Urteil des AG Charlottenburg vom 14.03.2017

AG Charlottenburg: wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, verbotene eigenmacht, vermieter, installation, erneuerung, mietwohnung, rechtspflicht, stromversorgung, erhaltung, anerkennung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
218 C 441/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 BGB, § 858 BGB, § 861
Abs 1 BGB
Wohnraummiete: Wiederherstellungsanspruch des Mieters bei
Verlegung des Stromzählers aus der Wohnung in den Keller
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, im Hause ... den Stromzähler, der den Stromverbrauch
der im rechten Seitenflügel des Hauses im zweiten Obergeschoss gelegenen
Mietwohnung der Klägerin misst, vom Keller wieder an den alten Standort in der
Wohnung der Klägerin umzusetzen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht ein Wohnungsmietverhältnis über die im Hause ...
belegene Wohnung. Zum Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung durch die Klägerin
befand sich der Stromzähler innerhalb der Wohnung.
Der Beklagte als Vermieter führte im Jahre 2006 u. a. Strang- und
Leitungsinstandsetzungen durch und beabsichtigte, auch die Stromleitungen – die
elektrischen Hausanschlüsse und die elektrischen Zuleitungen zu den der Wohnungen –
neu zu installieren; der Beklagte kündigte u. a. an, gleichzeitig mit der Erneuerung der
Stromversorgungsleitungen auch die Stromzähler aus den Wohnungen
herauszunehmen und zentral in einen Zählerschrank im Keller zu verlegen. Die Klägerin
hat der Umsetzung des Stromzählers mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom
09.08.2006, auf das Bezug genommen wird, widersprochen (siehe Bl. 5, 6 d. A.).
Nachdem am 10.08.2006 die Stromversorgung in der Wohnung der Klägerin gekappt
worden war, teilte der für den Beklagten tätige Bauleiter der Klägerin mit Schreiben vom
11.08.2006 (Bl. 7 d. A.) mit, dass diese vor Wiederherstellung der Stromversorgung
entscheiden müsse, ob der Stromzähler in den Keller verlegt werden könne oder ob ein
kostenpflichtiger Zwischenzähler in ihrer Wohnung installiert werden solle; es besteht
Einigkeit zwischen den Parteien darüber, dass – trotz eines installierten Zwischenzählers
in der Wohnung – der Haupt-Stromzähler für die Wohnung im Keller zentral installiert
wird. Die Klägerin stimmte unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung und ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht der Umsetzung ihres Stromzählers in den Keller zu
(siehe Bl. 8 d. A.).
Die Klägerin begehrt nunmehr die Wiederherstellung der Installation des Stromzählers in
ihrer Wohnung.
Die Klägerin behauptet, sie habe der Umsetzung nur unter dem Druck eines etwaigen
Baustopps und damit verbundener drohender Schadenersatzforderungen unter
Vorbehalt zugestimmt; zudem wäre ihre Wohnung bei Weigerung der Zustimmung zur
Zählerverlegung nicht mit Strom versorgt worden. Sie meint, dass durch die zentrale
Anordnung der Stromzähler im Keller gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen
werde, weil ihre persönlichen Daten des Stromverbrauchs offenkundig gemacht würden.
Darüber hinaus sei sie schwerbehindert und in ihrer Leistungsfähigkeit stark
eingeschränkt, so dass ihr das Treppensteigen in den Keller schwer falle. Außerdem
werde durch die Anbringung des Stromzählers außerhalb der Wohnung der Zugriff
unberechtigter Dritter auf ihren Stromzähler und damit die Gefahr eines
Stromabzapfens erhöht, zudem in den vergangenen Jahren unberechtigtes
Stromabzapfen vorgekommen sei.
Der Beklagte habe durch die Verlegung des Stromzählers aus der Wohnung den
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Der Beklagte habe durch die Verlegung des Stromzählers aus der Wohnung den
zwischen den Mietparteien bei Vertragsabschluss als vertragsgerecht vorausgesetzten
Zustand der Wohnung einseitig verletzt, da die Installation des Stromzählers in der
Wohnung zur Beschaffenheit der Wohnung gehöre; jedenfalls komme der Klägerin
insoweit Besitzschutz zu.
