Urteil des AG Charlottenburg vom 11.10.2006

AG Charlottenburg: einrede des nichterfüllten vertrages, treu und glauben, karte, fristlose kündigung, verzug, kaution, vollstreckung, vertragsschluss, agb, sicherheitsleistung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
203 C 556/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 305c Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S
1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, §
320 BGB
AGB-Klausel eines Mobilfunkunternehmens: Aktivierung der SIM-
Karte gegen Stellung einer Sicherheit
Tenor
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 11.10.2006 – 06-5156590-
0-4 – wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der
Säumnis der Beklagten, die diese trägt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung abwenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie
vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung offener Rechnungen bzw. Schadensersatz aus
einem Mobilfunkvertrag. Mitte 2005 schloss die Beklagte mit dem klagenden
Mobilfunkunternehmen einen "Handy-Vertrag". Die SIM-Karte wurde noch am Tag des
Vertragsschlusses aktiviert, so dass die Beklagte die Mobilfunkdienste der Klägerin in
Anspruch nehmen konnte. Neun Tage später deaktivierte die Klägerin die Karte. Auf
telefonische Nachfrage der Beklagten nach dem Grund der Deaktivierung teilte die
Klägerin ihr unter Berufung auf Ziffer 2.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit, sie
solle zuerst eine Sicherheit in Höhe von 500,00 Euro leisten. Die Klausel lautet:
Die Beklagte leistete die Sicherheit nicht. Die SIM-Karte blieb deaktiviert. Die dennoch
von der Klägerin versandten und zunächst auch beglichenen Rechnungen wurden dann
ab September 2005 nicht mehr von der Beklagten gezahlt, was die Klägerin zum Anlass
nahm, den Vertrag Ende Dezember 2005 fristlos zu kündigen. Die Klägerin verlangt
nunmehr Ausgleich der ausstehenden Rechnungsbeträge September bis Dezember
2005 und Schadensersatz hinsichtlich der bis zum Ende der vorgesehenen
Vertragslaufzeit noch ausstehenden Grundgebühren. Am 11. Oktober 2006 ist über
diese und verschiedene auf Verzug begründete Nebenforderungen ein
Vollstreckungsbescheid ergangen, der der Beklagten am 13. Oktober 2006 zugestellt
wurde und gegen den sie am 24. Oktober 2006 Einspruch eingelegt hat.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 11. Oktober 2006 Nr. 06-
5156590-0-4 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin gestellten Rechnungen sind nicht fällig,
da den zugrunde liegenden Ansprüchen die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. §
320 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegensteht. Die Klägerin hat ihre vertragliche Leistung nicht
erbracht, da sie die SIM-Karte der Beklagten bereits neun Tage nach Vertragsschluss
wieder deaktiviert und in der Folgezeit nicht wieder freigeschaltet hat. Aus diesem Grund
ist auch die fristlose Kündigung der Klägerin unwirksam, da sich die Beklagte zu keinem
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ist auch die fristlose Kündigung der Klägerin unwirksam, da sich die Beklagte zu keinem
Zeitpunkt im Verzug befand. Ein Anspruch auf Schadensersatz oder aus Verzug
begründeter Nebenforderungen scheidet danach ebenfalls aus.
Die Klägerin ihrerseits kann sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der nicht
geleisteten Sicherheit gem. Ziffer 2.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen.
Die Klausel ist nicht Vertragsbestandteil geworden, da sie gem. § 305 c Abs. 1 BGB nach
den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so
ungewöhnlich sind, dass die Beklagte mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Der Kunde soll
in jedem Falle darauf vertrauen dürfen, dass sich die einzelnen Regelungen im Großen
und Ganzen im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des
Vertrages erwartet werden kann (BT-Drucks. 7/3919, S. 19; vgl. auch BGH DB 1975,
2366, 2367 f.). Die Beklagte musste nicht damit rechnen, dass sich unter der Ziffer 2 der
AGB eine Bestimmung findet, die den Pflichtenkreis des Mobilfunkkunden in erheblichem
und nicht abzuschätzenden Umfang erweitert, da die Ziffer 2 mit "Prüfung der
Kreditwürdigkeit, Nachträgliche Verschlechterung der Kreditwürdigkeit" überschrieben ist.
Unter der Ziffer 4 "Zahlungsverpflichtung, (...)" findet sich hingegen kein Hinweis darauf,
dass es dem Mobilfunkunternehmen gestattet sein soll, die eigene Leistungserbringung
von der Zahlung einer Kaution (oder Stellung einer Bankbürgschaft) abhängig zu
machen.
