Urteil des AG Borken vom 14.05.2008

AG Borken: örtliche zuständigkeit, geldanlage, wohnung, vollstreckung, vermittler, schlechterfüllung, erfüllungsort, anlageberatung, aufklärungspflicht, stillschweigend

Amtsgericht Borken, 15 C 81/08
Datum:
14.05.2008
Gericht:
Amtsgericht Borken
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 C 81/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Vermittlung
einer treuhänderischen Beteiligung an der D AG & Co. KG geltend. Die D AG & Co. KG
hatte die Beklagte mit dem Vertrieb von Beteiligungen beauftragt.
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Gegen Ende des Jahres 2005 entschloss sich der damals selbständige und auf dem
Gebiet der Kapitalanlage unerfahrene Kläger dazu, zusätzliches Geld für seine
Altersvorsorge anzulegen. Die Schwester des Klägers, Frau X, die zu diesem Zeitpunkt
für die Beklagte als Vermittlerin tätig war, bot ihm in diesem Zusammenhang ein
Beratungsgespräch an.
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Ein erstes Beratungsgespräch fand daraufhin am 02.11.2005 in der Privatwohnung des
Klägers statt. Als Vermittler waren daran sowohl Frau X als auch Herr S, der ebenfalls
für die Beklagte tätig war, beteiligt. In dem Gesprächstermin wurde dem Kläger von den
Vermittlern ausschließlich eine treuhänderische Beteiligung an der D AG & Co. KG
angeboten. Diese Anlageform wurde ihm als hervorragend geeignetes Anlageprodukt
zur Altersvorsorge empfohlen.
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Am 22.11.2008 unterzeichnete der Kläger entsprechend der Empfehlung der Beklagten
wiederum in seiner Wohnung eine Beitrittserklärung, mit der er sich in Höhe von
33.600,00 € an der D AG & Co. KG beteiligte. Vorgesehen war, dass der Kläger über
einen Zeitraum von 28 Jahren monatliche Raten in Höhe von 100,00 € zahlte. Am
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selben Tag unterschrieb der Beklagte eine Empfangsbestätigung über den Erhalt des
Emissionsprospekts der D AG & Co. KG und ein Gesprächsprotokoll, worin er unter
anderem bestätigte, dass er über die mit der Zeichnung einer Beteiligung an der D AG &
Co. KG verbundenen Chancen und Risiken aufgeklärt worden sei.
Der Kläger erbrachte insgesamt 20 Raten in Höhe von 100,00 € auf die erworbene
Beteiligung.
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Sodann kündigte er seine Beteiligung gegenüber der D AG & Co. KG, weil er arbeitslos
geworden war. Im Rahmen der anlässlich der Vertragbeendigung geführten
Verhandlungen schloss der damals bereits anwaltlich vertretene Kläger mit der D AG &
Co. KG am 14.11./27.11.2007 einen Vergleich, der unter Ziffer 4 unter anderem folgende
Regelung enthielt:
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"Herr C verzichtet auf eventuell weitergehende Ansprüche gegenüber aktuellen und
ehemaligen Organen, Initiatoren, Treuhändern, Prospekterstellern und
Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft".
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Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung der auf die Beteiligung geleisteten
Raten sowie der durch die Auflösung des Vertragsverhältnisses mit der D AG & Co. KG
entstandenen Rechtsanwaltskosten.
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Der Kläger behauptet, dass es ihm im Hinblick auf die beabsichtigte Altersvorsorge
insbesondere auf eine sichere Geldanlage angekommen sei. Weiter behauptet er, dass
er von den Mitarbeitern der Beklagten weder über die Art der Geldanlage noch über
deren Risiken aufgeklärt worden sei.
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Er meint, dass die Beklagte –unabhängig davon, ob sie als Anlageberaterin oder
Anlagevermittlerin anzusehen sei- ihn fehlerhaft beraten habe. Insbesondere ist er der
Auffassung, dass eine Pflichtverletzung bereits deshalb vorliege, weil die von der
Beklagten empfohlene Unternehmensbeteiligung für sein Ziel, eine sichere Geldanlage
für die Altersvorsorge zu schaffen, nicht geeignet gewesen sei.
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Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, dass sich die Beklagte nicht auf Ziffer 4 des
mit der D AG & Co. KG geschlossenen Vergleichsvereinbarung berufen könne.
Insbesondere meint er, dass die Beklagte nicht als Erfüllungsgehilfin der D AG & Co.
