Urteil des AG Charlottenburg vom 14.03.2017

AG Charlottenburg: akte, wohnung, grundbuch, kopie, eigentümer, mehrheit, form, eigentumserwerb, kauf, vollstreckbarkeit

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
74 C 30/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 16 Abs 2 WoEigG vom
27.03.2007
Wohnungseigentum: Erwerberhaftung für Wohngeldrückstände
des Voreigentümers
Leitsatz
Wohnungserwerber haften nicht für Wohngeldrückstände des Voreigentümers aufgrund
Eigentümerbeschluss, selbst wenn die Teilungserklärung entsprechende Öffnungsklausel
enthält, es sei denn, die Änderung der Teilungserklärung wurde ins Grundbuch eingetragen.
Selbst die Aufnahme des Eigentümerbeschlusses in die Beschlusssammlung reicht mangels
Publizitätswirkung gegen Dritte nicht aus.
Tenor
1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 2.196,46 EUR nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2009 zu
zahlen. Die weitergehend gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage wird abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage …. Sie nimmt
die Beklagten auf Zahlung rückständigen Wohngeldes in Anspruch. Die Beklagte zu 1.
war, die Beklagte zu 2. ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 12.
Die Beklagte zu 1. hat am 25.06.2007 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung
Eigentum an der Wohnung Nr. 12 in der streitbefangenen Wohnanlage erlangt. Sie hat
dann die Wohnung an die Beklagte zu 2. übertragen, die am 09. Juni 2008 im Grundbuch
eingetragen worden ist.
1. In der Eigentümerversammlung vom 16.09.2006 wurde unter TOP 6 der Gesamt- und
die Einzelwirtschaftspläne beschlossen. Wegen der Einzelheiten der Beschlussfassung
wird auf die zu den Akten gelangte Kopie des Protokolls (Blatt 6 bis 10 der Akte) Bezug
genommen. Der Einzelplan für die Wohnung Nr. 12 ist insoweit nicht zur Akte gelangt,
ebenso wenig die Jahresabrechnung für 2007. Auf entsprechende Anforderung seitens
des Gerichts ist eine „Wohngeldabrechnung 2007“, gerichtet an die Beklagte zu 2. zur
Akte gereicht worden, die jedoch den Zeitraum 20.02. bis 31.12.2006 umfasst, wie sich
aus einer entsprechenden Bemerkung in Zeile 3 der eingereichten Abrechnung ergibt. In
diesem Zeitraum waren allerdings beide Beklagte nicht Eigentümer der Wohnung.
Die Klägerin verlangt jedenfalls die Zahlung von rückständigem Wohngeld für November
und Dezember 2007 mit dem Sachvortrag, dass von Juli bis Dezember 2007 6 x 244,80
EUR Wohngeld fällig geworden sind, auf die die Beklagte zu 1. 1.027,20 EUR gezahlt habe
mit der Folge, dass von dem Novemberwohngeld noch 196,80 EUR und vom
Dezemberwohngeld 244,80 EUR offen sind.
2. In der Eigentümerversammlung vom 07.09.2007 sind unter TOP 6 der Gesamt- und
die Einzelwirtschaftspläne für 2008 beschlossen worden. Wegen der Einzelheiten der
Beschlussfassung wird auf die zu den Akten gelangte Kopie des Protokolls (Blatt 13 bis
22 der Akte) Bezug genommen. Nach dem entsprechend der Beschlussfassung
korrigierten Wirtschaftsplan fielen für die Wohnung Nr. 12 monatlich 313,90 EUR
Wohngeld an. Wegen der Einzelheiten des korrigierten Wirtschaftsplans wird auf dessen
zu den Akten gelangte Kopie (Blatt 25 und 26 der Akte) Bezug genommen.
Zahlungen auf diese Wohngeldforderungen sind weder seitens der Beklagten zu 1. noch
seitens der Beklagten zu 2. erfolgt.
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Die Jahresabrechnung 2008 ist noch nicht beschlossen worden.
3. In der Eigentümerversammlung vom 26.09.2008 sind unter TOP 6 der Gesamt- und
die Einzelwirtschaftspläne 2009 beschlossen worden. Wegen der Einzelheiten der
Beschlussfassung wird auf die zu den Akten gelangte Kopie des Protokolls (Blatt 28 bis
34 der Akte) Bezug genommen.
Nach dem für die Wohnung Nr. 12 geltenden Wirtschaftsplan sind monatlich 313,06 EUR
zu zahlen. Wegen der Einzelheiten des Wirtschaftsplans wird auf dessen zu den Akten
gelangte Kopie (Blatt 27 der Akte) Bezug genommen.
