Urteil des AG Bonn vom 03.12.2009

AG Bonn (gegen die guten sitten, kläger, höhe, tatsächliche vermutung, gegenleistung, leistung, missverhältnis, zpo, betrag, zahlung)

Amtsgericht Bonn, 2 C 237/08
Datum:
03.12.2009
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
2. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 C 237/08
Schlagworte:
Schlüsseldienst, Notöffnung
Normen:
BGB § 138
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 20.11.2008 (2 C
237/08) wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte
verurteilt wird, an den Kläger 654,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2008 zu zahlen,
und dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil
richtet.
Darüber hinaus wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 17,00
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 20.07.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger verlangt von dem Beklagten Rückerstattung eines Teilbetrages, den er an
den Beklagten, der durch einen Mitarbeiter die Wohnungstür des Klägers hat öffnen
lassen, gezahlt hat. Der Kläger ist Mieter einer Wohnung in der K-Straße ## in C, der
Beklagte ist Inhaber eines Schlüsselnotdienstes. Am 08.11.2007 fiel dem Kläger die
Eingangstür zu dessen Wohnung in C zu. Der herbeigerufene Mitarbeiter des Beklagten
war zwischen 16.50 Uhr und 20.30 Uhr des genannten Tages mit der Türöffnung befasst
und nahm eine zerstörende Auswechslung des Türschlosses vor. Hierbei wurde ein
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Riegelbruch festgestellt. Anschließend präsentierte der Monteur des Beklagten dem
Kläger eine Rechnung in Höhe von 944,86 Euro, die sich wie folgt zusammensetzte:
1 Pzl 35x50 Dom: 98,50 Euro
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1 Einsteckschloss 65x62: 68,50 Euro
4
1 Sicherheitsbeschlag 65x72: 148,50 Euro
5
4 Monteurstunden zu je 60,00 Euro: 240,00 Euro
6
3 x Spätzuschlag zu je 60,00 Euro: 180,00 Euro
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1 Hartmetallfräser: 30,00 Euro
8
1 Kfz-Kostenpauschale: 28,50 Euro
9
Zwischensumme: 794,00 Euro
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Mehrwertsteuer 19 %: 150,86 Euro
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Total: 944,68 Euro.
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Diesen Betrag beglich der Kläger vor Ort in bar.
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Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15.04.2008 wurde der
Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 654,86 Euro bis zum 01.05.2008 aufgefordert.
Eine Zahlung des Beklagten erfolgte jedoch nicht.
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Der Kläger ist der Ansicht, Opfer eines wucherischen Rechtsgeschäftes geworden zu
sein, bei dem Beklagte das mehr als zweihundertfache über dem ortsüblichen Betrag
berechnet habe. Dies verstoße gegen die guten Sitten, so dass der Beklagte in Höhe
eines Betrages von 671,86 Euro ungerechtfertigt bereichert sei.
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Auf Antrag des Klägers ist am 20.11.2008 ein Versäumnisurteil erlassen worden, mit
dem der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 654,86 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen.
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Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am
27.11.2008 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 01.12.2008 eingegangen
Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und den Beklagten zu verurteilen, an ihn
weitere 17,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Sachverständigen für mechanische Sicherheitstechnik W T sowie Einholung einer
ergänzenden Stellungnahme. Wegen des Inhalts wird auf das bei den Akten befindliche
Gutachten, bzw. die bei den Akten befindliche Stellungnahme Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in der Hauptsache in vollem Umfang begründet.
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Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 20.11.2008
ist der Prozess in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden, § 342 ZPO. Der
Einspruch ist nämlich zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der
§§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.
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Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 671,86 Euro aus
§ 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Alternative BGB zu. Denn der zwischen den Parteien
geschlossene Werkvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Absatz 1 BGB
nichtig. Ein Vertrag ist dann sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis von
Leistung und Gegenleistung sowie eine verwerfliche Gesinnung besteht. Bei einem
besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht nach
der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher
Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung subjektiver Voraussetzungen
entbehrlich macht und die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründet (BGH NJW 1992,
899). Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt
vor, wenn der Wert der Leistung "knapp" doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung
(BGH NJW 2007, 2841).
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Ein solches besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist
im vorliegenden Fall gegeben. Der Sachverständige T hat in seinem Gutachten vom
09.06.2009 ermittelt, dass bei einer Notöffnung durch Zerstörung und Verwendung der
jetzt montierten Ersatzteile folgende Kosten ortsüblich durchschnittlich entstanden
wären:
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Zylinder 35i/ 50a: 48,00 Euro
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Schild: 95,00 Euro
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Schloss 72/65/20: 30,00 Euro
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Montage inklusive Demontage max. 2 Stunden zu je 50,00 Euro: 100,00 Euro
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Gesamtpreis: 273,00 Euro.
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Dass dieser Preis ortsüblich ist, hat der Sachverständige T in seiner Stellungnahme
vom 24.09.2009 dadurch plausibel gemacht, dass er 3 Schlüsseldienstunternehmen, die
Notöffnungen tagtäglich durchführen, zur Abgabe entsprechender Angebote
aufgefordert hat, wobei diese Schlüsseldienste auch im Branchenbuch aufgeführt sind.
Hierzu hat er den 3 Schlüsseldienstunternehmen die Parameter der Situation des
Klägers am 08.11.2007 mitgeteilt. Eines der Schlüsseldienstunternehmen ist in L
ansässig und ist vom Sachverständigen deshalb zur Angabe eines Angebots
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aufgefordert worden, um die Durchschnittlichkeit der Preise auch bei längerer Anreise
zu verdeutlichen. Die Gesamtpreise der 3 lokalen Schlüsseldienstunternehmen
belaufen sich nach Bruttopreisangaben unter Beachtung der ausgetauschten
Materialien laut Rechnungsstellung des Beklagten auf folgende Werte:
H-E GmbH: 255,90 Euro
C1 T1: 169,66 Euro
L1 T2 S: 329,00 Euro.
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Der ermittelte Durchschnittspreis unter Zugrundelegung dieser 3 Angebote beläuft sich
sogar auf nur 251,00 Euro. Gleichwohl hat der Sachverständige zugunsten des
Beklagten ortsübliche Durchschnittskosten von 273,00 Euro zugrundegelegt.
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Damit hat der Beklagte dem Kläger das 3,5 fach dessen berechnet, was für eine solche
Reparaturleistung ortsüblich und angemessen ist. Nach den vom BGH aufgestellten
Kriterien ist die weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entbehrlich. Der
Beklagte kann vom Kläger nur den objektiven Wert der von ihm erbrachten Leistungen
beanspruchen, der nach den Feststellungen des Gutachtens maximal 273,00 Euro
beträgt. Dieser Betrag ist von der Rechnungssumme in Höhe von 944,86 Euro
abzusetzen, so dass ein vom Beklagten zurück zu gewährender Betrag von 671,86 Euro
verbleibt.
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Der Zinsanspruch gegen den Beklagten folgt aus den §§ 280 Absatz 2, 288 Absatz 1
BGB, wobei bezüglich des ursprünglich beanspruchten Betrages von 654,86 Euro
Schuldnerverzug erst ab dem 02.05.2008 eingetreten ist. Der Schuldnerverzug
bezüglich des im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Betrages von
weiteren 17,00 Euro ist erst mit Rechtshängigkeit, also erst am 20.07.2009 eingetreten.
Darüber hinausgehende Zinsansprüche sind unbegründet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung des
Klägers verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Gegenstandswert: 671,86 Euro.
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