Urteil des AG Dieburg vom 11.02.2011

AG Dieburg: allgemeine geschäftsbedingungen, gas, mahnung, agb, mahnkosten, unterbrechung, wiederherstellung, versorgung, energielieferungsvertrag, zahlungsverzug

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Gericht:
AG Dieburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 C 28/11 (26)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 2 StromGVV, § 280
Abs 1 BGB, § 280 Abs 2 BGB,
§ 286 Abs 1 BGB, § 286 Abs 2
Nr 1 BGB
Zur Unwirksamkeit von Schadenersatzpauschalen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Grundversorgers
Leitsatz
Allgemeine Geschäftsbedingungen, nach denen ein Grundversorger u.a. EUR 11,00 pro
Mahnschreiben und eine Fallbearbeitungspauschale bei Mahnung, Zutrittsklagen,
Insolvenzen usw. in Höhe von bis zu EUR 297,50 verlangen kann, ohne ausdrücklichen
Hinweis darauf, dass dem Kunden der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei
überhaupt nicht entstanden oder wesentlich geringer als die Pauschale, verstoßen
gegen § 309 Nr. 5 BGB.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 317,26 nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 14.03.2009 sowie
vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von EUR 3,00 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreit hat die Klägerin zu 27 % zu tragen und die Beklagte
zu 73 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
Die Klägerin besitzt einen Anspruch in Höhe von EUR 317,26 aus
Energielieferungsvertrag.
Da sich die Beklagte innerhalb der gesetzten Frist nicht zur Klage eingelassen hat,
gilt der gesamte Sachvortrag der Klägerin als zugestanden und ist vom Gericht zur
Grundlage seiner Entscheidung zu machen.
Nach dem Vortrag der Klägerin schlossen sie und die Beklagte einen Vertrag, der
die Lieferung von Energie zum Gegenstand hatte. Die Klägerin erbrachte die ihr
nach dem Vertrag obliegenden Leistungen in Form von Stromlieferungen. Der
Beklagte entrichtete die hierfür geschuldete Vergütung in Höhe eines Restbetrags
von EUR 317,26 jedoch nicht. Insoweit besteht ein Anspruch der Klägerin auf
Zahlung.
Ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von EUR 119,00 und auf EUR 22,00
Mahnkostenpauschale besteht aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage und
zwar weder aus Vertrag noch aus Gesetz.
Insbesondere kann der Klägerin nicht gefolgt werden, soweit sie einen
entsprechenden Anspruch aus § 17 Abs. 2 StromGVV in Verbindung mit ihren
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entsprechenden Anspruch aus § 17 Abs. 2 StromGVV in Verbindung mit ihren
Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008, herleiten will.
§ 17 Abs. 2 StromGVV bestimmt, dass bei Zahlungsverzug des Kunden der
Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch
einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für
strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen kann; die pauschale
Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf
Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen.
Die Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas der Klägerin vom 01.02.2008
lauten auszugsweise wie folgt:
Bei diesen Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008,
AGB
die hinsichtlich der Kosten für ein Mahnschreiben und hinsichtlich der Kosten für
die Fallbearbeitung bei Mahnung, Zutrittsklagen, Insolvenzen usw. gegen § 309 Nr.
5b BGB verstoßen und insofern unwirksam sind.
Dass es sich bei den Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar
2008, um AGB i.S. des § 305 Abs. 1 BGB handelt, steht für das erkennende
Gericht außer Zweifel.
AGB sind gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Vielzahl von Verträgen
vorformulierte Vertragsbedingungen, die die eine Vertragspartei (Verwender) der
anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.
Bei den o.g. Bestimmungen der Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand
1. Februar 2008, handelt es sich um solche, die von der Klägerin für eine Vielzahl
von Verträgen vorformuliert wurden. Denn sie sind von ihr für eine mehrfache
Verwendung schriftlich aufgezeichnet (vgl. , in: Palandt, 68. Aufl. 2009,
§ 305 Rn. 8). Davon ist das erkennende Gericht insbesondere deswegen
überzeugt, weil ihm in einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren eben diese
Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008, von der
Klägerin präsentiert wurden und dies zeigt, dass die Klägerin die Ergänzenden
Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008, fortwährend benutzt (vgl.
auch BGH NJW 1992, 2160, 2162).
Die Klägerin stellte der Beklagten die Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas,
Stand 1. Februar 2008. Denn die Klägerin machte der Beklagten ein konkretes
Einbeziehungsangebot, indem sie ihr die von ihr entworfenen Ergänzenden
Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008, präsentierte. Hierfür spricht
der Vortrag der Klägerin, sie habe die Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas,
Stand 1. Februar 2008, in Tageszeitungen und im Internet veröffentlicht und auch
allen Kunden zugeschickt (vgl. Bl. 9 d.A.).
Schließlich besteht auch eine Vermutung für das Vorliegen von AGB, wenn ein
gedruckter oder sonst vervielfältigter Text des anderen Teils verwandt worden ist
oder wenn sich aus der Fassung der Klauseln die Absicht einer mehrfachen
Verwendung ergibt (BGH NJW 1992, 2160, 2162f.; NJW 2004, 502, 503; ,
in: Palandt, 68. Aufl. 2009, § 305 Rn. 24).
