Urteil des AG Castrop-Rauxel vom 31.01.2002

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Amtsgericht Castrop-Rauxel, 4 C 957/01
Datum:
31.01.2002
Gericht:
Amtsgericht Castrop-Rauxel
Spruchkörper:
4. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 C 957/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200,00€
abzuwenden, sofern die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche.
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Am 19.07.2001 suchte der Kläger, der mittleren Alters ist, den Friseursalon des
Beklagten auf, um sich dort die Haare um etwa 2,5 cm kürzen zu lassen. Der Haarschnitt
wurde zunächst durch eine Angestellte des Beklagten ausgeführt. Als der Kläger sich
beschwerte, die Haare würden ihm zu kurz geschnitten, führte der Beklagte den
Haarschnitt zu Ende.
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Der Kläger behauptet, seine Haarpracht sei am 18.07.2001 von seinem Sohn anlässlich
einer Wette vermessen worden. Die Haarlänge habe an diesem Tag 6 cm betragen. Im
Salon des Beklagten seien ihm seine Haare nicht lediglich um die gewünschten 2,5,
sondern um mindestens 5 cm gekürzt worden. An den Koteletten und Ohren seien die
Haare nur noch Millimeter kurz gewesen. Während des Schneidens sei er – der Kläger -
kurzzeitig abgelenkt gewesen, so dass er die übermäßige Kürzung seiner Haare erst zu
spät bemerkt habe. Ferner behauptet der Kläger, er trage seine Haare gewöhnlich
länger und habe sich daher auf Grund des zu kurzen Haarschnitts für vier Wochen nicht
mehr aus seinem Haus getraut. Seine Kollegen würden ihn nur mit längeren Haaren
kennen und hätten ihn wegen seiner zu kurzen Haare ausgelacht. Er sei nach dem
Friseurbesuch nicht mehr seinem Hobby, dem Dartspielen nachgegangen. Während der
Arbeit habe er ein Kopftuch getragen. Der Kläger ist der Ansicht, durch die Kürzung
seiner Haare in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt worden zu sein. Er meint,
deshalb einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 1.500,00 DM zu
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haben.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts
gestelltes Schmerzensgeld, welches für den Fall der Säumnis auf
1.500,00 DM beziffert wird, nebst 7 % Zinsen seit dem 08.11.2002 zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, der Kläger habe bereits vor dem 19.07.2001 seinen Salon
mehrmals aufgesucht. Am 19.07.2001 seien dem Kläger die Haare nicht kürzer
geschnitten worden, als bei seinen früheren Friseurbesuchen. Der Beklagte ist der
Ansicht, dem Kläger falle ein erhebliches Mitverschulden zur Last, da er der
behaupteten übermäßigen Kürzung der Haare während des Haarschnitts nicht
widersprochen habe.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch in Augenscheinnahme von vier Lichtbildern, von
denen nach Behauptung des Klägers drei Lichtbilder die Frisur vom 19.07.2001 und ein
Lichtbild die vom Kläger gewöhnlich getragene Haarpracht wiedergeben sollen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat wegen des Haarschnitts vom 19.07.2001 keinen Anspruch gegen den
Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB. Es fehlt
nämlich schon an einer für die Auslösung eines Schmerzensgeldanspruchs relevanten
Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder des Körpers.
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Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung führt nur dann zu einem
Schmerzensgeldanspruch, wenn es sich um eine schwere Verletzung des
Persönlichkeitsrechts handelt und eine Genugtuung auf anderer Weise nicht erreichbar
ist (vgl. Parlandt/Thomas, BGB, 61 Aufl. München 2002, § 823 Rdnr. 200). Ob eine
schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer
Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite
des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie vom Grad
seines Verschuldens und davon ab, in welche geschützte Sphäre der Eingriff
stattgefunden hat (vgl. Parlandt aaO, mit weiteren Nachweisen). Eine solche
schwerwiegende Verletzung ist vorliegend zu verneinen. Selbst wenn man dem Kläger
darin folgt, dass ihm die Haare kürzer geschnitten worden sind als von ihm gewünscht,
liegt kein bedeutsamer Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht vor. Zu beachten ist nämlich,
dass die Haare allenfalls wenige Zentimeter kürzer geschnitten worden sind. Der
Charakter der von dem Kläger bevorzugten Frisur wurde nicht wesentlich verändert. Aus
objektiver Sicht ist der von dem Beklagten gefertigte Haarschnitt -, wie die in
Augenscheinnahme der vom Kläger zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder ergibt –
durchaus als gelungen zu bezeichnen.
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Hinzu kommt, dass im Friseurhandwerk – anders als beispielsweise im Schlosser– oder
Tischlerhandwerk – Arbeiten nicht nach Zentimeter– oder Millimeterangaben, sondern
eher nach dem ästhetischen Erscheinungsbild des Werkes ausgeführt zu pflegen
werden. Ferner ist zu beachten, dass dem Kläger durchaus ein gewisses
Mitverschulden zu Last zu legen ist. Wenn ihm so sehr, wie von ihm vorgetragen, an
seiner Haarpracht gelegen ist, hätte er sich bei der Prozedur des Haarschneidens nicht
ablenken lassen dürfen.
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Auch die von dem Kläger geschilderten Beeinträchtigungen psychischer Natur führen
nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch. Es können nämlich nur solche psychischen
Schäden Berücksichtigung finden, die sich als adäquate Folge einer Körper- oder
Persönlichkeitsverletzung darstellen (vgl. Parlandt/Thomas aaO, § 847 Rdnr. 8 mit
weiteren Nachweisen). Die von dem Kläger dargelegte Beeinträchtigung, er habe sich
wegen des Haarschnitts nicht mehr aus dem Haus getraut und habe sogar bei der Arbeit
ein Kopftuch getragen, stellt aber eine völlig übersteigerte Reaktion, die nach der
Lebenserfahrung objektiv von einem Mann im Alter des Klägers nicht mehr zu erwarten
ist, dar. Sie kann daher dem Beklagten auch nicht zugerechnet werden.
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Auch sofern man im Schneiden der Haare tatbestandlich eine Körperverletzung
erblicken will, steht dem Kläger ein Schmerzensgeldanspruch nicht zu. Der Haarschnitt
war nämlich auf Grund der zuvor erteilten Einwilligung des Klägers gerechtfertigt. Im
Übrigen sind auch hier für die Auslösung von Schmerzensgeldansprüchen nur
Beeinträchtigungen von einiger Erheblichkeit relevant, die aus den bereits dargelegten
Gründen hier aber nicht vorliegen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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