Urteil des AG Coesfeld vom 06.05.2003

AG Coesfeld (stationäre behandlung, kläger, klinik, rechnung, behandlung, abschluss des vertrages, untersuchung, ärztliche leitung, chefarzt, arzt)

Amtsgericht Coesfeld, 11 C 142/02
Datum:
06.05.2003
Gericht:
Amtsgericht Coesfeld
Spruchkörper:
11. Abteilung für Zivilsachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 142/02
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 802,20 EUR nebst 4 %
Zinsen seit dem 17.06.1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 55 % und die
Beklagte 45 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von jeweils 120 % des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere
Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um eine Restforderung aufgrund einer ärztlichen Behandlung des
Klägers.
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Der Kläger ist Radiologe. Er führte am 17.03.1999 bei der Beklagten eine Untersuchung
mittels der PET-Methode durch und rechnete die Leistungen mit Rechnung vom
07.04.1999 privatärztlich ab. Auf die Rechnung Blatt 14 der Akten wird Bezug
genommen. Auf die Rechnungssumme von 5.509,53 DM hat die Beklagte 2.000,00 DM
gezahlt.
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Die Beklagte befand sich vom 11.03.1999 bis zum 17.03.1999 in stationärer
Behandlung in der S.-Klinik in N. Dort wurden erhöhte Laborwerte abgeklärt, nachdem
der Beklagten in den Jahren zuvor ein Tumor entfernt worden war. Der Kläger ist in der
S.-Klinik als Chefarzt der radiologischen Abteilung tätig. Die Untersuchung nach der
PET-Methode diente auch dazu, eine mögliche Streuung der Tumore auszuschließen.
Die Anwendung dieser Methode ist nicht an die stationäre Behandlung gebunden und
kann ambulant durchgeführt werden.
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Der Kläger behauptete, das PET-Untersuchungszentrum sei vollständig aus der S.-
Klinik ausgegliedert. Sämtliche Personal- und Sachkosten würden von ihm alleine
getragen. Er betreibe das Zentrum als niedergelassener Arzt. Auf die Bescheinigung der
Ärztekammer Westfalen-Lippe (Blatt 71 der Akten) wird Bezug genommen. Es seien
Nuklidkosten in Höhe von 1.293,40 DM angefallen. Der Kläger habe diese Kosten
entsprechend der ihm erteilten Rechnung vom 17.03.1999 (Blatt 102 der Akten) selbst
ausgelegt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.794,39 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem
17.04.1999 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, die in Rechnung gestellte Behandlung sei durch den Kläger in seiner
Funktion als Chefarzt der radiologischen Abteilung der S.-Klinik erfolgt. Daher sei nach
§ 6 a GOÄ eine Gebührenminderung von 25 % vorzunehmen, da eine einheitliche
medizinische stationäre Behandlung der Leistungen des Klägers und des
Krankenhauses vorgelegen habe. Der Kläger habe die Nuklidkosten als Sachkosten
nicht berechnen dürfen, da diese bereits im Pflegesatz des Krankenhauses enthalten
gewesen seien. Bei gesetzlich Versicherten würden diese über den Pflegesatz
abgerechnet werden, sodass dem Krankenhaus nach der Bundespflegesatzverordnung
es verwehrt gewesen wäre, die Materialkosten gesondert zu berechnen. In diesem Fall
sei auch bei Privatpatienten die Abrechnungsfähigkeit nach 3 10 GOÄ nicht gegeben,
da die Beklagte mit dem an die S.-Klinik gezahlten Pflegesatz bereits die
Materialauslagen bezahlt habe.
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Die Ziff. 5489 GOÄ sei unabhängig von der Anzahl der behandelten Regionen im
Rahmen einer Behandlung nach der PET-Methode nur einmal abrechnungsfähig.
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Mangels ordnungsgemäßer Rechnungslegung sei der Restbetrag im Übrigen nicht
fällig.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 15.04.2003 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aufgrund der Rechnung vom
07.04.1999 ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 802,20 EUR (1.568,96 DM)
gegen die Beklagte zu. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da die Rechnung gemäß
§ 6 a GOÄ um 15 % zu mindern ist und die Ziff. 5489 GOÄ lediglich einmal berechnet
werden kann.
