Urteil des AG Brandenburg vom 11.11.2007

AG Brandenburg: bestattung, stadt, tod, urne, friedhof, gewohnheitsrecht, öffentliche gesundheit, eltern, widerklage, beerdigung

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Gericht:
AG Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
31 C 223/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG,
Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG
Gewohnheitsrecht der Totenfürsorge: Beachtlichkeit des Willens
minderjähriger Angehöriger des Verstorbenen
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte/Widerkläger zu 2.) - …-, derzeitig gesetzlich
vertreten durch Frau …, befugt ist, die bei der Stadt Bochum aufbewahrte Urne des am
11.11.2007 verstorbenen … auf dem Friedhof in der Stadt Brandenburg an der Havel
beizusetzen.
3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
4. Die Klägerin/Widerbeklagte hat 50 % der Gerichtskosten und 50 % ihrer eigenen
außergerichtlichen Kosten sowie die vollen außergerichtlichen Kosten des
Beklagten/Widerklägers zu 2.) - J B - zu tragen.
Die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) - Frau P B - hat 50 % der Gerichtskosten und 50 % der
außergerichtlichen Kosten der Klägerin/Widerbeklagten zu tragen.
5. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin/Widerbeklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 900,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten/Widerkläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) kann die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 350,00 Euro abwenden, wenn nicht die
Klägerin/Widerbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
6. Der Wert des Streitgegenstandes des Verfahrens wird auf insgesamt 3.000,00 Euro
festgesetzt.
Tatbestand
Am 11.11.2007 verstarb der am 16.01.1981 geborene Herr …, geborener …, in Folge
eines Motorradunfalls. Der Verstorbene war nicht verheiratet, wohnte jedoch mit der
Beklagten/Widerklägerin zu 1.) im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
zunächst in Brandenburg an der Havel und ab 2002 in Bochum zusammen, da der
verstorbene an der Fachhochschule Reglinghausen ein Studium aufnahm und auch die
Klägerin/Widerbeklagte - d. h. die Mutter des Verstorbenen - in Bochum wohnte. Die
Beklagte/Widerklägerin zu 1.) lebte dann zusammen mit ihrem gemeinsamen Sohn -
dem Beklagten/Widerkläger zu 2.), … - bis zum Tod des Verstorbenen in Bochum in einer
Wohnung zusammen. Die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) ist nunmehr aber nach dem Tod
des Verstorbenen zusammen mit ihrem Sohn - dem Beklagten/Widerkläger zu 2.) -
wieder nach Brandenburg an der Havel umgezogen.
Recht der Totenfürsorge und insofern auch das darin enthaltene Recht, die Urne des
Verstorbenen … auf einem Friedhof in Werder an der Havel beisetzen zu lassen.
Verstorbenen ebenfalls das Recht der Totenfürsorge und beantragt diesbezüglich, dass
die Urne des Verstorbenen auf einen Friedhof in Brandenburg an der Havel beigesetzt
wird.
der Totenfürsorge und insoweit das Recht, seinen verstorbenen Vater auf einen Friedhof
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der Totenfürsorge und insoweit das Recht, seinen verstorbenen Vater auf einen Friedhof
in Brandenburg an der Havel beisetzen zu können.
Auf Grund einer zwischen der Klägerin/Widerbeklagten und der Beklagten/Widerklägerin
zu 1.) vergleichsweise am 24.01.2008 getroffenen Einigung vor dem Amtsgericht
Bochum wurde die Sequestration über die Urne des Verstorbenen angeordnet und zum
Sequester das Grünflächenamt der Stadt Bochum bestellt. Die Urne des am 11.11.2007
verstorbenen Herrn … befindet sich seit dieser Zeit in Gewahrsam der Stadt Bochum,
Umwelt und Grünflächenamt, Sachgebiet Unterhaltung Grün,
Verwaltungsangelegenheiten Friedhöfe.
Die Klägerin trägt als Mutter des Verstorbenen vor, dass sich ihr Sohn ihrer Meinung
nach vollständig von der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) vor seinem Tod auseinander
gelebt hatte. So habe die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) ihr selbst noch Ende Oktober
bzw. Anfang November 2007 mitgeteilt, dass sie sich mit dem Verstorbenen nur noch
streiten würde. Auch hätte der Verstorbene mit der Beklagten/Widerklägerin zu 1.)
geschlechtlich nicht mehr verkehrt.
Zwar sei es richtig, dass der Verstorbene an seinen Sohn … - den Beklagten/Widerkläger
zu 2.) – zu Lebzeiten sehr gehangen habe, jedoch würde sie bestreiten, dass daraus
auch nähere Beziehungen zu der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) resultieren würden.
Zudem habe der Verstorbene auch einen regelmäßigen und innigen Kontakt zu ihr
gehabt. Auch hätte sie sich ebenso wie die Halbschwester des Verstorbenen - die
Zeugin … - um den Beklagten/Widerkläger zu 2.), d. h. den Sohn des Verstorbenen,
gekümmert. Dass die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) sich im Übrigen um die
Angelegenheiten des Verstorbenen während seines Krankenhausaufenthaltes
gekümmert hätte, sei auf deren ausdrücklichen Wunsch zurückzuführen. Sie - die
Klägerin/Widerbeklagte - habe sich jedoch auch damals angeboten, die laufenden
Angelegenheiten für den nunmehr Verstorbenen zu regeln.
