Urteil des AG Charlottenburg vom 13.03.2017

AG Charlottenburg: geschäftsführer, gesellschafterversammlung, sonderprüfung, zahlungseinstellung, verfügung, aufrechnung, liquidator, konkursverfahren, steuer, anstellungsvertrag

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Gericht:
FG Berlin 9. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1998
Aktenzeichen:
9 K 9206/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 69 AO, § 34 Abs 1 AO, § 191
Abs 1 S 1 AO, § 38 Abs 4 EStG
1997, § 41a Abs 1 EStG
Vertreterhaftung: Haftungsinanspruchnahme trotz
Verrechnungsmöglichkeit mit Umsatzsteuerguthaben
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger als ehemaligen
Geschäfts-Führer einer Fa. xxx mit Sitz in Berlin (künftig: GmbH 1) für rückständige
Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag hierzu persönlich in Haftung nehmen kann.
Der xxx geborene Kläger, von Beruf Kaufmann und damals wohnhaft xxx, und eine Fa.
xxx, deren Geschäftsführer der Kläger war (künftig: GmbH 2), gründeten am 6. Januar
1989 die GmbH 1. Der Kläger wurde zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH 1
bestellt. Unternehmensgegenstand war laut Satzung die "Verwaltung von Immobilien
und sonstigen Wirtschaftsgütern im Eigenbesitz oder im Besitz Dritter, einschließlich
deren Vermietung und Verpachtung". Mehrheitsgesellschafterin war anfangs die GmbH
2. Mit Notarvertrag vom 10. Januar 1990 trat die GmbH 2 ihren Anteil am
Gesellschaftsvermögen an die GmbH 1 ab. Mit weiterem Notarvertrag vom 25. März
1997 trat die GmbH 1 einen Geschäftsanteil in Höhe von 25 500 DM des
Gesamtstammkapitals der GmbH in Höhe von ..... DM zu einem Kaufpreis in Höhe von
1.- DM an den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers ab. Gleichzeitig wurde der
restliche Geschäftsanteil zu einem Kaufpreis in Höhe des Nominalbetrages an den
Kläger abgetreten. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25. März 1997
wurde das Stammkapital der GmbH 1 auf xxx DM erhöht.
Im Anschluss daran wurde im Handelsregister u.a. Folgendes eingetragen:
"....
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 2. Oktober 1997 ist die zum 10.
Januar 1990 infolge des Erwerbs aller Anteile aufgelöste Gesellschaft fortgesetzt.
xxx war Liquidator und ist zum Geschäftsführer bestellt. ....."
Die GmbH 1, die von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des
Klägers steuerlich beraten wurde, erzielte folgende Umsätze und
Betriebsergebnisse:
Umsatz
Betriebsergebnis
Die Abgabenrückstände der GmbH 1 betrugen per 13. November 1996 xxx DM. Der
Beklagte stellte deshalb am 18. Dezember 1996 einen Antrag auf Eröffnung eines
Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, nahm diesen jedoch nach
mehreren Teilzahlungen in Höhe von insgesamt rund xxx DM am 22. Juli 1997 wieder
zurück (Az.: .......).
Bereits am 17. November 1995 war über das Vermögen der GmbH 2 das
Konkursverfahren eröffnet worden (Az.: ...; Konkursverwalter: ...). Die GmbH 1 hatte vor
der Eröffnung dieses Konkursverfahrens den Geschäftsbetrieb der GmbH 2
übernommen.
Mit Notarurkunde vom 25. August 1998 (UR-Nr. ... des Notars ... wurden die Fa. ...mit
Sitz in Berlin (HRB ...; alleiniger Geschäftsführer: der Kläger; künftig: GmbH 3) und die Fa.
... mit Sitz in Berlin (HRB ...; alleiniger Geschäftsführer: der Kläger; künftig: GmbH 4)
jeweils als Ganzes gemäß § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes - UmwG - auf die GmbH
1 verschmolzen. Die GmbH 1 war zu diesem Zeitpunkt bereits alleinige Anteilseignerin
der GmbH 4 sowie Mehrheitsgesellschafterin der GmbH 3. Die Tatsache der
Verschmelzung wurde am 10. Dezember 1998 im Handelsregister eingetragen.
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 9. Dezember 1998 wurde die Auflösung der GmbH 1
beschlossen und der Kläger zum alleinigen Liquidator bestellt.
