Urteil des AG Bonn vom 03.04.2002

AG Bonn: paket, treu und glauben, agb, international, ohg, postverwaltung, beförderung, weltpostvertrag, frachtvertrag, firma

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Amtsgericht Bonn, 9 C 396/01
03.04.2002
Amtsgericht Bonn
Abteilung 9
Urteil
9 C 396/01
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 Euro
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung darf auch in Form einer
selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen
Bürgschaft einer deutschen Großbank erbracht werden.
Tatbestand:
Die Firma H2 OHG ließ am 2.8.2000 ein Paket durch die Beklagte nach Trinidad
versenden. Die Firma H2 OHG gab als Wert 1000,-DM an und das Paket wurde als
Premium-Wertpaket behandelt. Die Sendung kam nicht bei dem Empfänger in Trinidad an.
Die Beklagte erstattete der H2 OHG mit Schreiben vom 7.2.2001 aufgrund des
angenommenen Verlustes 1047,-DM. Am 14.3.2001 machte die H2 OHG 7120,40 DM bei
der Klägerin, eine Transportversicherung, geltend. Einen Betrag von 7159,40DM forderte
die Klägerin sodann von der Beklagten aus übergegangenem Recht ein. Mit Schreiben
vom 18.4.2001 lehnte die Beklagte eine Haftung ab.
Die Klägerin behauptet, Transportversicherer der H2 OHG (VN) zu sein. Das Paket habe
eine Partie Schmuck im Wert von insgesamt 8280,59 DM enthalten; sie habe ihrer VN den
Schaden von 7159,40 DM erstattet.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagte die Ablieferung des Paketes an den
Empfänger in Trinidad schulde. Die Beklagte hafte nach den Vorschriften des
Handelsgesetzbuches. Eine Berufung auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
sei der Beklagten nicht möglich, da diese nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden
seien. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die Beklagte könne mit den zu den Akten
gereichten Quittungen und Übergabenachweisen eine Übergabe des konkret vermißten
Paketes an die Luftfracht nicht beweisen. Daher kämen auch keine
Haftungsbeschränkungen aus dem Weltpostvertrag in Betracht. Darüberhinaus sei dieser
ohnehin nicht anwendbar, unter anderem weil die Beklagte durch die Privatisierung nicht
mehr als "Postverwaltung" zu qualifizieren sei und Trinidad nicht Mitgliedstaat des
Weltpostvertrages sei.
Desweiteren ist die Klägerin der Meinung, daß ihre VN nicht verpflichtet gewesen sei, die
Beklagte auf den tatsächlichen Wert des Paketes hinzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 7159,40 DM nebst 9,12% Zinsen seit dem 19.4.2001 zu
bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung ihr
zu gestatten, die Sicherheit auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer
deutschen Bank oder Sparkasse leisten zu dürfen.
Die Beklagte behauptet, daß der Betrag von 1047,-DM aus Kulanzgründen von ihr gezahlt
worden sei, da Schmuck laut ihrer AGB Paket International von der Beförderung
ausgeschlossen sei, und daher gar keine Verpflichtung zur Ersatzzahlung bestanden habe.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, daß die Klägerin Transportversicherer der H2 OHG
ist sowie daß in dem Paket Schmuck im Wert von 8280,59 DM enthalten gewesen sei . Mit
Nichtwissen bestreitet sie ferner, daß der Betrag von der Klägerin reguliert worden sei. Die
Beklagte behauptet, der Verlust sei nicht eingetreten, als das Paket noch in ihrem
Gewahrsam war. Die Sendung sei am 11.8.2000 mit der Kartenschluß-Nr.91 an die
ausländische Postverwaltung übergeben worden. Die Übergabenachweise würden nur
erstellt, wenn beim Ausgangsscan die gezeichnete Sendung tatsächlich mit dem mit
Kartenschluß verschlossenen Postsack verladen werde.
