Urteil des AG Charlottenburg vom 04.06.2006

AG Charlottenburg: grobe fahrlässigkeit, aufbewahrung, entwendung, sorgfalt, besitz, gefahr, kaskoversicherung, dienstfahrzeug, vollstreckung, subjektiv

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
213 C 188/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 61 VVG
Kfz-Kaskoversicherung: Leistungsfreiheit für Werkstattkosten
bei Zurücklassen eines Rucksacks auf Beifahrersitz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages zuzüglich 20 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 4. Juni 2006 Versicherungsnehmer einer
Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung für den PKW ..., polizeiliches Kennzeichen ... mit einer
Selbstbeteiligung von 150,– Euro.
Am 1. April 2005 wurde das nicht bei der Beklagten versicherte, vom Kläger geführte,
Dienstfahrzeug während eines Diensteinsatzes des Klägers aufgebrochen, indem die
Scheibe des Beifahrersitzes eingeschlagen wurde. Dem Kläger wurden dabei aus dem
Dienstfahrzeug die Autoschlüssel, sowie eine Fotokopie des Fahrzeugzulassungsscheins
für den beim Beklagten versicherten PKW entwendet, die sich in einem Rucksack im
Bereich der Beifahrerseite des Dienstfahrtzeuges befanden.
Nach Feststellung des Diebstahls suchte der Kläger umgehend eine Vertragswerkstatt
auf, wo die Schlösser des versicherten PKW ausgewechselt wurden. Hierfür wurden dem
Kläger 1.235,48 Euro brutto in Rechnung gestellt, die der Kläger zahlte.
Am 26. April 2005 erstattete der Kläger Schadensanzeige bei der Beklagten, in der er
von dieser den Ersatz der Werkstattkosten für die Auswechslung der Türschlösser
abzüglich der Selbstbeteiligung einforderte. Mit Schreiben vom 5. Juni 2005 wies die
Beklagte die Forderung des Klägers zurück.
Der Kläger behauptet, dass sich der Rucksack zum Tatzeitpunkt von außen nicht
erkennbar im Fußbereich des Dienstwagens befunden habe. Da durch den Fahrzeugbrief
der Täter hätte feststellen können, wo der Kläger wohnte und da der bei der Beklagten
versicherten PKW bei der Wohnanschrift des Klägers abgestellt gewesen sei, hätte der
PWK gefunden und entwendet werden können. Die Kosten für den Austausch der
Türschlösser stellten damit ersatzfähige Kosten zur Verhinderung der Entwendung des
Fahrzeugs dar. Grobe Fahrlässigkeit sei ihm nicht vorzuwerfen. Ihm habe keine andere
Möglichkeit zur Aufbewahrung von Fahrzeugschlüssel und Kopie des
Fahrzeugzulassungsscheins zur Verfügung gestanden. Insbesondere sei der Laderaum
des Dienstfahrzeuges stets ölverschmiert und es sei davon auszugehen, dass
Lebensmittel und Textilien die Ölgerüche annähmen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.085,48 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 02.04.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der Werkstattkosten in
Höhe von 1.085,48 Euro aus dem Teilkaskoversicherungsvertrag gemäß §1 Absatz 1
Satz 1 VVG. Denn der Kläger hat den Versicherungsfall durch grob fahrlässiges
Verhalten gemäß § 2b Absatz 4 Buchstabe b) der Allgemeinen Bedingungen für die
Kraftfahrzeugversicherung der Beklagten herbeigeführt.
Der Maßstab der groben Fahrlässigkeit entspricht dem der Maßstab des § 61 VVG. Grob
fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht lässt
und damit nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte
einleuchten müssen. Dies ist hier der Fall. Dabei ist zunächst der Vortrag des Beklagten
widersprüchlich und damit unbeachtlich, wonach der Rucksack von außen nicht sichtbar
gewesen sei. Denn in seiner Schadensanzeige bei der Beklagten gab der Kläger noch
selbst an, dass "
". Auch im anschließenden Anwaltscheiben machte der Kläger die Angabe,
dass der Rucksack " ".