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I.
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§ 6 GOÄ
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Der Kläger ist verpflichtet, die Gebühren für seine privatärztliche Tätigkeit nach § 6 a
GOÄ um 15 % zu mindern, da er eine stationäre privatärztliche Leistung als
niedergelassener Arzt erbracht hat.
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Nach § 6 a GOÄ sind bei vollstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären
privatärztlichen Leistungen die nach dieser Verordnung berechneten Gebühren
einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25 % von 100 zu mindern;
abweichend davon beträgt die Minderung für Leistungen und Zuschläge nach Satz von
Belegärzten oder niedergelassenen anderen Ärzten 15 % von 100.
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Der Kläger ist als Betreiber des PET-Zentrums als anderer niedergelassener Arzt im
Sinne von § 6 a Abs. 1 Satz 2 GOÄ anzusehen. Nach der Beweisaufnahme steht fest,
dass der Kläger die Leistungen nicht als Chefarzt der Abteilung für Radiologie der S.-
Klinik, sondern als niedergelassener Arzt und Betreiber des PET-Zentrums erbracht hat.
Der Zeuge E hat insoweit glaubhaft bekundet, dass das Gerät zur Durchführung der
PET-Untersuchungen nicht der S.-Klinik, sondern allein dem Kläger gehört, das die hier
anfallenden Personal- und Sachkosten dementsprechend alleine trägt. Das PET-
Zentrum wird in vom Kläger angemieteten Räumlichkeiten unabhängig von der S.-Klinik
selbständig betrieben. Es würden dort auch Patienten behandelt, die nicht in der S.-
Klinik aufgenommen sind. Damit ist die PET-Untersuchung nicht als originäre stationäre
Leistung eines Chefarztes der S.-Klinik, sondern als Leitung eines anderen
niedergelassenen Arztes anzusehen. Die Richtigkeit der Aussage des Zeugen E, wird
durch die Bescheinigung der Ärztekammer Westfalen-Lippe belegt, wonach der Kläger
unter der Anschrift des PET-Zentrums privatärztlich niedergelassen ist. Der Kläger
nimmt damit Tätigkeiten vor, die nicht in die Kostenstruktur des Krankenhauses
einfließen, so dass er – auch wenn die Tätigkeit in angemieteten Räumlichkeiten der S.-
Klinik erfolgt – rechtlich bei Durchführung der PET-Untersuchungen als anderer
niedergelassener Arzt anzusehen ist, auch wenn es im Übrigen Behandlungen in seiner
Eigenschaft als Chefarzt der Radiologie in der Klinik selbst durchführt.
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Die Leistungen sind jedoch als stationäre Leistungen anzusehen. Maßgeblich bei der
Abgrenzung von stationären und nicht stationären Leistungen ist der Blickwinkel des
Patienten. Vorliegend komm hinzu, dass bereits aufgrund der äußeren Umstände,
nämlich des unmittelbar in den Klinikbetrieb eingegliederten Leistungsortes und der
gleichzeitigen Funktion des Klägers als Chefarzt, von einer stationären Behandlung
auszugehen ist. Dies ergibt sich auch nach dem Sinn und Zweck des § 6 GOÄ.