Die Beklagte ist der Ansicht, daß sich die Haftung nicht nach dem HGB richte, sondern
vielmehr der Weltpostvertrag mit seinem Postpaketabkommen anwendbar sei. Dieser sei
mindestens wirksam über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Paket International
einbezogen worden. Sie ist der Ansicht, daß ihre Haftung gemäß Art.26 I des
Postpaketabkommens beim Verlust der Sendung auf den angegebenen Wert als
Höchstbetrag beschränkt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Regreß-Anspruch auf Zahlung von 7159,40 DM gegen die
Beklagte. Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma H2 OHG (VN). Sie hat den
Schaden der VN in Höhe von 7159,40 DM reguliert. Dies steht zur Überzeugung des
Gerichts anhand der zu den Akten gereichten Abfindungs- und Abtretungserklärung der VN
an die Klägerin fest. Die VN hat darin der Klägerin die Zahlung bestätigt und ihr die Rechte
aus dem Schadensfall abgetreten. Auf der Erklärung wurde eine Policen-Nummer
angegeben. Es ist kein Grund ersichtlich oder vorgetragen worden, der die Richtigkeit
dieser Erklärung in Frage stellen könnte. Aus der Erklärung geht damit hervor, daß die
Klägerin als Transportversicherer für die H2 OHG handelte und dieser den Schaden ersetzt
hat.
Gemäß Ziffer 4 Abs.I der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Paket International der
Beklagten ist diese verpflichtet, "die Pakete zu befördern und den beteiligten
ausländischen Unternehmen zur Weiterbeförderung und Ablieferung an den jeweiligen
Empfänger zu übergeben." Die AGB Paket International sind wirksam in den Frachtvertrag
vom 2.8.2000 einbezogen worden. Gemäß §24 AGBG findet §2 AGBG, der die
Einbeziehung von AGB in den Vertrag regelt, keine Anwendung. Die VN der Klägerin, der
gegenüber die AGB Paket International verwendet würden, handelte bei Abschluß des
Frachtvertrages in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit, d. h. in ihrer Funktion als
Unternehmerin. Die Firma H2 OHG verkauft Schmuck in die ganze Welt. Dies ist anhand
der unterschiedlichen internationalen Lieferorte aus dem Frachtvertrag ersichtlich. Der
Abschluß des vorliegenden Frachtvertrages gehörte zum Betrieb des Handelsgewerbes
der VN, da sie eine Partie Schmuck nach Trinidad versenden wollte. Daß sich in dem
Paket tatsächlich Schmuck im Wert von 8280,59 DM befand, ergibt sich aus der zu den
Akten gereichten Rechnung im Zusammenhang mit dem Frachtvertrag. Die Rechnung
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enthält eine Liste verkaufter Schmuckstücke, sowie eine Lieferadresse, nämlich Port of
Spain Trinidad. Diese Adresse findet sich auf dem Auftrag zur Paketbeförderung wieder.
Das Paket wurde auf dem Auftrag auch als Premium-Wertpaket gekennzeichnet. Es sind
keine Anhaltspunkte von der Beklagten vorgetragen, die auf einen anderen Inhalt des
Paketes hinweisen.
Aufgrund des Ausschlusses des §2 AGBG mußte die Beklagte weder ausdrücklich auf ihre
AGB hinweisen noch die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme verschaffen. Dennoch
sind die AGB wirksam einbezogen worden. Aufgrund der Branchenüblichkeit der AGB der
Beklagten ergibt sich nämlich ein konkludenter Einbeziehungswille der Beklagten und ein
konkludentes Einverständnis der VN. Eine Branchenüblichkeit der AGB der Beklagten liegt
vor, da die AGB allgemein bei der Postbeförderung benutzt werden und ein
entsprechendes Bewußtsein bei den Kunden besteht. Es handelt sich bei der
Paketbeförderung auch um ein typischerweise zur Branche gehörendes Geschäft und für
die verwendende Beklagte war die VN eine branchenkundige Person. In der Branche der
Paketbeförderung hat sich eine Verkehrssitte derart gebildet, daß der Vertrag nur unter
Einbeziehung der AGB geschlossen wird. Die Auslegung eines Vertrages und seiner
Elemente, der Willenserklärungen, hat gemäß §157 BGB nach Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfolgen. Da die Verweisung auf ihre AGB Teil der
Vertragserklärungen ist, vermag die Verkehrssitte, nach der in einer Branche üblicherweise
Verträge nur unter Zugrundelegung von AGBs geschlossen werden, die
Vertragserklärungen insoweit zu ergänzen. Die Berücksichtigung der Verkehrssitte setzt
nach §157 BGB voraus, daß der Vertragspartner mit der Geltung der AGB bei
Vertragsschluß rechnen mußte. Nur dann läßt sich nämlich die Vertragserklärung nach
Treu und Glauben dahingehend auslegen, daß sie das Einverständnis mit den AGB
umfaßt. Die Geltung der AGB beruht auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, da der Kunde im
Rechtsverkehr sein Verhalten so gegen sich gelten lassen muß, wie es nach
Auslegungsgrundsätzen als Ausdruck seines Willens zu werten ist. Sind AGB
branchenüblich, enthält das Vertragsangebot vom Kunden auch das Einverständnis mit der
Einbeziehung.