Am 30. Dezember 1998 ging beim Amtsgericht Charlottenburg ein Antrag der GmbH 1,
vertreten durch den Kläger als Liquidator, auf Eröffnung eines Konkursverfahrens über ihr
Vermögen ein. Mit Beschluss des Konkursgerichts vom 18. Februar 1999 (Az.: ...) wurde
die Sequestration des Vermögens der GmbH 1 angeordnet und RA ...zum Sequester
bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 19. Juli 2000 wurde sodann das eigentliche
Konkursverfahren eröffnet.
Am 25. Januar 1999 verfügte der Veranlagungssachbearbeiter des Beklagten einen
Sperrvermerk für das Speicherkonto der GmbH 1 bei der Finanzkasse des Hauses mit
der Begründung "vorläufiges Zahlungsverbot vom 12. Januar 1999". Die Verfügung ging
am 26. Januar 1999 bei der Finanzkasse des Beklagten ein und wurde dort
kassentechnisch umgesetzt.
Die GmbH 1 beschäftigte zuletzt 6 Angestellte. Sie sowie die mit ihr verschmolzene
GmbH 3 verwalteten ausschließlich Grundeigentum und Wohnungseigentum einer Frau
..., der früheren Lebensgefährtin des Klägers in ... Am 21. Mai 1997 wurde ein
Konkursverfahren über das Vermögen der Frau ... eröffnet (...). Der Generalmietvertrag
zwischen Frau ... und der GmbH 1 wurde daraufhin zum 7. November 1997 gekündigt.
Die GmbH 1 gab in der Folgezeit die bis dahin durch sie weitervermieteten
Immobilienobjekte an den Konkursverwalter der Frau ... zurück.
Über erkennbare, freie Einnahmen verfügten die GmbH 1 und die GmbH 3 nach
Ermittlungen von RA ... im Verlauf des Jahres 1998 nicht mehr. Gleichwohl wurde der
Geschäftsbetrieb nach außen hin aufrechterhalten. Der Kläger wurde deshalb vom LG
Berlin als Berufungsinstanz wegen Konkursverschleppung zu einer Freiheitsstrafe auf
Bewährung verurteilt (...).
Am 17. Juni 1995 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH 3
des
Klägers, gemäß Anstellungsvertrag vom 6. August
gewähren:
- einen Teilbetrag in Höhe von ......- DM p.a. als Barvergütung
in
- den Restbetrag in Höhe von .......- DM in Form einer
Altersversorgung (Pensionszusage).
Am 15. Juni 1996 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH 3 eine Erhöhung
der jährlichen Barvergütung um ... DM.
Am 20. Januar 1998 schloss der Kläger im eigenen Namen sowie im Namen der GmbH 1
und der GmbH 3 folgende "Vereinbarung" :
"...
I. Aufgrund des sich durch den Konkurs der Hauptkundin abzeichnenden
Wegfalls der Nutzungsrechte gemäß § 31 WEG durch die
Zwangsverwertung des vertraglich gebundenen Immobilienbestandes
sowie der aufgrund der Marktentwicklung sich ergebenden
Erlösinkongruenz zwischen den bei der Neuvermietung zu erzielenden
Erlösen und den (angeblich) geschuldeten Dauernutzungsentgelten, in
Verbindung mit dem rigiden Vorgehen des bei den Vertragsimmobilien
von den dinglichen Gläubigern eingesetzten Zwangsverwalters und der
immer noch fehlenden Besitzeinweisung bei einer großen Anzahl von
Objekten ist auf Sicht ein Geschäftsumfang im ausreichenden Umfang
nicht mehr zu erwarten, insbesondere wird es zu einem erheblichen
Rückgang der Kostendeckungsbeiträge kommen.
Aus den vorgeschilderten Gründen bietet die ... - vertreten durch
die Gesellschafter - gem. Gesellschafterbeschluß vom 19. Jan. 1998
dem Geschäftsführer ... die nachfolgende
AUFHEBUNGSVEREINBARUNG
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bzgl. seines Anstellungsvertrages an:
Das Anstellungsverhältnis wird vorzeitig zum 30. September 1998
anstatt vertragsgemäß zum 31. Dez. 2005 beendet.
Zum Ausgleich aller durch die Vertragsauflösung entstandenen und in
Zukunft entstehenden Nachteile zahlt ... an Herrn ... eine Abfindung
i. H. d. 1,5-fachen des im Vertrag vom 6. Aug. 93 vereinbarten
Festgehaltes von ... p. a. = ...,- DM.