Die Klägerin bestreitet, dass der Beklagte bei Erneuerung der Steigeleitungen und der
Zuleitungen zur Wohnung aufgrund der Technischen Anschlussbedingungen (TAB 2000)
zwingend gehalten gewesen sei, den Stromzähler aus der Wohnung zu entfernen und
zentral im Keller zu installieren.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, im Hause ... den Stromzähler, der den Stromverbrauch
der im rechten Seitenflügel des Hauses im zweiten Obergeschoss gelegenen
Mietwohnung der Klägerin misst, vom Keller wieder an den alten Standort in der
Wohnung der Klägerin umzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, es sei ihm auf der Grundlage der TAB 2000 untersagt, in
Wohnungen von Mehrfamilienhäusern Stromzählerschränke zu installieren; er müsse
sich als Eigentümer und Vermieter an die Regelungen und Feststellungen des
Stromversorgers (hier: Vattenfall AG) halten.
Der Verlegung des Stromzählers in den Keller würden die mietvertraglichen
Vereinbarungen nicht entgegenstehen, weil der Stromzähler nicht mitvermietet worden
sei. Es sei auch keine Verletzung datenschutzrechtlicher Belange der Klägerin zu
besorgen, weil der im verschlossenen Keller angebrachte Stromzähler vor Einblicken
durch unberechtigte Dritte geschützt sei. Zudem sei es der Klägerin möglich, sich –
neben dem zentral angebrachten Hauptzähler im Keller – einen Zwischenzähler in ihrer
Wohnung installieren zu lassen, um in der Wohnung den Stromverbrauch ablesen zu
können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Wiederherstellung des bisherigen
Zustandes der Wohnung und auf Installation des Stromzählers (aus dem Keller) in ihre
Wohnung (§§ 535 Abs. 1, 858, 861 Abs. 1 BGB).
Aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnis ist der Beklagte als
Vermieter verpflichtet, während der Mietzeit die Wohnung in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten. Dazu
gehört auch, dass die Wohnung mit der Beschaffenheit zu überlassen und zu erhalten
ist, wie sie zwischen den Mietparteien bei Abschluss des Mietvertrages als
vertragsgemäß vorausgesetzt worden ist; das bedeutet u. a., dass weiterhin in der
Wohnung der die Wohnung betreffende Stromzähler installiert ist. Will eine Mietpartei von
dieser Beschaffenheit abweichen, hat sie dies mit der anderen Mietpartei zu
vereinbaren, wobei die die Veränderung anstrebende Partei ggf. ihren betreffenden
Anspruch klageweise durchsetzen kann. Jedoch ist es der eine Veränderung der
Mietsache anstrebenden Mietpartei untersagt, die Veränderung durch einseitigen Akt zu
vollziehen bzw. die andere Mietpartei durch unzulässige Druckmaßnahmen dazu zu
bringen, sich auf die angestrebte Veränderung einzulassen. Ein solches Verhalten ist im
Ergebnis als verbotene Eigenmacht und Entzug des Besitzes hinsichtlich des hier
streitbefangenen Stromzählers zu würdigen.
Dies gilt auch für den Fall, dass die Platzierung des Stromzählers in der Wohnung im
Mietvertrag nicht ausdrücklich vereinbart worden ist; denn die Platzierung des
Stromzählers in der Wohnung bei Abschluss des Mietvertrages gehört u. a. zur
Beschaffenheit der Wohnung, die vom Vermieter zu erhalten ist.
Es ist von der Klägerin unbestritten vorgetragen worden, dass der Beklagte als
Vermieter nach dem Neuverlegen der Stromsteige- und -zuleitungen die anschließende
Versorgung der Wohnung der Klägerin davon abhängig gemacht hat, dass die Klägerin
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Versorgung der Wohnung der Klägerin davon abhängig gemacht hat, dass die Klägerin
der Verlegung des Stromzählers in den Keller zustimmt. Dies hat die Klägerin ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung
getan und damit dem rechtswidrigen Druck des Beklagten nachgegeben, sich jedoch die
Möglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes vorbehalten. Da die
gerichtliche Überprüfung ergeben hat, dass die vom Beklagten verlangte Entfernung des
Stromzählers aus der Wohnung und dessen Platzierung in einem zentralen
Zählerschrank im Keller nicht begründet und auch nicht unabwendbar ist, ist der
Stromzäher wieder in die Wohnung der Klägerin zurückzuversetzen.
