Urteil des AG Bonn vom 19.08.2008

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Amtsgericht Bonn, 15 C 127/08
Datum:
19.08.2008
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
15. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 C 127/08
Schlagworte:
Transparenzgebot
Normen:
BGB § 307
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
einen Betrag in Höhe von 223,42 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von
11,02 € seit dem 18.11.2005, aus einem Betrag in Höhe von 69,60 € seit
dem 17.01.2006, aus einem Betrag in Höhe von 71,40 € seit dem
17.01.2008 uns aus einem Betrag von weiteren 71,40 € seit dem
16.02.2008 sowie 24,50 € Mahnkosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I. Tatbestand
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Die Klägerin macht gegen die Beklagten Dienstleistungsforderungen für die Jahre 2005
bis 2008 geltend.
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Die Klägerin betreibt im Internet einen virtuellen Marktplatz für C.
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Unternehmen der Stadt C haben die Möglichkeit, sich auf dieser Plattform mit
entsprechender Grundeintragung betreffend den Sitz des Unternehmens, Name,
Anschrift, akademischen Titel etc. in die Datenbank eintragen zu lassen. Die Kunden
haben verschiedene kostenpflichtige Eintragungsoptionen zur Auswahl. Nur die
Grundeintragung bestehend aus, unter anderem, einem Suchbegriff ist kostenfrei.
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Die Beklagten betreiben eine Physiotherapie- und Massagepraxis im Raum C. Sie
nahmen die Dienstleistung der Klägerin in Anspruch und faxten dementsprechend ein
hierfür eigens der Klägerin errichtetes Vertragsformular am 27.10.2005 an diese zu.
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Der Suchbegriff im Vertragsformular beinhaltete die Bezeichnung "Masseure und
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Physiotherapie" und wurde am 27.10.2005 seitens der Beklagten an die Klägerin gefaxt.
Es erfolgte eine Veröffentlichung der entsprechenden Eintragungen.
Die Klägerin macht für die Jahre 2005 bis 2008 jeweils Zahlungsansprüche gegen die
Beklagten geltend. Sie ist der Ansicht, dass die zusätzliche Angabe "Physiotherapie" in
dem Vertragsformular nicht kostenlos sei. Dies ergebe sich aus dem Text, unmittelbar
über der Eintragung: "...1 Suchbegriff kostenlos, weitere je 5€/mtl."
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Der Begriff "Masseure" stelle einen Suchbegriff dar, sodass der weitere zusätzliche
hinzugefügte Begriff "Physiotherapie" einen zweiten Suchbegriff darstelle und somit
entgeltlich sei.
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Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis
zustande gekommen sei. Ein Widerrufsrecht sei sowohl vertraglich als auch gesetzlich
ausgeschlossen. Ein vertragliches Widerrufsrecht stehe ausweislich Ziff. 2 des
Vertragstextes nur dem Auftragnehmer, hier der Klägerin, zu. Darüber hinaus erfülle die
Beklagtenseite nicht die Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 BGB, so dass auch
ein gesetzliches Widerrufsrecht zu verneinen sei.
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Ein Widerrufsrecht nach § 130 I 2 BGB komme mangels rechtzeitiger Ausübung des
Widerrufs ebenfalls nicht in Betracht.
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Die Klägerin beantragt,
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wie bekannt.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, sie seien von der Annahme ausgegangen, dass der Vordruck
mit den bereits getätigten Eintragungen kostenfrei sei. Die Berufsbezeichnung als
"Physiotherapeut" sei lediglich eine Ergänzung gewesen. Es handele sich um eine
einheitliche Praxis, die die beiden Leistungsbereiche abdecke.
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Die Beklagten sind der Ansicht, ein Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam
zustande gekommen. Hierzu wird vorgetragen, dass ein Verzicht der
Auftragsbestätigung gem. § 312 e S. 2 BGB grundsätzlich zulässig sei, jedoch dieser
durch eine Individualvereinbarung zwischen den Parteien hätte geschehen müssen.
AGB´s, die eine Verzichtserklärungen beinhaltete, seien unwirksam.
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Darüber hinaus seien auch die weiteren Regelungen des Vertrags unwirksam, weil die
Bestimmungen im Sinne des § 307 I BGB nicht klar und verständlich seien, und
deswegen einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellten.
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II. Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Zahlungsanspruch aus einem Dienstvertrag
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gem. §§ 611 I, 421 BGB.
Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Dienstvertrag zustande gekommen.
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Die Klägerin hat nach einer invitatio ad offerendum ein ausgefülltes und
unterschriebenes Vertragsformular vonseiten der beklagten als Angebot erhalten.
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Dieses hat die Klägerin auch dadurch angenommen, dass die Daten der Beklagten in
der virtuellen Datenbank des Forums "Marktplatz" veröffentlicht wurden. Eine
Annahmeerklärung in Form einer Auftragsbestätigung war gem. § 151 BGB entbehrlich.
In den wirksam einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen, wurde unter Ziff. 3
auf die Zusendung einer Auftragsbestätigung verzichtet. Der Verzicht auf eine
Annahmeerklärung durch eine AGB Regelung war auch zulässig.
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Entgegen der Beklagtenansicht ist § 312 e BGB nicht anwendbar und es bedurfte hierzu
nicht der Individualvereinbarung.
