Urteil des AG Bonn vom 25.09.2009

AG Bonn (internet adresse, täuschung, bedingter vorsatz, höhe, vertrag, irrtum, angebot, willenserklärung, anfechtung, umstände)

Amtsgericht Bonn, 13 C 484/08
Datum:
25.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
13. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 C 484/08
Schlagworte:
Branchenverzeichnis, Internet, Bestellformular
Normen:
BGB §§ 123, 138
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Rechtskraft:
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 804,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
02.08.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrags abwenden, soweit nicht die Klägerin Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin betreibt ein Branchenverzeichnis unter der Internet-Adresse www.p-c.com.
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Die Klägerin übersandte der Beklagten per Fax ein Bestellformular für die Eintragung in
das Branchenverzeichnis. Die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter füllten das Formular aus,
und die Beklagte unterschrieb das Formular und übersandte es der Klägerin. Nach dem
gewählten Tarif ist die Leistung der Klägerin mit monatlich 67,00 € zuzüglich
Mehrwertsteuer zu vergüten und die Laufzeit beträgt zwei Jahre. Hinsichtlich des Inhalts
des Bestellformulars wird auf Anlage K 1, Bl. 11 GA Bezug genommen.
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Die Klägerin stellte der Beklagten Rechnung vom 18.07.2007 (Anlage K 3, Bl. 14 GA).
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Am 20.11.2007 beauftragte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten mit der
außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung.
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Die Beklagte erklärte die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 804,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
02.08.2007 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, weitere 101,40 € nebst Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten seit dem 05.12.2007 über dem Basiszinssatz zu
zahlen
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, sie habe sich getäuscht, da das Bestellformular dem
Korrekturabzug des Branchenbuchverlages des Örtlichen Branchenbuches der U
ähnele. Dies habe die Klägerin zur Täuschung ausgenutzt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 18.08.2009
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von
804,00 € im Hinblick auf den schriftlichen Vertrag vom 02.07.2007 über die Eintragung
in das von der Klägerin geführte Branchenverzeichnis.
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Durch den schriftlichen Auftrag durch das Bestellformular ist am 02.07.2007 ein
entsprechender Vertrag zwischen den Parteien zustande kommen, der einen
Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe für das erste Vertragsjahr begründet.
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Der Vertrag ist nicht durch wirksame Anfechtung des Vertrags durch die Beklagte wegen
arglistiger Täuschung erloschen.
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Das Anfechtungsrecht gem. § 123 I BGB setzt voraus, dass der Anfechtende sich bei
Abgabe seiner Willenserklärung auf Grund einer der Gegenseite zurechenbaren
Täuschungshandlung über einen vertragswesentlichen Umstand geirrt hat, und der
Irrtum seine Entschließung - hier zum Vertragsschluss - zumindest beeinflusst hat (vgl.
nur BGH, NJW 1982, 2861 [2863]). Als mögliche Täuschungshandlung im Rahmen des
§ 123 BGB kommt indes nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder
Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht in Betracht (vgl. LG Köln,
Urteil v. 26.09.2007, 9 S 139/07, zitiert bei Juris; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 123
Rdnrn. 3ff.). Als Handlungsvariante der arglistigen Täuschung kommt darüber hinaus
auch jedes andere Verhalten in Betracht, sofern es geeignet ist, beim Gegenüber einen
Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung
zu beeinflussen. So reicht es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst ist, dass
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sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet ist, den anderen
in die Irre zu führen. Er muss insoweit zumindest mit der Möglichkeit rechnen, der
Gegner würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willenserklärung nicht oder
nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben (vgl. BGH, VersR 1985, 156; BGH, NJW 1982,
2861 [2863] m.w. Nachw.), wobei ein bedingter Vorsatz beim Täuschungswillen für die
Annahme eines "arglistigen" Verhaltens i.S. des § 123 BGB ausreicht (vgl. BGH, NJW-
RR 1998, 904). Es ist für die Berechtigung zur Anfechtung nicht entscheidend, ob die
Beklagte dabei die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet oder
hinsichtlich des "Überlesens" gewisser Vertragsinformationen selbst fahrlässig
gehandelt hat (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 33, 302 [310] = NJW 1961, 164; NJW 1971, 1795
[1798] m.w. Nachw.; NJW 1989, 287 [288]). Die Bestimmung des § 123 BGB verfolgt
ersichtlich das Ziel, ein auf Arglist und Täuschung beruhendes Geschäftsgebaren in
aller Regel auf Wunsch des Getäuschten die Rechtswirkung nehmen zu können. Es
kann mithin auch derjenige anfechten, der dem Täuschenden die Irreführung leicht
gemacht hat (BGH, NJW-RR 2005, 1082 [1083]). Mit anderen Worten: Soweit der Irrtum
beim Kunden durch ein rechtserhebliches Täuschungsverhalten der Klägerin ausgelöst
worden ist, so scheitert die Möglichkeit zur Vertragsanfechtung nicht daran, dass der
Irrtum des Bekl. auch auf eigene Fahrlässigkeit im Umgang mit Werbepost beruht (LG
Köln aaO). Andererseits kann ein besonders hohes Maß an Unaufmerksamkeit auf der
einen Seite im Rahmen der Gesamtabwägung dazu führen, dass der anderen Seite ein
arglistiges Täuschungsverhalten nicht mehr nachgewiesen werden kann. Maßgeblich
für die Beurteilung dieser Frage sind die Umstände des Einzelfalls, eine rein
schematische Bewertung verbietet sich. Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser
eines Vertragsangebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung
wählt, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine fehlerhafte
Vorstellung über die tatsächlichen Angebotsparameter hervorzurufen, kann eine
Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des
Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können (vgl. BGH, NJW 2001,
2187 [2189]). Die jeweilige Täuschung muss mithin planmäßig eingesetzt worden und
nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sein (BGH, NJW 2001, 2187). Der BGH
hat dies an genannter Stelle für das Strafrecht ausdrücklich festgestellt. Die Grundsätze
gelten indes gleichermaßen für das Zivilrecht (vgl. nur BGH, NJW-RR 2005, 1082
[1084]): So kommt es nach der Rechtsprechung des BGH bei einer lediglich
irreführenden Darstellung im Angebotsschreiben vor allem darauf an, wie stark
maßgebliche Vertragsparameter verzerrt oder entstellt aufbereitet worden sind.
