Urteil des AG Donaueschingen vom 06.06.2003

AG Donaueschingen: unterlassen, post, eingriff, geschäftsführer, geschäftstätigkeit, informationsfreiheit, wiederholungsgefahr, androhung, vollstreckbarkeit, behinderung

AG Donaueschingen Urteil vom 6.6.2003, 31 C 210/03
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb: Unterlassungsanspruch eines Rechtsanwalts gegen die Zusendung
unerwünschter Werbepost
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, dem Kläger per Post Schreiben mit einem werbenden Inhalt für die Geschäftstätigkeit der Beklagten
zuzusenden.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00
EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann Ordnungshaft, die am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist,
bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Der Kläger, der in Donaueschingen eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, verlangt von der Beklagten die Unterlassung von an seine
Kanzleianschrift adressierter Werbepost.
2 Am 30. Januar 2003 (AS 35) erhielt der Kläger von der Beklagten eine schriftliche Mitteilung nach welcher der Kläger in einem
Zuteilungsverfahren mit einem "Farb-ECU 1999" zu einem Vorteilspreis bedacht worden sei. Auf die Aufforderung des Klägers, ihm mitzuteilen,
woher sie die Adressdaten des Klägers bezogen habe und die gespeicherten Klägerdaten zu löschen, reagierte die Beklagte nicht. Vielmehr
erhielt der Kläger am 6.2.03 ein weiteres Werbeschreiben (AS7). Mit Schreiben vom 7.2.03 (AS 9) forderte der Kläger die Beklagte auf, zukünftig
die Zusendung weiterer Werbeschreiben zu unterlassen. Auch hierauf reagierte die Beklagte nicht; vielmehr erhielt der Kläger am 13.2.03,
21.02.03, 04.03.03, 14.03.03, 28.03.03, 28.03.03 und 28.04.03 weitere Werbeschreiben.
3 Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte die Zusendung weiterer Werbeschreiben zu unterlassen habe. Die Aussortierung der
Werbepost erfordere einen Zeitaufwand und berge das Risiko, dass wichtige, für die Kanzlei bestimmte Post, übersehen werde.
4 Der Kläger beantragt,
5 der Beklagten aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR,
beziehungsweise bis zu 6 Monaten Haft, diese zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, es zu unterlassen, dem Kläger per Post
Schreiben mit einem werbenden Inhalt für die Geschäftstätigkeit der Beklagten zuzusenden.
6 Die Beklagte beantragt,
7 die Klage abzuweisen.
8 Nach Auffassung der Beklagten steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch nicht zu. Eine Rechtsverletzung sei nicht erkennbar. Die
Werbeschreiben seien schon auf Grund ihrer äußeren Aufmachung als solche erkennbar. Als Anwalt müsse der Kläger seine Post ohnehin mit
besonderer Sorgfalt sortieren.
9 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10 Die Klage ist zulässig und begründet.
11 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 BGB i.V.m. § 823 BGB.
12 Die Zusendung unerwünschter Werbepost stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers dar
(Palandt/Thomas 62. Aufl. 2003, § 823 Rdnr. 25). Auch eine Rechtsanwaltskanzlei fällt unter den Schutzbereich des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebes (Palandt/Thomas, aaO, § 823 BGB Rdnr. 20). Die Versendung unerwünschter Werbepost stellt einen
betriebsbezogenen Eingriff dar, weil sie eine unmittelbare Beeinträchtigung des Kanzleibetriebes, die über eine bloße Belästigung oder
Behinderung hinausgeht, darstellt. Das Büropersonal muss Arbeitszeit aufwenden, um die unerwünschte Werbepost auszusortieren. Auch der
Kläger muss Arbeitszeit investieren, da er bei jedem einzelnen Schreiben entscheiden muss, ob es in den Papierkorb entsorgt werden kann.
Abgesehen davon beeinträchtigt das Vorgehen der Beklagten auch die negative Informationsfreiheit des Empfängers (vgl. LG Berlin, NJW
1988,3208, AG Essen-Borbeck, MMR 2001,261). Würde man das Vorgehen der Beklagten für zulässig erachten, müsste der Kläger eine
unübersehbare Flut von Werbesendungen hinnehmen. Hierbei ist es nicht entscheidend, wie viel Werbeschreiben von der Beklagten versandt
worden sind. Denn wenn man der Beklagten das Recht zubilligen würde, gegen den Willen des Empfängers Werbesendungen zu versenden,
müsste dies auch für andere Werbende gelten.
13 Das Vorgehen der Beklagten war auch rechtswidrig, nachdem der Kläger sie wiederholt zur Unterlassung aufgefordert hat. Wer gegen den ihm
bekannten entgegenstehenden Willen des Empfängers Werbesendungen verschickt, handelt rechtswidrig.
14 Auch die Wiederholungsgefahr als weitere materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruches ist gegeben. Die Beklagte hat auf die
Unterlassungsaufforderungen des Klägers nicht reagiert und ungeniert eine Vielzahl weiterer Werbeschreiben an den Kläger gerichtet.
15 Antragsgemäß ist der Beklagten gemäß § 890 II ZPO zur Erzwingung der Unterlassung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft,
anzudrohen. Die Androhung kann in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten sein.
16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.