Urteil des AG Charlottenburg vom 27.07.1995

AG Charlottenburg: fassade, wohnung, wohnraum, erneuerung, vermieter, vollstreckung, mietrecht, firma, verjährung, berechtigung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
224 C 295/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 559b Abs 1 BGB
Mieterhöhungsberechnung für preisgebundenen Wohnraum
nach Modernisierungsmaßnahmen: Notwendige Erläuterung des
Abzugs ersparter Instandhaltungskosten
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Die ... vermietete der Beklagten mit Mietvertrag vom 27.07.1995 die im Erdgeschoss
rechts im Haus ... gelegene Wohnung. Es handelt sich um preisgebundenen Wohnraum.
In den vereinbarten Allgemeinen Vertragsbestimmungen heißt es unter Nr. 2:
"(1) Das Wohnungsunternehmen ist berechtigt, die Miete nach Maßgabe der
gesetzlichen Vorschriften – auch rückwirkend – zu erhöhen. Dies gilt insbesondere bei
gestiegenen und neu entstandenen Kapital- und Bewirtschaftungskosten sowie bei
Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen.
(2) Bei preisgebundenem Wohnraum gilt die jeweils gesetzlich zulässige Miete als
vertraglich vereinbart."
Die Klägerin erwarb das Grundstück ... von der ursprünglichen Vermieterin. Die Miete
betrug seit 01.01.2002 insgesamt 266,75 EUR (138,57 EUR nettokalt).
Mit Schreiben vom 01.03.2001 kündigte die Klägerin die Durchführung von
Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen für das Gebäude an. Danach sollte
u. a. ein Wärmeverbundsystem auf die Fassade aufgetragen werden und die Fenster und
Balkontüren durch solche der Schallschutzklasse III bzw. IV und mit einem k-Wert von
unter 1,5 W/qmK ersetzt werden. Für die Wärmedämmung der Fassade wurden Kosten in
Höhe von 742.350,00 DM veranschlagt, wovon 133.350,00 DM auf Instandsetzung
entfallen sollten. Für die Erneuerung der Fenster wurden Kosten in Höhe von 552.610,00
DM veranschlagt, wovon 45.600,00 DM auf Instandsetzung entfallen sollten. Darüber
hinaus wurden Instandsetzungsarbeiten in verschiedenen Bereichen angekündigt. Es
wurde eine voraussichtliche Mieterhöhung für die Wohnung der Beklagten um monatlich
144,17 DM angekündigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ankündigungsschreiben
vom 01.03.2001 (Bl. 27 ff. d. A.) verwiesen.
Die Arbeiten wurden durchgeführt und am 14.12.2001 abgeschlossen. Mit Schreiben
vom 04.11.2002 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten wegen der
Modernisierungsmaßnahmen eine Mieterhöhung um 63,21 EUR monatlich auf 329,96
EUR ab dem 01.01.2003. Weiter wurde die Mieterhöhung rückwirkend für das gesamte
Jahr 2002 geltend gemacht und hierfür ein Betrag in Höhe von 758,52 EUR beansprucht.
Auf die Wärmedämmung der Fassade entfiel eine Erhöhung von monatlich 35,61 EUR,
auf den Austausch der Fenster und Balkontüren 13,20 EUR und auf die Verstärkung der
elektrischen Steigestränge 14,40 EUR. Hinsichtlich der Wärmedämmung der Fassade
wurde mitgeteilt, dass die ersparten Instandhaltungskosten sowie die
Instandhaltungsleistungen in Abzug gebracht worden seien und die Ermittlung anhand
der Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses erfolge, das Grundlage des Vertrages
mit der ausführenden Firma geworden sei (Seite 3 Ziff. 1 des Schreibens vom
04.11.2002). Hinsichtlich der Verstärkung der Steigestränge wurde mitgeteilt, dass es
sich bei dem Austausch der Klingelleitungen und der Verlegung von Leerrohren für
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sich bei dem Austausch der Klingelleitungen und der Verlegung von Leerrohren für
Breitband- und Telefonkabel um Instandsetzungsmaßnahmen handele, im Übrigen um
Modernisierungsmaßnahmen (Seite 3 Ziff. 7 des Schreibens vom 04.11.2002). Für die
Wärmedämmung wurden Gesamtkosten von 611.132,40 DM angegeben, wovon ein
Instandsetzungsanteil von 50.215,48 DM abgezogen wurde. Für die Fenstererneuerung
wurden Gesamtkosten von 307.845,72 DM angegeben, wovon ein Instandsetzungsanteil
von 215.492,00 DM abgezogen wurde. Für die Verstärkung der Steigeleitungen wurden
Gesamtkosten von 221.261,01 DM angesetzt, wovon ein Instandsetzungsanteil von
29.218,89 DM abgezogen wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom
04.11.2002 (Bl. 38 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 13.12.2004 wurde die Miete wegen Erhöhung der Verwaltungs- und
Instandhaltungskostenpauschale zum 01.01.2005 um 3,41 EUR erhöht.
