Urteil des AG Charlottenburg vom 18.08.2007

AG Charlottenburg: kostenmiete, mietzins, wohnraum, umbau, rückforderung, neubau, öffentlich, vermieter, mietvertrag, wiederherstellung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
223 C 160/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 WoBauG 2, § 12 BGB, § 812
BGB, § 10 WoBindG
Wohnraummiete: Rückforderung von Mieterhöhungszahlungen
wegen irrtümlicher Annahme einer Mietpreisbindung
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die von dem Kläger zu zahlende Netto-Kaltmiete für die von
ihm innegehaltene Wohnung im Hause ... Berlin, 4.OG Mitte, den Betrag von Euro 200,11
nicht übersteigt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 4.579,13 nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 18.08.2007 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf Euro 6.088,73 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Mietzinses für die im Rubrum zu 1. bezeichnete
Wohnung sowie über die Rückzahlung eines Teils des in den Jahren 2004 bis 2007 vom
Kläger entrichteten Mietzinses.
Der Kläger mietete mit schriftlichem Vertrag vom 24.09.1996 (Bl. 4 ff. d. A.) die im
Klageantrag bezeichnete Wohnung von der Beklagten.
Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hatten in dem um 1900 errichteten Gebäude
Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts umfangreiche Arbeiten ausführen lassen.
In dem Seitenflügel, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, wurden u.
a. Grundrisse geändert, Wohnungen zusammengelegt, die vorhandenen Kohleöfen
durch eine Zentralheizung ersetzt, die elektrische Versorgung erneuert und die Fassade
instand gesetzt. Die Wohnungen, die zuvor lediglich über Innentoiletten ohne
Waschbecken verfügten, erhielten Bäder. Die Beklagte nahm hierfür Fördermittel nach
dem II. Wohnungsbaugesetz in Anspruch. Mit Schreiben vom 27.02.1995 an das
Bezirksamt Charlottenburg bat die Beklagte, sämtliche mit öffentlich geförderten Mitteln
sanierte Objekte von der Fehlbelegungsabgabe freizustellen, da die Eigenschaft als
"öffentlich gefördert" sehr zweifelhaft sei.
Zum Mietzins enthält das von den Parteien unterzeichnete Vertragsformular u. a.
Folgendes:
"§ 1 Mietsache
...
(2) Art der Wohnung: Neubau. Die Wohnung ist öffentlich gefördert, mit Mitteln des II.
WoBauG errichtet und zweckbestimmt für: § 46 StBauFG. Die Wohnung ist
preisgebunden.
...
§ 3 Miete und Nebenleistungen
Die vom Wohnungsunternehmen ggf. unter Beachtung des Mietpreisrechts ermittelte
Miete beträgt ab Vertragsbeginn monatlich DM 391,38 .
...
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§ 9 Mietänderungen
Das Wohnungsunternehmen ist berechtigt, die in § 3 Abs. 1 genannte Miete nach
Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – auch rückwirkend – zu ändern. Bei
preisgebundenem Wohnraum gilt die jeweils gesetzlich zulässige Miete als vertraglich
vereinbart. Darüber hinaus erhöht sich die Miete insbesondere:
..."
Nach Abschluss des Mietvertrages fordert die Beklagte den Kläger mehrfach zur
Zahlung eines erhöhten Mietzinses auf. Der Kläger kam dem jeweils widerspruchslos
nach.
Er zahlte in der Zeit von Januar 2004 bis März 2004 Euro 271,10 monatlich, von April
2004 bis März 2005 Euro 291,13 monatlich, von April 2005 bis Februar 2006 Euro 311,47
monatlich, in der Zeit von März 2006 bis Februar 2007 Euro 318,44 monatlich und ab
März 2007 Euro 325,91 monatlich.
Der Kläger ist der Ansicht, dass alle Mieterhöhungen, die ihm seit Beginn des
Mietverhältnisses auf der Grundlage der für den sozialen Wohnungsbau geltenden
Gesetze zugegangen sind, unwirksam seien, da die streitgegenständliche Wohnung nicht
als Neubau anzusehen und deshalb nach dem Vergleichsmietensystem zu behandeln
sei.
Mit der der Beklagten am 17.8.2007 zugestellten Klage beantragt der Kläger,
1. festzustellen, dass die von dem Kläger zu zahlende Netto-Kaltmiete für die von
ihm inne gehaltene Wohnung im Hause ... Berlin, 4.OG Mitte, den Betrag von Euro
200,11 nicht übersteigt,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Euro 4.579,13 nebst 5 % über dem
Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, für die Sanierung der streitgegenständlichen Wohnung insgesamt 72,69
% der Kosten eines vergleichbaren Neubaus aufgewandt zu haben, nach Abzug von
Instandhaltungskosten noch 39,93 %. der Neubaukosten.
