten Geldbeträgen zu erhalten, dessen genaue Höhe sich aus dem Marketingplan der
G ergab. Der Geschäftsplan der G wurde dem Kläger ausgehändigt. Anspruchsgegner sollte dabei die Firma G sein. Auf diese Weise wurden
den neuen Vertragspartnern Monatsverdienste in Höhe von 30.000 bis 50.000 DM in Aussicht gestellt.
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Die Organisation des Systems blieb auch nach dem Abschluss von Verträgen komplett in der Hand der G, insbesondere konnten Rechte und
Pflichten nur mit Zustimmung des Verkäufers abgetreten und übertragen werden. Nachkäufe mussten von der Geschäftsleitung genehmigt und
schriftlich bestätigt werden, bevor diese platziert werden konnten. Darüber hinaus wurden auch Anweisungen gegeben, wie das G-System in der
Praxis erfolgreich umzusetzen sei.
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Der Kläger zahlte den im Vertrag genannten Betrag von 7.560,00 DM in bar. Der Erhalt des Geldbetrages wurde vom Beklagten quittiert.
Gegenleistungen in irgend einer Form hat der Kläger bis heute nicht erhalten.
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Nach Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem hier vorliegenden System um ein reines Schneeballsystem. Aus diesem Grunde sei der
Beklagte von der Staatsanwaltschaft W. am 11.09.2000 auch wegen Vergehen der progressiven Kundenwerbung in Tateinheit mit Betrug
angeklagt worden. Der Beklagte habe bereits bei Abschluss der sogenannten Goldverträge gewusst, dass dem Kläger ein Gegenwert für den
von ihm bezahlen Betrag nicht zufließen werde. Als Verantwortlicher sei der Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zur Zahlung von 3.865,37 EUR (7.560,00 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz nach DÜG seit
dem 14.09.2001 zu verurteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11 Der Beklagte räumt ein, bei der Veranstaltung in A als Regionaldirektor referiert zu haben. Im Hinblick auf die gegen ihn beim Amtsgericht
erhobene Anklage verweigert er Angaben zu den Gesellschaftern und Geschäftsführern der G. Den vom Kläger erhaltenen Betrag habe er in bar
an die G weitergeleitet. Da seine Unterlagen im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen beschlagnahmt worden seien, bestreite er im Übrigen
alles Weitere mit Nichtwissen.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Klage ist begründet.
14 Der Beklagte ist dem Kläger gegenüber gemäß §§ 13 Abs. 6 Ziff. 2 UWG i.V.m. § 6 c UWG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Anspruch des
Klägers ist in Höhe von 3.865,37 EUR sachlich gerechtfertigt.
15 Nach § 13 Abs. 6 Ziff. 2 UWG ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer dem § 6 c UWG vorsätzlich oder fahrlässig zuwider handelt. § 6 c UWG
verbietet die progressive Kundenwerbung (Schneeballsystem). Danach ist es untersagt, Nichtkaufleute zur Abnahme von Waren, gewerblichen
Leistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder von dem Veranlasser selbst oder von einem Dritten
besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung
derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat der Beklagte
gegen diese Bestimmung zuwider gehandelt, indem er als verantwortlicher Regionaldirektor der G den Kläger in der Veranstaltung vom
04.10.1998 zum Abschluss von Goldverträgen veranlasst hat.
16 Zwar wurde der Kläger als Nichtkaufmann nicht zur Abnahme von Waren veranlasst, da als Gegenleistung für die Zahlung des Geldbetrages
durch den Kläger nicht die Übereignung und die Übergabe von Goldmünzen oder -stücken (Goldnuggets) geschuldet war. Vielmehr erwarb der
Kläger durch den Vertrag das Recht, am Spielsystem der G teilnehmen und eine entsprechende Anzahl von Verträgen gemäß Marketingplan
setzen zu dürfen, was die Voraussetzungen für die gewerblichen Leistungen i.S.d. § 6 c UWG erfüllt (OLG Stuttgart wistra 1991, 234, 235). Der
Beklagte ist als Regionaldirektor der G, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er verschweigt, auch verantwortlicher Veranstalter i.S. von § 6
C UWG. Veranstalter ist jedenfalls derjenige, der die Einleitung und Durchführung der Veranstaltung in eigener Person vornimmt
(Baumbach/Hefermehl, Komm. zum Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., München 1999 § 6 c RN 4). Diese Voraussetzung ist erfüllt, denn bei der
Anwerbung des Klägers und beim Abschluss des Vertrages mit dem Kläger trat der Beklagte als verantwortlicher Regionaldirektor auf. Er warb
den Kläger für eine Mitgliedschaft bei der G und quittierte auch den Empfang des vom Kläger in bar geleisteten Geldbetrages von 7.560,00 DM
(AS 95).