Die Abfindung ist bis zum 31. Dez. 98 (eingehend) zu zahlen.
Bei verspäteter Zahlung (nach dem 31.12.98) verzinst sich der
(restl.) rückständige Betrag mit 9 % p. a. zu Gunsten von Herrn ...
II. Wegen der vorzeitigen Auflösung des Anstellungsverhältnisses
gem. Punkt I. wird hiermit zwischen ... - vertreten durch die
Gesellschafter und Herrn ..., gem. Gesellschafterbeschluß vom 19.
Jan. 1998 die
EINVERNEHMLICHE AUFHEBUNG
der Pensionszusage vom 17. Juni 1995 (i.V.m. der
Gehaltsverzichts-Vereinbarung, gem. Protokoll der
Gesellschafterversammlung vom 15. Jan. 1996 zu TOP 6) in der Fassung
vom 15. Juni 1996 vereinbart.
Die ... kehrt an Herrn ... die bis zum 30. Sept. 1998 erfolgten -
aus dem Gehaltsverzicht gespeisten - Rückstellungen für die erteilte
Pensionszusage i. H. v. ...,- DM aus.
Am 25. Februar 1998 gab der Kläger im eigenen Namen gegenüber der GmbH 3,
vertreten wiederum durch ihn, folgende schriftliche "Aufrechnungserklärung" ab:
"... hiermit erkläre ich die Aufrechnung bezgl. eines Teilbetrages meines
Erstattungsanspruches i.H.v. DM ...,- aus der Aufhebungsvereinbarung vom 20.1.1998
wegen meiner Pensionsansprüche mit Ihrer Forderung aus dem Kaufvertrag vom 2. Dez.
1997 zur UR,-Nr. ... wg. Grundbuchblatt ... u.a. in Dahlem. ..."
Am 5. Oktober 1998 gab der Kläger im eigenen Namen gegenüber der GmbH 3,
vertreten wiederum durch ihn, folgende schriftliche "Aufrechnungserklärung" ab:
"... hiermit erkläre ich - vorsorglich erneut - Aufrechnung bzgl. eines Teilbetrages meines
Erstattungsanspruches i. H. v. ... DM (zzgl. entstandener Zinsen) aus der
Aufhebungsvereinbarung vom 20.01.1998 wegen meiner Pensionsansprüche (hilfsweise
mit meinen Ansprüchen wg. der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses)
mit Ihrer Forderung aus dem Kaufvertrag vom 2. Dez. 1997 zur UR-Nr. ... wg.
Grundbuchblatt ...u.a. in Dahlem. ... "
Am 9. Oktober 1998 erklärte der Kläger Folgendes schriftlich
gegenüber der GmbH 3, die den Zugang dieser Erklärung schriftlich
bestätigte:
"Betr.: Aufrechnungserklärungen vom 25.02. und 5.10.98
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit ziehe ich die Aufrechnungserklärungen vom 25. Februar 1998
und 5. Oktober 1998 i.H. des Teilbetrages von ... DM zzgl. Zinsen
zurück."
Am 4. Dezember 1998 erklärte der Kläger Folgendes schriftlich
gegenüber der GmbH 3, die den Zugang des Schreibens noch am selben
Tag bestätigte:
" ...
hiermit erkläre ich Aufrechnung meiner Erstattungsansprüche aus dem
Aufhebungsvertrag Pensionszusage und
Geschäftsführer-Anstellungsvertrag i. H. v. insgesamt DM ... mit
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meinen Verbindlichkeiten aus Darlehen/Zinsen i.H.v. insgesamt DM ...
per 30. Dezember 1998..."
Die GmbH 1 reichte am 16. Dezember 1998 eine erste Lohnsteueranmeldung über
einen Gesamtbetrag in Höhe von ... DM betr. den Monat Dezember 1998 beim
Beklagten ein. Am 15. Januar 1999 reichte sie eine korrigierte Lohnsteueranmeldung für
denselben Monat ein, wonach die Zahllast ...DM betrug. Außerdem reichte sie eine
Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 1998 ein, mit der sie einen
Umsatzsteuererstattungsanspruch in Höhe von ... DM zur Verrechnung mit der
Lohnsteuerschuld geltend machte.
