Urteil des AG Bonn vom 04.12.2008

AG Bonn: firma, abholung, mahnung, zustellung, tarif, anwaltskosten, schuldnerverzug, ezb, rechtfertigung, abrechnung

Amtsgericht Bonn, 2 C 236/08
Datum:
04.12.2008
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
2. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 236/08
Schlagworte:
Kosten für Mietwagen "Autopreisspiegel"
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 290,42 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem
21.08.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um die Höhe von Mietwagenkosten, die der D + N GmbH aufgrund
eines Verkehrsunfalls entstanden sind, der sich am 28.05.2007 in C2 zwischen einem
Fahrzeug der D + N GmbH und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug
mit dem amtlichen Kennzeichen ##-## ### ereignet hat. Die volle Haftung der
Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
2
Für die Dauer des unfallbedingten Ausfalls des der Fahrzeuggruppe 6 zuzuordnenden
Skoda Octavia Kombi 2,0 103 KW Elegance mietete die D + N GmbH in der Zeit vom
29.05.2007 bis zum 04.06.2007 bei der Klägerin in O ein Ersatzfahrzeug, nämlich einen
BMW, an, der der Fahrzeuggruppe 5 zuzuordnen ist.
3
Am 04.06.2007 stellte die Klägerin der D + N GmbH einen Betrag in Höhe von 956,00
Euro netto in Rechnung, der sich im Einzelnen wie folgt zusammensetzte:
4
Mietwagenkosten 7 Tage Standarttarif á 109,00 Euro: 763,00 Euro
7 Tage Kasko á 19,00 Euro: 133,00 Euro
5
Zustellung: 30,00 Euro
Abholung: 30,00 Euro
6
Nettosumme: 956,00 Euro
7
Bereits bei Abschluss des Mietvertrages trat die Geschädigte D + N GmbH
Schadensersatzansprüche gegen den Unfallverursacher im Hinblick auf
Mietwagenkosten an die Klägerin sicherungshalber ab.
8
Noch am 04.06.2007 übersandte die Klägerin die an die D + N GmbH adressierte
Mietwagenrechnung auch an die Beklagte. Diese leistete auf die Mietwagenrechnung
jedoch lediglich einen Betrag von 665,58 Euro, so dass ein Betrag in Höhe von 290,42
Euro bislang offen geblieben ist. Die Geschädigte D + N GmbH hat diesen Betrag
gegenüber der Klägerin nicht beglichen.
9
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.08.2007 forderte die Klägerin die Beklagte unter
Fristsetzung bis zum 20.08.2007 zur Begleichung des noch offenen Betrages von
290,42 Euro auf. Weitere Zahlungen erbrachte die Beklagte jedoch nicht.
10
Am 11.11.2008 trat die D + N GmbH ihren Schadensersatzanspruch auf Erstattung der
Mietwagenkosten aus dem Unfallereignis vom 28.05.2007 erneut sicherungshalber an
die Klägerin ab.
11
Die Klägerin ist der Ansicht, der von ihr der Geschädigten D + N GmbH in Rechnung
gestellte Rechnungsbetrag unterschreite sogar noch den ortsüblichen
Selbstzahlungstarif nach dem Schwacke Automietpreisspiegel für das Jahr 2006 für das
Postleitzahlengebiet 411, welcher sich auf 983,30 Euro netto belaufe. Infolge dessen
habe die Beklagte den bislang noch nicht gezahlten Restbetrag in Höhe von 290,42
Euro bezüglich der Mietwagenkosten zu erstatten.
12
Die Klägerin beantragt,
13
die Beklagte zu verurteilen,
14
1. an sie 290,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz der EZB seit dem 26.06.2007 zu zahlen,
2. an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 22,75 Euro zu zahlen.
15
16
Die Beklagte beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da die Abtretungserklärung der
19
D + N GmbH vom 29.05.2007 wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz
unwirksam sei. Sie meint ferner, dass der Schwacke Automietpreisspiegel 2006 keine
ausreichende Schätzungsgrundlage im Sinne des § 287 ZPO sei. Diese werde durch
die Erhebung "Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007" von
Dr. I X sowie durch den Automietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts für das Jahr 2008
erschüttert. Zudem habe die geschädigte D + N GmbH bei einer anderen
Autovermietung ein gleichwertiges Fahrzeug für den Zeitraum von 7 Tagen viel billiger
anbieten können. So sei am 04.08.2008 bei der Firma B ein BMW der 3er Serie für
278,10 Euro, ein Audi A4 Avant bei der Firma G zum Preis von 310,08 Euro und bei der
Firma U ein BMW der 3er Klasse zum Preis von 307,51 Euro für die Dauer von 7 Tagen
anzumieten gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 13.11.2008 Bezug genommen.
