Urteil des AG Bonn vom 07.07.2006

AG Bonn: verbotene eigenmacht, sperre, wichtiger grund, verfügung, wasserversorgung, anschluss, eingriff, mieter, kontrolle, verminderung

Amtsgericht Bonn, 18 C 132/06
Datum:
07.07.2006
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
18. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 C 132/06
Schlagworte:
Sperre Wasseranschluss, Wasserversorgung
Normen:
AVBWasser § 33 Abs. 2
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tra-
gen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die
Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht zuvor die Verfügungsbeklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet
hat.
Tatbestand
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Die Verfügungsklägerin hat von der B AG mit Mietvertrag vom 19.03.2004 eine
Wohnung in einem Komplex in C gemietet. Die Wohneinheit befindet sich in einem
Einfamilienhaus auf der Rückseite des Komplexes, in welche sich auch Büros bzw.
Geschäftseinheiten befinden. Die Verfügungsklägerin wohnt dort mit einem 18 Monate
alten Kind. Die Firma B AG befindet sich gegenüber der Verfügungsbeklagten aufgrund
Stromverbrauches in einem Rückstand von ca. Euro 13.000. Die Verfügungsklägerin
sowie weitere Mieter haben angeboten, die Rückstände der B AG im Rahmen ihrer
monatlichen Mietzinszahlungen sowie auch der Nebenkostenvorauszahlungen zu
tilgen. Die Verfügungsbeklagte ist auf dieses Angebot nicht eingegangen. Unter dem
10.01.2006 hat die Verfügungsbeklagte sodann die Wasserzufuhr zu dem Objekt
aufgrund der bestehenden Rückstände gesperrt. Bei einer Kontrolle am 17.01.2006 ist
sodann festgestellt worden, dass der Anschluss geöffnet worden war. Dieser wurde
daraufhin zuzementiert. Am 06.04.2006 stellt die Verfügungsbeklagte fest, dass der
Zement wohl entfernt, die Wasserlieferung wiederhergestellt und der Wasseranschluss
sodann von dem Betreffenden wieder zuzementiert worden ist. Unter dem 19.04.2006
veranlasste die Verfügungsbeklagte die Verschweißung des Anschlusses. Am
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07.06.2006 wurde erneut eine Kontrolle durchgeführt, bei welcher festgestellt worden ist,
dass der Anschluss erneut, obwohl er zugeschweißt worden war, wieder geöffnet
worden ist.
Im Jahre 2005 hat die Verfügungsklägerin vor dem Amtsgericht Bonn den Erlass einer
einstweiligen Verfügung beantragt, der im wesentlichen gleichlautend mit dem jetzigen
Antrag war (13 C 406/05), Antragsgegnerin waren jedoch die T C GmbH nicht die
jetzige Verfügungsbeklagte. Der Antrag ist dann im Dezember 2005 zurückgenommen
worden.
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Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, bei der Einstellung der Wasserzufuhr
handele es sich um eine verbotene Eigenmacht der Verfügungsbeklagten. Zudem seien
ihre Forderungen unverhältnismäßig und rechtswidrig. Sie könne ihr
Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Stromforderungen nicht gegenüber der
Wasserlieferung geltend machen, zudem habe die Verfügungsklägerin sowie weitere
Mieter sich bereiterklärt, die rückständigen Stromkosten zu übernehmen. Auch sei die
Einstellung der Wasserzufuhr für die Verfügungsklägerin unzumutbar, da sie nicht in der
Lage sie, ihr Kind angemessen zu versorgen.
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Sie beantragt daher,
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der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes
bis zu einem Betrag von Euro 100.000 es zu unterlassen, der Antragsstellerin die
Wasserversorgung für die Verbrauchsstelle B-Allee ##, ####1 C einzustellen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass ihre Wassersperre rechtmäßig sei und zudem eine
Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Der Antrag war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für den Erlass einer
einstweiligen Verfügung nicht gegeben sind.
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I. Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einer verbotenen Eigenmacht der
Verfügungsbeklagten. Voraussetzung für eine Besitzstörung ist der Eingriff in den
geschützten Besitzbereich. Bei dem Verhalten der Verfügungsbeklagten handelt es sich
jedoch primär um das Zurückhalten einer eigenen Leistung aufgrund vertraglicher
Beziehungen mit einem Dritten (hier der B AG), vgl. LG Frankfurt WuM 1998, 495 f.). Der
Eingriff der Verfügungsbeklagten vollzieht sich letztlich in dem (allgemein) zugänglichen
Leitungsnetz, welches die Verfügungsklägerin nicht in ihrem Besitz hat (LG Frankfurt /
Oder, NJW-RR 2002, 803 ff.).
