Urteil des AG Charlottenburg vom 12.07.2010

AG Charlottenburg: amt, anschrift, vorführung, verfügung, ermessensausübung, eignungsprüfung, verwalter, konkretisierung, aufenthalt, präsenz

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 VA 12/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 56 InsO
Leitsatz
Ein Bewerber um das Amt des Insolvenzverwalters kann nicht bereits deshalb von der
Aufnahme in die Vorauswahlliste gemäß § 56 InsO ausgeschlossen werden, weil er für die
Anfahrt von seinem Büro bis zum Gerichtsbezirk des Insolvenzgerichts mit dem Pkw eine
Fahrtzeit von anderthalb bis zwei Stunden benötigt.
Tenor
Der Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juli 2010 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats an den Antragsgegner zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Aufnahme in die bei dem Amtsgericht Charlottenburg
geführte Vorauswahlliste für die Bestellung von Sachverständigen, Treuhändern und
Insolvenzverwaltern. In dem zu diesem Zwecke ausgefüllten Fragebogen des
Amtsgerichts Charlottenburg hatte der Antragsteller als Anschrift der Kanzlei angegeben
„F., 1… B.; G., 0… D.“.
Ferner hatte er folgende Angabe gemacht:
„In der Berliner Niederlassung sind folgende Mitarbeiter/innen tätig, die in der Abwicklung
von IK-Verfahren oder kleineren IN-Verfahren geschult und erfahren sind und zwar:
Assessorin N. B.“.
In dem Anschreiben vom 18. Februar 2010 führte er dazu aus, dass er aus
Kostengründen unter der Anschrift F. vorerst nur die Möglichkeit zur Entgegennahme
von Post, von Telefonaten und zur Durchführung von Besprechungen geschaffen habe.
Es handele sich bei der angegebenen Anschrift um ein Dienstleistungszentrum der
Firma R.. Er sei dort sofort arbeitsfähig und von Dresden aus in der Lage, innerhalb von
zwei Stunden vor Ort zu sein. Er sichere zu, ein ständig besetztes Büro in Berlin
einzurichten, sobald eine entsprechende Anzahl von Insolvenzverfahren dort zu
bearbeiten sei. Bis dahin würde die Betreuung von Dresden aus erfolgen.
Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. Mai 2010 – zugestellt
am 19. Mai 2010 - mit, dass die Insolvenzrichter ihn nicht in die Vorauswahlliste der
Insolvenzrichter/Treu-händer aufgenommen hätten, da ihm nach Auswertung der
eingereichten Bewerbungsunterlagen die hinreichenden Kenntnisse bzw. Erfahrungen im
Bereich der Insolvenzverwaltung fehlten. Hiergegen richtete sich der Antrag des
Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 16. Juni 2010, der an diesem Tag bei
dem Kammergericht einging.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass im
Rahmen der für das gerichtliche Verfahren abzugebenden Stellungnahme aufgefallen
sei, dass dem Antragsteller aufgrund eines gerichtsinternen Übertragungsfehlers eine
unzutreffende Ablehnungsbegründung mitgeteilt worden sei. Tatsächlich sei die
Ablehnung nicht wegen fehlender fachlicher Eignung, sondern aufgrund des Fehlens
eines hinreichend ausgestatteten ortsnahen Büros erfolgt.
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Der Antragsteller ist der Ansicht, die mit dem Stellungnahmeschriftsatz vom 15. Juli
2010, in dem der Antragsgegner zum Kriterium der Ortsnähe ausführt, konkretisierte
Begründung des ablehnenden Justizverwaltungsaktes stelle ein unzulässiges
Nachschieben von Gründen gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG dar. Die Auswechslung der
Begründung führe zu einer neuen Entschließung des Antragsgegners und damit zu
einem selbständigen Justizverwaltungsakt, der nunmehr zum Gegenstand des Antrags
auf gerichtliche Entscheidung gemacht werde.
