Urteil des AG Donaueschingen vom 12.08.2002

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AG Donaueschingen Beschluß vom 12.8.2002, 25 UR II 5/02 WEG
Wohnungseigentum: Trennung des säumigen Wohnungseigentümers von Wasser- und Heizenergieversorgung; Pflicht zum Hinwirken auf
sachliche Antragstellung im Wohnungseigentumsverfahren
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Ausschluss vom Bezug von Heizungsenergie sowie Kalt- und Warmwasser für seine im Sonder- bzw.
Teileigentum stehenden Einheiten der WEG A. 7 durch die Antragstellerin zu dulden, indem diese oder ein Mitarbeiter eines Fachbetriebs ein
Blindstück in der Kaltwasserleitung und der Heizungsleitung in der Wohnung des Antragsgegners anbringt.
Weiter wird der Antragsgegner verpflichtet, zur Durchführung dieser Maßnahmen der Antragstellerin sowie einem Mitarbeiter der zugezogenen
Fachfirma den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren.
Diese Duldungs- und Zutrittspflicht entfällt Zug um Zug gegen Bezahlung von 25.000,-- EUR.
2. Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert wird auf 3 000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsgegner ist Eigentümer folgender Mieteigentumsanteile der WEG A. 7
2
a) Flst.-Nr. 5/4 (Gebäude- und Freifläche), 333/1.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an den zum Restaurant
gehörenden Räumen im Kellergeschoss und Erdgeschoss, eingetragen im Teileigentumsgrundbuch von H. Nr. 1742
3
b) Flst.-Nr. 5/4 (Gebäude- und Freifläche), 119/1.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit
Nr. 1 bezeichneten Wohnung im ersten Obergeschoss und dem Keller 1 im Kellergeschoss, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von H. Nr.
1743
4
c) Flst.-Nr. 5/4 (Gebäude- und Freifläche), 68/1.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit
Nr. 2 bezeichneten Wohnung im ersten Obergeschoss und dem Keller 2 im Kellergeschoss, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von H. Nr.
1744.
5
Die Antragstellerin ist Verwalterin der WEG.
6
Bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 01.04.1996 wurde unter TOP 2 beschlossen: "Die 7 Wohnungseigentümergemeinschaften (A 1,
2, 3, 4, 5, 6, 7) bilden eine Verwaltungseinheit gem. beigefügter Grafik."
7
Bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 05.07.2000 wurde unter TOP 8 beschlossen:
8
"(Abtrennen der Einheiten 32 und 33 des Eigentümers B. von Wasser und Heizung wegen hoher Wohngeldrückstände)
9
Die Verwaltung wird ermächtigt, bei den Einheiten 32 und 33 des Eigentümers B. erforderliche gerichtliche und außergerichtliche Maßnahmen
einzuleiten, um die Einheiten wegen der hohen Zahlungsrückstände von der Wasser und Heizungsversorgung zu trennen."
10 Beide Beschlüssen blieben unangefochten.
11 Auf Grund der Zahlungsrückstände des Antragsgegners korrespondierten die Parteien zum Teil mittels Anwälten wiederholt miteinander. Es
wurden Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen, an die sich der Antragsgegner jedoch nur in geringem Umfang gehalten hat. Seit August 2001
leistete er keinerlei Betriebskostenzahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft mehr. Die Verbrauchskosten entstehen trotzdem.
12 Die Antragstellerin behauptet,
13
dass sich der Antragsgegner mit Betriebskostenzahlungen ganz erheblich im Rückstand befinde. Deshalb habe man beim Amtsgericht
Stuttgart am 03.11.1998 einen Vollstreckungsbescheid erwirkt. Dieser sei in Rechtskraft erwachsen. Per 13.06.2002 habe sich der
Schuldenstand aus dem Vollstreckungsbescheid auf 13 419,99 EUR belaufen. Tatsächlich beliefen sich die Rückstände bzgl. des
Restaurants per 01.05.2002 auf 18 367,44 EUR und bezüglich der beiden Wohneinheiten gesamt per 01.05.2002 auf 8 841,03 EUR.
14 Die Antragstellerin ist der Meinung, dass sie die Befugnis habe, die Versorgungsleitungen kappen zu lassen auf Grund eines
Zurückbehaltungsrechtes gem. § 273 BGB.
15 Die Antragstellerin beantragt:
16 wie tenoriert
17 Der Antragsgegner beantragt:
18 Der Antrag wird zurückgewiesen.
19 Der Antragsgegner hat Zweifel an seiner Zahlungspflicht. Er bestreitet die Wirksamkeit des Vollstreckungsbescheides. Er hat Zweifel an der
Ordnungsmäßigkeit der Abrechnungen.
20 Zum weiteren Vorbringen wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 19.06.2002 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
07.08.2002 Bezug genommen.
II.