Sie ist der Ansicht, dass die Wohnung daher als Neubau zu gelten habe. Auch entfalte
der ihr gegenüber erlassene Bescheid über die Bewilligung öffentlicher Mittel für die
Sanierung des Hauses hinsichtlich der darin getroffenen Feststellung der
Neubaueigenschaft eine Bindungswirkung im hiesigen Verfahren.
Weiterhin sei die Kostenmiete mit entsprechender Erhöhungsmöglichkeit in dem
Mietvertrag zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden und habe der Kläger durch
vorbehaltlose Zahlungen auf die Erhöhungserklärungen einer Erhöhung der vertraglich
vereinbarten Miete auf den jeweils neuen Betrag zugestimmt.
Für den Fall, dass die Klägerin nicht zu einseitigen Mieterhöhungen berechtigt gewesen
sei, habe das Gericht eine Vertragsanpassung dahin vorzunehmen, dass die ortsübliche
Vergleichsmiete geschuldet sei.
Eine Rückforderung der Erhöhungsbeträge käme nicht in Betracht, da die
Mieterhöhungen allenfalls formale Mängel aufgewiesen hätten. Schließlich sei die
Rückforderung der Erhöhungsbeträge durch den Kläger treuwidrig und sie könne ihr
zudem der Einwand der Entreicherung entgegenhalten werden, da die Beklagte im
Vertrauen auf die Wirksamkeit ihrer Mieterhöhungen von anderweitigen
Erhöhungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht habe.
Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
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1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Das gem. § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse des Klägers folgt schon darauf, dass die Beklagte monatlich einen
höheren als den vom Kläger zur Feststellung beantragten Mietzins fordert.
2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn der vom Kläger geschuldete
Mietzins beträgt nach wie vor Euro 200,01 ohne Nebenkosten, wie er im schriftlichen
Mietvertrag vom 24.09.1996 vereinbart wurde. Die von der Beklagten vorgenommenen
einseitigen Mieterhöhungen sind wirkungslos, denn die Beklagte besaß kein Recht zur
einseitigen Änderung der Miethöhe, weder aufgrund der mietvertraglichen Klauseln noch
aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 1 S. 1 des Wohnungsbindungsgesetzes, da es
sich bei der streitgegenständlichen Wohnung nicht um öffentlich geförderten
Wohnungsneubau i. S. des § 1 Abs. 2 und 3 Wohnungsbindungsgesetz handelt. Die
Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 2 des II. Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG), der
hier alleine zu einer Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung als Neubau durch
Umbau führen könnte, liegen nicht vor.
a) An dieser Feststellung ist das Gericht nicht durch einen Bewilligungsbescheid der
zuständigen Förderstelle, der ihm im Übrigen nicht vorliegt, gehindert. Soweit die
Förderstelle im Rahmen der Bewilligung öffentlicher Mittel und der damit einhergehenden
Bindung des Empfängers an die Kostenmiete Aussagen zur Förderungswürdigkeit des
Bauvorhabens trifft, handelt es sich hierbei lediglich um Vorfragen, die von der
Tatbestandswirkung des Bewilligungsbescheides nicht erfasst werden (KG WuM 1985,
387; BVerwG NVwZ 1987, 497).
b) Der Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass die Wohnung des Klägers vor dem
Umbau nicht mehr zu Wohnzwecken geeignet war Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 II. WoBauG,
da sie kein Bad besaß. Für die Auslegung des Tatbestandmerkmals der Wohneignung im
Sinne des § 17 Abs. 1 S. II. WoBauG sind allein die Ziele und Maßstäbe des II. WoBauG
heranzuziehen; ob die Räumlichkeiten tatsächlich bewohnt wurden und aufgrund der
gegebenen Marktlage vermietbar, in Teilen der Bevölkerung aufgrund des Mietpreises
sogar begehrt waren, kommt es hingegen nicht an. Nach dem II. WoBauG waren
Räumlichkeiten jedenfalls dann nicht mehr zum Wohnen geeignet, wenn es ihnen an der
Mindestausstattung gemäß des zum Zeitpunkt des Umbaus geltenden § 40 II. WoBauG
fehlt (BVerwG NJW-RR 1990, 1425, 1427), einer Vorschrift, die im Übrigen im Jahre 1985
nur deshalb aufgehoben wurde, weil die darin geregelten Mindestanforderungen an
Wohnraum mittlerweile selbstverständlich geworden waren (vgl. BT-Drucks. 10/2913, S.