20
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21
1.
22
Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet.
23
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz weiterer
Mietwagenkosten in Höhe von 290,42 Euro aus §§ 7, 18 StVG, 823 Absatz 1 BGB, 3 Nr.
1 Pflichtversicherungsgesetz i. V. N. § 398 BGB zu.
24
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
25
In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob die Abtretungserklärung der D +
und N GmbH vom 29.05.2007 wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz
eventuell unwirksam war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist jedenfalls
die am 11.11.2008 sicherungshalber vorgenommene erneute Abtretung der
Schadensersatzforderung der D + N GmbH gegen die Beklagte wirksam, da
Sicherungsabtretungen seit dem 01.07.2008 nicht mehr nach dem
Rechtsberatungsgesetz, sondern nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu beurteilen
sind. Gemäß § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz ist die Einziehung einer zu
Einziehungszwecken abgetretenen Forderung nur noch dann eine erlaubnispflichtige
Rechtsdienstleistung, wenn sie eigenständig erfolgt. Die Klägerin als gewerbliche
Autovermieterin betreibt die Forderungseinziehung jedoch lediglich als Annex zur
Fahrzeugvermietung. Die Fahrzeugvermietung ist die Hauptleistung, die
Forderungseinziehung eine untergeordnete und marktübliche, daher zum Tätigkeitsbild
gehörende Nebenleistung.
26
Damit kann die Klägerin die Schadensersatzforderung der D + N GmbH im Hinblick auf
die Mietwagenkosten gegen die Beklagte im vollem Umfang geltend machen.
27
Bei der Geltendmachung von Mietwagenkosten gelten folgende Grundsätze:
28
Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nach § 249
BGB als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand den Ersatz derjenigen
Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in
29
der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der
Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und
ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt,
nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von
mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem
örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die
Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen
Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Mit
anderen Worten müssen die Mietwagenkosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sein.
Für die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung der von der Klägerin in
Rechnung gestellten Mietwagenkosten hat das Gericht anhand des Schwacke
Automietpreisspiegels für das Jahr 2006 das gewichtete Mittel ("Modus") des
sogenannten "Normaltarifs" ( = Tarif für Selbstzahler) ermittelt. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Tatrichter in Ausübung des
Ermessens nach § 287 ZPO den "Normaltarif" auf der Grundlage des gewichteten
Mittels des "Schwacke Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten
ermitteln, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden
Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall
auswirken (zuletzt BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07 - ). Für das
Postleitzahlengebiet 411 und die Preisgruppe 5 ergeben sich unter Zugrundelegung
des gewichteten Mittels aus dem Schwacke Automietpreisspiegel 2006 folgende
Bruttowerte:
30
Wochentarif 7 Tage: 897,00 Euro
31
Teilkasko 7 Tage: 147,00 Euro
32
Zustellung: 25,00 Euro
33
Abholung: 25,00 Euro
34
Summe: 1.094,00 Euro brutto
35
Dies ergibt einen Nettobetrag von 920,00 Euro.
36
Die klägerische Abrechnung liegt 36,00 Euro über diesem Betrag, was angesichts des
Umstandes, dass die Geschädigte nicht verpflichtet war, den billigsten Tarif in Anspruch
zu nehmen, noch innerhalb der Toleranzgrenze liegt, die § 287 ZPO vorgibt.
37
Das Gericht hat sich auch nicht veranlasst gesehen, statt der Schwackeliste 2006
andere Erhebungen (Dr. I X: "Der Stand der Mietwagenpreise im Sommer 2007" sowie
"Fraunhofer Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008") als Schätzungsgrundlage
zugrunde zulegen. Denn die Beklagte hat entgegen den Anforderungen der BGH
Rechtsprechung nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der Schwackeliste 2006
aufgezeigt, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.