21 Die zulässigen Anträge sind begründet.
22 Die Wohnungseigentümergemeinschaft A. 7 in H. hat ein Zurückbehaltungsrecht gegen eines ihrer Mitglieder, dem Antragsgegner, gem. § 273
BGB. Die Antragstellerin ist auf Grund Beschlussfassung in einer Wohnungseigentümerversammlung ermächtigt, den Beschluss umzusetzen
durch Unterbindung der Wasser- und Heizenergiezufuhr.
23 1. Gemäß § 27 II Nr. 5 WEG bedarf die Verwaltung zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen des Beschlusses der
Wohnungseigentümer. Ein solcher Beschluss wurde unter TOP 8 der Versammlung vom 07.05.2000 getroffen. Hierdurch wurde die Verwaltung
ermächtigt, bzgl. des Antragsgegners die erforderlichen gerichtlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Einheiten wegen der hohen
Zahlungsrückstände von der Wasser- und Heizungsversorgung zu trennen. Dieser Beschluss ist rechtswidrig, da er jedoch nicht angefochten
wurde, wirksam.
24 Rechtswidrig ist der Beschluss deshalb, weil er gefasst wurde im Rahmen der Eigentümergesamtversammlung WEG A. 1 - 7. Dem Protokoll der
Versammlung vom 01.04.1996 kann nicht nur entnommen werden, dass unter TOP 2 beschlossen wurde, die 7
Wohnungseigentümergemeinschaften zu einer Verwaltungseinheit zusammenzuführen. Zugleich kann dem Protokoll von 1996 eben auch
entnommen werden, dass es sich um 7 rechtlich selbständige WEG's handelt. Ob ein solcher Beschluss, durch den rechtlich selbständige WEG's
für die Verwaltung zusammengefügt werden, überhaupt zulässig ist, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall muss bezüglich
Tagesordnungspunkten, die nur eine bestimmte Wohnungseigentümergemeinschaft betreffen, nur diese hierüber einen Beschluss treffen. Die
übrigen Eigentümer der anderen Wohnungseigentümergemeinschaften haben keine Stimmrecht. Hieran hat sich die Verwaltung bei der
Versammlung vom 05.07.2000 offensichtlich nicht gehalten. Die Versammlung der WEG Burgplatz 7 war wohl nicht einmal beschlussfähig
gemäß § 25 III WEG. Hiernach ist eine Versammlung nur beschlussfähig, wenn die erschienenen und stimmberechtigten Wohnungseigentümer
mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile, vertreten. Die Anteile des
Antragsgegners an der WEG A. 7 stellen zusammen schon mehr als die Hälfte dar (333/1.000 plus 119/1.000 plus 68/1.000 = 520/1000). Der
Antragsgegner hat wohl an dieser Versammlung nicht teilgenommen. Die WEG A. 7 war deshalb nicht beschlussfähig. Möglicherweise war auch
die Verwaltungseinheit - dürfte sie denn als solche beschließen - nicht beschlussfähig. Dies folgt daraus, dass an der Versammlung 1521.79
Stimmanteile teilgenommen haben. Somit liegt es nahe, dass bei der Abstimmung nach Tausendstel, dann, wenn es um 7 WEG's geht,
insgesamt 7.000/1.000 bestünden. Hiernach wäre auch bzgl. der Gesamtversammlung am 07.05.2000 die Beschlussfähigkeit nicht erreicht
worden.
25 All diese Kriterien zur Rechtswidrigkeit der gefassten Beschlüsse sind jedoch deshalb unbeachtlich, weil die Beschlüsse nicht angefochten
wurden und deshalb gültig sind (s. Weitnauer, WEG, 8. Auflage, § 25, 2). Keiner der Beschlüsse ist so rechtswidrig, als dass er von sich aus
nichtig wäre.
26 Somit steht eine wirksame Ermächtigung der Antragstellerin auf Grund Beschlussfassung fest.
27 2. Weiter stehen die erheblichen Zahlungsrückstände des Antragsgegners fest. Der dürftige Vortrag von Antragsgegner-Seite in der mündlichen
Verhandlung ist unbeachtlich. Ein bloßes Bezweifeln reicht nicht aus. Es muss behauptet oder bestritten werden. Hierauf wurde in der
Verhandlung hingewiesen. Bestritten wurde die Wirksamkeit des Vollstreckungsbescheides. Dieser wurde dann als Kopie zu Beweiszwecken in
der Verhandlung in Augenschein genommen (AS. 83). Der Antragsgegner trug nicht vor, dass er hiergegen Einspruch eingelegt hat. Von der
Rechtskraft des sowieso vorläufig vollstreckbaren Bescheides ist daher auszugehen. Ebenso von der Richtigkeit des Zahlungswerkes der
Antragstellerin. Ungehört bleibt der Antragsgegner auch mit seinem Einwand, die Abrechnungen seien unrichtig, da zu seinen Lasten viel zu
hoch. Da inzwischen über die Abrechnungen Beschluss gefasst wurde und er diese nicht angefochten hat, sind diese für ihn bindend. Die
Rückstände des Antragsgegners belaufen sich somit per 01.05.2002 insgesamt auf mehr als 25.000,-- EUR.