Die AGB der Klägerin unterliegen einer Inhaltskontrolle gem. §§ 307ff. BGB. Denn
bei der Klägerin, die in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisiert ist,
handelt es sich um eine Personengesellschaft, die ihre Beziehungen zu ihren
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handelt es sich um eine Personengesellschaft, die ihre Beziehungen zu ihren
Kunden ausschließlich unter Benutzung der Instrumente, die ihr das Privatrecht
hierfür zur Verfügung stellt, regeln kann (vgl. BGH, NJW 1987, 1828, 1829; LG
Kassel, Urt. v. 18.03.2010, 1 S 355/09).
Die AGB der Klägerin verstoßen hinsichtlich des pauschalierten
Schadenersatzanspruchs für die Fallbearbeitung bei Mahnung, Zutrittsklagen,
Insolvenzen usw. und die Mahnschreibenpauschale gegen § 309 Nr. 5 BGB. Denn
die genannten Bestimmungen enthalten keinen ausdrücklichen Hinweis darauf,
dass dem Kunden der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht
entstanden oder wesentlich geringer als die Pauschale (vgl. auch LG Kassel, Urt. v.
18.03.2010, 1 S 355/09; AG Meldorf, Urt. v. 04.12.2007, 84 C 1075/07).
Dass § 17 Abs. 2 StromGVV nicht ausdrücklich fordert, dass dem Kunden der
entsprechende Nachweis gestattet werden muss, steht dem nicht entgegen.
Schließlich bestimmt bereits § 309 Nr. 5 BGB, dass dem Kunden der Nachweis zu
gestatten ist.
Des Weiteren darf auch nicht verkannt werden, dass nicht anzunehmen ist, dass
der Verordnungsgeber den Grundversorgern erlauben wollte, im Rahmen der von
diesen – rein privatrechtlich – aufzustellenden ergänzenden AGB solche zu
formulieren, die inhaltlich gegen §§ 307ff. BGB verstoßen. Einen solchen Willen des
Verordnungsgebers anzunehmen hieße, diesem zu unterstellen, er nehme
Verstöße der Grundversorger gegen Vorschriften des BGB nicht nur in Kauf,
sondern fördere sie (so zutreffend LG Kassel, Urt. v. 18.03.2010, 1 S 355/09).
Insoweit bedarf es auch keiner Entscheidung mehr dahingehend, ob die
Bestimmung der Klägerin hinsichtlich des pauschalierten Schadenersatzanspruchs
für die Fallbearbeitung bei Mahnung, Zutrittsklagen, Insolvenzen usw. nicht auch
gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, was mehr als nur möglich erscheint. Denn aus
den Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008, ist nicht
ersichtlich, welche Schadenersatzpauschalen genau ab welchem
Forderungsbetrag anfallen. Des Weiteren wäre es möglich, dass die Klägerin
aufgrund ihrer Ergänzenden Bedingungen Strom und Gas, Stand 1. Februar 2008,
von einem Kunden wegen eines einzigen einfachen Mahnschreibens einen Betrag
von EUR 308,50 (= EUR 297,50 Fallbearbeitungspauschale + EUR 11,00
Mahnkostenpauschale) beanspruchen könnte. Insbesondere vor dem Hintergrund,
dass es sich bei den eigenen Mahnschreiben der Klägerin regelmäßig um
automatisierte Schreiben handelt, liegt es auf der Hand, dass in der Forderung von
EUR 308,50 ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB liegen würde.
Schließlich kann auch dahin stehen, dass die Klägerin nicht einmal substantiiert
dazu vorgetragen hat, wie sich ihre Schadenersatzpauschalen zusammensetzen,
wobei § 17 Abs. 2 StromGVV ausdrücklich fordert, dass die pauschale Berechnung
einfach nachvollziehbar sein muss. Die Angabe ausschließlich des Endergebnisses
stellt weder eine nachvollziehbare Berechnung dar, noch ersetzt sie eine solche.
Es besteht lediglich ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe
von EUR 3,00 aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Schuldverhältnis ist
der Energielieferungsvertrag, eine Pflichtverletzung liegt in der Nichtzahlung der
restlichen Stromverbrauchskosten trotz Mahnung und das Vertretenmüssen wird
gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Ersatzfähig ist lediglich das Schreiben
vom 18.03.2009. Denn das Schreiben vom 03.03.2009 war lediglich
verzugsbegründend. Das Gericht schätzt die Kosten für ein Mahnschreiben
entsprechend § 287 ZPO auf EUR 3,00. Insoweit ist auch nur dieser Betrag
ersatzfähig.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich
nach Zugang des Schreibens vom 03.03.2009, in dem ihr eine Zahlungsfrist bis
13.03.2009 eingeräumt wurde, in Verzug. Erst nach Ablauf dieser Frist kann die
Klägerin Verzugszinsen verlangen.
Soweit die Klägerin Zinsen ab dem 27.02.2009 fordert, rührt dies vermutlich daher,
dass in ihrer Rechnung vom 10.02.2009 die Bitte enthalten war, den
Rechnungsbetrag bis zum 26.02.2009 zu überweisen (vgl. Bl. 11 d.A.). Diese Bitte
ist allerdings nicht verzugsbegründend. Insbesondere führt diese Bitte nicht dazu,
dass mit ihr die Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt wären, und es
insofern eines Mahnschreibens nicht mehr bedurfte (vgl. BGH, NJW 2008, 50;
, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 286 Rn. 22).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,
711, 713 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.