Die Übergabe der Pakete an das weiterbefördernde Unternehmen D ist erfolgt.
Dies steht zur Überzeugung des Gerichts anhand der zu den Akten gereichten Unterlagen
fest. Die Klägerin hat die Luftfrachtliste CP 87 vorgelegt, aus der hervorgeht, daß 2 Pakete
mit einem Gesamtgewicht von 3 kg als Wertpakete am Frankfurter Flughafen mit der
Kartenschluß-Nr. 91 zur Versendung nach Port of Spain registriert wurden. Die ebenfalls
dort vermerkten Einlieferungsnummern der Pakete entsprechen denen aus dem
Frachtvertrag vom 2.8.2000, so daß es sich um diese von der VN bei der Beklagten
abgegebenen Pakete handeln muß. Desweiteren bekam die Beklagte eine Quittung
ausgestellt. Aus diesem Übergabenachweis CN 38 geht die Kartenschluß-Nr. 91, der
Bestimmungsort Port of Spain, das Gesamtgewicht der Sendung von 3,1 kg, sowie der
Hinweis, daß es sich um einen einzelnen Postsack handelt, hervor. Daraus wird ersichtlich,
daß die Beklagte die von der VN zur Beförderung ins Ausland an sie herausgegebenen
Pakete mit den entsprechenden Einlieferungsnummern an die AIR X übergeben hat. Die D
hat die Luftfrachtliste CP 87 mit den ausführlichen Angaben des Gewichts und den
genauen Einlieferungsnummern von der ausländischen Postverwaltung in Port of Spain
abstempeln lassen. Dabei ist auf der Liste erkennbar, daß hinter den
Einlieferungsnummern Haken gemacht wurden. Laut Vortrag der Beklagten wird eine
solche Anlage nur erstellt, wenn beim Ausgangsscan die gezeichneten Sendungen auch
tatsächlich mit dem mit Kartenschluß verschlossenen Postsack verladen werden. Aufgrund
dieses Vortrags und den vorgelegten Belegen ist darauf zu schließen, daß das Paket
tatsächlich an die Postverwaltung in Port of Spain übergeben wurde. Weitere
Nachweisemöglichkeiten kann die Beklagte nicht erbringen und sind auch nicht
erforderlich. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was den Beweiswert der Quittungen und
Belege erschüttern könnte.
Durch die ordnungsgemäße und nach Ziffer 4 Abs.I der ABG Paket International der
Beklagten auch nur geschuldete Übergabe des Paketes an die Postverwaltung in Port of
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Spain hat die Beklagte ihre Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag erfüllt.
Darüberhinaus ist eine Haftung der Beklagten auch gemäß Ziffer 6 Abs.II S.3 AGB Paket
International ausgeschlossen. Laut Rechnung an den Schmuckkäufer aus Trinidad handelt
es sich bei dem zu versendenden Schmuck um Goldschmuck mit einem Gesamtwert von
8280,56 DM. In dem Paket befanden sich daher Edelmetalle im Wert von über 1000,-DM.