Die Beklagte zahlte seit von Januar 2003 bis Dezember 2004 eine Miete von
durchschnittlich ca. 266,75 EUR und ab Januar 2005 von durchschnittlich ca. 270,16 EUR.
Hinsichtlich der Zahlungen im Einzelnen wird auf die Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 6-
8 d. A.) Bezug genommen. Nach der Verrechnung von Gutschriften aus der Abrechnung
über Nebenkosten für die Jahre 2003 bis 2005 ergibt sich bei Zugrundelegung der von
der Klägerseite angesetzten Miethöhen einschließlich der Mieterhöhung wegen
Modernisierung ein Fehlbetrag für die Zeit von Januar 2003 bis einschließlich November
2006 in Höhe von 2.950,57 EUR.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Miete habe aufgrund der Modernisierung auch
rückwirkend für das Jahr 2002 erhöht werden können, so dass ihr ein Anspruch auf
weitere 758,52 EUR zustehe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.709,09 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Mieterhöhungserklärung vom 04.11.2002 sei
unwirksam, da sie keine ausreichende Erläuterung der abgesetzten
Instandhaltungskosten enthalte.
Hinsichtlich der rückwirkend für das Jahr 2002 verlangten Mieterhöhungsbeträge beruft
sich die Beklagte auf Verjährung. Ferner ist sie der Ansicht, eine rückwirkende Erhöhung
wegen Modernisierungsmaßnahmen sei nicht zulässig.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin, die gemäß § 566 BGB auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten
ist, hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 535 Abs. 2 BGB auf weitere
Mietzahlung in Höhe von 2.950,57 EUR für die Zeit von Januar 2003 bis November 2006.
Die Miete ist nicht zum 01.01.2003 durch die Erhöhungserklärung der Klägerin vom
04.11.2002 wegen Modernisierungsmaßnahmen um monatlich 63,21 EUR erhöht
worden. Für den Zeitraum Januar 2003 bis November 2006 (47 Monate) ergibt dies einen
Differenzbetrag von insgesamt 2.970,87 EUR, so dass Mietrückstände nicht bestehen.
Die Mieterhöhungserklärung vom 04.11.2002 ist formal unwirksam, da sie den
Anforderungen gemäß § 559 b Abs. 1 BGB nicht genügt.