Demzufolge rechtfertigt sich die angeordnete Gebührenminderung, da eine
Doppelberechnung von Sach- und Personalkosten verhindert werden soll, welche
einerseits mit dem an das Krankenhaus für die stationäre Behandlung zu zahlenden
Pflegesatzes abgegolten werden, andererseits jedoch auch bei der Berechnung
privatärztlicher Leistungen nach § 4 Abs. 3 GOÄ Berücksichtigung findet. § 6 GOÄ ist
daher als Schutzvorschrift für den Patienten anzusehen, der Abrechnungsprobleme
pauschal lösen will. Daher ist unerheblich, ob im Einzelfall eine Doppelabrechnung
tatsächlich erfolgt (vgl. BGH Urteil vom 23.06.2002 III. ZR 186/01). Soweit sich der
Patient in stationärer Behandlung befindet, wird die Minderungspflicht nicht dadurch
aufgehoben, dass das Krankenhaus eine ärztliche Leitung an außenstehende Dritte
vergibt, da aus Sicht des Patienten insoweit er für seine Behandlung durch Zahlung des
Pflegesatzes ausgesorgt hat. Die stationäre Behandlung der Beklagten erfolgt zur
Nachbehandlung einer Tumorerkrankung, insbesondere zum Ausschluss von
Neuerkrankungen nach Feststellung erhöhter Laborwerte. Aus Sicht der Beklagten
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waren alle im Zusammenhang mit dieser Einweisung erbrachten medizinischen
zweckmäßigen und notwendigen Leistungen, wozu unstreitig auch die vom Kläger
durchgeführte Untersuchung gehörte, Leistungen, die im Rahmen der stationären
Behandlung erfolgten.
Da die Regelung des § 6 a GOÄ nicht abdingbar ist, ist es für die Beurteilung,
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ob stationäre oder nicht stationäre Leistungen erfolgt sind unerheblich, ob der Kläger die
Beklagte bei Abschluss des Vertrages darauf aufmerksam gemacht hat, dass das PET-
Zentrum unabhängig von der S.-Klinik betrieben wird. Gleiches gilt für den Umstand,
dass im PET-Zentrum auch nicht in der S.-Klinik aufgenommene Patienten ambulant
behandelt werden, da jedenfalls im konkreten Fall der Beklagten gleichzeitig eine
stationäre Behandlung in der S.-Klinik erfolgte und damit automatisch eine
Gebührenminderung eintritt.
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II.
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Ziff. 5489 GOÄ
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Die Rechnung war um weitere 1.539,00 DM zu kürzen, da der Kläger zu Unrecht die Ziff.
5489 GOÄ zweimal berechnet hat. Diese kann nämlich auch bei der Untersuchung
zweier Regionen (Thorax und Abdomen und/oder Beckenorgane) lediglich einmal
angesetzt werden. Soweit der Kläger geltend macht, unter Hinweis auf die
Stellungnahme der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 05.11.1999, die Ausführungen in
Ziff. 5489 GOÄ "Darstellung in mehreren Ebenen", beziehe sich nicht auf
unterschiedliche Regionen sondern auf verschiedene mögliche Darstellungsweisen
einer Region, so dass insoweit ein mehrfacher Ansatz der Ziff. 5489 GOÄ möglich sei,
zeigt der Vergleich der Regelung der Nr. 5489 GOÄ mit anderen Regelungen, die
gerade ausdrücklich eine Differenzierung zwischen verschiedenen Körperregionen
vorsehen, dass eine PET-Untersuchung nur einmal berechnungsfähig ist. So ist im
Bereich der Computertomografie für verschiedene Körperregionen eine gesonderte
Abrechnungsnummer vorgesehen. Auch ist eine Differenzierung zwischen der
Untersuchung einer Region und dem ganzen Körper vorgesehen. Dies wird,
entsprechend den Ausführungen des Klägers zur technischen Entwicklung der PET-
Untersuchungsgeräte historisch dadurch begründet, dass es bei älteren Geräten
technisch gar nicht möglich war, mehrere Körperregionen auf einmal zu untersuchen,
wie es jetzt der Fall ist. Doch allein die technische Weiterentwicklung der Geräte
rechtfertigt es nicht, eine mehrfache Abrechnungsmöglichkeit vorzusehen. Insoweit
obliegt es dem Verordnungsgeber, eine differenzierte Regelung zu entwickeln, wenn
dies gewollt ist. Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass eine Pauschalgebühr,
völlig unabhängig davon, ob nur einzelne Organe, mehrere Organe, mehrere Regionen
oder der gesamte Körper untersucht wird, abgerechnet werden kann. Für die Richtigkeit
dieser Rechtsansicht spricht auch, dass ansonsten eine genauere Differenzierung,
wann verschiedene Körperregionen, die eine gesonderte Abrechnung rechtfertigen
könnten, nicht getroffen wurde, so dass diese je nach Betrachtungsweise willkürlich
jedenfalls ohne Grundlage in der GOÄ durch die einzelnen Ärzte erfolgen könnte. Es
verbleibt daher bei der einfachen Abrechnungsmöglichkeit, unabhängig davon ob
einzelne Körperregionen jeweils noch in unterschiedliche Ebenen aufgeteilt worden
sind. Insoweit hat der Verordnungsgeber lediglich eine Differenzierung in den
Abrechnungsmöglichkeiten zwischen Ziff. 5489 und 5488 getroffen.
