Urteil des AG Coesfeld vom 16.07.2002

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Amtsgericht Coesfeld, 4 C 222/02
Datum:
16.07.2002
Gericht:
Amtsgericht Coesfeld
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 222/02
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 858,80 EUR nebst 5 %
Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2002 zu
zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten de Rechtsstreits tragen der Kläger 71 % und der
Beklagte 29 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung darf jeweils durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abgewendet werden, wenn nicht der jeweilige Gäubiger vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
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Am 09.03.2002 befuhr er gegen 19.55 Uhr bei Dunkelheit die K 12 aus Richtung B
kommend in Richtung D. In Höhe G kollidierte der Kläger als Fahrer des Pkw Ford
Mondeo mit dem Kennzeichen ###### mit einem Rind, dessen Halter der Beklagte ist.
Dieses Rind war zusammen mit einem weiteren Rind des Beklagten aus einer Weide
ausgebrochen und auf die Straße gelaufen. Der Kläger erkannte zunächst auf der
rechten Seite aus einem Weg kommend ein Rind, welches noch nicht ganz die
Fahrbahn erreicht hatte. Diesem Rind wich der Kläger aus, indem er bremste und auf
die linke Fahrbahn lenkte. Nach dem Zurücklenken auf die rechte Fahrbahn kollidierte
er sodann mit dem zweiten Rind. Dieses befand sich mittem auf der Straße, und zwar zu
2/3 auf der rechten Fahrbahn und zu einem Drittel auf der linken Fahrbahn. Der Kläger
hat seinen Gesamtschaden auf 5.915,80 EUR beziffert. Vorgerichtlich hat die
Haftpflichtversicherung des Beklagten die Hälfte hiervon, nämlich 2.957,59 EUR
gezahlt. Weitere Zahlungen hat sie abgelehnt.
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Der Kläger behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h gefahren.
Diese Geschwindigkeit sei seines Erachtens angemessen. Er habe nicht damit rechnen
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Diese Geschwindigkeit sei seines Erachtens angemessen. Er habe nicht damit rechnen
müssen, dass sich auf der Fahrbahn eine Kuh befinde. Wegen des asymmetrischen
Abblendlichtes sei der rechte Fahrbahnbereich rund 55 bis 60 m ausgeleuchtet
gewesen, der vom linken Scheinwerfer angestrahlte Bereich dagegen nur 35 m weit.
Obwohl er noch gebremst
habe, habe er die Kollision nicht verhindern können.
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Nachdem der Kläger die Klageforderung in Höhe von 95,30 EUR zurückgenommen hat,
beantragt er nunmehr,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.862,69 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
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jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2002 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, der Kläger sei wesentlich schneller als 60 km/h gefahren. Selbst diese
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Geschwindigkeit sei überhöht gewesen, weil der Kläger nur auf Sicht hätte fahren
dürfen. Da das zweite Rind auf der Fahrbahn gestanden habe, hätte es der Kläger auch
erkennen müssen. Es sei auch fehlerhaft gewesen, an dem ersten Rind durch
Ausweichen nach links vorbeizufahren. Vielmehr hätte der Kläger sofort bremsen
müssen, weil möglicherweise weiteres Vieh auf der Straße gewesen sei. Im übrigen
bestreitet der Beklagte die Schadenshöhe und vertritt insoweit die Auffassung, der
Kläger hätte ein Mietfahrzeug
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einer geringeren Preisklasse anmieten müssen. Die An- und Abmeldekosten seien
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ebenso wie die Schadenspauschale übersetzt. Auch bestreitet der Beklagte, dass die
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Brille des Klägers zerstört worden sei. Zumindest hätte der Kläger die Kosten hierfür bei
der Krankenkasse geltend machen müssen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechstelten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet, im übrigen unbegründet.
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Der Beklagte ist gemäß § 833 BGB verpflichtet, den zuerkannten Betrag an den Kläger
zu zahlen. Bei dem Unfall ist durch ein Rind, dessen Halter der Beklagte ist, ein
Schaden an Sachen des Klägers entstanden. Den Entlastungsbeweis nach § 833 Satz
2 BGB hat der Beklagte nicht geführt.
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Der Kläger kann jedoch keinen vollen Schadensersatz verlangen. Er muss sich die
durch sein Verschulden erhöhte Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges anrechnen
lassen. Dies ergibt sich aus §§ 7, 17 StVG.