Die Klägerin kann die Zurückversetzung des Stromzählers in ihre Wohnung unter dem
Aspekt der Erhaltung bzw. Wiederherstellung des vertraglich vereinbarten Zustandes der
Wohnung verlangen, wobei sie sich insoweit auch auf Bestandsschutz berufen kann; im
Übrigen wird auf die vorhergehenden Ausführungen zur Erhaltung des vereinbarten
Zustandes der Wohnung verwiesen.
Darüber hinaus hat die Klägerin ein erhebliches und berechtigtes Interesse daran, dass
der Stromzähler weiter in der Wohnung installiert ist. Denn durch die zentrale Anordnung
des Stromzählers in einem Zählerschrank mit einer Vielzahl von Stromzählern ist es
allen Mietern möglich, sich Kenntnis über die Verbrauchsgewohnheiten der jeweils
anderen Mieter zu verschaffen, weil die einzelnen Stromzähler identifizierbar bezeichnet
worden sind; dies ist auch notwendig, weil ansonsten der Stromversorger (Vattenfall) bei
Ablesungen der Stromzähler diese nicht zuordnen kann. Dies verletzt den Datenschutz
der Klägerin.
Ferner ist die schwerbehinderte Klägerin dadurch belastet, dass sie zur ständigen
Beobachtung ihres Stromverbrauchs häufig in den Keller laufen muss, was ihr nicht
zuzumuten ist.
Letztlich kann der Beklagte nicht mit seinem Vorbringen durchdringen, dass er zwingend
gehalten sei, die Stromzähler in einem Mehrfamilienhaus in einem zentralen
Zählerschrank im Keller anzuschließen. Dies ergibt sich nämlich nicht eindeutig aus den
vom Beklagten angezogenen Regelungen und Vorschriften.
So sieht § 17 Abs. 1 AVB EltV zwar die Berechtigung der Versorgungsunternehmen vor,
Technische Anschlussbedingungen zu erlassen und darin technische Anforderungen zu
bestimmen, die für die sichere und störungsfreie Versorgung mit Elektrizität notwendig
sind; jedoch ist in dieser Rechtsvorschrift nicht zwingend vorgeschrieben, dass die
sichere und störungsfreie Versorgung die zentrale Anordnung von Stromzählern
außerhalb von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern erfordert. Zwar sehen die TAB 2000
in Nr. 7.3. vor, dass Zählerschränke in leicht zugänglichen Räumen unterzubringen sind
und in Wohnungen nicht vorgesehen werden dürfen. Abgesehen davon, dass diese
Bedingungen nicht für bestehende, sondern neu geschaffene Stromanschlüsse gelten,
ergibt sich daraus gerade nicht, dass diese Festlegungen wegen der sicheren und
störungsfreien Versorgung getroffen worden sind; vielmehr soll dadurch erreicht werden,
dass in einem Mehrfamilienhaus Stromzählerschränke vom Versorgungsunternehmen
leicht und zentral erreicht werden können, was jedoch mit einer sicheren und
störungsfreien Versorgung wenig zu tun hat. Dementsprechend sehen die Allgemeinen
Bedingungen des Netzbetreibers Vattenfall AG unter § 14 u. a. vor, dass der
Netzbetreiber zwar grundsätzlich den Anbringungsort von Stromzählern bestimmt,
jedoch bei abweichenden Interessen des Anschlussnehmers diesen anhört und aufgrund
der Anhörung von diesem Grundsatz abweichende Entscheidungen treffen kann. Dies ist
dem Beklagten bekannt gewesen, er hat jedoch – trotz der Einwände der Klägerin – noch
nicht einmal versucht, mit dem Netzbetreiber eine für die Klägerin abweichende
Vereinbarung zu treffen.
Da es zu dieser Rechtsfrage kaum eine obergerichtliche Rechtsprechung gibt und es sich
um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt sowie die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, war
die Berufung zuzulassen (§ 511 Abs. 4 ZPO).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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