Urteil des AG Bochum vom 22.12.2009

AG Bochum (erklärung, höhe, negative feststellungsklage, rüge, zpo, aufgabe, miete, feststellungsklage, wohnung, kläger)

Amtsgericht Bochum, 63 C 134/09
Datum:
22.12.2009
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
63. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
63 C 134/09
Schlagworte:
Mietstreitigkeit
Tenor:
In einem Zivilrechtsstreit
hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.2009
durch den Richter am Amtsgericht
für Recht er¬kannt:
I. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn die Beklagte nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d:
Die Klägerin ist Mieterin der Beklagten. Die monatliche Miete, bei der es
sich um eine Teilinklusivmiete handelt, beläuft sich zuzüglich
Betriebskostenvorauszahlungen seit Dezember 1986 auf monatlich
281,96 €; nicht in diesem Betrag enthalten ist die Garagenmiete. Es
handelte sich früher um ein Mietverhältnis über preisgebundenen
Wohnraum. Verschiedene Rechtsvorgängerinnen der Beklagten
nahmen die Klägerin mehrfach wegen Mieterhöhungen und auf
Nachzahlung von Nebenkosten in Anspruch; diese Prozesse wurden
sämtlich zugunsten der Klägerin entschieden. Zuletzt wies das
Amtsgericht Bochum durch Urteil vom 03.05.1993 (47 C 514/92) eine
Zahlungsklage der ...... mit der Begründung ab, die gegenüber der
Klägerin abgegebenen Mietänderungserklärungen und
Betriebskostenabrechnungen entsprächen nicht den Anforderungen des
§ 10 Abs. 1 WoBindG.
Die Beklagte, die seit Anfang 2008 Eigentümerin ist, mahnte wiederholt
Mietrückstände – auch aus Betriebskostenabrechnungen – an und
übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 18.12.2008 eine Aufstellung,
nach welcher die Klägerin angeblich 3.492,54 € schulde. In dieser
Aufstellung ging die Beklagten von einer monatlichen Miete (ohne
Garagenmiete) von 377,75 € aus.
Mit Schreiben vom 22.12.2008 forderte die Klägerin die Beklagte
vergeblich dazu
auf, ihr zu bestätigen, das die Forderung nicht bestehe.
Mit der vorliegenden Klage beansprucht die Klägerin die Feststellung,
dass sie nicht
zur Zahlung von 3.492,54 € verpflichtet ist und dass sie ferner nur dazu
verpflichtet ist,
eine Teilinklusivmiete in Höhe von 215,21 € zuzüglich 66,75 €
Betriebskostenvorauszahlungen, insgesamt 281,96 €, zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin während des Rechtsstreits mit Schreiben
an ihre
Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2009 mitgeteilt, sie mache den
Mietrückstand
von 3.492,54 € nicht mehr geltend und bestätige der Klägerin ferner, das
sie für die Wohnung derzeit nur eine Miete in der von der Klägerin im
Einzelnen
dargelegten Höhe von 281,96 € schulde.
Die Parteien streiten darum, ob das Feststellungsinteresse der Klägerin
durch
diese Erklärung entfallen ist.
Die Klägerin trägt vor:
Das Feststellungsinteresse sei nicht entfallen, da die Beklagte die
Klageanträge
nicht anerkannt habe. Die Ausführungen der Beklagten in den Schreiben
vom
28.10.2009 seien auch nicht eindeutig; die Erklärung der Beklagten
reiche nicht
aus. Zudem habe die Beklagte noch nicht einmal behauptet, dass ihre
Prozessbevollmächtigten zur Abgabe der Erklärung bevollmächtigt
gewesen seien; sie bestreite das Vorliegen einer Prozessvollmacht.
Die Klägerin beantragt,
1.) festzustellen, dass sie nicht dazu verpflichtet sei, für die von ihr
im Hause in Bochum bewohnte Wohnung
einen Zahlungsrückstand gemäß dem Kontoauszug der Verwalterin in
Höhe von 3.492,54 € zu zahlen,
2.) festzustellen, dass sie lediglich verpflichtet ist, für die von ihr im
Hause
in Bochum bewohnte Wohnung neben einer
Teilinklusivmiete in Höhe von 215,21 € monatliche Vorauszahlungen
für die Betriebskosten in Höhe von 32,60 € und für Heizung und
Warmwasser
in Höhe von 34,15 €, somit monatlich insgesamt 281,96 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, das Feststellungsinteresse der Klägerin sei durch
ihre
während des Rechtsstreits abgegebene Erklärung entfallen. Zudem
handelte es sich bei der Frage der Miethöhe ohnehin nicht um ein
konkretes gegenwärtiges Rechtsverhältnis, sondern nur um eine bloße
Vorfrage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den
Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die protokollierten
Erklärungen
Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage war als unzulässig abzuweisen, weil das für eine
Feststellungsklage gemäß
§ 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht besteht.