Zahlungen sind insoweit nicht erfolgt. Streitgegenständlich ist das Wohngeld für Januar
2009.
4. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 2. für die Zeit von Juli 2008 bis einschließlich
Januar 2009 allein in Anspruch, für die Zeit von November 2007 bis Juni 2008 beide
Beklagten gesamtschuldnerisch.
In der Eigentümerversammlung vom 07.09.2007 wurde unter TOP 11.2 mit 22 Ja-, 0
Nein-Stimmen und 1 Enthaltung bei 24 Teileigentumseinheiten folgender Beschluss
gefasst:
Wegen der weitergehenden Einzelheiten der Beschlussfassung wird auf die zu den Akten
gelangte Kopie des Protokolls (Blatt 13 bis 22 der Akte) Bezug genommen.
§ 8 der Teilungserklärung betrifft Wohngeld, Lasten und Kosten. In § 12 Ziffer 9 TE heißt
es: „Änderungen dieser Teilungserklärung können mit ¾-Mehrheit beschlossen werden.“
Wegen der weitergehenden Einzelheiten der Teilungserklärung wird auf deren zu den
Akten gelangte Kopie (Blatt 53 bis 65 der Akte) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund der Beschlussfassung vom 07. September
2007 sei die Teilungserklärung entsprechend abgeändert worden mit der Folge, dass die
Beklagte zu 2. auch für die Wohngeldrückstände der Beklagten zu 1. hafte.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2009 sind die Beklagten nicht erschienen,
wobei zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Zustellungsurkunde bezüglich der
Ladung der Beklagten zu 1. noch nicht zur Akte zurückgelangt war.
Die Klägerin beantragt daher, im Wege eines Versäumnisurteils
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.325,00 EUR
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
24.01.2009 zu zahlen;
2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.196,46 EUR nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2009
zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Die Sache ist nur zum Teil entscheidungsreif und insoweit zulässig, aber nur zum Teil
auch begründet.
1. Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1. ist derzeit nicht entscheidungsreif, da nicht
festgestellt werden kann, ob das Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten zu 1. überhaupt
hergestellt worden ist und diese ordnungsgemäß zum Termin geladen worden ist. Die
entsprechende Zustellungsurkunde ist bislang nicht zur Akte zurückgelangt.
2. Die Klage gegenüber der Beklagten zu 2. ist zulässig. Das Amtsgericht Charlottenburg
ist für den Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 1 WEG neuer Form sachlich und örtlich zuständig,
da die Wohnanlage im hiesigen Gerichtssprengel belegen ist.
Im zuerkannten Umfang, nämlich für den Zeitraum, in dem die Beklagte zu 2. auch
Eigentümerin der Wohnung Nr. 12 ist, ist die Klage auch begründet. Insoweit ist echtes
Versäumnisteilurteil ergangen.
3. Soweit die Beklagte zu 2. darüber hinaus auch für die Wohngelder in Anspruch
genommen wird, die fällig geworden sind, bevor die Beklagte zu 2. Eigentümerin wurde,
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genommen wird, die fällig geworden sind, bevor die Beklagte zu 2. Eigentümerin wurde,
ist die Klage nicht begründet und war insoweit durch ein sogenanntes unechtes
Versäumnisurteil, hier ein Teilurteil, abzuweisen.
Ein Anspruch auf Zahlung der Wohngelder, die in der Zeit von November 2007 bis Juni
2008, also vor Eigentumserwerb durch die Beklagte, zu 2. fällig geworden sind, steht der
Klägerin nicht gemäß § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit beschlossenen
Wohngeldplänen zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach dem Wohngeldplan für
die Wohnung Nr. 12 im Jahre 2007 tatsächlich monatlich 244,80 EUR Wohngeld
geschuldet waren und ob sich möglicherweise aus der Wohngeldabrechnung 2007, die
zwischenzeitlich beschlossen worden sein müsste, ergibt, dass die Wohngelder für
November und Dezember 2007 gar nicht mehr geschuldet sind. Denn die Beklagte zu 2.
haftet für eventuelle Wohngeldrückstände, die vor ihrer Eintragung als Eigentümerin ins
Grundbuch fällig geworden sind, nicht.