Die jetzige Behauptung des Klägers, dass der Rucksack im Fußbereich von außen
sichtbar aufbewahrt worden sei, ist hierzu widersprüchlich und damit unbeachtlich.
Der Kläger verstieß objektiv gegen gröbliche Sorgfaltspflichten, als er den Rucksack von
außen sichtbar im Beifahrerbereich ablegte. Er schuf hierdurch eine Gefahr, die bei
verständlicher und situationsadäquater Würdigung des Sachverhalts nicht hätte
geschaffen werden dürfen. Denn es ist allgemein bekannt, dass das grundsätzlich
geringe Risiko eines Autoeinbruchs dadurch unverhältnismäßig erhöht wird, dass sich ein
Rucksack, eine Tasche u.ä. nach außen hin offensichtlich auf der Beifahrerseite befindet.
Hier konnte ein potentieller Täter davon ausgehen, dass er zumindest einen Rucksack
entwenden könnte, wenn er – wie geschehen – die Scheibe einschlagen würde. Dies
hätte der Kläger erkennen müssen, so dass ihm ein ungewöhnlich hohes Maß an
Außerachtlassung der notwendigen Sorgfalt zu Last fällt.
Hinzu kommt, dass der Kläger sowohl die Fahrzeugschlüssel als auch die Kopie der
Fahrzeugzulassung zusammen in dem Rucksack aufbewahrte. Aufgrund der im
Fahrzeugschein befindlichen Adresse konnte der Täter in der Tat problemlos den
Standort des versicherten Fahrzeugs ermitteln. Es ist offensichtlich, dass KfZ-Schlüssel
und KfZ-Schein separat zu verwahren und eben nicht in einem Rucksack zusammen
aufzubewahren sind, über den keine Aufsicht möglich ist. Denn durch den Besitz von
Schlüssel und Schein ist zum einen wiederum der Anreiz für einen Täter größer, den PKW
zu entwenden, da eine Verwertung grundsätzlich besser gelingen kann, als wenn er nur
im Besitz eines der beiden Gegenstände ist. Zudem drohte vorliegend überhaupt nur
durch die gleichzeitige Aufbewahrung von beidem die Feststellung des Abstelltortes des
PKW und damit dessen Entwendung.
Auch subjektiv ist beim Kläger ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes
Fehlverhalten festzustellen. Die vom Kläger eingewandten Gründe für die Aufbewahrung
des Rucksacks im Fußraum der Beifahrerseite entlasten ihn nicht. Die Tatsache, dass
der Kläger sich Gedanken über die Aufbewahrung gemacht hatte, verdeutlicht zum einen
vielmehr gerade, dass er sich über die Gefahr einer Entwendung bewusst war. Der Kläger
hätte dabei erkennen müssen, dass er seinen Rucksack nicht offensichtlich für
jedermann auf dem Beifahrersitz liegen lassen darf. Zumindest hätte der Rucksack
unter dem Beifahrersitz gelegt werden müssen. Hinzu kommt, dass der Kläger entgegen
seiner Auffassung alternative Aufbewahrungsorte für Schlüssel und Schein hatte.
Beispielsweise hätte er den Fahrzeugschein und den Schlüssel, oder zumindest eines
von beiden, in seinen Hosentaschen aufbewahren können. Gleichfalls wäre eine
Zwischenlagerung im Laderaum möglich gewesen, da es sich bei den Papieren und dem
Schlüssel nicht um empfindliche Gegenstände handelt, die beispielsweise nach
Geruchsaufnahme keine Verwendung mehr hätten. Diese alternativen
Aufbewahrungsmöglichkeiten hätte der Kläger auch problemlos erkennen können, da
diese wirklich naheliegend sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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