Infolge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung verminderte sich der Erstattungsanspruch
der GmbH 1 auf ... DM. Grund hierfür war, dass die GmbH 1 im Voranmeldungszeitraum
Dezember 1998 uneinbringliche Mietforderungen ausgebucht und deshalb die
Umsatzsteuer entsprechend gemindert hatte. Ein Teil der ausgebuchten Forderungen
bezog sich auf die Mietumsätze der GmbH 3. Vor der Ausbuchung hatte die GmbH 1 von
Mietern beim Amtsgericht hinterlegte Beträge in Höhe von ... DM abgesetzt. Gemäß
Auskunft des für diese Objekte zuständigen Zwangsverwalters ... betrugen die
hinterlegten Mieten jedoch insgesamt ... DM. Gegen die (überarbeiteten) Feststellungen
der Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurden seitens der GmbH 1 keine Einwendungen
mehr erhoben. Ebensowenig wurde seitens der GmbH 1 Einspruch gegen den - auf den
Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung basierenden - Schätzungsbescheid
des Beklagten betr. Umsatzsteuer 1997 vom 9. Juni 2000 erhoben.
Der Kläger ließ sich die von der GmbH 1 nicht abgeführte Lohnsteuer, soweit sie sein
Beschäftigungsverhältnis betraf, in Höhe von über ... DM bei seiner persönlichen
Einkommensteuerveranlagung anrechnen (Einkommensteuerbescheid des
Finanzamtes ... vom 2. Juli 2001).
Wegen der noch nicht getilgten Lohnsteuerverbindlichkeiten erließ der Beklagte am 1.
August 2001 gegenüber dem Kläger einen auf § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO
1977) gestützten Haftungsbescheid. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers
hatte nur in sehr geringem Umfang Erfolg und führte in der Einspruchsentscheidung vom
26. Mai 2003 zu einer Herabsetzung der Haftungssumme auf ... EUR.
Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme des Klägers führte der Beklagte im
Wesentlichen aus, der Kläger habe es grob fahrlässig verabsäumt, anlässlich der
Auszahlung der entsprechenden Beträge durch die GmbH 1 an ihn für eine fristgerechte
Abführung der darauf entfallenden Lohnsteuern nebst Solidaritätszuschlag hierzu zu
sorgen. Im Übrigen treffe ihn als GmbH-Geschäftsführer eine sog. Mittelvorsorgepflicht,
so dass er sich haftungsentlastend nicht darauf berufen könne, der GmbH 1 hätten im
Zeitpunkt der tatsächlichen Fälligkeit der streitgegenständlichen
Abgabenverpflichtungen keine finanziellen Mittel zur Tilgung dieser Verbindlichkeiten zur
Verfügung gestanden.
Am 2. Juli 2003 stellte das Amtsgericht Charlottenburg als Konkursgericht die
streitgegenständlichen Primärschulden der GmbH 1 (Lohnsteuer Dezember 1998 sowie
Solidaritätszuschlag hierzu) zur Tabelle fest.
Mit seiner Anfechtungsklage gegen den Haftungsbescheid macht der Kläger im
Wesentlichen geltend, dass er im Zeitpunkt der Einreichung der streitgegenständlichen
Lohnsteueranmeldung durch die GmbH 1 mit einem aufrechenbaren
Erstattungsanspruch betr. Umsatzsteuer Dezember 1998 in Höhe von rund ... DM habe
rechnen dürfen und deshalb in Bezug auf die Unterlassung der Entrichtung der fraglichen
Lohnsteuer Dezember 1998 nebst Solidaritätszuschlag hierzu durch die GmbH 1 nicht
grob fahrlässig gehandelt habe. Der tatsächliche Umfang der hinterlegten Mieten betr.
die GmbH 3 sei der GmbH 1 im Zeitpunkt der Einreichung der
Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1998 nicht bekannt gewesen. Über dieses
Wissen habe nur der Zwangsverwalter Dr. ... verfügt.
Eine sog. Mittelvorsorgepflicht der GmbH 1 könne für das Streitjahr 1998 nicht
eingreifen, weil die GmbH 1 sowohl bereits zum 31. Januar 1998 als auch zum 30.
September 1998 kräftig überschuldet gewesen sei wie eine Gegenüberstellung der
verfügbaren Mittel und der fälligen Zahlungsverbindlichkeiten ergebe:
Verfügbare Mittel:
Fällige
Verbindlichkeiten:
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31. Januar 1998:
30. September 1998: .......
Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 1. August 2001 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2003 aufzuheben, hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er nimmt im Wesentlichen Bezug auf seine Ausführungen in der angefochtenen
Einspruchsentscheidung.
Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung die Gerichtsakte des FG Berlin
9 B 9385/01, 2 Bände Handelsregisterakten ..., 3 Bände Akten des Konkursgerichts (Az.:
...), 2 Bände Steuer- und Vollstreckungsakten betr. den Kläger, 2 Bände LoStArbG-
Akten sowie 7 Bände Steuer- und Vollstreckungsakten betr. die GmbH 1 vorgelegen, auf
deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens
Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Haftungsbescheid vom 1. August 2001 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2003 ist nicht rechtswidrig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO -).
1. Der Kläger hat den Haftungstatbestand des § 69 i. V. m. § 34 AO 1977 erfüllt.
Nach § 69 Abs. 1 AO 1977 haftet der GmbH-Geschäftsführer, soweit Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm
auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die
Haftungsvorschrift umfasst demnach als selbständige Möglichkeiten der
Tatbestandsverwirklichung die Nichtfestsetzung, die nicht rechtzeitige Festsetzung, die
Nichterfüllung und die nicht rechtzeitige Erfüllung der Steueransprüche.
a.) Für den Kläger als GmbH-Geschäftsführer liegt die grob fahrlässige Pflichtverletzung i.
S. von § 69 Abs. 1 AO 1977 darin, dass er nicht dafür gesorgt hat, dass die GmbH
fristgerecht eine inhaltlich zutreffende Lohnsteueranmeldung für den Monat Dezember
1998 beim Beklagten eingereicht und die sich daraus ergebende Zahllast fristgerecht
beglichen hat.
aa.) Die Höhe der zum 10. Januar 1999 anzumelden Lohnsteuerschuld (vgl. dazu
allgemein § 41 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) ist zwischen den
Beteiligten unstreitig und im Übrigen am 2. Juli 2003 vom Amtsgericht Charlottenburg
bestandskräftig zur Tabelle festgestellt worden.
bb.) Die aus der Anmeldung der GmbH hervorgehende Lohnsteuerschuld hätte ebenfalls
bis zum 10. Januar 1999 an den Beklagten abgeführt werden müssen. Hinsichtlich des
auf das Beschäftigungsverhältnis des Klägers entfallenden Teilbetrags der Lohnsteuer in
Höhe von ... DM ist die GmbH trotz ihres am 30. Dezember 1998 gestellten
Konkursantrags als zahlungsfähig anzusehen, denn diesen Betrag hätte ihr der Kläger -
wie bereits in der mündlichen Verhandlung mit den Prozessbeteiligten erörtert wurde -
mangels Lohnauszahlung und damit mangels Lohnsteuereinbehaltungsmöglichkeit
seitens der GmbH als Arbeitgeberin in vollem Umfang aus eigenen Finanzmitteln zur
Verfügung stellen müssen (vgl. § 38 Abs. 4 Satz 1 EStG). Dass der Kläger hierzu nicht in
der Lage gewesen sei, hat er selbst nicht geltend gemacht. Im Falle einer Weigerung des
Klägers als Arbeitnehmer zur fristgerechten Begleichung der auf ihn entfallenden
Lohnsteuerschuld hätte die GmbH dem Beklagten dies bis zum 10. Januar 1999
anzeigen können und müssen, um von ihrer Lohnsteuerabführungspflicht frei zu werden
(vgl. § 38 Abs. 4 Satz 2 EStG). All dies ist nach der Überzeugung des erkennenden
Senats aus grober Fahrlässigkeit nicht geschehen, denn der Kläger hätte in diesem
Zusammenhang den Rat eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe einholen
müssen, was unstreitig unterblieben ist.
cc.) Der Kläger kann sich haftungsentlastend nicht darauf berufen, dass er darauf
vertraut habe, aus der zeitgleich von der GmbH eingereichten
Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 1998 würde sich ein
verrechenbares Guthaben in einem die Lohnsteuerschuld übersteigendem Umfang
ergeben. Der im Streitfall vorliegende Sachverhalt ist mit dem Sachverhalt, der dem
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ergeben. Der im Streitfall vorliegende Sachverhalt ist mit dem Sachverhalt, der dem
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juli 1986 VII R 132/83, Sammlung der
amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1987,74 nicht
vergleichbar, weil der Kläger im hiesigen Fall nicht auf die Existenz eines verrechenbaren
Umsatzsteuerguthabens vertrauen durfte. Im Falle der BFH-Entscheidung ergab sich das
fragliche Umsatzsteuerguthaben aus einem testierten Wirtschaftsprüfungsberichts. Im
Streitfall dagegen wurde die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1998 von der
GmbH unstreitig ohne Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe
erstellt.