13). Die genannte Vorschrift sah jedoch in Abs. 1 lit. d) ein eingerichtetes Bad oder eine
eingerichtete Dusche nebst Waschbecken vor.
Diese Problematik bedarf im vorliegenden Falle jedoch keiner eingehenderen Erörterung,
denn es fehlt hier jedenfalls an der weiteren Voraussetzung, nämlich an einem mit
wesentlichem Bauaufwand durchgeführten Umbau zur Wiederherstellung der
Wohneignung. Bei den von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen handelt es sich
schon nicht um einen Umbau i. S. d. § 17 Abs. 2 II. WobauG, da hierfür unabhängig von
den Kosten nur die wesentliche Umgestaltung eines bestehenden Gebäudes zu
verstehen ist. Notwendig sind neben haus-, bau- und wohntechnischen Verbesserungen
eine den Wohnungsgrundriss verändernde Modernisierung mit wesentlichen
Veränderungen an der Bausubstanz, die auch das äußere Erscheinungsbild und den
Grundriss der bisherigen Wohnräume nachhaltig umgestalten, wie etwa bei der
Zusammenfassung von mehreren Räumen oder von zu kleinen Wohnungen zu einer
größeren Wohnung (BVerwG a. a. O.). Eine solche Umgestaltung der nunmehr vom
Kläger bewohnten Wohnung hat die Beklagte nicht vorgenommen, denn die
Gesamtgröße der Wohnung blieb ebenso erhalten, wie der wesentliche Zuschnitt der
vorhandenen Räumlichkeiten. Geringfügige Grundrissänderungen erfolgten nur im
Hinblick auf den Einbau des Bades.
c) Schließlich wäre der Umbau auch nicht mit wesentlichem Bauaufwand durchgeführt
worden. Nach einer allgemein anerkannten und auch von den Parteien nicht
angezweifelten Faustregel ist ein Bauaufwand dann als wesentlich anzusehen, wenn er
mit wenigstens einem Drittel der Neubaukosten für vergleichbaren Wohnraum
verbunden ist.
Berücksichtigungsfähig sind dabei allerdings nur solche Aufwendungen, die dadurch
erforderlich wurden, dass die vorhandenen Räumlichkeiten ihre Eignung zu Wohnzwecken
gerade aufgrund der geänderten Wohngewohnheiten verloren hatten. Unberücksichtigt
müssen also sämtliche Aufwendungen bleiben, die aus anderen Gründen zur
Wiederherstellung der Wohneignung erforderlich waren, namentlich
Instandsetzungskosten (LG Berlin GE 2004, 1299, 1300).
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Dies stellt die Beklagte offenbar wohl auch nicht in Abrede, da sie von den behaupteten
79,69 % der Neubaukosten nur noch 39,93 % nach Abzug der Instandhaltungskosten ins
Feld führt. Weiterhin sind aber auch solche Aufwendungen nicht zu berücksichtigen, die,
ohne den eigentlichen Ausbauzwecken Rechnung zu tragen – hier der Anpassung an die
geänderten Wohngewohnheiten – lediglich in Erfüllung von Sonderwünschen des
Bauherrn vorgenommen werden (BVerwGE 38, 286, 289). Dies betrifft u. a. die Kosten
für Kücheneinrichtung und Gasherd, Bodenbeläge und Briefkasten. Wie sich wiederum
aus § 40 Abs. 1 lit. f) II. WoBauG ergibt, war selbst der Einbau einer Zentralheizung nicht
zur Wiederherstellung der Wohneignung erforderlich, da nach dieser Vorschrift bereits
der Anschluss für einen Ofen ausreichte, die Wohnung aber unstreitig mit Öfen
ausgestattet war.
Letztlich verbleiben praktisch allein die Kosten des Badeinbaus als
berücksichtigungsfähig, die jedoch das erforderliche Drittel der Kosten eines
vergleichbaren Neubaus bei weitem nicht erreichen.