Der Antragsteller ist ferner der Ansicht, die Frage der Ortsnähe stelle für sich genommen
kein geeignetes Auswahlkriterium für die Aufnahme des Insolvenzverwalters in die
Vorauswahlliste dar. Allenfalls könne bei der konkreten Bestellung des Verwalters bei
pflichtgemäßer Ermessensausübung im Einzelfall demjenigen Insolvenzverwalter mit der
größeren Ortsnähe der Vorzug gewährt werden. Zudem stehe die Begründung der
Ablehnung im Widerspruch zur gängigen Bestellpraxis des Antragsgegners.
Der Antragsteller trägt vor, der Zuständigkeitsbereich Berlin sei von Dresden aus
insbesondere mit dem Auto über die A13 innerhalb von höchstens anderthalb Stunden
erreichbar.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner unter Aufhebung der Entscheidung vom 12. Juli 2010 zu
verpflichten, den Antragsteller in die Vorauswahlliste für die Bestellung zum
Insolvenzverwalter bei dem Antragsgegner aufzunehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den geänderten Antrag zurückzuweisen.
II.
1. Der Antrag auf gerichtlichen Entscheidung ist zulässig, §§ 23 ff EGGVG. Der
Antragsgegner hat durch die Nichtaufnahme des Antragstellers in die Vorauswahlliste
als Justizbehörde im funktionellen Sinne gehandelt, ohne dass es sich dabei um einen
Rechtsprechungsakt handelt. Gegen die Entscheidung ist deshalb der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG gegeben (vgl. BVerfG, NJW 2004, 2725;
BGH, NZI 2008, 161).
Der Antrag ist zutreffend gegen den Antragsgegner gerichtet, da dieser den
angefochtenen Justizverwaltungsakt – in Absprache mit den Insolvenzrichtern - erlassen
hat.
Die Monatsfrist des § 26 EGGVG ist eingehalten, und zwar unabhängig davon, ob als
Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 7. Mai 2010 mit korrigierter Begründung
oder ein neuer Bescheid vom 12. Juli 2010 anzusehen ist. Auch gegen einen etwaigen
neuen Bescheid hätte der Antragsteller den Antrag auf gerichtliche Entscheidung
fristgemäß gestellt. Denn der geänderte Antrag des Antragstellers vom 12. August 2010
ist bei Gericht am 13. August 2010 eingegangen. Vor dem 13. Juli 2010 war ihm der
Bescheid vom 12. Juli 2010 unter Berücksichtigung der Postlaufzeit nicht zugegangen.
2. Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Auch insoweit
kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner durch den Bescheid vom 12. Juli 2010
die Begründung des Bescheides vom 7. Mai 2010 geändert oder einen selbständigen
Justizverwaltungsakt erlassen hat. Denn jedenfalls verfolgt keiner der Beteiligten mit
dem vorliegenden Verfahren den Bescheid vom 7. Mai 2010 mit der ursprünglich
gegebenen Begründung weiter, so dass im Ergebnis Einvernehmen darüber besteht,
dass nur die Begründung vom 12. Juli 2010 den Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens bildet.
Der ablehnende Bescheid vom 12. Juli 2010 verneint die generelle Eignung des
Antragstellers für das Amt des Insolvenzverwalters oder Treuhänders in bei dem
Amtsgericht Charlottenburg zu führenden Insolvenzverfahren mit einer nicht tragfähigen
Begründung, die den Antragsteller in seinen Rechten aus Artt. 3, 12 GG verletzt.
Dem Insolvenzrichter steht bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters für ein
konkretes Verfahren ein weites Auswahlermessen zu (BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.). Ein
solches Ermessen gilt nicht für die Frage, ob ein Bewerber in die Vorauswahlliste
aufzunehmen ist. Diese Liste soll dem Insolvenzrichter eine zügige Eignungsprüfung für
das konkrete Verfahren ermöglichen und ihm hinreichende Informationen für eine
21
22
23
24
25
das konkrete Verfahren ermöglichen und ihm hinreichende Informationen für eine
pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens verschaffen und verfügbar machen.
