Urteil des AG Brandenburg vom 15.03.2017

AG Brandenburg: konkludentes verhalten, abrechnung, nachzahlung, mietvertrag, nebenkosten, wohnraum, zahlungsausgleich, akte, betriebskosten, sammlung

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Gericht:
AG Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
30 C 3/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 556 Abs 3 BGB, § 556 Abs 4
BGB
Gewerberaummiete: Nachträgliche Korrektur von
Nachlässigkeitsfehlern einer Betriebskostenabrechnung nach
Saldoausgleich; Korrekturvorbehalt
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) auf Zahlung von Nebenkosten aus einem
Mietvertrag über Gewerberaum sowie die Beklagte zu 2) aus einer Bürgschaft in
Anspruch.
Die Klägerin betreibt das an der B 1 gelegene Einkaufszentrum Brandenburg Wust. Im
Herbst 2000 mietete die ... einen im EKZ Brandenburg/Wust belegenen Gewerberaum
zum Betrieb eines Getränkemarkts von der Klägerin. Mit Übertragungsvereinbarung vom
09./11.07.2001 trat ... auf Mieterseite rückwirkend zum 01.06.2001 in das Mietverhältnis
ein.
Mit Schreiben vom 16.12.2004 übersandte die Klägerin die Nebenkostenabrechnungen
für die Jahre 2001 - 2003. In dem Schreiben befindet sich u. a. folgender Passus:
„Sollten sich Rechnungen bzw. Kosten sowie Zählerstände im Nachhinein ändern
bzw. im Nachhinein bei uns eingehen, behalten wir uns eine anteilige Nachberechnung
vor.“
Die sich insgesamt aus den Abrechnungen ergebende Nachforderung zu Gunsten der
Klägerin in Höhe von 2.722,18 Euro glich die Beklagte zu 1) am 04.01.2005 aus.
Auf Grund von Mietereinsprüchen überprüfte die Klägerin die Heizkostenabrechnung der
... nochmals. Bei der Prüfung kam sie zu dem Ergebnis, dass die Heizkostenabrechnung
fehlerhaft war und falsche Zuordnungen bei der Verteilung der Heizkosten
vorgenommen wurden. Mit Schreiben vom 19.12.2005 korrigierte sie daraufhin die
Abrechnungen für die Jahre 2001 - 2003, so dass sich insgesamt für die drei Jahre für die
Beklagte zu 1) eine Nachzahlung in Höhe von 7.614,36 Euro ergab. Abzüglich der bereits
geleisteten 2.722,18 Euro ergibt sich ein restlicher Nachforderungsanspruch der Klägerin
in Höhe von 4.892,18 Euro, der mit vorliegender Klage geltend gemacht wird.
Mit Bürgschaft vom 12.06.2001 verbürgte sich die Beklagte zu 2) bis zu einem Betrag
von 17.000,00 DM für alle sich aus dem streitgegenständlichen Mietvertrag ergebenden
Forderungen unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der
Vorausklage unter der Voraussetzung, dass die mit Schreiben vom 14.11.2000 zur
Verfügung gestellte Mietausfallbürgschaft für die ... im Original wieder zurückgesandt
wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die schriftliche
Bürgschaftserklärung vom 12.06.2001 (Bl. 70 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 4.892,18 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie vertreten die Auffassung, die Klägerin sei mit Nachforderungen ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien zur
Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin unbegründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Mietverhältnis
ein Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten für die Jahre 2001 - 2003 nicht zu. Sie
war nämlich gehindert, nach Ausgleich der zunächst erteilten
Nebenkostenabrechnungen diese nachträglich zu korrigieren und weitere
Nachforderungen zu erheben. Die Parteien haben nämlich hinsichtlich der mit Schreiben
vom 16.12.2004 abgerechneten Beträge einen kausalen Anerkenntnisvertrag (sog.
deklaratorisches Schuldanerkenntnis) geschlossen. Denn in der Übermittlung der
Abrechnung liegt ein Angebot des Vermieters sich hinsichtlich des
Nachforderungsbetrages auf eine Mieterhöhung zu verständigen, welches durch den
Zahlungsausgleich seitens der Beklagten akzeptiert worden ist. Für die Annahme eines
solchen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses spricht auch, dass beide Seiten ein
berechtigtes Interesse daran haben, dass alsbald Klarheit über die Verpflichtungen aus
dem abgeschlossenen Abrechnungszeitraum hergestellt wird.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein solcher Schuldbestätigungsvertrag nicht
nur durch ausdrückliche Vereinbarung, sondern auch durch konkludentes Verhalten
geschlossen werden. Die Vorschrift des § 546 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen.
Danach sind zwar Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 3 BGB
abweichen, insbesondere also Vereinbarungen, die die Einwendungsfrist des Mieters aus
§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB verkürzen, unwirksam. Vorliegend sind jedoch die §§ 556 Abs. 3,
Abs. 4 BGB nicht anwendbar, da § 556 BGB ausschließlich für Wohnraum gilt,
streitgegenständlich jedoch ein Mietverhältnis über Gewerberaum ist. Im Übrigen geht
das Gericht in Einklang mit der wohl herrschenden Auffassung davon aus, dass sich §
556 Abs. 4 BGB auch bei Wohnraummietverhältnissen lediglich auf generelle Absprachen
zu Lasten des Mieters schon im Mietverhältnis beschränkt (vgl. Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 9. Aufl., § 556, Rz. 402 ff.).
Das Anerkenntnis hat zur Folge, dass jede Partei im Grundsatz mit solchen
nachträglichen Einwänden ausgeschlossen ist, die bereits vor dem Saldoausgleich auf
Grund gründlicher Prüfung hätten angebracht werden können. Der
Einwendungsausschluss gilt damit für alle Fehler, die sich bereits aus der Abrechnung
feststellen ließen. Denn eine unrichtige Verteilung der unverändert gebliebenen
Gesamtkosten lässt sich bereits der fehlerhaften Abrechnung vom 16.12.2004
entnehmen. Demzufolge hat auch die Klägerin nach nochmaliger Überprüfung der
Abrechnung den Fehler festgestellt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin sich im Schreiben vom 16.12.2004
eine anteilige Nachberechnung vorbehalten hat. Denn dieser Vorbehalt bezieht sich nur
auf Fälle, in denen sich Rechnungen bzw. Kosten sowie Zählerstände im Nachhinein
ändern bzw. im Nachhinein bei der Klägerin eingehen. Eine solche Fallkonstellation ist
vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Gesamtkosten haben sich nicht geändert und es
sind auch nicht nachträglich weitere Rechnungen bei der Klägerin eingegangen. Vielmehr
sind einzig und allein die unveränderten Gesamtheizungskosten in anderem Umfang auf
die einzelnen Mietvertragsparteien aufgeteilt worden. Gerade dieser Fall wird jedoch von
dem Vorbehalt der Klägerin im Schreiben vom 16.12.2004 nicht umfasst. Entgegen der
Auffassung der Klägerin kommt eine Auslegung des Vorbehalts dahingehend, dass
generell eine Abänderungsmöglichkeit für die Klägerin gegeben sein sollte, nicht in
Betracht. Dem steht nämlich der ausdrückliche Wortlaut entgegen. Auf Grund dieses
Wortlauts konnte die Beklagte zu 1) davon ausgehen, dass der Vorbehalt für die Fälle
gelten soll, in denen sich eine nachträgliche Änderung der abgerechneten
Gesamtkosten ergibt. Einen generellen Abänderungsvorbehalt hat die Klägerin jedenfalls
im Abrechnungsschreiben nicht erklärt. Im Übrigen sind auch durchaus Fälle denkbar, in
denen sich nachträglich die bereits abgerechneten Gesamtkosten erhöhen,
beispielsweise dadurch, dass der Vermieterin nach Erteilung der Abrechnungen noch
weitere Rechnungen für den Abrechnungszeitraum zugehen.
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Der Klägerin steht auch ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht zu. Ein
solcher ergibt sich nicht aus § 765 Abs. 1 BGB. Ein entsprechender Anspruch setzt
nämlich gemäß § 767 Abs. 1 S. 1 BGB das Bestehen der Hauptverbindlichkeit voraus.
Diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht erfüllt, da der Klägerin ein Anspruch auf
Nachzahlung von Betriebskosten gegen die Beklagte zu 1) gerade nicht zusteht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 4.892,18 Euro.
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