d) Da die streitgegenständliche Wohnung somit die Voraussetzungen eines mit
öffentlichen Mitteln geförderten Neubaus nicht erfüllt, sind die mietvertraglichen
Vereinbarungen in § 1 Abs. 2 und § 9 des Mietvertrages, nach denen sich die Beklagte
das Recht zur Erhebung der Kostenmiete einräumen ließ, gem. § 10 Abs. 1 MHG (bzw. §§
557 Abs. 4, 558 Abs. 6, 558a Abs. 5 BGB i. d. seit dem 01.09.2001 geltenden Fassung)
unwirksam, denn sie weichen zum Nachteil des Mieters von den zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses geltenden Bestimmungen des Miethöhegesetzes (bzw. den §§ 557-
559 n. F. BGB) ab. Rechtliche Nacheile aus dem System der Kostenmiete ergeben sich
für den Mieter vor allem daraus, dass Mieterhöhungen ohne Einhaltung von
Kappungsgrenzen und Wartefristen – sogar rückwirkend – geltend gemacht werden
können, und dass sich der Mieter dem Risiko einer fristlosen Kündigung aussetzt für den
Fall, dass sich ein Nichtbefolgen der Mieterhöhung im Nachhinein als unberechtigt
erweist (BGH GE 2007, 510).
Ob diesen Nachteilen wirtschaftliche Vorteile in Form einer niedrigeren Miete gegenüber
stehen, ist bereits zweifelhaft, denn es ist nicht mehr völlig ausgeschlossen, dass die
Kostenmiete die ortsübliche Vergleichsmiete preisfreien Wohnraums übersteigt. Dies
kann jedoch dahinstehen, denn das Gesetz enthält keine Ausnahmen von der
Unwirksamkeit einer dem Mieter nachteiligen Vereinbarung. Es würde auch dem
Schutzzweck der die Mieterhöhungen für preisfreien Wohnraum regelnden Vorschriften
widersprechen, wenn der Vermieter sie durch Gewährung (vermeintlicher) anderweitiger
Vorteile abbedingen könnte (vgl. BGH a. a. O).
e) Die von der Beklagten geltend gemachten Mieterhöhungen haben auch nicht deshalb
zu einer Erhöhung der vertraglich geschuldeten Miete geführt, weil der Kläger die
geforderten Zahlungen vorbehaltlos geleistet hat. Zwar wäre eine vertragliche
Vereinbarung, nach der sich während eines bestehenden Mietverhältnisses die Miete um
einen bestimmten Betrag erhöhen soll, rechtlich nicht zu beanstanden, jedoch kann
dem Verhalten der Parteien ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille nicht
entnommen werden.
Es liegt zwar auf der Hand, dass der Vermieter, der von seinem Mieter die Zahlung einer
erhöhten Miete fordert, auch daran interessiert ist, dass sich der geschuldete Mietzins
entsprechend erhöht. Aus der Sicht eines verständigen Mieters stellt sich die auf eine –
wirksame oder unwirksame – vertragliche Klausel gestützte Mieterhöhungserklärung
aber lediglich als Ausübung des Bestimmungsrechts dar, die den Mieter zur Zahlung
verpflichtet, und nicht als ein Angebot zur Änderung des Mietzinses, das der Mieter
annehmen oder ablehnen kann. Deshalb durfte die Beklagte der Zahlung der erhöhten
Miete auch keinen Erklärungsinhalt beimessen (BGH NJW-RR 2005, 1464 f. mit
zahlreichen weiteren Nachweisen).
f) Wenn der ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarte Mietzins i. H. Euro 200,11 in
der Vergangenheit somit nicht wirksam verändert worden ist, kann die Beklagte
nunmehr auch nicht im Wege der Vertragsanpassung gem. § 313 Abs. 1 u. 2 BGB eine
Erhöhung des Mietzinses – etwa auf die aktuelle ortsübliche Miete für vergleichbaren
Wohnraum – verlangen, da die Voraussetzungen einer solchen Anpassung wiederum
nicht vorliegen.
Hierfür wäre nötig, dass sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages
geworden sind, nach Vertragsschluss als falsch herausgestellt haben, und dass der
Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten
Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann.
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Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann.
Es ist bereits nahe liegend, die zutreffende Einordnung einer Wohnung in das jeweilige
System (Vergleichs- oder Kostenmiete) schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem
Risikobereich des Vermieters zuzuordnen. Im vorliegenden Fall ist der Beklagten ein
Festhalten an dem Mietvertrag jedenfalls nicht unzumutbar. Die Beklagte hat bereits mit
Schreiben an das Bezirksamt Charlottenburg vom 27.02.1995, also vor Abschluss des
Mietvertrages mit dem Kläger, ihre eigenen Zweifel an der Neubaueigenschaft ihrer
Wohnungen in dem gesamten Sanierungsgebiet geäußert. Soweit der Beklagten damit
nicht schon der Irrtum über die Geschäftsgrundlage abgesprochen werden muss, war es
für sie bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Beklagten jedoch zumindest
vorhersehbar, dass sich die vorgesehenen Mietsteigerungen aus Rechtsgründen nicht
realisieren lassen würden. Die Folgen dieses bewusst übernommenen Risikos kann sie
nicht im Nachhinein auf den Kläger abzuwälzen.