Eine derartige Haftung ergibt sich nicht aus der am 07.09.2007 beschlossenen Änderung
der Teilungserklärung vom 08.12.1997. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach § 12
Absatz 9 der Teilungserklärung diese Teilungserklärung mit ¾-Mehrheit verändert
werden kann und dass eine solche Veränderung unter TOP 11.2 a in der
Eigentümerversammlung vom 07.09.2007 mit der erforderlichen Mehrheit, nämlich 22
von 24 Stimmen, beschlossen worden ist.
Das Gericht verkennt auch nicht, dass grundsätzlich die Eigentümer durch Vereinbarung
über die Haftung eines Wohnungserwerbers für Wohngeldrückstände der Voreigentümer
entscheiden können. Allerdings ist insoweit ein Eintrag in das Grundbuch erforderlich
(Jennißen, WEG, 1. Aufl., § 16 Rdnr. 153). Demgegenüber sind Beschlüsse über die
Erwerberhaftung nicht möglich, weil es sich insoweit um Gesamtakte zu Lasten Dritter
handeln würde. Solche Beschlüsse können gegenüber dem später zum Eigentümer
gewordenen Erwerber keine Wirkung entfalten (Jennißen, § 16 Rdnr. 156). Anders mag
dies sein, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung schon Eigentümer ist.
Dann mag der Beschluss nur anfechtbar, nicht aber nichtig sein. Die Beklagte ist
allerdings erst im Jahre 2008 als Eigentümerin eingetragen worden, während der
Beschluss bereits im September 2007 gefasst wurde. Durch Mehrheitsbeschluss kann
eine Erwerberhaftung für Rückstände des Rechtsvorgängers nicht begründet werden, ein
solcher Beschluss wäre mangels Beschlusskompetenz nichtig (Becker in Bärmann, WEG,
10. Aufl., § 16 Rdnr. 166 am Ende). So kann durch die im Grundbuch eingetragene
Gemeinschaftsordnung auch bestimmt werden, dass der rechtsgeschäftliche
Sondernachfolger für die Rückstände des früheren Wohnungseigentümers einzustehen
hat (BGH NJW 1994, S. 2950, 2951 am Ende). Eine solche Haftungsanordnung hat
allerdings auf die Ausgestaltung des Sondereigentums insoweit dingliche Wirkung, als die
Haftung unmittelbar durch den Erwerb des Sondereigentums ausgelöst wird. Die so
erzeugte „Verdinglichung“ der Wohnlasten hat eine persönliche Haftung des
Sondernachfolgers mit seinem gesamten Vermögen zur Folge (BGH NJW 1994, S. 2950,
2952).
An dieser ins Grundbuch eingetragenen Verdinglichung der Wohnlasten fehlt es
vorliegend. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass der Eigentümerbeschluss vom
07.09.2007 ins Grundbuch als Änderung der Teilungserklärung eingetragen worden wäre.
Insofern fehlt es dem Beschluss an der erforderlichen Publizität und damit der
erforderlichen Veränderung des Sondereigentums.
Nicht ausreichend ist es insoweit, dass der Beschluss im Protokoll der Hausverwaltung
aufgenommen worden ist. Selbst wenn der Beschluss in die nach § 24 Abs. 7 WEG
erforderliche Beschlusssammlung aufgenommen worden wäre, zeitigte dies nicht die für
eine Veränderung des Sondereigentums erforderliche Publizität. Denn Sinn und Zweck
der Beschlusssammlung ist es, einem Erwerber von Wohnungseigentum, den sonstigen
Wohnungseigentümern und dem Verwalter in übersichtlicher Form Kenntnis von der
aktuellen Beschlusslage der Gemeinschaft und damit zusammenhängenden
gerichtlichen Entscheidungen zu geben (Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 24 Rdnr.
131). Sie bewirkt also lediglich eine Publizität innerhalb der Gemeinschaft und hinsichtlich
der durch die Eigentümer gefassten Beschlüsse. Ihr kommt allerdings keine
Registerpublizität zu, dass heißt der Rechtsverkehr kann sich nicht auf die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Beschlusssammlung verlassen (Merle a. a. O.). Und dass die
Beklagte zu 2. vor Eigentumserwerb/Kauf der Wohnung Kenntnis von diesem Beschluss
erlangt hätte, ist nicht vorgetragen. Es gibt nicht einmal Vortrag dazu, dass eine
Beschlusssammlung geführt würde.
Nach alledem war die Klage gegen die Beklagte zu 2. abzuweisen, soweit von ihr
Wohngelder verlangt werden, die vor ihrer Eintragung als Eigentümerin ins Grundbuch
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Wohngelder verlangt werden, die vor ihrer Eintragung als Eigentümerin ins Grundbuch
fällig geworden sind.
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO.
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