Vorliegend führt die Gesamtschau der Umstände unter diesen Voraussetzungen nicht
zur Annahme einer von der Klägerin in Kauf genommenen Täuschung des Beklagten.
Eine solche Täuschungsabsicht kann insbesondere nicht aus einer in Kauf
genommenen Verwechslungsgefahr mit dem Korrekturabzug des Örtlichen
Branchenbuchs der U abgeleitet werden. Hierzu hat der Kläger trotz erteilten Hinweises
und entsprechenden Schriftsatznachlasses nicht näher durch Vorlage des
Korrekturabzugs des Örtlichen Branchenbuchs der U vorgetragen.
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Es liegen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das Angebot der Klägerin
durch Übersendung des Faxes mit dem Bestellformular, welches die Beklagte sodann
ausfüllte, unterschrieb, zurücksandte und damit annahm, in hinreichender Deutlichkeit
klar machte, dass es nicht um die Eintragung in das Örtliche Branchenbuch der U,
sondern in das Verzeichnis der Klägerin unter der Adresse www.p-c.com ging. Zwar gibt
es durchaus eine namentliche Ähnlichkeit zum Örtlichen Branchenbuch der U. Jedoch
ist das Angebot, das Bestellformular, insbesondere im oberen Bereich derart deutlich,
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dass eine Verwechslungsgefahr, die einen Täuschungswillen begründen könnte,
auszuschließen ist. Es wird zum einen die genannte Internet-Adresse genannt. Sodann
besteht für den potentiellen Kunden wie die Beklagte die Möglichkeit der Wahl des zu
bestellenden Produkts, was er bzw. sie durch Ankreuzen markieren muss. Es ist nicht
ersichtlich, dass dies beim Korrekturabzug des Örtlichen Branchenbuchs der Telekom
auch der Fall wäre. Unter der jeweiligen Markierungsstelle sind dann sämtliche
besonders relevanten Informationen wie Preis, etc. in komprimierter Form enthalten. Ein
potentieller Kunde dürfte zumindest diese wenigen Zeilen der Produktbeschreibung des
angekreuzten Produkts lesen. Hieraus erschließt sich sodann dem jeweiligen Leser
auch ohne Probleme, was und dass er einen Vertrag mit dem angekreuzten Inhalt
eingeht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, die Vertragsbestandteil wurden, auf der Vorderseite deutlich
abgedruckt sind und bereits im ersten Satz darauf hinweisen, dass die Bestellung eines
Basisauftrags durch Unterzeichnung der Eintragungsofferte erfolgt, dass mithin ein
Vertrag des entsprechenden Inhalts zustande kommt. Insgesamt ist das Angebot der
Klägerin hinreichend deutlich und begründet keine festzustellende Täuschungsabsicht.
Aus entsprechenden Erwägungen liegt auch keine Sittenwidrigkeit des Vertrags gemäß
§ 138 BGB vor.
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Die Nebenforderung mit dem Klageantrag zu 2. ist nicht als kausal auf Verzug
beruhende Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung begründet, §§ 280, 286, 249
ff. BGB. Die Klägerin hätte unbeschränkten Klageauftrag erteilen müssen. Da sie dies
nicht tat, sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht als erforderlich gemäß §
249 BGB anzusehen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2006, 242). Verzug trat dabei durch die
befristete Mahnung aus der Rechnung vom 18.07.2007 zum 02.08.2007 ein. Jedoch
wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 20.11.2008, also ca. 4
Monate nach Verzugseintritt beauftragt. Nach diesem langen Zeitablauf war nicht mehr
damit zu rechnen, dass die Beklagte ohne Klage zahlen werde, so dass die Klägerin
unbeschränkten Klageauftrag hätte erteilen müssen.
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Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 II Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 804,00 €.
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