Selbst wenn die Klausel Vertragsinhalt geworden wäre, erscheint es bereits zweifelhaft,
ob die Klausel nach ihrem Wortlaut überhaupt einschlägig ist. Danach kann das
Mobilfunkunternehmen die der SIM-Karte von der Stellung einer
angemessenen Sicherheit . Ob das Mobilfunkunternehmen auch
berechtigt sein soll, eine einmal freigeschaltete Karte – wie hier geschehen –
nachträglich wieder zu , lässt sich dem Wortlaut unmittelbar nicht
entnehmen, wobei dieser Zweifel bei der Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten
der Klägerin geht. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da die Klausel – eine
Einbeziehung in den Vertrag vorausgesetzt – ohnehin unwirksam ist.
Die Klausel benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten
von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) und verstößt
insbesondere gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Transparenzgebot.
So hat die Rechtsprechung einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen,
wenn der Verwender den Kunden über den Inhalt seiner Rechte und Pflichten im unklaren
gelassen und damit das Gebot einer möglichst weitgehenden Konkretisierung und
Bestimmtheit des Klauselinhalts verletzt hat. Bedingt sich der Verwender beispielsweise
einen Vorbehalt zur Änderung von Preis (BGHZ 82, 21, 26 f. = NJW 1982, 331, 332;
BGHZ 94, 335, 339 f. = NJW 1985, 2270; LG Halle VuR 1995, 48, 49), Zins (BGHZ 97,
212 = NJW 1986, 1803), "Marktverantwortungsgebiet" (BGHZ 89, 206, 211 = NJW 1984,
1182) oder Umfang der Gewährleistungshaftung (BGHZ 93, 29, 47 = NJW 1985, 623,
627) aus, so liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, wenn der Verwender
nicht hinreichend konkret die Voraussetzungen benennt, von denen die Ausübung des
Vorbehalts oder des Änderungsrechts abhängig sein soll, da der Verwender sich für die
Ausübung seiner Rechte ein mehr oder weniger schrankenloses Ermessen ausbedingt
und den Kunden dadurch in einen Zustand der Unsicherheit versetzt, den dieser nicht –
auch nicht durch Einholung fachmännischen Rates – beheben kann (MüKo/Basedow,
BGB 4. Aufl., § 307 Rn. 50; vgl. OLG Düsseldorf VuR 1998, 124, 125). Ebenso wurde
entschieden für den Vorbehalt eines Rücktrittsrechts in den AGB eines
Mobilfunknetzbetreibers, wenn der Kunde nicht erkennen kann, nach welchen Kriterien
seine Kreditwürdigkeit geprüft wird (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 374).
Gleiches gilt hier. Der Klausel lässt sich weder entnehmen, unter welchen
Voraussetzungen die Klägerin die Aktivierung der SIM-Karte von der Stellung einer
Sicherheit abhängig macht, noch, in welcher Höhe eine Sicherheit gefordert wird. Dies
führt im Ergebnis zu einer gravierenden Unbilligkeit, da nicht etwa der Vertragsschluss
durch die Stellung einer Sicherheit bedingt ist, sondern die eigene Leistungserbringung
des Mobilfunkunternehmens, nachdem der Vertrag bereits geschlossen wurde. Kann der
Kunde die nachträglich geforderte Kaution – bezüglich deren Höhe er faktisch der
willkürlichen Bestimmung des Mobilfunkunternehmens ausgesetzt ist – nach seiner
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht erbringen, so wäre er bei Wirksamkeit der
Klausel gleichwohl zur Zahlung der monatlichen Basispreise für die gesamte
Vertragslaufzeit verpflichtet, obwohl er hierfür wegen fortdauernder Deaktivierung seiner
SIM-Karte keinerlei Gegenleistung erhält. Eine solche unbestimmte Klausel ist unbillig
und auch nicht erforderlich, möglicherweise berechtigte Interessen des
Mobilfunkanbieters zu wahren.
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Ob die Klausel wirksam wäre, wenn sie die Kriterien für die Verpflichtung zur
Sicherheitsleistung offenlegen, eine betragsmäßige Begrenzung der Höhe enthalten und
ein vorbehaltloses Kündigungsrecht des Kunden vorsehen würde für den Fall, dass von
ihm nachträglich die Stellung einer Sicherheit verlangt wird, muss an dieser Stelle nicht
entschieden werden. Jedenfalls würde auch eine derart eingeschränkte Klausel die
Interessen des Mobilfunkunternehmens noch in hinreichendem Maße berücksichtigen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 700 Abs. 1, 344, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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