Urteil des AG Bonn vom 02.12.2004

AG Bonn: unmöglichkeit, vertragsergänzung, vertragsverletzung, beschränkung, täuschung, erfüllungsinteresse, befristung, telekommunikation, zukunft, verfall

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Nachinstanz:
Schlagworte:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Amtsgericht Bonn, 9 C 204/04
02.12.2004
Amtsgericht Bonn
9. Zivilabteilung
Urteil
9 C 204/04
Landgericht Bonn, 5 S 41/05
Telefonkarte, Gültigkeitsdauer, Erstattungsanspruch
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
der Be-klagten durch Sicherheitsleistung von 400,00 Euro vorläufig
abwenden, wenn nicht dieses zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d:
In den Jahren 1990 bis 1994 hat der Kläger Telefonkarten der Beklagten erworben. Diese
Telefonkarten waren bis zum 31.12.2001 gültig. Auf diesen Telefonkarten befindet sich
jedoch kein Hinweis auf die Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer. Ein gesonderter Hinweis
der Beklagten auf eine Gültigkeitsbeschränkung der Telefonkarten fand während den
Jahren 1990 bis 1994 nicht statt.
Nachdem nun die Telefonkarten ihre Gültigkeit nach dem 31.12.2001 verloren haben, lässt
die Beklagte einen Austausch der alten gegen neue Karten mit Anrechnung des noch
vorhandenen Guthabens zu. Ein solches Austauschangebot hat die Beklagte dem Kläger
bereits während der vorgerichtlichen Korrespondenz vor dem Gültigkeitsverfall der
Telefonkarten gemacht.
Der Kläger ist jedoch der Ansicht, dass die Karten nach dem 31.12.2001 wertlos seien und
er sich nicht auf einen Umtausch verweisen lassen müsse, sondern ihm für den Wert der
Telefonkarten ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte wegen Unmöglichkeit der
Leistung sowie wegen Pflichtverletzung zustehe.
Der Kläger beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.227,18 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
BSD der deutschen Bundesbank seit dem 01.10.1994 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 807, 796 BGB. Die
Telefonkarten sind sogenannten Geldsurrogate und keine Inhaberverpflichtungszeichen im
Sinne des § 8007 BGB. Sie verkörpern kein Leistungsversprechen des Ausstellers, sonder
durch Ihre Ausgabe wird lediglich die Möglichkeit verschafft, als Ersatzmittel für Geld
Geldzahlungen zu erbringen.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Telefonkarten unmittelbar von der Beklagten
erworben hat, weil die Pflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht weitergehen
würden, wenn er die Telefonkarten nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hätte.
Jedenfalls steht dem Kläger gegen einen eventuell entstandenen Telefonkartenvertrag mit
der Beklagten, der sich als Rechtskauf darstellt, nicht die rechtsvernichtende Einwendung
der nachträglichen Unmöglichkeit zu. Er hat keinen Anspruch auf Rücktritt gemäß §§ 440
Absatz 1, 437 Absatz 1, 325, 327 BGB a. F. oder auf Schadensersatz gemäß §§ 440
Absatz 1, 437 Absatz 1, 325, 280 Absatz 2 BGB a. F.. wegen nachträglicher Unmöglichkeit
einer der Beklagten obliegenden Vertragsleistungen.
Dem Kläger ist als Käufer von Telefonkarten und somit als Kartennutzer eine
funktionierendes Netz öffentlicher Fernsprecher bereitzustellen und ihm ist die Führung von
Telefongesprächen im Rahmen seines jeweiligen Kartenguthabens zu ermöglichen. Diese
Leistungen werden dem Kläger als Kartennutzer auch nach Sperrung der befristeten
Telefonkarten seit dem 31.01.2001 im Rahmen seines Kartenguthabens gewährt. Denn der
Kläger kann sich seine alten ungültigen Telefonkarten, die von den Telefongeräten der
Beklagten nicht mehr akzeptiert werden, kostenlos durch neue Telefonkarten mit
Anrechnung seines alten Kartenguthabens von der Beklagten ersetzen lassen.
Des Weiteren hat der Kläger auch keinen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des
eventuell entstandenen Telefonkartenvertrags mit der Beklagten. Denn die Beklagte hat
keine der über den bloßen Vertragsleistungen hinausgehenden Verhaltenspflichten
verletzt.
