Urteil des AG Charlottenburg vom 06.03.2008

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
229 C 130/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 93 ZPO
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Beklagte ist Redakteur der Zeitschrift „…“ . Wegen Beiträgen über eine Erkrankung
von Frau … erwirkte diese gegen ihn am 6. März 2008 eine einstweilige Verfügung des
Landgerichts Berlin, wegen deren Inhaltes im einzelnen auf die Anlage K7 (Bl. 26ff d.A.)
Bezug genommen wird. Diese einstweilige Verfügung wurde bestätigt durch Urteil vom 8.
Mai 2008 (Anlage K10, Bl 32ff d.A.). Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2008 wurde gegen das
Urteil Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 23. Juni 2008, wegen dessen Inhaltes im
einzelnen auf die Anlage K11 (Bl. 40f d.A.) d.A. Bezug genommen wird, forderte die
Klägerin namens und in Vollmacht von Frau … den Beklagten zur Abgabe der
Abschlusserklärung auf. Am 25. Juni 2008 (Anlage K12, Bl. 42 d.A.) erhielt die Klägerin
vom Kammergericht Mitteilung über den Eingang der Berufungsschrift gegen das
vorgenannte Urteil vom 8. Mai 2008. Nachdem das Kammergericht auf die
Erfolglosigkeit der Berufungseinlegung hingewiesen hatte, gab die Beklagtenseite die
Abschlusserklärung am 2. Februar 2009 (Anlage K13, Bl 43 d.A.) ab.
Auf der Grundlage des Abtretungsvertrages gemäß Anlage K16 (Bl. 47 d.A.) macht die
Klägerin Ansprüche von Frau … im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Abgabe
der Abschlusserklärung geltend gemäß Berechnung auf Seite 7 der Klageschrift (Bl. 7
d.A.).
Die Klägerin meint, es komme für die Erstattungsfähigkeit insbesondere darauf an, dass
sie erst nach Fertigung des Abschlussschreibens von der Berufungseinlegung Kenntnis
erlangte .
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1761,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2009 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte, aus dessen Sicht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung von Frau … zu
verneinen ist, meint, die Notwendigkeit für die Aufforderung zur Abgabe der
Abschlusserklärung sei mit der Einlegung der Berufung und somit vor der Aufforderung
vom 23. Juni 2008 endgültig entfallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, u.a. der unterschiedlichen Auffassungen der Parteien
zur Gebührenhöhe, wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen .
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht kein Anspruch auf Ausgleich von Kosten zu,
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Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht kein Anspruch auf Ausgleich von Kosten zu,
die durch die Aufforderung vom 23. Juni 2008 zur Abgabe der Abschlusserklärung
entstanden sind.
Frau … stand unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes kein
Freihaltungsanspruch gegen den Beklagten zu.
Die Kosten der Rechtsverfolgung und deshalb auch die Kosten eines mit der Sache
befassten Rechtsanwaltes, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten
erforderlich und zweckmäßig waren, gehören grundsätzlich zu dem wegen einer
unerlaubten Handlung zu ersetzenden Schaden (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2008, VI
ZR 176/07, Rn 5, zitiert nach juris).
Das Abschlussschreiben vom 23. Juni 2008 war weder erforderlich noch zweckmäßig,
nachdem die Beklagtenseite bereits mit Schreiben vom 19. Juni 2008 Berufung eingelegt
hatte und damit zu erkennen gegeben hat, dass sie die Entscheidung des Landgerichts
Berlin nicht anerkennen will.
Aus der von der Klägerseite herangezogenen Rechtsprechung des BGH zur sog.
subjektbezogenen Schadensbetrachtung ergibt sich nicht, dass bei einem
Auseinanderfallen von objektiver Lage (vorliegend in Form der bereits erfolgten
Berufungseinlegung) und subjektiver Sicht (Unkenntnis der Beklagten von der
Berufungseinlegung) auf die subjektive Sicht abzustellen ist. Denn nach dieser
Rechtsprechung sind vielmehr lediglich die individuellen Möglichkeiten und Belange des
Geschädigten unter Berücksichtigung individueller Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten
sowie dessen eigene Sachkunde zu berücksichtigen (vgl. zB BGH, Urteil vom 2. Juli 1996
X ZR 64/94, Urteil vom 9. Mai 2006 VI ZR 117/05, Urteil vom 4. April 2006, VI ZR 338/04,
Urteil vom 14. Februar 2006 VI ZR 126/95 sowie VI ZR 32/05, Urteil vom 19. Februar
2008 VI ZR 32/07, Urteil vom 29. April 2010 I ZR 68/08, Urteil vom 12. Dezember 2006 VI
ZR 188/05). Zu der hier streitgegenständlichen Konstellation verhält sich die
vorgenannte Rechtsprechung bereits nicht. Im übrigen hätte zum Beispiel insbesondere
die Möglichkeit bestanden, über eine - entgegen der von dem Klägervertreter
geäußerten Ansicht im Verhandlungstermin - wegen § 19 Abs. 1 S 2 Nr. 9 RVG
gebührenfreien Rechtskraftanfrage, sich Kenntnis von einer etwaigen
Berufungseinlegung zu verschaffen.
Auch aus der von der Klägerseite herangezogenen Entscheidung des Kammergerichts
vom 25. September 2009 zur Geschäftsnummer 9 U 64/09 (Anlage K19), wonach bei
einem in Kenntnis der Berufungseinlegung versandten Abschlussschreiben hierfür
entstandene Gebühren nicht erstattungsfähig sind, kann nicht der Umkehrschluss
gezogen werden, dass bei Unkenntnis von der Berufungseinlegung diese Gebühren
erstattungsfähig sind.
Das Ergebnis, dass der Geschädigte das Risiko eines Auseinanderfallens von objektiver
Lage und subjektiver Sicht trägt, stimmt auch damit überein, dass die
Abschlusserklärung der Vermeidung von Kostennachteilen gemäß § 93 ZPO und daher
dem (Kosten-)Interesse des Geschädigten dient.
Es ist zwecks Vermeidung von Rechtsnachteilen keine Pflicht des Schädigers erkennbar,
der Gegenseite Nachricht von einer erfolgten Berufungseinlegung zu geben.
Darauf, ob nach Erlass einer Urteilsverfügung eine Wartefrist von zwei Wochen ausreicht
(vgl. die von der Klägerseite zitierte Entscheidung des OLG Hamm vom 4. Mai 2010;
Anlage K20) und danach innerhalb der Berufungsfrist ein Gebührentatbestand gesetzt
werden könnte, kommt es vorliegend nicht an, weil es hier nicht um die Bemessung der
ausreichenden Frist geht.
Soweit die Beklagtenseite im Anschluss an den rechtlichen Hinweis des Kammergerichts
mit Schreiben vom 2. Februar 2009 die Abschlusserklärung abgegeben hat, ist diese als
eine Abgabe von sich aus zu behandeln.
Frau … stand unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag kein
Freihaltungsanspruch gegen den Beklagten zu.
Denn angesichts der bereits erfolgten Berufungseinlegung lag das Abschlussschreiben
weder im Interesse des Beklagten noch entsprach es seinem tatsächlichen oder
mutmaßlichen Willen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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