Gemäß Ziffer 2 Abs.II Nr.7 AGB Paket International sind Pakete von der Beförderung durch
die Beklagte ausgeschlossen, die Edelmetalle im Gesamtwert von mehr als 1000,-DM
enthalten. Die Beklagte war auch gemäß Ziffer 2 Abs.IV AGB Paket International nicht
verpflichtet, die Pakete dahingehend zu überprüfen, ob und in welcher Höhe sich
Wertgegenstände in dem Paket befanden. Es lag allein im Verantwortungsbereich der VN
der Klägerin, die Paketbeförderung von der Beklagten durchführen zu lassen, ohne auf den
besonderen Wert der Sendung hinzuweisen, obwohl eine Wertbegrenzung für Wertpakete
besteht. Die VN hätte in ihrem Interesse und im Interesse einer sicheren Beförderung auf
den tatsächlichen Wert der Lieferung hinweisen können, auch auf die Gefahr hin, daß eine
Beförderung abgelehnt wird und sie sich an ein spezielles Werttransportunternehmen hätte
wenden müssen.
Selbst wenn man eine Haftungsverpflichtung der Beklagten annehmen wollte, würde diese
jedenfalls nicht über den bereits aus Kulanzgründen gezahlten Betrag von 1047,-DM
hinausgehen. Dies ergibt sich zum einen aus Ziffer 6 Abs.I11 Nr.5 AGB Paket International
der Beklagten. Danach ist die Haftung auf den angegebenen Wertbetrag beschränkt. Hier
hatte die VN der Klägerin den Höchstbetrag von 1000,-DM als Wert des Paketes
angegeben. Der Vortrag der Klägerin, daß die Beklagte in ihren AGB gar keinen höheren
Wertbetrag zuließe, spricht nicht gegen die grundsätzliche Zulässigkeit dieser
Haftungsbeschränkung. Wie bereits ausgeführt, hätte die VN der Klägerin durchaus ein,
womöglich zwar teureres Werttransportunternehmen beauftragen können, wo sie den
tatsächlichen Wert bei wahrheitsgemäßer Angabe dann möglicherweise ersetzt bekommen
hätte. Insbesondere hätte die VN durch ehrliche Angaben der Beklagten die Gelegenheit
geben können, eine sicherere Transportmöglichkeit zu empfehlen oder jedenfalls die
Beförderung gänzlich auszuschliessen gemäß Ziffer 2 Abs.II1 Nr.1 AGB Paket
International. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte, die von dem höheren als
zulässigen Wert des Paketes nichts wußte, bei Verlust dieser Sendung den tatsächlichen
Wert haften sollte.
Die Haftungsbeschränkung auf den angegebenen Wert ergibt sich zum anderen auch aus
Art.26 Ziffer 1, Ziffer 3.1 des Postpaketabkommens zum Weltpostvertrag (PPA zum WPV),
das aufgrund des Gesetzes vom 28.1.1986 Gesetzeskraft erlangt hat, in Verbindung mit
Art.311 des Zustimmungsgesetzes vom 14.9.1994. Da die Beklagte das Paket mit der
Kartenschluß-Nr. 91 ordnungsgemäß an die Luftfracht übergeben hat, und diese das Paket
an die ausländische Postverwaltung in Port of Spain befördert hat, findet der
Weltpostvertrag mit seinem Postpaketabkommen Anwendung (Art. RE 4201ff. VZO WPV).
Dem Vortrag der Klägerin, Trinidad sei kein Mitgliedstaat des Weltpostvertrages, ist
entgegenzusetzen, daß der Weltpostvertrag mit dem Postpaketabkommen für Trinidad am
16.10.1992 in Kraft getreten ist ( vgl. BGBl. 1993 Teil II, Seite 231). Die Privatisierung der
Beklagten, sowie die Reform des Transsportrechts sind für die Weitergeltung des
Postpaketabkommens unerheblich (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.7.2001, Az. 15 U
26/01). Desweiteren sind die Bestimmungen des Weltpostvertrages laut klägerischem
Vorbringen vorliegend nur bei deren wirksamer Einbeziehung mittels AGB anwendbar.
Dies ist hier aber gemäß Ziffer 1 Abs.III AGB Paket International zusätzlich geschehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 7.159,40 DM = 3660,54 Euro