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II. Die Sperre ist auch nicht unrechtmäßig i. S. d. § 33 Abs. 2 AVBWasser: Danach ist
eine Sperre nicht zulässig, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung
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außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hirnreichende Aussicht
besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt.
Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die B AG als Vertragspartner unfruchtbar
geblieben sind, auch die Verfügungsklägerin geht nicht von einer Zahlungsfähigkeit der
Gesellschaft aus. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verpflichtungen in absehbarer Zeit
erfüllt werden. Auch soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass ein Mietmieter
angeboten habe, die Vorauszahlungen regelmäßig zu leisten (in Höhe von Euro 80)
monatlich, lässt eine Verminderung der Rückstände nicht erwarten. Die Sperre ist auch
im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Verfügungsklägerin nicht
unverhältnismäßig, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die
Verfügungsklägerin selbst schon seit August 2005 von einer möglichen Sperre des
Wasseranschlusses Kenntnis hatte. Insoweit begegnet es auch keinen durchgreifenden
Bedenken, dass die Verfügungsbeklagte den Wasseranschluss aufgrund Rückständen
aus dem Vertragsverhältnis über Strom gesperrt hat. Auch unter Berücksichtigung der
Konnexität gemäß § 273 BGB reicht ein einheitliches Lebensverhältnis aus, auf
welchem die verschiedenen Ansprüche beruhen. Dies ist vorliegend bei den
unterschiedlichen Versorgungssparten, wenn der Anspruchsinhaber dasselbe
Versorgungsunternehmen ist.
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III. Ein eigener vertraglicher Anspruch zwischen der Verfügungsklägerin und der
Verfügungsbeklagten besteht nicht. Möglich wäre allenfalls, dass die
Verfügungsbeklagte verpflichtet wäre, Einzelverträge mit den einzelnen Mietern
abzuschließen und sie bei unberechtigter Verweigerung nicht berechtigt wäre, den
Wasseranschluss zu sperren. Jedoch ist dabei – unabhängig von der Frage, ob eine
solche Einzelleitung technisch vorliegend realisierbar ist, wie die Beklagte in der
mündlichen Verhandlung bestritten hat – zu beachten, dass dann das
Zurückbehaltungsrecht der Verfügungsbeklagten gegenüber ihrem eigenen
Vertragspartner ausgehöhlt werden würde: Die Wasserzufuhr wäre ermöglicht, obwohl
das Versorgungsunternehmen im Verhältnis zu ihrem Vertragspartner zur
Zurückbehaltung berechtigt wäre (vgl. LG Frankurt a. M., a. a.O.).
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IV. Zudem ist auch der Verfügungsgrund nicht gegeben: Zwar ist in der Sperre der
Wasserversorgung i. d. R. ein wichtiger Grund zu sehen. Das erkennende Gericht
verkennt nicht die Notwendigkeit der Versorgung mit Frischwasser. Allerdings kann die
Eilbedürftigkeit dann entfallen, wenn der Betroffene selbst länger zuwartet, um sein
Recht im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Davon ist hier
auszugehen. Zwar mag man auf den Zeitpunkt der letzten beabsichtigten Sperre vom
07.06.2006 ausgehen. Jedoch ließe man dabei unbeachtet, dass die
Verfügungsklägerin schon im August 2005 einen gleichlautenden Verfügungsantrag mit
dem gleichen Sachverhalt eingereicht hat, den sie nach ihrer Darstellung aufgrund
fehlender Passivlegitimation zurückgenommen hat. Dann hätte es nahe gelegen eine
entsprechende Verfügung spätestens im Januar 2006 nach der ersten durchgeführten
Sperre zu veranlassen. Entsprechendes erfolgte nicht, sondern die Wasserzufuhr wurde
eigenmächtig – von unbekannten Personen – wieder hergestellt. In dem gesamten
Zeitraum wäre es der Verfügungsklägerin möglich und auch zumutbar – immerhin
existiert das Problem schon seit mind. neun Monaten – ggf. ein Hauptsacheverfahren
anzustrengen und durchzuführen.
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Streitwert: Euro 2.000
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