Urteil des AG Brühl vom 11.05.2005

AG Brühl: anrechenbares einkommen, vergleich, unterhalt, stadt, eltern, volljährigkeit, volljähriger, klagebegehren, verfügung, meinung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Brühl, 33 F 188/04
11.05.2005
Amtsgericht Brühl
Abteilung 33
Urteil
33 F 188/04
1. In Abänderung des gerichtlichen Vergleichs des
Amtsgerichts -Familiengericht - Bergheim vom 08.04.2003
-AZ: 63 F 23/03 — wird festgestellt, dass der Kläger dem Beklagten ab
01.05.2004 keinen Unterhalt mehr schuldet.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, den ab 01.05.2004
monatlich
gepfändeten Kindesunterhalt in Höhe von 240,00 EUR zurückzuzahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 1 800,00 EUR abzuwenden, falls nicht
der Kläger vor der Voll-streckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
TATBESTAND
Der Kläger ist der Vater des am 31.01.1986 geborenen Beklagten.
Die Ehe des Klägers mit der Mutter des Beklagten ist geschieden.
Der Beklagte ist seit Geburt zu 100 % schwerbehindert.
Die Mutter des Beklagten ist mit Beschluß des Amtsgerichts Brühl vom 31.03.2004 zur
Betreuerin des volljährigen Beklagten bestellt worden.
3 –
Durch gerichtlichen Vergleich vom 08.04.2003 des Amtsgerichts — Familiengericht -
Bergheim — AZ: 63 F 23/03 — hat sich der Kläger u.a. verpflichtet, monatlichen
Kindesunterhalt an den Beklagten in Höhe von 240,00 EUR ab Januar 2003 zu zahlen.
Gemäß Bescheid der Stadt Erftstadt vom 21.06.2004 ist dem Beklagten rückwirkend zum
01.01.2004 eine bedarfsorientierte Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz
(GSiG) in Höhe von monatlich 547,88 EUR gewährt worden unter Abzug des monatlichen
Unterhaltsbetrages von 240,00 EUR.
Mit außergerichtlichen Schreiben vom 25.05.2004 hat der Kläger durch seine
Bevollmächtigte den Beklagten aufgefordert, ihm Auskunft über die Höhe der nach dem
Grundsicherungsgesetz erhaltenen Leistungen zu erteilen.
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Der Beklagte hat bis einschließlich September 2004 den durch gerichtlichen Vergleich vom
08.04.2003 titulierten Unterhalt im Wege der Pfändung beigetrieben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass dem Beklagten kein Unterhaltsanspruch mehr gegen ihn
zusteht, da der Bedarf des Beklagten durch die Leistungen nach dem
Grundsicherungsgesetz gedeckt werde.
Der Kläger beantragt,
1. den vor dem Amtsgericht Bergheim zum Aktenzeichnen 63 F 23/03 am
08.04.2003 geschlossenen Vergleich dahingehend abzuändern, dass ab
dem 01.05.2004 Kindesunterhalt für den Beklagten nicht mehr geschuldet wird.
2. Hilfsweise,
für den Fall des Obsiegens hinsichtlich des Klageantrags zu 1) den Beklagten zu
verurteilen, an den Kläger den ab Mai 2004 zuviel gezahlten Unterhalt in Höhe von
monatlich 240,00 EUR zurückzuzahlen.
4 -
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte ist der Meinung, das Grundsicherungsgesetz habe subsidiären Charakter und
solle bestehende Unterhaltsverpflichtungen nicht ersetzen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen
Akteninhalt verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Das Abänderungsbegehren des Klägers ist zulässig und auch begründet.
Der gerichtliche Vergleich ist am 08.04.2003 geschlossen worden.
Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte noch minderjährig.
Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz vom 26.06.2001, das seit dem 01.01.2003 in
Kraft ist, kann der Beklagte erst ab Volljährigkeit gemäß § 1 GSiG beanspruchen.
Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses hatte der Beklagte kein eigenes Einkommen;
erst ab dem 21.06.2004 hat der Beklagte gemäß Bescheid der Stadt Erftstadt rückwirkend
Anspruch auf Leistungen nach dem GSiG in Höhe von monatlich 547,88 EUR.
Damit liegt ein Abänderungsgrund i.S. von § 323 Abs. 1 ZPO vor.
Das Abänderungsbegehren des Klägers ist auch begründet.
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Der Beklagte kann ab dem 01.01.2004 seinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem
Kläger aus eigenem Einkommen, das er nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) erhält,
decken.
Entgegen der Ansicht des Beklagten besteht der titulierte Unterhaltsanspruch neben den
Leistungen nach dem GSiG nicht mehr.
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Leistungen nach dem GSiG stellen nicht — wie der Beklagte meint- subsidiäre
Sozialleistungen, wie z.B. Sozialhilfeleistungen, dar. Denn im Gegensatz zu
Sozialhilfeleistungen wird die Grundsicherung nicht nur vorschussweise gezahlt.
Wird die Grundsicherung bei einer vorliegenden privilegierten Unterhaltsbeziehung
geleistet, so ist die Grundsicherung nicht nachrangig; diese Leistungen sind Einkommen im
unterhaltsrechtlichen Sinne (vgl. Klinkhammer, Grundsicherungsgesetz, FamRZ 2002, S.
997 ff (1001); Ziff. 2.9 Düsseldorfer Leitlinien zum Unterhaltsrecht vom 01.07.2003) .
Vom GSiG privilegiert sind gern. § 2 Abs. 1 S. 3 GSiG u.a. Unterhaltsansprüche von
Kindern gegen ihre Eltern, sofern das jährliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter
100 000,00 EUR liegt .
Der Beklagte gehört als Volljähriger, dauerhaft voll Erwerbsgeminderter i.S. von § 43 Abs. 2
SGBVI zum berechtigten Personenkreis des § 1 GSiG.
Der Kläger ist der Vater des Beklagten und bezieht ein Jahreseinkommen unter
100 000,00 EUR. Damit liegt eine privilegierte Unterhaltsbeziehung i.S. von § 2 Abs. 3
GSiG vor, mit der Konsequenz, dass Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz
grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Dem steht nicht die vom Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.04.2005
zitierte Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 27.06.2003 entgegen, da diese
Entscheidung eine nicht privilegierte Unterhaltsbeziehung zum Gegenstand -nämlich
nachehelichen Unterhalt - hat.
Da dem Beklagten somit eigenes anrechenbares Einkommen in Höhe von monatlich
547,88 EUR zur Verfügung steht, das auf seinen Unterhaltsanspruch in Höhe von
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monatlich 240,00 EUR anzurechnen ist, steht ihm ab dem 01.05.2004 — entsprechend
dem Klagebegehren - kein Unterhaltsanspruch mehr gegenüber dem Kläger zu.
Der Rückforderungsanspruch des Klägers ist ab dem 01.05.2004, dem Zeitpunkt des
begründeten Abänderungsbegehrens , in Höhe von monatlich 240,00 EUR gem. § 812
Abs. 1 S..2 1.Alt. BGB begründet.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff. 8, 711 ZPO.
Streitwert: Klageantrag zu 1: 2 880,00 EUR Klageantrag zu 2: 1 200,00 EUR