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Die Anwendung setzt voraus, dass sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses
eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von
Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes bedient (Vertrag im elektronischen
Geschäftsverkehr). Nicht elektronisch werden solche Dienste erbracht, die nicht über
elektronische Verarbeitungs- und Speicherungssysteme erbracht werden. Das soll
insbesondere Sprachtelefondienste, Telefax und Telexdienste betreffen.
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Der Vertragsabschluss erfolgte per Fax und nicht mittels eines elektronischen
Geschäftsverkehrs wie es die Vorschrift des § 312 I e BGB erfordert.
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Überdies ist eine Klausel, wodurch auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet
wird entgegen der Ansicht des Beklagten auch wirksam. Eine solche Klausel verstößt
nicht gegen § 307 I BGB.
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Ein wirksamer Verzicht ergibt sich zudem aus § 151 BGB. Der Antragende, hier die
Beklagten kann auf eine Annahmeerklärung wirksam verzichten. Dies trifft insbesondere
auf die Fälle zu, bei denen eine sofortige Erfüllung des Vertrages, hier die
Veröffentlichung der Daten im Internet, erfolgt.
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Ein Verstoß gegen § 307 I BGB setzt eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners voraus. Dies ist dann der Fall, wenn der Verwender missbräuchlich
eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne
dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen
Ausgleich zuzugestehen.
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Dies ist hier fernliegend, zumal die Klägerin als Gegenleistung zum Entgeltanspruch die
Daten der Beklagten veröffentlicht.
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Darüber hinaus ist die Klausel eindeutig verständlich und keinesfalls als versteckt
anzusehen, so dass die Transparenz im Sinne § 307 I 2 BGB ebenfalls gewahrt ist.
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Insofern ist kein Umstand ersichtlich, der einen Verstoß gegen § 307 I BGB begründet.
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Vertragsinhalt war die kostenlose Grundeintragung eines Suchbegriffs in der Datenbank
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der Klägerin, wobei jeder weiterer Suchbegriff kostenpflichtig war. Der Eintrag des
Suchbegriffs des Physiotherapeuten erfolgte entgeltlich.
Das Vertragsformular vom 27.10.2005 war dahingehend zu verstehen, dass der Begriff
"Masseur" als Suchbegriff zwar in der kostenlosen Grundeintragung beinhaltet war,
dieser jedoch durch den ausdrücklichen Hinweis "bitte ggf. ändern bzw. ergänzen..."
(Anlage K1, Blatt 21) umgeändert werden konnte. Entscheidet sich der Kunde für eine
Umänderung, so würde diese für den Kunden unentgeltlich sein. Begehrt er jedoch
einen zusätzlichen Grundbegriff entstehen Kosten. Ein objektiver Betrachter kann nur zu
dem Schluss kommen, dass ein weiterer zuzüglich eingesetzter Suchbegriff
kostenpflichtig war, zumal auch eindeutig, oberhalb des Suchbegriffs der Hinweis
"...1Suchbegriff kostenlos, weitere je 5,00 € mtl." deutlich sichtbar war. Der von den
Beklagten erfolgte Einwand, dass es sich bei den Begriffen "Masseur und
Physiotherapeut" um ein einheitliches Berufsbild handele mag zwar durchaus stimmen.
Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass es sich letztlich – dem natürlichen
Sprachgebrauch entsprechend – um zwei Begriffe handelt, und laut dem eindeutigen
Hinweis eine Kostenpflicht auslöst. Zudem gibt ein potentieller Nutzer der
Suchmaschine die Begrifflichkeiten nicht kumulativ, sondern alternativ ein.
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Anhand der inhaltlichen Vertragsauslegung ergibt sich letztlich, dass auch die
Vertragsklausel insgesamt zulässig und wirksam ist und nicht gegen die Grundsätze
von Treu und Glauben im Sinne des § 307 I BGB verstößt.
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Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 I BGB ist insgesamt aus den
bereits genannten Gründen zu verneinen. Das Transparenzgebot ist aufgrund der
Eindeutigkeit der Vertragsregelung und der optischen Gestaltung gewahrt.
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Die Unachtsamkeit der Beklagten kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ein Verstoß
gegen das Transparenzgebot kann nicht schon deshalb angenommen werden, wenn
der Vertragspartner, hier die Beklagten, nicht unter der erforderlichen Sorgfalt am
Geschäftsverkehr teilnimmt, zumal die Bestimmungen zur Entgeltlichkeit hinsichtlich der
Suchbegriff eindeutig waren.
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Nach erneuter Prüfung ist das Gericht auch der Ansicht, dass es keine Pflicht der
Klägerin gem. §§ 311 II, 241 II BGB dahingehend zustand, dass sie nach Rücksendung
des Faxes die Beklagten über die Entgeldlichkeit des zweiten Suchbegriffs aufklären
musste. Eine Aufklärungspflicht bestünde nur dann, wenn die Klägerin über
Informationen verfügt, von denen sie weiß oder annehmen muss, dass sie den
Beklagten unbekannt, aber für ihren Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Die
Klägerin konnte nicht von solch einer Annahme ausgehen, weil eine offensichtliche
Unkenntnis der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich war. Auf dem
Vertragsformular war der Umstand, dass der zweite Suchbegriff kostenpflichtig war,
deutlich erkennbar. Eine darüber hinausgehende für den Vertragsschluss evidente
Information, die die Klägerin in den Vertragsbestimmungen ausgelassen hat, ist nicht
der Fall.
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