Eine wirksame Erhöhungserklärung setzt voraus, dass sich ein wohnungswirtschaftlich
nicht vorgebildeter Mieter aus der Erläuterung ein Bild über die Berechtigung der
Mieterhöhung machen kann. Ihm muss allein aufgrund der Erhöhungserklärung eine
Plausibilitätsprüfung der aufgewendeten Kosten und der Aufteilung der Kosten auf seine
Wohnung möglich sein (LG Berlin GE 1997, 1579; LG Berlin MM 2003, 471). Führt der
Vermieter Maßnahmen durch, die zum Teil Modernisierung, zum Teil aber
Instandsetzung darstellen, so dürfen die durch Instandsetzung verursachten anteiligen
Kosten nicht gemäß § 559 BGB umgelegt werden (LG Berlin GE 1998, 550; LG Berlin GE
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Kosten nicht gemäß § 559 BGB umgelegt werden (LG Berlin GE 1998, 550; LG Berlin GE
2003, 122). In diesem Fall muss der Vermieter in der Erhöhungserklärung
nachvollziehbar darlegen, welche Kosten er in welcher Höhe von den angegebenen
Gesamtkosten vorab als Instandsetzungskosten in Abzug gebracht hat
(Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Aufl., § 559 b BGB Rn. 4; Schmidt-
Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 559 b BGB Rn. 13; KG GE 2002, 259; KG GE
2006, 714). Die fiktiven Instandsetzungskosten sind herauszurechnen. Dabei ist darauf
abzustellen, welche Kosten angefallen wären, wenn nicht modernisiert, sondern nur
instand gesetzt worden wäre (LG Berlin GE 1998, 550, 551). Mangels abweichender
Vereinbarung der Mietvertragsparteien ist ein pauschaler Abzug von
Instandsetzungskosten in der Mieterhöhungserklärung wegen Modernisierung nicht
hinreichend zur Berechnung des Mieterhöhungsanspruchs; es muss vielmehr eine
Vergleichsrechnung aufgestellt werden, aus der sich ergibt, welche Kosten entstanden
wären, wenn statt der Instandmodernisierung eine bloße Instandsetzung stattgefunden
hätte (LG Berlin MM 2001, 401; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 559
b Rn. 13). Dies kann z. B. durch einen Kostenvoranschlag für die jeweiligen
Instandsetzungsarbeiten geschehen. Der Vermieter hat vor Beginn der Maßnahmen den
Instandsetzungsbedarf festzustellen und die für die Instandsetzung erforderlichen
Kosten zu ermitteln (LG Berlin GE 1997, 1469; LG Berlin MM 2003, 471).
Die Klägerin hat die Modernisierungskosten für die Wärmedämmung der Fassade, für die
Erneuerung der Fenster und Balkontüren und für die Verstärkung der elektrischen
Steigeleitungen nicht wirksam errechnet. Denn die abgesetzten Kosten für die
Instandsetzungsarbeiten sind nicht nachvollziehbar erläutert.
Hinsichtlich der Dämmung der Fassade hat die Klägerin Kosten für
Instandsetzungsarbeiten in Höhe von 50.215,48 DM in Abzug gebracht. Es wird jedoch
nicht erläutert, wie sich dieser Abzugsbetrag ergibt. Aus der Erhöhungserklärung lässt
sich nicht entnehmen, wieso die Klägerin gerade den in Abzug gebrachten Betrag
angesetzt hat. Eine Ermittlung der Kosten der ersparten Instandsetzung – etwa durch
Gegenüberstellung der Kosten für die Modernisierungsmaßnahme und denjenigen
Kosten, die allein für die Instandsetzung angefallen wären – ist unterblieben. Der
pauschale Verweis auf das Leistungsverzeichnis der ausführenden Firma genügt nicht.
Der Betrag für die Instandsetzung weicht zudem erheblich von dem in dem
Ankündigungsschreiben hierfür angesetzten Betrag ab.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Erneuerung der Fenster und Balkontüren.
Diesbezüglich lässt sich der Aufstellung in der Mieterhöhungserklärung entnehmen, dass
Instandsetzungskosten von 215.492,00 DM in Abzug gebracht wurden. Dieser Betrag
wird auch nicht ansatzweise erläutert.
Hinsichtlich der Verstärkung der elektrischen Steigestränge wird in der Kostenaufstellung
der Mieterhöhungserklärung von der Position "Elektroleistungen" ein Teilbetrag in Höhe
von 29.218,89 DM für Instandsetzung abgezogen. Aus den Erläuterungen ergibt sich
hierzu lediglich, dass der Austausch der Klingelleitungen und die Verlegung von
Leerrohren für Breitband- und Telefonleitungen als Instandsetzungsmaßnahmen
verstanden wurden. Inwiefern bei Durchführung allein dieser Arbeiten die genannten
Kosten entstanden wären, ergibt sich jedoch aus den Erläuterungen nicht.
Auch ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von 758,52 EUR für das
Jahr 2002 besteht nicht. Ob eine rückwirkende Erhöhung aufgrund von
Modernisierungsmaßnahmen möglich wäre und ob hinsichtlich der Beträge für 2002
Verjährung eingetreten ist, kann dahinstehen, da eine wirksame Erhöhungserklärung
gemäß § 559 b Abs. 1 BGB nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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