Der Kläger selbst verfügte unstreitig ebenfalls über keine examinierten Kenntnisse im
Umsatzsteuerrecht. Da das Umsatzsteuerrecht eine komplizierte Rechtsmaterie ist und
im Streitfall nicht ganz einfache Geschäftsvorfälle umsatzsteuerrechtlich auszuwerten
waren (Hinterlegung von Mietzahlungen seitens der Mieter beim Amtsgericht), war es
nach Ansicht des erkennenden Senats grob fahrlässig, dass der Kläger als GmbH-
Geschäftsführer auf die Richtigkeit dieser Umsatzsteuervoranmeldung vertraut hat. Der
erkennende Senat sieht sich in dieser Einschätzung darin bestätigt, dass das auf den
Monat Dezember 1998 entfallende Umsatzsteuerguthaben der GmbH später aufgrund
der Erkenntnisse der vom Beklagten durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung ohne
Widerspruch seitens der GmbH 1 von ... DM auf ... DM gekürzt worden ist.
b.) Die Haftung des Klägers für die streitgegenständliche Lohnsteuerschuld entfällt auch
nicht wegen Nichteintritt eines kausalen Schadens im Hinblick auf gesetzliche
Anfechtungsmöglichkeiten des Konkursverwalters nach §§ 30 ff. der Konkursordnung
(KO; vgl. dazu allgemein BFH-Beschluss vom 11. August 2005 VII B 244/04, BFH/NV
2005,2084 sowie Erörterungsschreiben des Berichterstatters vom 19. September 2005).
Wegen der Konkursantragstellung noch im Jahr 1998 (am 30. Dezember) sind im
Streitfall nicht die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO), sondern der KO anwendbar.
aa.) Die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände des § 30 Nr. 1, 2. Halbs. KO
(Rechtshandlung nach Zahlungseinstellung oder Konkursantragstellung) sind nicht
erfüllt, weil der Beklagte nach Aktenlage im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerschuld
(10. Januar 1999) noch keine Kenntnis von einer etwaigen Zahlungseinstellung oder von
einem Konkursantrag der GmbH gehabt hat. Der Konkursantrag der GmbH vom 30.
Dezember 1998 wurde vom Konkursgericht erst mit Beschluss vom 18. Februar 1999
(Sequestrations- Anordnung) Dritten gegenüber publik gemacht. Eine etwaige Kenntnis
des Beklagten von einer zwischenzeitlichen Zahlungseinstellung der GmbH wäre im
Übrigen anfechtungsrechtlich irrelevant, weil der Beschränkungstatbestand des § 33 KO
eingreift (Konkurseröffnung erst nach Ablauf von weiteren 6 Monaten nach
Konkursantragstellung).
bb.) Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 31 KO (sog.
Absichtanfechtung) sind im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt, weil dem Beklagten zum
maßgeblichen Zeitpunkt (10. Januar 1999) eine Absicht der GmbH, Gläubiger zu
benachteiligen, nicht bekannt gewesen ist. Der Beklagte kannte zu diesem Zeitpunkt
weder die Tatsache der Konkursantragstellung noch war ihm bekannt, dass die GmbH
möglicherweise zahlungsunfähig war (vgl. zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit § 102
Abs. 2 KO). Die GmbH hatte keine vollstreckbaren Rückstände. Jahresabschlüsse der
Gesellschaft lagen dem Beklagten nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 vor. Von
einem "vorläufigen Zahlungsverbot vom 12. Januar 1999" betr. die GmbH 1 , welches
möglicherweise mit der Zwangsverwaltung der Frau Müller gehörenden
Eigentumswohnungen zusammenhängt, hat der Veranlagungssachbearbeiter des
Beklagten offensichtlich erst am 25. Januar 1999 erfahren, denn von jenem Tag stammt
erst seine entsprechende Sperrverfügung an die Finanzkasse.
2. Wegen der weiteren Gründe für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Haftungsbescheids wird zur Entlastung des Gerichts auf die zutreffenden Ausführungen
des Beklagten in dessen Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2003 verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
13 und 25 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
4. Die Revision wurde mangels Vorliegens eines Revisionszulassungsgrundes i. S. von §
115 Abs. 2 FGO nicht zugelassen.
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