Auf die Rüge der Klägerin hat die Beklagte mit dem nachgelassenen
Schriftsatz vom 14.12.2009, der per Fax am 15.12.2009 bei Gericht
eingegangen ist, eine Prozessvollmacht vorgelegt. Dahinstehen kann
deshalb, ob die erstmals im Termin erhobene Rüge der mangelnden
Vollmacht durch Klägerin ausnahmsweise wegen Verspätung
zurückzuweisen gewesen wäre. Die Rüge kann gemäß § 88 Abs. 1 ZPO
zwar grundsätzlich in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden,
gleichwohl kann die
Rüge wegen Verspätung unbeachtlich sein.
Dahinstehen kann gleichfalls, ob die erhobene Feststellungsklage,
soweit es um die
Miethöhe geht, von vornherein unzulässig war, weil die Frage der
Miethöhe kein
gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO
darstellt, sondern nur die Berechnungsgrundlagen bzw. eine Vorfrage
eines derartigen Rechtsverhältnisses betrifft.
Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist jedenfalls dadurch entfallen,
dass die
Beklagte der Klägerin während des Rechtsstreits durch ihre
Prozessbevollmächtigten
mit Schreiben vom 28.10.2009 mitgeteilt hat, sie mache den
vorgerichtlich geltend gemachten Mietrückstand von 3.492,54 € nicht
mehr geltend und sie bestätige der
Klägerin ferner, dass diese derzeit nur eine Miete in der von der Klägerin
angegebenen Höhe schulde.
Der Auffassung der Klägerin, diese Erklärung sei für den Wegfall des
Feststellungsinteresses nicht ausreichend und die Beklagte hätte ein
Anerkenntnis abgegeben müssen, vermag das Gericht sich nicht
anzuschließen.
Unter welchen Umständen das Feststellungsinteresse wegfällt, wenn
sich jemand eines Anspruchs berühmt hat und diese Berühmung aufgibt,
ist Tatfrage und richtet sich daher nach dem Umständen des Einzelfalls
(vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 25.07.2002, 3 U 322/01, nachlesbar bei
Juris). Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein bloßer Verzicht auf
die Berühmung eines Unterlassungsanspruchs, der jederzeit wieder
rückgängig gemacht werden könne, nicht ausreiche; ausreichend sei
aber endgültige und ernstliche Aufgabe der Berühmung durch eine
entsprechende verbindliche Erklärung (a.a.O.). Das OLG Saarbrücken
(OLGR Saarbrücken 2005, 553, nachlesbar bei Juris) hat entschieden,
dass die Aufgabe des Berühmens das Feststellunginteresse für eine
negative Feststellungsklage nur entfallen lässt, wenn der Kläger
endgültig gesichert ist, er also nicht mehr besorgen muss, dass der
Anspruch erneut gegen ihn geltend gemacht wird. Letzteres kann nach
Auffassung des erkennenden Gerichts allerdings nicht bedeuten, dass
die endgültige Sicherung des Klägers stets nur in einem Urteil liegen
kann. Wenn das Feststellungsinteresse durch Handlungen des
Beklagten entstanden ist, muss es auch durch Handlungen des
Beklagten wieder entfallen können. Eine bloße Aufgabe des Berühmens
reicht für sich gesehen nicht aus, weil der Beklagte dann nicht daran
gehindert wäre, sich später erneut des Anspruchs zu berühmen. Eine
eindeutige und verbindliche schriftliche Erklärung des Beklagten des
Inhalts, dass ihm der Anspruch nicht zusteht, geht über eine bloße
Aufgabe des Berühmens jedoch hinaus und sichert den Kläger auch, so
dass in diesem Falle das Feststellungsinteresse entfällt.
Nach diesen Maßstäben erscheint die Erklärung der Beklagten vom
28.10.2009 jedoch ausreichend. Die Erklärung ist nicht nur mündlich,
sondern schriftlich erfolgt und sie ist jedenfalls bezogen auf die Fragen,
deren Feststellung die Klägerin begehrt, eindeutig. Dem steht nicht
entgegen, dass die Beklagte die Auffassung vertreten hat, sie sei
zukünftig zu einer Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen
berechtigt. Denn diese Frage ist nicht Gegenstand der Klage. Die
Erklärung der Beklagten sichert die Klägerin ausreichend dagegen, dass
die Beklagte den Mietrückstand von 3.492,54 € später erneut geltend
machen und sich auf den Standpunkt stellen könnte, es sei derzeit doch
eine andere Miethöhe als 281,96 € vereinbart bzw. gültig; dem
gegenüber könnte die Kläger sich ohne Weiteres und mit Erfolg auf die
Erklärung der Beklagten berufen.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten waren auch dazu
bevollmächtigt,
diese Erklärung abzugeben. Dies folgt aus der nunmehr
nachgewiesenen
Prozessvollmacht. Die Erklärungen betreffen exakt den Prozessstoff und
nicht Dinge, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits und deshalb von
der Prozessvollmacht nicht umfasst sind.
Nach alledem war die Klage als unzulässig abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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