17 Der Beklagte handelte auch im geschäftlichen Verkehr. Diesem Bereich ist jede Tätigkeit zuzurechnen, die irgendwie zur Förderung eines
beliebigen eigenen oder fremden Geschäftszweckes dient, sodass jede selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit im weitesten
Sinne erfasst wird (Baumbach/Hefermehl a.a.O.). Nicht im geschäftlichen Verkehr handelt der Initiator einer sogenannten Selbstläufer-
Kettenbriefaktion, wenn sich dessen Tätigkeit darauf beschränkt, die Aktion in Gang zu setzen, im Übrigen aber die Veranstaltung allein in der
Verantwortung der privaten Teilnehmer liegt und eine den Spielfluss kontrollierende Wirkung nicht stattfindet. Eine solche Tätigkeit ist rein
privater Natur (BGH st 34, 171, 179; OLG Stuttgart a.a.O.; Kohler/Pieper, Komm. zum UWG, 2. Aufl., München 2001, § 6 c RN 9). Eine solche rein
private Natur liegt hier aber nicht vor, da sich die Tätigkeit des Beklagten nicht auf ein bloßes In gang setzen des Systems beschränkte, vielmehr
private Natur liegt hier aber nicht vor, da sich die Tätigkeit des Beklagten nicht auf ein bloßes In gang setzen des Systems beschränkte, vielmehr
sollten auch die neu gewonnenen Mitglieder Verträge mit G abschließen. Daneben fand auch eine Überwachung des Systems dadurch statt,
dass z.B. die Abtretung von Rechten und die Übertragung von Pflichten nur mit der Zustimmung des Verkäufers stattfinden konnten und
Nachkäufe von der Gesellschaft genehmigt werden mussten.
18 Der Kläger wurde zu seinem Verhalten durch das Versprechen des Beklagten veranlasst, ihm besondere Vorteile für den Fall zu gewähren, dass
er andere zum Abschluss gleichartiger Verträge veranlasst, denen ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine
entsprechende Werbung weiterer Abnehmer gewährt werden sollten.
19 Vorteile sind alle vermögenswerten Leistungen. Ob es sich um besondere Vorteile handelt, richtet sich nach der Relation zu dem vom Abnehmer
(Empfänger des Vorteils) zu zahlenden Entgeltes. Belanglose Vorteile, die so geringwertig sind, dass sie niemanden zum Eintritt in das Werbe-
und Absatzsystem veranlassen, scheiden aus (Köhler/Pieper, § 6 c UWG RN 13). Nach dem Marketingplan der Firma G wurden dem Kläger
erhebliche Prämien bis zur Höhe von 74.000,00 DM in Aussicht gestellt, was im Verhältnis zum vom Kläger bezahlten Preis von 7.560,00 DM als
besonderer Vorteil anzusehen ist.
20 Die dem Erstabnehmer versprochenen Vorteile für die Gewinnung weiterer Abnehmer müssen vom Veranstalter gewährt werden. Dieser muss
seinem Abnehmer den Vorteil selbst - unmittelbar oder mittelbar - zukommen lassen (Köhler/Pieper § 6 c UWG RN 14; OLG Karlsruhe GRUR
1989, 615, 616). Als Veranstalter ist der Beklagte als verantwortlicher Regionaldirektor in Erscheinung getreten. Über Gesellschafter und
Geschäftsführer der G gibt der Beklagte im Hinblick auf die gegen ihn beim Amtsgericht erhobene Anklage keine Auskünfte. Ob es sich bei der G,
wie von der Staatsanwaltschaft angenommen, um eine reine Briefkastenfirma handelt, kann dahingestellt bleiben, weil der Beklagte als für die G.
verantwortlicher Regionaldirektor als Veranstalter i.S. von § 6 c UWG anzusehen ist.
21 Dem Kläger wurde auch ein besonderer Vorteil versprochen. Ein solches Versprechen setzt voraus, dass es den Kunden nicht in erster Linie auf
den Erhalt der Ware ankommt; in solchen Fällen liegt ein strafloses sogenanntes Multi-Level-Marketing vor (Köhler/Pieper, § 6 c UWG RN 4;
Baumbach/Hefermehl § 6 c UWG RN 12). Da es beim G-System aber nicht um den Vertrieb von Waren, insbesondere nicht um den Absatz von
Goldnuggets ging, das Konzept vielmehr von einem Warenabsatz vollständig abgekoppelt war, ging es hier ausschließlich um das Versprechen
eines besonderen Vorteils in der Form von Prämienzahlungen für die Werbung neuer Mitglieder. Entgegen der Einschätzung des Beklagten
handelt es sich bei der G demnach gerade nicht um ein strafloses MLM-System.
22 Nach dem "G-Strukturbaum" sollten auch die neu hinzutretenden Kunden wiederum ihrerseits neue Kunden werben, um dadurch in der
firmeneigenen Hierarchie weiter aufsteigen und Prämien für die ihrerseits geworbenen Mitglieder zu bekommen.
23 Als verantwortlicher Regionaldirektor handelte der Beklagte in Kenntnis des gesamten Sachverhaltes mit Wissen und Wollen der
Tatbestandsverwirklichung i.S. des § 15 StGB.
24 Dem Kläger ist ein Schaden in Höhe des von ihm in bar entrichteten Betrages von 3.865,37 EUR entstanden.
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.