II.
Auch die Zahlungsklage, gerichtet auf Rückzahlung zuviel geleisteten Mietzinses, ist
zulässig und begründet.
Soweit der Kläger einen den Betrag von Euro 200,11 übersteigenden Mietzins von Januar
2004 bis Juli 2007 an die Beklagte gezahlt hat, hat er diese Leistung mangels rechtlicher
Verpflichtung ohne rechtlichen Grund erbracht und kann er daher gem. § 812 Abs. 1 S. 1
BGB die Rückzahlung der zuviel geleisteten Teilbeträge verlangen. Der vom Kläger
verlangte Rückzahlungsbetrag in Höhe von Euro 4.579,13 ist zutreffend ermittelt; auf die
Berechnung in der Klageschrift, Bl. 3 d. A., wird Bezug genommen.
1. Der Bereicherungsanspruch scheitert nicht daran, dass die Mieterhöhungserklärungen
nur formale Fehler aufgewiesen hätten. Die von der Beklagten herangezogene
Entscheidung des BGH (NJW 1982, 1587) ist mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar, da
dort die jeweilige Kostenmiete über eine Gleitklausel wirksam als vertragliche Miete
vereinbart worden war. Somit war die einer bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen
Form entsprechende Mieterhöhungserklärung nicht Anspruchsvoraussetzung für die
erhöhte Miete. Die formalen Mängel begründeten lediglich eine vorübergehende Einrede
bis zu ihrer jederzeit möglichen Heilung. Daher stellt der BGH dort zutreffend darauf ab,
dass nach § 813 BGB das trotz einer vorübergehenden Einrede Geleistete nicht zurück
gefordert werden kann. Hier war aber vom Kläger die jeweilige Kostenmiete nicht
geschuldet, da die entsprechenden Klauseln des Mietvertrages unwirksam waren (s. o.).
2. Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB
berufen. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar, da sich sonst ein Vermieter auf dem
Umweg über § 818 Abs. 3 BGB die Vorteile einer unwirksamen Mieterhöhung entgegen
dem Schutzzweck der §§ 557-559 BGB (bzw. des MHG damals) erhalten könnte (vgl.
BGH GE 2005, 1183 f). Zudem fehlt es an jeglicher Darlegung, welche konkreten
Mieterhöhungen die Beklagte unterlassen habe (vgl. BGH GE 2007, 510), so dass schon
nicht erkennbar und damit auch nicht überprüfbar ist, ob die Beklagte tatsächlich eine
höhere als die bei Vertragsbeginn vereinbarte Miete hätte erzielen können.
3. Der Rückforderungsanspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung
käme nur dann in Betracht, wenn – abgesehen vom bloßen Zeitablauf – für die Beklagte
Umstände vorgelegen hätten, die ein besonderes Vertrauen darauf rechtfertigen
konnten, dass Rückforderungsansprüche nicht mehr geltend gemacht würden. Der
bloßen Zahlung des Erhöhungsbetrages ist nicht nur kein Erklärungsgehalt beizumessen
(s. o), er schafft keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass das Geleistete nicht
zurückgefordert werde (BGH GE 2005, 1183).
4. Nach Auffassung des Gerichts ist die Rückforderung über Jahre hinweg vorbehaltlos
gezahlter Beträge auch nicht aufgrund der gesamten Umstände, insbesondere der
Schutzbedürftigkeit der Beteiligten, als treuwidrig anzusehen. Bei dieser
Gesamtwürdigung kann nämlich wiederum nicht unberücksichtigt bleiben, dass die
Beklagte über den gesamten Zeitraum hinweg wusste, dass die Neubaueigenschaft der
streitgegenständlichen Wohnung und damit auch ihrer Mieterhöhungen zumindest
äußerst zweifelhaft war, so dass ein eventuelles Vertrauen darauf, die Erhöhungsbeträge
endgültig behalten zu können, nicht besonders schutzwürdig ist.
5. Der Rückzahlungsbetrag ist gem. §§ 288 Abs. 1. 286 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB wie
beantragt zu verzinsen.
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1. Die Entscheidungen über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
2. Der Streitwert der Feststellungsklage war in entsprechender Anwendung von § 41 Abs.
5 GKG auf Euro 1.509,60 (12 x Euro 125,80) festzusetzen. Zuzüglich des Betrages aus
der Zahlungsklage ergab sich der festgesetzte Betrag von Euro 6.088,73.
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