Die Beschränkung der Gültigkeitsdauer der Telefonkarten stellt keine Pflichtverletzung der
Beklagten dar. Eine Regelung der Gültigkeit der Telefonkarten ist nicht Vertragsinhalt eines
Telefonkartenvertrages geworden. Die Telefonkarten enthalten keine Hinweise auf ihre
befristete Gültigkeit, anderweitige Hinweise wurden zur Zeit des Telefonkartenerwerbs
durch den Kläger von der Beklagten nicht gegeben. Die Parteien haben bei
Vertragsschluss die Frage der begrenzten Gültigkeit nicht bedacht. Diese REgelungslücke
hat eine interessengerechte und sinnvolle Vertragsergänzung erfahren, indem die Beklagte
nachträglich eine angemessene Befristung der Gültigkeitsdauer der Telefonkarten
einführte. Denn es liegt im Interesse der Beklagten aufgrund des schnellen Fortschritts im
Bereich der Telekommunikation, an ihren Telefongeräten und ihrem Telefonkarten
Veränderungen vorzunehmen. Zudem fordert auch die Beschaffenheit einer Telefonkarte
im Hinblick auf das verwendete Material und der angewandten Technologie eine
Beschränkung ihrer Gültigkeit. Die Durchsetzung des berechtigten Befristungsinteresses
der beklagten stellt keine Pflichtverletzung, sondern eine angemessene Vertragsergänzung
dar, weil sie darüber hinaus auch die berechtigten Interessen der Kartennutzer bedacht hat.
Denn die Beklagte gewährt diesen einen kostenlosen Austausch der alten ungültigen
Karten gegen neue Karten unter Anrechnung des noch vorhandenen Guthabens. Ein
weitergehendes Erstattungsinteresse des Klägers als Karteninhaber ist nicht begründet, da
das Austauschangebot der Beklagten dem Erfüllungsinteresse eines durchschnittlichen
Telefonkartenkäufers und Kartennutzers entspricht. Dieses ergibt sich daraus, dass es sich
bei einer Telefonkarte um einen verbrauchbaren Gegenstand im Sinne des § 92 BGB
handelt, der als Gegenstand des alltäglichen Lebens zum Telefonieren verwendet wird und
dessen Wert sich an seiner Gebrauchsmöglichkeit bestimmt. Ein durchschnittlicher
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Kartennutzer hat kein Interesse an der Telefonkarte als Sache an sich, deren
Telefoniermöglichkeiten es bis in alle Zukunft erhalten gilt. Ein durchschnittlicher
Karteninhaber hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vornehmlich ein Interesse daran,
dass ein auf der Telefonkarte enthaltener Guthabenwert erhalten bleibt und er dieses
Guthaben abtelefonieren kann. Allein dieses Interesse eines durchschnittlichen
Karteninhabers als redliche Vertragspartei ist Maßstab für die Beklagte, eine ergänzende
Regelung für die Vertragslücke zu finden, zudem unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen vorzunehmen ist.
Ebenso ist eine Schadensersatzpflicht der beklagten aus positiver Vertragsverletzung des
Telefonkartenvertrages wegen Verletzung einer Informationspflicht zu verneinen. Die
Beklagte hat den Kläger als Karteninhaber rechtzeitig vor dem 31.12.2001 auf den Verfall
seiner Telefonkarten hingewiesen und ihm den Austausch der verfallenden Karten gegen
neue gültige Karten angeboten.
Ein Anspruch des Klägers gemäß § 823 Absatz 1 BGB aufgrund einer
Eigentumsverletzung scheidet ebenfalls aus, weil eine Eigentumsverletzung durch einen
Eingriff in die Substanz seiner Telefonkarte nicht vorliegt. Der Gültigkeitsverlust und damit
einhergehende Funktionsverlust seiner Telefonkarten stellt noch keine Substanzvlertzung
im Sinne des § 823 Absatz 1 BGB dar, da die Telefonkarten weiterhin in seinem Eigentum
verbleiben und er nach Belieben mit ihnen verfahren kann.
Mithin kann sich der Kläger gegen die Beklagte auch nicht auf einen Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Absatz 1 1. Alt. GBG berufen. Auch wenn
man zunächst zwischen beiden Parteien einen rechtlichen Grundes, z. B. durch eine
Anfechtung des Telefonkartenvertrages wegen arglistiger Täuschung der Beklagten über
die Gültigkeitsdauer der Telefonkarten gemäß §3 142 Absatz 1, 123 Absatz 1 BGB ist
schon aufgrund einer mangelnden arglistigen Täuschung der Beklagten nicht ersichtlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Absatz 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Streitwert: 2.227,18 Euro (§ 3 GKG, §§ 3, 4 ZPO)