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III.
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Nuklidkosten
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Der Kläger kann die Nuklidkosten von der Beklagten erstattet verlangen. Dies ergibt
sich aus § 10 Abs. 1 Ziff. 1 u. 3 GOÄ in Verbindung mit § 6 a Abs. II 2. Halbsatz GOÄ.
Demzufolge kann auch bei vorzunehmender Minderung der Gebühren eine
Auslagenberechnung nach § 10 GOÄ erfolgen.
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Nach der Beweisaufnahme steht aufgrund der Aussage des Zeugen E zur Überzeugung
des Gerichts fest, dass die in Rechnung gestellten Nuklidkosten jedenfalls nicht im
Pflegesatz der S.-Klinik enthalten sind, so dass die Beklagte daraus keine Rechte
herleiten kann. Der Kläger hat durch die Vorlage der Rechnungen darüber hinaus
bewiesen, dass die Nuklidkosten in der Rechnung
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ausgewiesenen Höhe tatsächlich entstanden sind. So ist das Gericht aufgrund der
übereinstimmenden Summen und des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs
zwischen dem Lieferdatum 17.03. und den an diesem Datum erfolgten Untersuchung
der Beklagten davon überzeugt, dass der Kläger eine Rechnung vorgelegt hat, welche
die bei der Untersuchung der Beklagten verwandten Nuklide betrifft. Eine
Ungleichbehandlung von gesetzlich- und privatversicherten Patienten vermag das
Gericht insoweit auch nicht zu erkennen, da nach Aussage des Zeugen E insoweit auch
feststeht, dass es auch bei der Untersuchung von gesetzlich versicherten Patienten die
entstehenden Kosten von dem Kläger gegenüber der Klinik mit einer Pauschale
abgerechnet werden. Dass eine Differenzierung bei Privatpatienten, bei denen eine
Abrechnungsmöglichkeit nach GOÄ vorgesehen ist, erfolgt, ist insoweit nicht zu
beanstanden, jedenfalls liegt keine dem Grundgesetz widersprechende
Ungleichbehandlung vor.
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Im Übrigen ist die Beklagte, die sich auf einen Ausnahmetatbestand der vorgenannten
Regelungen der GOÄ beruft, beweis- und darlegungsfähig geblieben, so dass sie zur
Erstattung der geltend gemachten Nuklidkosten in vollem Umfang verpflichtet ist.
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IV.
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Zurückbehaltungsrecht
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Der Beklagten steht auch kein weitergehendes Zurückbehaltungsrecht an der
Klageforderung zu. Insbesondere kann sie sich nicht auf eine mangelnde Fälligkeit der
Forderung aufgrund des Verstoßes gegen § 10 GOÄ berufen, da der Kläger eine mit den
Anforderungen des § 12 entsprechende Rechnung unter dem 07.04.2000 vorgelegt hat.
Der Umstand, dass diese Rechnung in einigen Punkten, wie vom Gericht unter Ziff. I. u.
II. festgestellt, unrichtig ist, steht der Fälligkeit der Rechnung nicht entgegen. § 12 GOÄ
soll lediglich die Nachprüfbarkeit der Rechnung anhand der dort vorgegebenen Inhalte
gewährleisten, die inhaltliche Richtigkeit wird nicht vorausgesetzt.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 286 BGB alter Fassung.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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