KG tätig geworden sei. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem die Ansicht
vertreten, dass die Beklagte vom Sinn und Zweck der Vergleichsvereinbarung nicht
erfasst sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.392,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2008 sowie
außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 29 I ZPO, weil der
Erfüllungsort der streitigen Aufklärungspflicht der Beklagten der im Gerichtsbezirk des
angerufenen Gerichts liegende Wohnort des Klägers war.
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Bei Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten ist "streitige
Verpflichtung" im Sinne des § 29 I ZPO diejenige Vertragspflicht, für deren
Schlechterfüllung Ersatz begehrt wird (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom
22.06.2005, 2 W 99/05). Weil die Erstberatung hinsichtlich der Beteiligung an der D AG
& Co. KG und die Vertragsunterzeichnung in der Wohnung des Klägers stattfand, waren
an diesem Ort auch etwaige Beratungs- und Aufklärungspflichten zu erfüllen (vgl.
Schleswig Holsteinisches OLG a.a.O.).
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 280 I BGB auf Leistung von
Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung bzw. –vermittlung zu.
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Es kann dahinstehen, ob die Beklagte schuldhaft eine Pflicht aus dem jedenfalls
stillschweigend zustande gekommenen Beratungs- bzw. Vermittlungsvertrag verletzt
hat. Denn die Beklagte ist jedenfalls durch die zwischen dem Kläger und der D AG &
Co. KG unter Ziffer 4 getroffene Vergleichsvereinbarung vom 14.11./27.11.2007, wonach
der Kläger auf weitergehende Ansprüche unter anderem gegen Erfüllungsgehilfen der D
AG & Co. KG verzichtet, von einer etwaigen Haftung freigestellt.
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Hinsichtlich der Wirksamkeit des Verzichts bestehen keine Bedenken. Es handelt sich
dabei um eine zwischen dem Kläger und der D AG & Co. KG individuell ausgehandelte
Vereinbarung, die grundsätzlich der Vertragsfreiheit unterliegt. Der Kläger befand sich
bei den entsprechenden Verhandlungen mit der D AG & Co. KG dieser gegenüber auch
nicht in einer besonderen Unterlegenheitssituation, denn er wurde dabei anwaltlich
vertreten.
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Dass die Beklagte nicht in die Vergleichsverhandlungen einbezogen wurde bzw. dass
die Verzichtsvereinbarung nicht direkt zwischen dem Kläger und der Beklagten getroffen
wurde, ist unschädlich. Es handelt sich insoweit um eine für die Beklagte günstige
Regelung, die grundsätzlich auch ohne deren Zustimmung vom Kläger und der D AG &
Co. KG vereinbart werden konnte. Zudem hat die Beklagte die Verzichtsvereinbarung
jedenfalls gemäß § 184 I BGB rückwirkend genehmigt, schließlich beruft sie sich selbst
auf den Verzicht.
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Die Beklagte fällt auch in den Regelungsbereich der Verzichtsvereinbarung, weil sie bei
der Vermittlung der Beteiligungen an der D AG & Co. KG als deren Erfüllungsgehilfin
i.S.v. § 278 BGB tätig geworden ist. Denn sie hat dabei eine der D AG & Co. KG dem
Kläger gegenüber obliegende Verpflichtung, nämlich die Pflicht zur richtigen und
vollständigen Information über das Anlageprojekt, übernommen. Eine
Fondsgesellschaft, die wie die D AG & Co. KG im vorliegenden Fall einen Vermittler mit
dem Vertrieb der Beteiligungen beauftragt, kann sich dadurch nicht von ihren
Aufklärungspflichten gegenüber den zukünftigen Anlegern freistellen, vielmehr beliebt
sie selbst zur ordnungsgemäßen Aufklärung verpflichtet (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil
vom 30.04.2003, 8 U 92/02).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der
Verzichtsvereinbarung. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass es nicht Sinn und
Zweck der Regelung sei, die Beklagte als Vertriebsgesellschaft von einer Haftung ihm
gegenüber freizustellen, ist dem nicht zuzustimmen. Der Sinn der umfassenden
Verzichtsregelung ist vielmehr darin zu sehen, das Vertragsverhältnis zwischen dem
Kläger und der D AG & Co. KG einschließlich aller damit in Zusammenhang stehenden
möglichen weiteren Rechtsstreitigkeiten vollumfänglich zu beenden. Sollte die Beklagte
nicht von der Verzichtsregelung umfasst sein, wäre dieser Zweck nicht erreicht. Zudem
ist auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb gerade die Beklagte als
Vertriebsgesellschaft dem Kläger gegenüber haften sollte, wenn im Übrigen alle
anderen Projektbeteiligten von einer Haftung freigestellt werden sollten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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