Sie ist so zu führen, dass in sie jeder Bewerber eingetragen werden muss, der die
grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des
einzelnen Insolvenzverfahren gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines
Insolvenzverfahrens erfüllt (BVerfG, NJW-RR 2009, 1502; BVerfGE 116, 1; BGH a.a.O.). Für
das Vorauswahlverfahren steht damit die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs
der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund (BGH a.a.O.). Diese
Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs durch Festlegung eines
Anforderungsprofils, die das Insolvenzgericht vorzunehmen hat, steht zur vollen
Überprüfung durch das Oberlandesgericht (HansOLG Hamburg ZIP 2008, 2228).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner seiner Eignungsprüfung Maßstäbe zugrunde
gelegt, die einer rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang standhalten. Die
Einschätzung, ein Insol-venzverwalter, der in Berlin oder in einer Fahrtentfernung von
weniger als anderthalb Stunden nicht über ein hinreichend ausgestattetes Büro verfüge,
sei generell nicht geeignet, für ein in Berlin zu führendes Insolvenzverfahren als
Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt zu werden, wird dem Zweck des
Eignungsmerkmals gemäß § 56 InsO nicht gerecht.
Die Frage, ob die Ortsnähe eines Insolvenzverwalters oder seines Büros ein sinnvolles
Kriterium für die Vorauswahl (so Empfehlungen der Uhlenbruck-Kommission, NZI 2007,
507; OLG Bamberg NJW-RR 2008, 719; OLG Hamm ZInsO 208, 671; OLG Düsseldorf
RPfleger 2009, 270, wohl auch OLG München ZIP 2005, 670; ablehnend Eickmann in
Kreft, InsO, 5. Aufl., § 56 Rdn. 19; Kleine-Cosack, EWiR 2008, 441; Lüke, ZIP 2007, 701)
oder erst für die Ausübung des Auswahlermessens im Einzelfall darstellt (so OLG
Brandenburg NZI 2009, 723; OLG Nürnberg ZIP 2008, 1490; Graeber in Münchener
Kommentar InsO, 2. Aufl., § 56 Rdn. 71), und nach welchen Gesichtspunkten die
Ortsnähe gegebenenfalls sachgerecht bestimmt werden kann, wird in Rechtsprechung
und Literatur unterschiedlich beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht (NJW-RR 2009,
1502 betreffend die Entscheidung des OLG Bamberg a.a.O.) hat darauf hingewiesen,
dass die pauschale Forderung nach persönlicher Anwesenheit (im entschiedenen Fall an
mindestens zwei Tagen pro Woche) angesichts moderner Kommunikationsmittel nicht
der Sicherstellung der genügenden Erreichbarkeit des Insolvenzverwalters dienen könne.
Auch wenn man eine persönliche Ansprechbarkeit vor Ort während der Bearbeitung von
Insolvenzverfahren oder eine gewisse Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten aus
Sachgründen für geboten halten sollte, erscheine es doch bedenklich, unabhängig von
aktuell bearbeiteten Verfahren und den sich daraus ergebenden Anforderungen
pauschal eine Anwesenheit an mindestens zwei Tagen pro Woche zur Voraussetzung
schon für die Aufnahme in den Kreis der generell geeigneten Bewerber zu machen.
Jedenfalls verstieße es gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit, wenn Insolvenzgerichte
mit nicht hinreichend differenzierenden Anforderungen an die Ortsnähe faktisch ein
Lokalisationsprinzip für Insolvenzverwalter einführten (BVerfG a.a.O.; vgl. auch bereits
BVerfG ZIP 2006, 1954 zur schematischen Anwendung des Merkmals der Ortsnähe ohne
Ansehung des Einzelfalles).
Da § 56 InsO der sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der
Wahrung der Interessen der Gläubiger wie auch des Schuldners dient und nicht
geschaffen ist, um Insolvenzverwaltern die berufliche Betätigung zu ermöglichen (BVerfG
ZIP 2006, 1954, BVerfGE 116, 1) muss sich auch die Auslegung und Konkretisierung der
Eignungskriterien an diesen Interessen orientieren. D.h., es ist zu fragen, ob und in
welchem Ausmaß es für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens zur Wahrung
schützenswerter Belange der Gläubiger und des Schuldners erforderlich ist, dass der
Insolvenzverwalter sein Büro in der Nähe des Insolvenzgerichts oder des Wohn- oder
Betriebsorts des Schuldners betreibt.