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Die Beklagte hat gegen § 3 Abs. 1 Satz 3 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf
nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der überschaubaren Strecke gehalten
werden kann. Dies hat der Kläger nicht beachtet. Das ergibt sich schon aus dem
Umstand, dass der Kläger mit seinem Kraftfahrzeug mit einer auf der Straße
befindlichen Kuh zusammengestoßen ist. Dies lässt erkennen, dass er entweder zu
schnell oder zu
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unaufmerksam gefahren ist. Jeder Kraftfahrer muss sich bei Dunkelheit auch auf
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unbeleuchtete Hindernisse einrichten. Er darf nur so schnell fahren, dass er sein
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Fahrzeug vor einem unbeleuchteten Hindernis noch rechtzeitig anhalten kann. Dabei
darf die Fahrgeschwindigkeit keinen Anhalteweg bedingen, der länger als die
Sichtweite des Fahrzeugführers ist (OLG Koblenz, NZV 1991, 471).
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Dies hat der Kläger offenbar nicht beachtet, was das Gericht aus seinem eigenen
Sachvortrag schließt. Der Kläger hat im Termin nicht ausgeschlossen, dass das Rind,
mit welchem er kollidiert ist, auf der Fahrbahn gestanden hat. Unter diesen Umständen
hätte er es sehen müssen, wenn er mit der rechtlich gebotenen Geschwindigkeit
gefahren wäre. Dass der Kläger zunächst die erste Kuh erkannt hat und dieser nach
links hin ausgewichen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zur Kollision mit dem
zweiten Rind ist es nämlich erst gekommen, als der Kläger bereits wieder nach rechts
hin gefahren war. Unbeachtlich ist auch, dass der Kläger Anfang März noch nicht mit
Weidevieh auf Straßen rechnen musste. Ein Kraftfahrer muss sich auf Hindernisse
jeglicher Art einstellen und seine Fahrweise entsprechend einrichten.
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Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungsanteile ergibt, dass die vom
Beklagten zu beantwortende Tiergefahr, die von einem Rind auf der Fahrbahn bei
Dunkelheit ausgeht, bei weitem die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges überwiegt,
auch wenn diese durch ein Verschulden des Fahrers erhöht wird. Dies entspricht
nahezu einhelliger Rechtsprechung (OLG Koblenz, NZV 1991, 471; OLG München,
OLGR München 1999, 217; OLG Düsseldorf, Versicherungsrecht 1995, 232; OLG
Frankfurt, Versicherungsrecht 1982, 908; OLG Hamm, Agrarrecht 1985, 234; OLG Köln,
Versicherungsrecht 2001, 1396). Hier ist eine Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten des
Beklagten sachgerecht. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers war durch sein
schuldhaftes Verhalten erhöht. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die für ein
schuldhaftes Verhalten des Beklagten sprechen. Aus diesem Grunde kommt eine
Haftung nur nach § 833 BGB in Betracht. Bei dieser Sachlage ist es insgesamt
angemessen, nach einer Haftungsquote von einem Drittel zu Lasten des Klägers und
zwei Dritteln zu Lasten des Beklagten abzurechnen.
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Einwendungen gegen die Schadenshöhe kann der Beklagte nicht mehr geltend
machen. Er hat vorgerichtlich die Hälfte der Klageforderung gezahlt, ohne gegen
einzelne Schadenspositionen Einwände zu erheben. Unter diesen Umständen ist das
Bestreiten einzelner Positionen der Schadensaufstellung des Klägers unbeachtlich.
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Der Gesamtschaden des Klägers beträgt 5.724,58 EUR. Er hat im Termin angegeben,
für die Brille anderweitig Ersatz bekommen zu haben, nämlich über die Beihilfestelle
und die Krankenkasse. Daher kann er nicht nur für die halbe Brille keinen
Schadensersatz verlangen, sondern für die gesamte Brille. Der Gesamtschaden ist
daher um insgesamt
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190,60 EUR zu kürzen.
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Von dem danach verbleibenden Betrag in Höhe vom 5.724,58 EUR stehen dem Kläger
2/3 zu, mithin 3.816,39 EUR. Gezahlt hierauf hat der Beklagte 2.957,59 EUR, so dass
die zuerkannten 858,80 EUR verbleiben.
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Die zuerkannten Zinsen kann der Kläger gemäß § 286 BGB in Verbindung mit § 288
BGB verlangen. Nach seinem unbestrittenen Vorbringen befand sich der Beklagte
spätestens sei dem 18.04.2002 in Verzug. Die Zinshöhe ergibt sich aus dem Gesetz.
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Es war danach wie geschehen zu entscheiden.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 269, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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