38
Im Ergebnis trägt die Beklagte lediglich vor, die beiden genannten Untersuchungen
seien zu anderen Ergebnissen als die Schwackeliste gelangt, weshalb ihnen der
Vorzug zu geben sei. Dies allein genügt jedoch nicht, um Zweifel an der Richtigkeit an
39
der Schwackeliste zu rechtfertigen. Zum einen ist von der Beklagten nicht vorgetragen,
wie im Einzelnen die Erhebungen des Dr. X erfolgt sind, z. B. wie viele
Autovermietungen in welchem Gebiet angerufen worden sind. Zum anderen bleiben die
Grundlagen der Erhebungen des Fraunhofer Instituts völlig im Dunkeln, weil die
Beklagte hierzu keinerlei Details vorgetragen hat, sondern lediglich wiederholt
behauptet hat, dass diese Erhebung vorzugswürdig sei. Die Beklagte hat auch keinerlei
Gegenrechnungen unter Zugrundlegung der Erhebungen des Dr. X und des Fraunhofer
Instituts vorgenommen, aus denen sich ergibt, wie das konkrete Ergebnis dieser beiden
Untersuchungen im vorliegenden Fall aussähe. Die Beklagte genügt den
Anforderungen der Rechtsprechung des BGH an die Erschütterung der Schwackeliste
2006 als Schätzungsgrundlage nicht, wenn sie ohne Bezug zum konkreten Einzelfall
lediglich die angebliche Vorzugswürdigkeit anderer Erhebungen behauptet.
Der Einwand der Beklagten, die geschädigte D + N GmbH habe bei den Firmen B, G
und U viel billiger ein Fahrzeug mieten können, ist nicht erheblich, da die von den
Beklagten vorgelegten Angebote sich sämtlich auf den 04.08.2008 beziehen, jedoch
nichts dazu sagen, ob diese Angebote der Geschädigten D + N GmbH auch am
29.05.2007 zur Verfügung gestanden hätten.
40
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Absatz 1, 288 BGB. Denn die Beklagte befindet
sich aufgrund der Mahnung der Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.08.2007,
in welchem der Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 20.08.2007 gesetzt wurde, seit
dem 21.08.2007 in Schuldnerverzug. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus § 288
Absatz 1 BGB.
41
Soweit die Klägerin Zinsen für den Zeitraum zwischen dem 26.06.2007 und dem
20.08.2007 begehrt hat, ist die Klage unbegründet, da vor dem 21.08.2007 die Beklagte
sich noch nicht in Schuldnerverzug befand.
42
Aus demselben Grunde steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf
Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten nach § 286 BGB zu. Denn das anwaltliche
Schreiben vom 06.08.2007 stellte erst die verzugsbegründende Mahnung dar. Eine
anwaltliche Tätigkeit zwischen dem 21.08.2007 und der Klageerhebung ist von der
Klägerin nicht vorgetragen, so dass in dieser Zeit durch den Verzug der Beklagten
veranlasste Rechtsverfolgungskosten nicht erkennbar sind.
43
Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgericht zuzulassen,
war abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 511 Absatz 4 ZPO nicht vorliegen.
Denn die Rechtssache, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts. Das Gericht ist weder von der Rechtsprechung
des Oberlandesgerichts Köln noch von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
abgewichen, sondern hat deren Rechtsprechung der vorliegenden Entscheidung
zugrunde gelegt. Bereits oben wurde ausführlich dargelegt, dass das Gericht sich nicht
mit der Frage der Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste 2008 im vorliegenden Fall zu
befassen hatte, da es an Vortrag der Beklagten zur Erhebungsweise des Fraunhofer-
Instituts und vor allem an Vortrag der Beklagten zu den konkreten Auswirkungen der
Anwendbarkeit der Fraunhofer Liste im hier zu entscheidenden Fall fehlte. Mängel im
Vortrag der Beklagten rechtfertigen jedoch keine Zulassung der Berufung nach § 511
Absatz 4 ZPO.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung der
Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und diese aufgrund dessen, dass die
Zuvielforderung sich lediglich auf Nebenforderungen bezog, keine höheren Kosten
veranlasst hat.
45
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11,
711, 713 ZPO.
46
Gegenstandswert: 290,42 Euro.
47