Schon vor der Entscheidung über einen Insolvenzantrag können Sicherungsmaßnahmen
nach § 21 InsO erfordern, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter unmittelbar nach der
Beschlussfassung des Insolvenzgerichts die Räume des Schuldners aufsucht und das
Vermögen sichert. Da in einem solchen Fall schon eine Verzögerung von nur wenigen
Stunden zu einer Schädigung der Gläubiger führen kann, wird sich zumindest die
konkrete Bestellung eines Verwalters, der zunächst einen längeren Anfahrtsweg
zurücklegen muss, offensichtlich verbieten. Da solche Eilmaßnahmen jedoch nicht
grundsätzlich erforderlich werden, erfordern sie allerdings nicht eine sofortige
Zugriffsmöglichkeit des zu bestellenden Verwalters als generelle
Eignungsvoraussetzung.
Die Fortführung eines laufenden Betriebes kann es erforderlich machen, dass der
Insolvenzverwalter persönlich über einen längeren Zeitraum vor Ort verfügbar ist
26
27
28
29
30
31
32
Insolvenzverwalter persönlich über einen längeren Zeitraum vor Ort verfügbar ist
(Uhlenbruck/ Mönning, ZIP 2008, 157). Dass der Insolvenzverwalter zu einer solchen
Anwesenheit bereit und in der Lage ist, kann allerdings erwartet und unterstellt werden,
wenn er sich um die Bestellung bei dem betreffenden Gericht allgemein beworben hat,
obgleich er sein ständiges Büro an einem Ort führt, von dem aus die tägliche Anreise
beschwerlich wäre. Ob er dies durch tägliche Anfahrt oder durch Nutzung eines sonst
nicht ständig betriebenen Büros wie z.B. die Räume eines Büroservice organisiert, ist
dem Bewerber zu überlassen. Wird die genannte berechtigte Erwartung nicht erfüllt, so
kann das Insolvenzgericht eine solche Erfahrung in die Ermessensausübung bei
zukünftigen Bestellungsentscheidungen einfließen lassen.
Schließlich muss der Verwalter in Insolvenzverfahren jeder Art für Besprechungen mit
dem Schuldner und Gläubigern sowie gegebenenfalls mit dem Gericht zur Verfügung
stehen, im Bedarfsfalle persönlich und vor Ort. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der
Insolvenzverwalter ohne Terminvereinbarung und Vorankündigung in seinem Büro vor
Ort stets greifbar sein muss. Eine solche jederzeitige persönliche Präsenz mit einer
Garantie zur tatsächlichen Gesprächsmöglichkeit können die Verfahrensbeteiligten auch
von einem Verwalter, der sein (einziges) Büro an dem Ort des Gerichts hat, nicht
erwarten, da dieser auch mit anderen Verwaltungen und gegebenenfalls mit einem
anderen Beruf befasst ist und befasst sein darf. Von einem Insolvenzverwalter, der sich
um die Bestellung an einem Gericht bemüht, das sich nicht in unmittelbarer Nähe zu
seinem ständigen Büro befindet, ist vielmehr zu erwarten, dass er für – auch kurzfristige
– Terminvereinbarungen zur Verfügung steht und diese nicht mit Hinweis auf seine
Anfahrtszeit ablehnt.