Bis auf sie - als Mutter - und seine Schwester (die jeweils in Bochum wohnen) sowie den
Beklagten/Widerkläger zu 2.) als dessen Sohn habe der Verstorbene jedoch noch weitere
Angehörige, die in Werder an der Havel wohnhaft seien, insbesondere sein Großvater
und seine Großtante. Des weiterem habe ihr verstorbener Sohn auch regelmäßig in
seinem Urlaub seine Verwandtschaft in Werder besucht, nämlich seinen Großvater. In
Werder an der Havel würden sich auch zwei Familiengräber befinden, in denen bereits
Familienangehörige bestattet worden seien. In einem dieser Gräber solle insofern auch
ihr nunmehr verstorbener Sohn seine letzte Ruhe finden.
Im Übrigen würde sie zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann, sobald dieser berentet
wird, von Bochum nach Werder an der Havel umziehen, wo sie sich regelmäßig - soweit
beruflich möglich - schon jetzt aufhalten würden und ab Januar 2008 auch eine
Eigentumswohnung erworben hätten.
Sie habe von der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) jedoch mitgeteilt bekommen, dass ihr
verstorbener Sohn nicht in Werder an der Havel sondern in Brandenburg an der Havel
bestattet werden soll. Dies würde ihrer Ansicht nach aber in keiner Weise den Willen des
Verstorbenen entsprechen. Vielmehr hätte der Verstorbene seine letzte Ruhestätte bei
seiner Familie haben wollen, dass heißt in Werder an der Havel, in einem der beiden
Familiengräber. In Brandenburg an der Havel habe ihr verstorbener Sohn nämlich
keinerlei Angehörige und auch keinerlei Bezug zu dieser Stadt. Zwar habe der
Verstorbene in Brandenburg an der Havel einst gelebt, da auch sie zusammen mit
ihrem damaligen Ehemann in Brandenburg an der Havel gewohnt habe, jedoch ist sie
der Meinung, dass der Verstorbene in Werder an der Havel habe beerdigt werden wollen.
Letztlich würde sie ausdrücklich darauf verweisen, dass der Verstorbene keinen
konkreten Wunsch geäußert hat, an welchem Ort er beerdigt werden wollte und sei
zwischen den Prozessparteien unstreitig, dass der Verstorbene im Bundesland
Brandenburg beerdigt werden soll. Aus der Äußerung des Verstorbenen, dass seine
Asche über die Havel verstreut werden solle, würde sich ihrer Meinung nach auch nicht
etwas Anderes ergeben.
Darüber hinaus würde sie darauf hinweisen, dass in dem Bestattungsgesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen als Rangfolge lediglich Kinder vor den Eltern genannt
werden, jedoch nicht minderjährige Kinder, so dass auch diesem Bestattungsgesetz zu
entnehmen sei, das öffentlich-rechtlich sie hier nunmehr berechtigt sei, den
Verstorbenen zu bestatten und nicht ihr Enkel - d. h. der Beklagte/Widerkläger zu 2.) -
als minderjähriger Sohn des Verstorbenen. Zudem sei der Lebensweg ihres Enkels -
dem Beklagten/Widerklägers zu 2.) - in keinster Weise klar, so dass nicht davon
ausgegangen werden könne, dass dieser bis zu seinem Lebensende bei seiner Mutter in
Brandenburg an der Havel wohnen bleiben würde. Auch würden die Stadt Brandenburg
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Brandenburg an der Havel wohnen bleiben würde. Auch würden die Stadt Brandenburg
an der Havel und die Stadt Werder an der Havel nicht weit voneinander liegen, so dass
die beiden Beklagten/Widerkläger etwa mit dem Zug durchaus von Brandenburg an der
Havel nach Werder an der Havel fahren könnten. Es wäre insofern ihrer Meinung nach
auch unproblematisch, wenn der 6-jährige Beklagte/Widerkläger zu 2.) das Grab seines
Vaters in Werder besuchen möchte, selbst wenn dieser zusammen mit seiner Mutter in
Brandenburg an der Havel wohnen würde.
Auch wenn im Übrigen der Verstorbene gegenüber Freunden geäußert haben sollte,
dass seine , so sei für sie nicht
nachvollziehbar, aus welchem Grunde der Verstorbene dann gemeint haben soll, dass er
eine Beerdigung in der Stadt Brandenburg an der Havel und nicht in der Stadt Werder an
der Havel gewünscht hatte. Zu den diesbezüglichen Äußerungen des Freundes des
Verstorbenen - der Zeuge … - würde sie im Übrigen bemerken, dass dieser selbst wohl
mitgeteilt hätte, dass ein konkretes ernsthaftes Gespräch bzgl. der letzten Ruhestätte
zwischen ihm und dem Verstorbenen nicht stattgefunden hat. Insofern würde sie auch
mit Nichtwissen bestreiten, dass die Stadt Brandenburg an der Havel vom Verstorbenen
als seine Heimat angesehen worden ist. Nur der Vollständigkeit würde sie jedoch auch
darauf hinweisen, dass die Stadt Werder ebenfalls an den Fluss Havel liegt, wie die Stadt
Brandenburg an der Havel.
Des Weiteren könne sie sich regelmäßig um die Grabstätte des Verstorbenen kümmern,
wenn dieser in Werder an der Havel beigesetzt wird und nicht in Brandenburg an der
Havel, auch wenn sie derzeitig noch in Bochum wohnen würde.
Aus diesen Gründen sei sie zu keinem Zeitpunkt mit einer Beerdigung ihres
verstorbenen Sohnes auf einem Friedhof in der Stadt Brandenburg an der Havel
einverstanden.
Die Klägerin/Widerbeklagte beantragt wie folgt zu erkennen:
Sie ist befugt, die Urne des am 11.11.2007 verstorbenen ……. selbst oder durch
Dritte in Empfang zu nehmen und diese zwecks Beisetzung auf dem Neuen Friedhof in
Werder (Havel) nach Werder an der Havel zu überführen
sowie
die Widerklage der Beklagten/Widerkläger zu 1.) und 2.) insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) beantragt,
die Klage abzuweisen
sowie im Wege der Widerklage festzustellen, dass sie befugt ist, die bei der Stadt
Bochum aufbewahrte Urne des am 11.11.2007 verstorbenen …. auf dem Friedhof in
Brandenburg an der Havel beizusetzen.
Der Beklagte/Widerkläger zu 2.) beantragt,
die Klage abzuweisen
sowie im Wege der Widerklage
festzustellen, dass er, gesetzlich vertreten durch Frau ….. , befugt ist, die bei der
Stadt Bochum aufbewahrte Urne des am 11.11.2007 verstorbenen ……. auf dem
Friedhof in Brandenburg an der Havel beizusetzen.
Die Beklagten/Widerkläger zu 1.) und 2.) tragen gemeinsam vor, dass die
Beklagte/Widerklägerin zu 1.) die nichteheliche Lebensgefährtin des Verstorbenen und
der Beklagte/Widerkläger zu 2.) der leibliche Sohn des Verstorbenen sei und sie alle
zusammen seit 2002 bis zum Tod des Verstorbenen auch in Bochum gelebt hätten. Im
Übrigen sei der Verstorbene in Brandenburg an der Havel aufgewachsen, wo die
Beklagte/Widerklägerin zu 1.) auch ihren Lebensgefährten kennengelernt hätte. Der
Verstorbene sei dann lediglich zu Studienzwecken nach Bochum gezogen. Sie seien
dann jedoch beide dem Verstorbenen gefolgt und nach Bochum umgezogen. Nach dem
Tod des Verstorbenen seien sie nunmehr jedoch wieder zurück nach Brandenburg an der
Havel gezogen.
Im Übrigen sind sie der Auffassung, dass der Verstorbene eine besonders enge und
innige Beziehung zu seinem Sohn – dem Beklagten/ Widerkläger zu 2.) – gehabt habe.
Dieser sei sein "ein und alles" gewesen. Aus diesem Grunde würden sie auch davon
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Dieser sei sein "ein und alles" gewesen. Aus diesem Grunde würden sie auch davon
ausgehen, dass der Verstorbene in der Nähe des Wohnortes seines Sohnes bestattet
werden wollte. Dieser Wohnort sei nunmehr jedoch in Brandenburg an der Havel, so dass
sie davon ausgehen würden, dass der Verstorbene auch in Brandenburg an der Havel
beerdigt werden wollte. Auch könne die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) zusammen mit
ihrem Sohn - den Beklagten/Widerkläger zu 2.) - dann zu Fuß zu dem Grab des
Verstorbenen gehen und das Grab gemeinsam pflegen.
Darüber hinaus habe der Verstorbene gegenüber der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) und
nahen Freunden vor seinem Tod auch mehrfach geäußert, dass er möchte, dass seine
Asche über die Havel verstreut wird. Auf Grund dieser Äußerung würden sie davon
ausgehen, dass der Verstorbene eine Beerdigung in Brandenburg an der Havel
gewünscht habe. Auch sei der Verstorbene in Brandenburg an der Havel aufgewachsen
und habe er diese Stadt als seine Heimatstadt empfunden.
Des weiterem habe der Verstorbene seinen Urlaub auch stets in Brandenburg an der
Havel verbracht. Er sei mit der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) als seiner Lebensgefährtin
und dem Beklagten/Widerkläger zu 2.) als seinem Sohn dann nach Brandenburg an der
Havel gefahren, teilweise auch allein. In Brandenburg an der Havel hätten nämlich die
meisten seiner Freunde und die Familie seiner nichtehelichen Lebensgefährtin und die
Großeltern seines Sohnes gelebt. Auch zu dem ehemaligen Ehemann der Klägerin - Herr
…. -, bei dem der Verstorbene praktisch aufgewachsen sei und der noch heute in
Brandenburg an der Havel wohnen würde, habe er bis zu seinem Tod einen engen
Kontakt gehabt.
Im Übrigen habe der Verstorbene aber enge Beziehung zu seiner Mutter - der
Klägerin/Widerbeklagten - gehabt, zumal er eigentlich bei seinem Stiefvater - Herrn … -
aufgewachsen sei. Auch würde es nicht zutreffen, dass die Klägerin/Widerbeklagte eine
besondere Vertrauensposition zu den Verstorbenen inne gehabt hatte.
Des Weiteren habe der Verstorbene auch keine besondere Beziehung zu dem Ort
Werder an der Havel gehabt. Auch habe er ihnen gegenüber niemals erwähnt, dass er
auf dem Friedhof in Werder an der Havel bei seinen Großeltern bestattet werden
möchte. Zudem hätte der Verstorbene zu den dort lebenden Verwandten in Werder an
der Havel auch keine engen Beziehungen unterhalten.
Im Übrigen sei auch fraglich, wer sich dann um die Grabstätte in Werder an der Havel
kümmern würde, da die Klägerin/Widerbeklagte derzeitig noch in Bochum wohnen würde
und der in Werder noch lebende Großvater auf Grund seines Alters wohl nicht in der Lage
sei sich ausreichend um die Grabpflege zu kümmern. Wenn die Klägerin/Widerbeklagte
somit noch 15 Jahre in Bochum leben möchte, sei mehr als fraglich, wie sie dann der
Totenfürsorge in Werder an der Havel ordnungsgemäß nachkommen möchte.
Des weiteren habe die Klägerin/Widerbeklagte am Tag der Trauerfeier in Bochum, dass
heißt am 16.11.2007, zunächst zwar gewünscht, dass der Verstorbene in Bochum
bestattet werden solle, da sie noch viele Jahre dort in Bochum leben würde und auch die
Schwester des Verstorbenen dort in Bochum wohnhaft sei, jedoch habe die Klägerin
dann gegenüber dem Bestatter am Tag der Trauerfeier angegeben, dass sie einer
Bestattung in Brandenburg an der Havel nicht im Wege stehen würde. Auf Grund dessen
habe die Beklagte/Widerklägerin zu 1.) dann auch eine Beerdigung des Verstorbenen in
Brandenburg an der Havel vorbereitet und auch die Überführung der Urne geplant. Die
Urne sei dann lediglich wegen der dann wieder streitenden Vorstellungen der
Prozessparteien von der Stadt Bochum nicht herausgegeben worden.
Sie würden im Übrigen aber davon ausgehen, dass der Verstorbene mit seinen Worten,
er möchte, dass seine wird, eindeutig den Wunsch
geäußert habe, dass er in Brandenburg an der Havel beerdigt werden möchte und nicht
in Bochum oder in Werder an der Havel. Auch habe der Verstorbene gegenüber seinen
Freunden bekundet, dass er zu seiner Beerdigung nach Brandenburg an der Havel
zurückkehren möchte.
Für den Wunsch des Verstorbenen in Brandenburg an der Havel bestattet zu werden,
würde darüber hinaus auch dessen enge Bindung zu seinem Sohn - dem
Beklagten/Widerkläger zu 2.) - sprechen, da dieser nunmehr in Brandenburg an der
Havel wohnen würde.
Nach alle dem sei die Klage ihrer Meinung nach abzuweisen und der Widerklage
stattzugeben.
Das Gericht hat nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 27.01.2009 (Blatt 105 und
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Das Gericht hat nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 27.01.2009 (Blatt 105 und
106/107 sowie Blatt 108 der Akte) Beweis erhoben und zudem den
Beklagten/Widerkläger zu 2.) persönlich angehört. Hinsichtlich der uneidlich gebliebenen
Aussagen der Zeugen ….., …. und …. wird auf die Feststellungen in den
Sitzungsniederschriften vom 27.01.2009 (Blatt 103 bis 110 der Akte) verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Prozessparteien wird zudem auf die unter
Angabe der Blattzahl der Akte angeführten Schriftstücke ergänzend Bezug genommen.
Des weiteren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus
auch auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die zulässige Widerklage ist im Übrigen aber im
des Grundgesetzes unter Beachtung der lediglich heranzuziehende
Bestimmungen des ehemaligen Reichsgebiets {§ 2 Abs. 3 des
Reichs-Feuerbestattungsgesetzes vom 15.05.1934} und der jetzigen Bundesländer der
BRD {vgl. hierzu u. a.: § 16 Bestattungsgesetz - BestG - des Landes Berlin; § 20 BestG
des Landes Brandenburg; § 10 BestG der Freien und Hansestadt Hamburg; § 13 Abs. 2
und § 14 Abs. 2 Friedhofs- und BestG des Landes Hessen; § 8 BestG des Landes
Niedersachsen; § 8 Abs. 1 und § 12 BestG des Landes Nordrhein-Westfalen; § 9 BestG
des Landes Rheinland-Pfalz; § 10 Abs. 2 und § 14 Abs. 2 BestG des Landes Sachsen-
Anhalt; § 18 Abs. 1 BestG des Landes Thüringen, u. s. w.}) begründet.
Dem Wortsinn nach handelt es sich bei der Totenfürsorge um jegliche Fürsorge für den
Toten. Die Totenfürsorge umfasst somit das Verfügungsrecht über den Leichnam. Damit
verbunden ist die Pflicht, die Bestattung des Verstorbenen zu veranlassen. Im weiteren
Sinne sind auch Strafanzeigen wegen Grabschändung, Störung der Totenruhe oder
Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener mit eingeschlossen. Im Nachhinein sind
aber z. B. insbesondere auch Umbettungen während der Ruhefrist von der Totenfürsorge
mit umfasst. Im weiteren Sinne gehören aber auch Anordnungen zu Obduktion und
Exhumierung zur Fürsorge für den Toten. Das Totenfürsorge- umfasst somit das
Entscheidungsrecht über den Leichnam bzw. die Asche des Verstorbenen, über die Art
und den Ort der Bestattung und eine eventuelle Umbettung, sowie die Veranlassung der
ärztlichen Leichenschau und die Wahrnehmung von Rechten im Strafrecht.
Gewohnheitsrechtlich steht das Recht zur Totenfürsorge dem Ehegatten/Lebenspartner,
den nächsten Angehörigen und Verwandten des Verstorbenen in gerader Linie zu.
wie den jeweiligen Bestattungsgesetzen der Bundesländer - geregelt.
Streiten sich die Hinterbliebenen/nächsten Angehörigen eines Verstorbenen über die Art
und den Ort der Bestattung und damit über die Rangfolge des gewohnheitsrechtlich
geregelten Rechts der Totenfürsorge, ist der Streit zwischen den
Hinterbliebenen/nächsten Angehörigen und/oder der ggf. vom Verstorbenen postmortal
Verwaltungsgerichten auszutragen und kann die örtliche Ordnungsbehörde auch
aufgrund eines Bestimmungsrechts ohne Beteiligung der vom
Verstorbenen postmortal bevollmächtigten Person und/oder der
Hinterbliebenen/nächsten Angehörigen hierüber allein entscheiden, da dieses
Bestimmungsrechts der Ordnungsbehörde gemäß den jeweiligen
Bestattungsgesetzen der Bundesländer als der umfassenden Totenfürsorge
überhaupt dann eingreift, wenn keine vom Verstorbenen postmortal bevollmächtigten
Person und/oder ein Hinterbliebener/nächster Angehöriger des Verstorbenen über die
Art und den Ort der Bestattung entschieden hat (
Bestattungsgesetzen Bundesländer auch eine öffentlich-rechtliche Bestattungs-
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(nur ergänzend) die Bestattungspflicht, die somit lediglich gewissen der
gewohnheitsrechtlich geregelten Totenfürsorge darstellt.
Für die Frage, wer für die Totenfürsorge zuständig ist, ist aber in erster Linie der Wille des
Verstorbenen maßgebend, an den auch seine Angehörigen/Hinterbliebenen und/oder die
vom Verstorbenen hierzu postmortal bevollmächtigte Person gebunden sind (
). Die sogenannte Totenfürsorge
wahrzunehmen, insbesondere den Ort der letzten Ruhestätte zu bestimmen oder für die
Bestattung an einem bestimmten Ort zu sorgen und den Leichnam bzw. die Urne
erforderlichenfalls (rück-)umzubetten, hat dementsprechend zunächst derjenige, den
der Verstorbene hierzu mittels (ausdrücklicher oder stillschweigender) postmortaler
Vollmacht bestimmt hatte (
).
des Willens des Verstorbenen. Demgemäß entscheidet dieser Wille in erster Linie über
Art und Ort der Bestattung.
Lediglich dann, wenn und soweit ein Wille des Verstorbenen erkennbar ist, sind
nach gewohnheitsrechtlichem Grundsatz die nächsten Angehörigen/Hinterbliebenen des
Verstorbenen berechtigt und verpflichtet, über den Leichnam zu bestimmen und über
die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden (
). Der Verstorbene kann aber vor seinem
Tod nicht nur die Reihenfolge ändern oder durchbrechen, in der die Angehörigen an sich
anerkanntermaßen berufen sind, vielmehr kann er einem an sich Berufenen das
Bestimmungsrecht auch entziehen (
). Er kann das
Totenfürsorgerecht den Angehörigen sogar insgesamt entziehen und eine dritte Person,
etwa einen Testamentsvollstrecker oder guten Freund, damit betrauen (
). Der solchermaßen
Berufene ist dann auch berechtigt, den Willen des Verstorbenen - notfalls auch gegen
den Willen der Angehörigen - zu erfüllen.
Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens
des Verstorbenen kommt es auch nur auf dessen ausdrückliche
Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an; vielmehr genügt es, wenn
der Wille aus den Umständen geschlossen werden kann (
). Das Totenfürsorgerecht hat also in erster Linie derjenige, den der
Verstorbene mit der Wahrnehmung der Totenfürsorge beauftragt hat und der weder zum
Kreis der an sich dazu berufenen Angehörigen (
) noch zu den Erben ( AG
) zählen muss. Bei der Ausübung des
Bestimmungsrechts ist der so ggf. postmortal Bevollmächtigte aber auch an den
irgendwie geäußerten oder auch mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gebunden (
Anordnungen und Wünsche des
Verstorbenen können dabei sowohl in einem Testament als auch formlos zum Ausdruck
gebracht worden sein.
Hier liegt aber eine ausdrückliche Erklärung des Verstorbenen vor, wobei zu
beachten ist, dass die Beweislast für einen entsprechenden Willen des Verstorbenen
immer derjenige hat, der einen solchen Willen jeweils behauptet (
). Dieser
Beweis ist hier aber von keiner Partei erbracht worden. Dass der hier Verstorbene vor
seinem Tod hinsichtlich des Totenfürsorge-Berechtigten eine ausdrückliche oder
mutmaßliche Bestimmung bezüglich einer bestimmten Person getroffen hatte, ist hier
nämlich weder ersichtlich noch von den Prozessparteien dargetan bzw.
bewiesen worden, auch wenn hier einiges dafür sprechen könnte, dass das
Totenfürsorgerecht der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) als der langjährigen
nichtehelichen Lebensgefährtin des Verstorbenen und Mutter seines Sohnes - dem
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nichtehelichen Lebensgefährtin des Verstorbenen und Mutter seines Sohnes - dem
Beklagten/Widerkläger zu 2.) - nach dessen Willen diese Berechtigung ggf. zustehen
sollte, da der Verstorbene unstreitig mit der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) bis zu
seinem Tod in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen gelebt hatte (vgl.:
) und lediglich streitig zwischen den
Prozessparteien ist, ob diese nichtehelichen Lebensgemeinschaft noch immer auch auf
Dauer so vor dem Tod des Verstorbenen angelegt war oder nicht.
Da eine schriftliche Äußerung des Verstorbenen hier auch dazu vorliegt, aus der
sein ausdrücklicher oder mutmaßlicher Wille hinsichtlich der Frage zu entnehmen wäre,
wo - d. h. in welchem Ort - konkret er bestattet werden wollte, war hier durch das Gericht
nunmehr zu prüfen, ob ein anderweitig geäußerter ausdrücklicher Wille des Verstorbenen
vorlag. Den Prozessparteien ist es im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme
zwar insofern gelungen, einen gewissen ausdrücklichen Willen des Verstorbenen
dergestalt zu beweisen, demzufolge der Verstorbene gegenüber seinem Freund - dem
Zeugen …. - geäußert hatte, dass
, so dass das Gericht hier davon ausgeht, dass der Verstorbene zum einen verbrannt
und im Übrigen wohl auch im Bereich des Flusses Havel beigesetzt werden wollte. Zwar
wurde der Verstorbene verbrannt, jedoch liegen hier sowohl der von der
Werder
Brandenburg
Schlüsse zum mutmaßlichen Willen des Verstorbenen bezüglich des konkreten Ortes
durch das Gericht geschlossen werden können. Sowohl die Aussage der Zeugin …. als
auch die Aussage der Zeugin …. waren zudem insofern nicht ergiebig, da beide
Zeuginnen hierzu keine näheren Angaben machen konnten. Auch weitere Anhaltspunkte
sind von den Parteien hierzu weder vorgetragen noch bewiesen worden. Es kommt aber
darauf an, ob der Verstorbene den letzten Willen gehabt hat, in Brandenburg an der
Havel oder in Werder an der Havel bestattet zu werden. Dieser Wille muss mit Sicherheit
aus den Äußerungen oder aus den Umständen geschlossen werden können. Hat ein
Verstorbener den Ort seiner letzten Ruhestätte bestimmt, könnte der Fortbestand
dieser Bestimmung zwar durch nachfolgende Vorfälle ggf. in Zweifel gezogen werden (
). Zweifel, die durch
zwischenzeitliche Äußerungen oder Umstände geweckt werden, stehen der Annahme
eines entsprechenden letzten Willens hier aber entgegen, so dass das Gericht hier
davon überzeugt ist, dass der Verstorbene in der Nähe des Flusses Havel - also
entweder in Brandenburg an der Havel oder in Werder an der Havel - bestattet werden
wollte.
Soweit aber ein ganz konkreter Wille des Verstorbenen hinsichtlich des konkreten Ortes
seiner Bestattung erkennbar ist - wie hier -, sind nach dem o. g. Gewohnheitsrecht
seine Angehörigen zur diesbezüglichen Bestimmung berechtigt und
verpflichtet, d. h. hier den konkreten Ort der letzten Ruhestätte in der Nähe des Flusses
Havel auszuwählen und sonstige Maßnahmen der Totenfürsorge zu treffen, wobei der
Angehörige bei der Ausübung des Bestimmungsrechts hinsichtlich der Art und
Weise der Bestattung auch an den irgendwie geäußerten oder auch nur mutmaßlichen
Willen des Verstorbenen (hier also eine Verbrennung, da der Verstorbene von
sprach) gebunden bleibt (
).
Dieses der Totenfürsorge ergibt sich für die Angehörigen aus der Nachwirkung des
Verhältnisses, das den Toten zu Lebzeiten mit den überlebenden
Angehörigen verbunden hat, und berührt auch sittliche Pflichten (
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). Wie die Rechtsprechung bereits mehrfach ausgeführt hat, entsteht
Gewohnheitsrecht durch langjährige Übung, die eine dauernde und ständige,
gleichmäßige und allgemeine ist und die nach allgemeiner Rechtsüberzeugung als
verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Den Angehörigen des Verstorbenen steht
insoweit dann in der nachfolgenden Rangfolge gemäß dem in
Deutschland unter Beachtung des deutschen Grundgesetzes
das zur Totenfürsorge zu, bevor dann jeweils der nachfolgende Angehörige
entsprechend den Bestattungsgesetzen der Bundesländer - hierzu
die entsprechende ausüben :
1. der/die Ehegatte/-in,
2. der Partner der eingetragenen Lebenspartnerschaft (im Sinne des LPartG),
3. die Kinder,
4. die Eltern,
5. die Großeltern,
6. die Geschwister,
7. die Enkelkinder,
8. der/die Verlobte,
9. der Partner einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Als Sohn des Verstorbenen gehörte der Beklagte/Widerkläger zu 2.) damit zum Kreis der
gewohnheitsrechtlich bestattungsberechtigten "sehr nahen Angehörigen". Eine vorrangig
bestattungspflichtige Person war vorliegend zudem vorhanden. Eine solche
gewohnheitsrechtliche Überzeugung besteht nämlich seit mehreren Tausend Jahren mit
dem Inhalt, dass Kinder in Ermangelung vorrangig verpflichteter Ehegatten des
Verstorbenen grundsätzlich sind, die Bestattung ihrer Eltern aufgrund
rechtlicher Verpflichtung zu übernehmen.
Es lässt sich im Übrigen auch feststellen und ist auch von der
Klägerin/Widerbeklagten hier nicht vorgetragen worden, dass sich eine solche
Überzeugung im Gewohnheitsrecht nicht auch für den hier gegebenen "Sonderfall"
gebildet hat, dass das Kind des Verstorbenen noch minderjährig ist. Gegen eine solche
Annahme eines die Berechtigung des minderjährigen Beklagten/Widerklägers zu 2.)
ausschließenden Sonderfalles spricht vielmehr die Herleitung des streitigen,
gewohnheitsrechtlich geregelten Bestattungsrechts. Sie wird aus dem Recht und der
Pflicht im Rahmen der sogenannten "Totenfürsorge" abgeleitet, die wiederum Ausfluss
des Verhältnisses ist, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit
den Überlebenden verbunden hat, und das über den Tod hinaus fortdauernd gegenüber
dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet, und zwar
unabhängig davon, ob das hinterbliebene Kind nun schon 18 Jahre alt (also volljährig) ist
oder z. B. gerade erst 17 Jahre bzw. - wie hier - 6 Jahre alt ist. Es kann nämlich nicht
angehen, dass ein entfernter Verwandter oder gar das Ordnungsamt über die
Beisetzung des Verstorbenen entscheidet, während dem einzigen Sohn diesbezüglich
keinerlei Rechte mehr zustehen sollen, nur weil er derzeitig noch minderjährig ist. Diese
Rechtslage geht somit auf die gewohnheitsrechtlich in erster Linie den
obliegende Totenfürsorge zurück (
), und
zwar unabhängig vom Alter der Angehörigen. Denn hinsichtlich der Beantwortung
der Frage, nach welchen Kriterien der für die Totenfürsorge jeweils berechtigte
Angehörigen bei (z. B. bei Kindern oder Geschwister)
bestimmt werden soll, ist u. a. auch das Alter mit heranzuziehen (
), aber
bezüglich der Beantwortung der Frage, welchem Angehörigen überhaupt zuerst das
Recht der Totenfürsorge zustehen soll. Dies würde nämlich ansonsten bedeuten, dass
minderjährige Ehefrauen, Kinder, Geschwister etc. p. p. stets vom Recht der
Totenfürsorge ausgeschlossen wären.
Die in den jeweiligen und oben teilweise näher genannten
Bestattungsgesetzen der Bundesländer in bestimmter Rangfolge normierte
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Zweck, im öffentlichen Interesse der Verhütung von Gefahren für
die öffentliche Gesundheit, für das sittliche Empfinden in der Bevölkerung und für eine
würdige Totenbestattung die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung zu
gewährleisten ( ). Der
Totenfürsorge mit zugrunde, das als privatrechtliche Position Ausfluss bzw. Nachwirkung
des familienrechtlichen Verhältnisses ist, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit den
Hinterbliebenen verbunden hat und über den Tod hinaus fortdauert. Die öffentlich-
rechtliche Pflicht zur Bestattung überträgt und überlässt der Staat aber zunächst immer
den Angehörigen, weil entsprechend den tradierten Anschauungen des ganz
überwiegenden Teils der Bevölkerung und nach alltäglicher Praxis ohnedies davon
auszugehen ist, dass diese ihrem verstorbenen Familienmitglied eine würdige
Bestattung bereiten. Erst wenn keine Angehörigen vorhanden sind oder (rechtzeitig) für
die Bestattung sorgen, greift er mit den Mitteln des Ordnungsrechts zum Zwecke der
Gefahrenabwehr ein (
). Dass die Bestattungsgesetze der
Bundesländer diese - im Grundsatz bundeseinheitlich hergebrachte und anerkannte -
Rechtslage zur vorrangigen Zuweisung der Bestattungspflicht an die näheren
Angehörigen/Hinterbliebenen des Verstorbenen gemäß Gewohnheitsrecht geändert hat,
ist aber auszuschließen ( ). Die
Bestattungsgesetze der Bundesländer normieren, dass, soweit die der jeweiligen
Rangfolge nach bestimmten bestattungspflichtigen Hinterbliebenen ihrer Verpflichtung
nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, die zuständige örtliche Ordnungsbehörde die
Bestattung zu veranlassen hat; sie entscheidet dann über Art und Ort der Bestattung.
Dieser Fall tritt aber ein, wenn keiner der nach der abstrakt bestimmten
Rangfolge bestattungspflichtigen Hinterbliebenen der Bestattungspflicht (rechtzeitig)
nachkommt; denn nur dann ist einer ordnungsrechtlichen Gefahr durch die
Ordnungsbehörde zu begegnen. Eine solche ist aber nicht schon dann gegeben, wenn
bestattungswillige Hinterbliebene sich über Art und/oder Ort der Bestattung und als
Vorfrage über die Rangfolge der Totenfürsorge im konkreten Fall streiten. Nichts anderes
folgt aus den o. g. jeweiligen Bestattungsgesetzen der Bundesländer. Danach
entscheiden, wenn keine Willensbekundung des Verstorbenen zu Art und Ort der
Bestattung bekannt ist, hierüber die Hinterbliebenen in der jeweiligen Rangfolge. Ob
diese Bestimmung ihrer Rechtsnatur nach öffentlich-rechtlich oder - in Wahrnehmung
der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Landes für das bürgerliche Recht
aus Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG - privatrechtlich ist und ob die teilweise
Abhebung auf die "Volljährigkeit" des jeweiligen Angehörigen verfassungswidrig ist, kann
hier somit dahin stehen. Sie räumt jedenfalls nicht die Befugnis des Staates ein, im
konkreten Fall eines Streits von Hinterbliebenen über Art und/oder Ort einer Bestattung
sowie um die Rangfolge der Bestattungspflicht und des dieser korrespondierenden
Rechts der Totenfürsorge zu entscheiden, das Recht und die Pflicht bestimmten
Hinterbliebenen einer Rangstufe zuzuweisen und hierzu vorläufige sichernde
Maßnahmen, etwa eine Anordnung zur Aufbewahrung einer Urne, zu treffen. Der Streit
der Hinterbliebenen über die Rangfolge ist vielmehr privatrechtlicher Natur und vor dem
zuständigen Zivilgericht auszutragen (
).
Insofern kommt es hier nach dem vorstehenden Ausführungen aber darauf an, ob
ggf. das grundsätzlich vorrangige Kind des Verstorbenen - hier der Beklagte/Widerkläger
zu 2.) – allein aufgrund seiner derzeitigen Minderjährigkeit vom Recht der Totenfürsorge
ausgeschlossen ist und ob insofern § 20 Abs. 1 Satz 1 des Bestattungsgesetzes des
Landes Brandenburg hinsichtlich der Bestimmung der Rangfolge eine abschließende,
jedoch dem Grundgesetz widersprechende Regelung trifft, die nur eine Differenzierung
unter den " Angehörigen" zulässt, da hier eine differenzierende
Rechtsprechung . Insoweit kann und muss hier offen bleiben, ob
§ 20 Abs. 1 Satz 1 BbgBestG, wenn die vorstehende Rechtsfrage zu bejahen wäre, einen
unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht
der Totenfürsorge bewirkt, indem der Vorschrift zufolge ein vorrangiger Hinterbliebener,
Sohn
minderjährig ist, jedoch eine starke und ausgeprägte familienrechtliche Verbindung zum
Verstorbenen hat, nur deshalb von nachrangige Hinterbliebenen (etwa Eltern oder
Großeltern des Verstorbenen) ausnahmslos vom Recht der Totenfürsorge
ausgeschlossen wird, und ob dann diese Vorschrift ggf. einer verfassungskonformen
Auslegung zugänglich wäre (vgl. auch:
). Insofern kommt der (zudem auch nur in
den öffentlich-rechtlichen Bestattungsgesetzen der Bundesländer jeweils vorgesehenen)
"Volljährigkeit" des jeweiligen Angehörigen hier Bedeutung bei der durch das
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"Volljährigkeit" des jeweiligen Angehörigen hier Bedeutung bei der durch das
Gericht zu beurteilenden Totenfürsorge gemäß dem Gewohnheitsrecht
zu.
Da der Verstorbene hier nicht mit der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) verheiratet war,
sind somit hier grundsätzlich die Angehörigen 1. Grades zur Totenfürsorge berechtigt.
Verstorbenen und auch noch der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) als der
Totenfürsorge- bezüglich seines verstorbenen Vaters zusteht, weil grundsätzlich
dem Kind des Verstorbenen gegenüber allen anderen Angehörigen der Vorrang gebührt,
wenn der Verstorbene nicht verheiratet war ( ).
Zwar ist der Beklagte/Widerkläger zu 2.) derzeitig noch minderjährig, jedoch wird er hier
insofern nunmehr von seiner Mutter gesetzlich vertreten und kann er ab Vollendung
seines 18. Lebensjahres über dieses Totenfürsorgerecht dann auch allein entscheiden.
Aus diesem Grunde war hier dem Antrag des Beklagten/Widerklägers zu 2.) - d. h. des
Sohnes des Verstorbenen - auf Klageabweisung zu entsprechen und der Widerklage des
Beklagten/Widerklägers zu 2.) stattzugeben. Im Übrigen war aber auch aus den gleichen
Gründen hier die Widerklage der Beklagten/Widerklägerin zu 1.) abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbar beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO. Zudem war der Streitwert wie
geschehen gemäß § 3 ZPO festzusetzen.
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