28 3. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein
Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 ZPO dahingehend hat, dass ein Wohnungseigentümer bei erheblichen Wohngeldrückständen von der
Versorgung mit Wasser und Heizenergie ausgeschlossen werden kann (OLG Hamm, MDR 1997, 163; KG, MDR 2002, 574; BayObLG, MDR
1992, 967).
29 Folgende Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein:
30 Der Wohnungseigentümer muss seit Jahren seiner Pflicht, das von ihm geschuldete Wohngeld zu bezahlen, nicht nachgekommen sein. Dies trifft
hier zu. Ebenfalls muss der Zahlungsrückstand ein beträchtlicher sein. Auch dies trifft hier zu. Weiter muss die WEG beschlossen haben, dass ein
Wohnungseigentümer nicht mehr mit Wasser und Heizungsenergie versorgt wird. Auch dies ist hier geschehen. Unter TOP 8 der Versammlung
vom 05.07.2000 wurde die Verwaltung ermächtigt, insoweit gegen den Antragsgegner vorzugehen. Dieser Beschluss stellt nicht nur die
Ermächtigung dar, er enthält zugleich die Entscheidung der WEG, die Einheiten des Antragsgegners wegen der hohen Zahlungsrückstände von
der Wasser- und Heizungsversorgung zu trennen (AS. 79). Zulässigerweise wurde hier über das Ob (Trennung von der Versorgung) und das Wie
(Ermächtigung der Verwaltung) zugleich beschlossen. Schließlich verstößt der Beschluss auch nicht gegen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit auf Grund der langen Dauer und der Höhe der Zahlungsrückstände. All dies bedarf jedoch keiner weiteren Prüfung, da der
Beschluss unangefochten blieb.
31 Aufgrund des Zurückbehaltungsrechtes erfolgte die Verpflichtung Zug-um-Zug.
32 4. Auf richterlichen Hinweis hat die Antragstellerin ihre gemäß Antragsschrift vom 19.06.2002 angekündigten Beschlüsse erheblich geändert. Der
richterliche Hinweis, dass die zunächst beabsichtigten Beschlüsse ihr Ziel nicht erreichen, hatte zu erfolgen. Es geht um ein Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei dem die Amtsermittlungspflicht gilt. Deshalb hat das Gericht hier besonders darauf hinzuwirken, dass
sachdienliche Anträge gestellt werden. Die ursprünglich von der Antragstellerin beabsichtigten Anträge hatten keinen vollstreckbaren Inhalt.
Hätte man sie als Feststellungsanträge verstanden, so hätte die Antragstellerin hierdurch nicht erreichen können, dass dann tatsächlich die
Versorgung gekappt wird. Da die Vollstreckung in WEG-Sachen sich nach den Vorschriften der ZPO richtet, hatte das Gericht darauf hinzuwirken,
dass gemäß §§ 887 ff. ZPO auch tatsächlich vollstreckt werden kann.
33 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
34 Hiernach verblieb es hinsichtlich der Gerichtskosten bei dem Grundsatz, dass die unterliegende Seite diese zu tragen hat. Hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten wurde von dem Grundsatz abgewichen, dass diese jede Seite auf sich behält. Dies beruht darauf, dass bei
Zahlungsklagen auf Grund Zahlungsrückständen regelmäßig der Wohngeldschuldner auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat. Hier
handelt es sich quasi um eine Fortsetzung einer Zahlungsklage, nämlich dem weiteren Vorgehen gegen einen besonders säumigen Schuldner,
so dass hier nichts anderes gelten darf.
35 6. Die Geschäftswertfestsetzung erfolgt gem. § 48 III WEG, orientiert an dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung. Hierbei war die Höhe
des Zahlungsrückstandes des Antragsgegners kein Anhaltspunkt, sondern die Bedeutung der titulierten Maßnahmen selbst. Mangels anderer
Anhaltspunkte wurde hierfür der Regelgeschäftswert von 3 000,-- EUR gem. § 30 II KostO festgesetzt.
36 Rechtsmittelbelehrung
37 Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Gegenstandes der Beschwerde 750,-- EUR übersteigt (§ 45 I
WEG). Die Beschwerde kann beim Amtsgericht Donaueschingen oder beim Landgericht Konstanz eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch
Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Donaueschingen oder des
Landgerichts Konstanz (§ 21 I und II Satz 1 FGG). Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Frist von 2 Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit
dem Zeitpunkt, in welchem der Beschluss dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist (§ 22 I FGG).