Im Falle einer Vorführung des Schuldners gemäß § 98 Abs. 2 InsO scheidet eine
Terminvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter zwar jedenfalls dann aus, wenn der
Aufenthalt des Schuldners nicht bekannt ist und deshalb der Zeitpunkt der Vorführung
nicht vorauszusehen ist. Eine solche Konstellation ist allerdings nicht von vornherein bei
jedem Insolvenzverfahren zu erwarten, insbesondere bei Eigenanträgen wird eher von
der grundsätzlichen Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners ausgegangen werden
können. Kommt es tatsächlich unvorhergesehen zu einer Vorführung, so ist, wie der
Antragsgegner zu Recht hervorhebt, im Hinblick auf die damit einhergehende
Freiheitsentziehung für den Betroffenen zu gewährleisten, dass ohne Verzögerung
dessen Vernehmung durch einen Antragsteller oder einen qualifizierten Mitarbeiter
möglich ist. Ein Vorlauf von anderthalb bis zwei Stunden zur Durchführung eines Termins
wird sich allerdings im gerichtlichen Alltag ohnehin kaum vermeiden lassen, weil auch
das Gericht und ein vor Ort ansässiger Insolvenzverwalter auch an sonstige Termine
gebunden sind.
Die Möglichkeit zur persönlichen Abgabe von Unterlagen und zu Terminvereinbarungen
kann der Insolvenzverwalter auch in der Weise schaffen, dass er vor Ort eine Zweigstelle
seines Büros unterhält, auch wenn dieses personell nicht in einer Weise ausgestattet ist,
die die selbständige Bearbeitung des Insolvenzverfahrens allein von dort aus ermöglicht.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass das Kriterium der Ortsnähe jedenfalls nicht
in der Weise allgemein gefordert werden kann, dass bei einer Fahrtzeit-Entfernung von
anderthalb bis zwei Stunden die Eignung des Insolvenzverwalters generell zu verneinen
ist und er deshalb bereits von der Aufnahme in die Vorauswahlliste auszuschließen wäre.
Nach Maßgabe des so konkretisierten Anforderungsprofils ist die Entscheidung über die
persönliche und fachliche Eignung des Antragstellers zunächst dem Antragsgegner zu
überlassen, weil diesem insoweit ein (überprüfbarer) Beurteilungsspielraum zusteht (vgl.
BGH a.a.O., OLG Brandenburg a.a.O., OLG Düsseldorf a.a.O., HansOLG Hamburg a.a.O.).
Dem Verpflichtungsantrag ist deshalb nicht zu entsprechen.
Der Senat weist hierzu bereits auf folgendes hin: Die von dem Antragsgegner im
gerichtlichen Verfahren angestellte Überlegung, die Zeitvorgabe des Antragstellers von
anderthalb Stunden Fahrtzeit sei nicht in jedem Falle gewährleistet, wenn dieser z.B.
gerade in Nordrhein-Westfalen tätig sei, dürfte nicht ausreichen, um die Eignung des
Antragstellers anhand des Merkmals der Ortsnähe generell zu verneinen. Da die
bundesweite Tätigkeit von Rechtsanwälten heute zu ihrem Berufsbild gehört und auch,
wie die Bestellung des Antragstellers in Verfahren vor dem Amtsgericht Köln zeigt, eine
Tätigkeit als Insolvenzverwalter außerhalb des Gerichtsbezirks der eigenen Kanzlei
möglich ist, wäre eine temporäre Ortsabwesenheit, die gegebenenfalls die Entsendung
eines Vertreters erforderte, bei einem in Berlin ansässigen Insolvenzverwalter in gleicher
Weise möglich.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 2 EGGVG zuzulassen, weil das
Kriterium der Ortsnähe wie oben dargestellt in der obergerichtlichen Rechtsprechung
33
34
35
Kriterium der Ortsnähe wie oben dargestellt in der obergerichtlichen Rechtsprechung
unterschiedlich behandelt wird.
Gerichtsgebühren fallen nicht an, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung im
Wesentlichen erfolgreich ist. Soweit der Antragsteller mit seinem Verpflichtungsbegehren
nicht durchdringt, fällt dies kostenmäßig nicht ins Gewicht.
Eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht, weil die von dem Antragsteller
beanstandete Maßnahme nicht offensichtlich oder grob fehlerhaft ist (vgl. Zöller-
Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 30 EGGVG Rdn. 1).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 EGGVG i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum